Full text: Fuldaer Zeitung (1915)

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nt 6. Moroen-busoabe. 
Donnerstag äen 2h Januar 1915. 
Ler deutsche Tagesbericht, 
vlb Großes Hauptquartier, 20. Jan. 
1915, vormittags. (Amtliches Telegramm.) 
Westlicher Kriegsschauplatz: 
Im Abschnitt zwischen Küste und Lhs 
fanden nur Artilleriekämpfe statt. 
Bei Notre Dame de Lorette, nord¬ 
westlich Arras, wurde dem Feinde ein 
200 Meter langer Schützengraben 
entrissen, dabei sind zwei Maschinen¬ 
gewehre erbeutet und einige Ge¬ 
fangene gemacht. 
In den Argon neu nahmen unsere 
Truppen einige feindliche Schützen¬ 
gräben. An einer Stelle betrug unser 
Geländegewinn der letzte» Tagen wieder 
500 Meter. 
Im Walde nördlich Sennheim 
schritt unser Angriff gut fort. Der 
Hirz-Stein wurde genommen, zwei 
Offiziere, vierzig Alpenjäger wurden ge¬ 
fangen genommen. 
Oestlicher Kriegsschauplatz: 
Die Lage im Osien ist unverändert. 
Oberste Heeresleitung. 
Ber Kries im Mn. 
LuWWM auf Die MlW We. 
wtb. Berlin, 20. Jan. 1915. (Amtl. 
Tel.) In der Nacht vom 19. zum 20. Jan. 
haben Marine-Luftschiffe einen An¬ 
griff gegen befestigte Plätze an der 
englischen Küste mit Erfolg unter¬ 
nommen. Hierbei wurden bei nebeligem 
Wetter und Regen mehrfach Bom ben 
geworfen. 
Die Luftschiffe wurden beschoffen, sind 
aber unversehrt zu rückgekehrt. 
Der stellvertret. Chef des Admiralstabs: Behncke. 
Nachdem gestern gemeldet war, daß von der west¬ 
friesischen Insel Ameland aus zwei deutsche Luft¬ 
schiffe wcstwärls fahrend gesehen worden sind, konnte 
man erwarten, baÜ> etwas über einen Luftangriff 
gegen die englische Küste zu vernehmen. Nach einer 
Amsterdamer Meldung aus Terschelling, einer 
Ameland benachbarten Insel, sind nicht zwei, son¬ 
dern drei deutsche Luftschiffe am Dienstag mittag 
dort durchgekcmmen. Wo sie an der englischen Küste 
ihre Bomben abgeworfen und welche Erfolge sie er¬ 
zielt haben, wird man wohl noch erfahren. Wenn 
das nebelige Wetter das überflogene Gebiet dem 
Blick von oben nicht allzusehr entzogen hat, haben 
die Luftschiffe sich jedenfalls in einer Weise betäti¬ 
gen können, daß den Engländern ein heilsamer 
Schrecken in die Glieder gefahren ist. 
Die Angst vor den Zeppelinen. 
Die Furcht vor einem Luftangriff von Zeppelin¬ 
kreuzern und Flugzeugen hat in den Hauptstädten Eng¬ 
lands und Frankreichs zu komplizierten Vorsichtsma߬ 
nahmen geführt. Es wird darüber berichtet: 
:: London, 20. Jan. 1015. Die Polizei erhielt fol¬ 
gende Instruktionen für den Fall eines Luftangriffs: 
Jeder Schutzmann, der Zeuge einer Bombenexplosion 
ist, hat sofort das Alarmzeichen zu geben und, wenn 
nötig, die Feuerwehr zu rufen, sowie möglichst rasch die 
nächste Polizeistation zu verständigen, die ihrerseits die 
Meldung an die andern Polizeistationen, die Haupt¬ 
station und durch diese an die Admiralität und das 
Kriegsamt weiterzugeben hat. Diese sorgt für die wei¬ 
teste Verbreitung des Alarms. Im Falle eines Alarms 
werden Repetierpistolen an die Schutzleute verteilt. 
:: Gens, 20. Jan. 1015. Die Flüge der Zeppeline 
und die kühnen Taten der deutschen Flieger haben den 
Militärgouverneur von Paris veranlaßt, die umfassend¬ 
sten Abwehrmaßregeln zu treffen. 550 Flugappa¬ 
rate versehen den Bewach ungsdien st. Sie 
find jeden Augenblick zur Verfolgung feindlicher Flie¬ 
ger bereit. Jeder Fliegerposten ist telephonisch mit einer 
Schützengrabenlinie an der Front verbunden, und jedes 
Passieren eines feindlichen Fliegers wird von dort um¬ 
gehend signalisiert. In der Nacht wird der Horizont 
von großen elektrischen Scheinwerfern abgeleuchtet, die 
an verschiedenen Punkten aufgestellt wurden. Aus 
Gründen der Sicherheit hat man dagegen auf dem 
Eiffelturm keine Scheinwerfer aufgestellt. Tie Flieger, 
die Paris bewachen, unternehmen auch nachts ErLrn- 
digungs- und Uebungsausflüge. Fortwährend denkt man 
in Paris an die Zeppeline. Sie bilden eine unbekannte 
Gefahr für die Bevölkerung. Für den Fall eines An¬ 
griffs dieser Lufiungeheuer auf Paris haben alle Flie¬ 
ger des Abwchrdienstes genaue Instruktionen erhallen. 
Sie sollen sich über die Zeppeline erheben und stch mit 
rhren Flugzeugen auf diese niederfallen lassen. 
Eine intereffante Enthüllung. 
Bon der Erkenntnis, daß Frankreich in dem ver¬ 
zweifelten Kriege gegen Deutschland eher Englands 
Geschäfte besorgt als seinen eigenen Vorteil wahrt, 
scheinen sich nach und nach weitere fran ösische 
Kreise durchdrrngen zu lassen. Schon wird öffent¬ 
lich erörtert, welchen wirtschaftlichen Vorteil Eng¬ 
land bereits auf Kosten Frankreichs ernte, und von 
da bis zu einem an die Wurzel der Tinge gehenden 
Warum? und Wie lange noch? ist es bei den schon 
so weit in der Erkenntnis Vorgedrungenen nicht 
mehr zn weit. Und wenn sic erst alles wüßten! 
Einen merkwürdigen Blick hinter die englisch- 
französischen Kulissen gewährt der Schluß 
eines Brieses aus Spanien, den die „Kölnische Zei¬ 
tung" veröffentlicht. Der Bericherstatter gibt da 
Kenntnis von einem Vorgänge, der sich Anfang 
September beim deutschen Vorstöße gegen Pa¬ 
ris ereignete und trotz ängstlicher Verheimlichung 
zur Kenntnis beschränkter Kreise gelangt ist. Man 
liest da: 
Damals hatte Frankreich aufrichtige Frie¬ 
denswünsche und beauftragte einen Diploma¬ 
ten einer neutralen Macht, in diesem Sinne 
vorbereitende Anträge in die Wege zu leiten. Jener 
Diplomat, der vordem in London tätig gewesen 
war irnd dort um den Finger gewickelt wurde, hatte un- 
begreiflicherwcise nichts Eiligeres zu tun, als dem eng¬ 
lischen Botschafter in Paris fein Geheim¬ 
nis zu verraten, das in London eine ungeheure 
Aufregung Hervorriff. Kitchener wurde nach Frankreich 
geschickt und entriß der Pariser Regierung unter der 
Drohung einer sofortigen B e s ch i e tz u n g der 
französischen Küste den bekannten Vertrag, nur 
im Einverständnis mit England Frieden zu schließen. 
Jener hohe Diplomat mußte gehen. Frankreich aber, 
das stolze Land einer wohlbewaffneten Deinokratie, 
mußte sich dazu erniedrigen für die englischen 
Rüstungslords unter Einschüchterungen ferne Va- 
sallendienste fortsetzen, an denen es allmäh¬ 
lich verblutet. 
Die Mitteilung wird unter Berufung auf einen 
offenbar damals in Paris täftgen Diplomaten einer 
vermutlich nicht unbedeutenden neutralen Macht 
mit einer Bestimmtheit vorgetragen, daß man sie nicht 
übersehen kann. Mag sich auch seit jenem Zeit¬ 
punkte der französischen Bedrängnis im Felde eini¬ 
ges geändert haben, von der Drohung Englands 
her, die Frankreich nötigte, den Soldaten Englands 
zu spielen, muß ein Stachel in der französischen 
Brust zurückgeblieben sein, und dieser Stachel muß 
sich je länger desto mehr fühlbarer machen. 
Der französische Bericht. 
wtb Paris, 10. Jan. 1918. Der Bericht von Diens¬ 
tag nachmittag 3.30 Uhr lautet: In Belgien Schnee- 
sturm und zuweilen aussetzende Kanonade. Es schneite 
ebenfalls in der Gegend von Arras. wo unsere schwere 
Artillerie wiederholt die feindlichen Batterien zum 
Schweigen brachte. Wie gestern gesagt wurde, wickelte 
sich in La B o i s e l l e S eine ziemlich heftige Aktion ab. 
woselbst wir infolge einer Feuersbrunst in der Nacht 
vom 17. zum 18. Januar unsere Stellungen räumen 
mußten. Wir besetzten sie wieder am 18. Januar bei 
Tagesanbruch. (Der deutsche amtliche Bericht vom 18. ds. 
Mts. hat demgegenüber festgestellt, daß die Franzosen, 
die sich im Kirchhof und im Gehöft südwestl. La Boiselles 
um zweiten Male festgesetzt hatten, herausgeworfen war¬ 
en feien.) Der Feind hat auf diesem Teile der Front 
seine Angriffe nicht erneuert. Im Abschnitt von S o i s. 
sonS war die Beschießung von St. Paul in der Nacht 
vom 17. zum 18. Januar von keinem Jnfanteriefeuer 
gefolgt, und der Tag des 18. Januar war von einer 
absoluten Ruhe. Im Tale der Aisne im Osten von 
Soifsons und im Abschnitt von Reims Artilleriekämpfe. 
Nördlich von Pont-ä-Mousson nahmen wir ein 
neues Werk im Walde von Le Pretre, wo wir jetzt 500 
Meter deutscher Schützengräben besetzt haben. In den 
Vogesen Schneesturm und Kanonade, besonders im 
Bande-Sept und im Abschnitt von Thann. — 11 Uhr 
abends: Es ist kein besonderer Vorfall zu melden. 
Das Leben in Reims. 
Aus Genf wird dem „Berl. Tagebl." gemeldet: 
lieber das Leben in Reims, das gänzlich unter dem 
Feuer der deutschen Artillerie steht, berichten die 
französischen Blätter: Im ganzen haben die Deut¬ 
schen dieselben Stellungen inne, wie vor vier Mo¬ 
naten. Sie beschreiben einen kreisförmigen Bogen, 
der sich von Cronch bis Prunah über die Höhen von 
Brimont. Fresnes, Berrv und Nogent l'Äbessc er¬ 
streckt. Das wirtschaftliche, finanzielle und Han¬ 
delsleben in Reims ist g l e i ch null. Die Banken 
sind geschlossen, die Gerichte beschäftigungslos. 
Reims ist ohne Licht, ohne Gas und ohne Elektrizi¬ 
tät. Mit seinen verlassenen Straßen, den geschlos¬ 
senen Läden und in der gespensterhaften Finsternis 
macht es einen schrecklichen, öden, ver¬ 
lassenen Eindruck, (ctr. bln.) 
Soifsons als Vorspiel. 
wtb Bern, 19. Jan. 1918. Der „Bund" wrvft zur 
Kriegslage die Frage auf, ob es sich bei den K ä m p f e n 
bei Soifsons um die Offensive der Franzosen 
gehandelt habe, die tunlichst gefördert und ausgenutzt 
werden sollte, um den Generalangriff vorzubereiten, oder 
nur um die Sicherung der Position von 
Soifsons. Das Blatt nimmt aber dann nach der letz¬ 
ten Klarstellung an, daß General Maunnoury in Aus¬ 
führung der Direktive vom 17. Dezember, die wahrschein¬ 
lich von militärischen und auch politischen Erwägungen 
diktiert war, in seinem Abschnitte die Offensive ein¬ 
geleitet hat. Bezüglich der Kräftcfrage meint der 
„Bund": Wenn, wie die Franzosen melden, nur drei 
Brigaden beteiligt waren, dann hätte Maunnoury 
den Angriff mit ganz unzureickendcn Kräften unter¬ 
nommen, und man müsse wiederum fragen, wo denn 
die Reserven waren, um dem Angriffe den nötigen Rück¬ 
halt zu geben, von der rückwärts bereitstehenden Armee 
ganz zu schweigen. Wir glauben daher nicht an diese 
drei Brigaden, sondern halten die von der deutschen 
Seite mttgeteilten Ziffern für richtiger und kommen so 
auf mindestens die doppelte Truppen- 
lärke. Tie Lage der Franzosen bei Soifsons hat sich 
ehr zu ihren Ill-gunsten verickwben, weil sie fast alles 
Terrain nördlich des Flusses verloren hoben. Wenn die 
Franzosen nicht trachten, um jeden Preis das N o r d - 
ufer wiederzugewinncn. wird hier mit einer 
bleibenden Verschlechterunng ihrer Lage zu 
rechnen sein, die sich auf der ganzen A i s n e f r o n t 
fühlbar machen muß. 
Der Kaiser und der Sieg bei Soifsons. 
Der sonst ni Köln als Geistlicher amtierende 
Graf S p e e erklär! in dorthin gelangten Mittei¬ 
lungen aus dem Großen Hauptquartier, daß er dem 
Kailcr das ncucrbuute erste Kapelle iau' ein o-- 
bil gezeigt und mit dem Monarchen gefrühstückt 
habe. Der Graf versicherte, dem Kaiser gehe cs 
sehr gut, und er empfiirde große Freude über 
den Sieg bei Soifsons. Es sei gar nicht 
zu beschreiben, von welchem Mute die deutschen 
Truppen beseelt seien, (ctr. bln.) 
Die Drückeberger in Frankreich. 
wtb Lhon, 19. Jan. 1915. Der „Prcogies de 
Lyon" meldet aus St. Elienne: Eine amtliche Be¬ 
kanntmachung des Loire-Präfeften erklärt, die Mili- 
tärbehöiden seien entschlossen, den Mißbrauch aözu 
stellen, den gewisse zu den Waffen einberusene 
Leute betrieben, indem sie sich ungerechtfertigt von 
dem Frontdienst zurück st eilen und in Fabri¬ 
ken und Werkstätten einstellen ließen, in denen für 
Armeczwecke gearbeitet wird, unter der Angabe, sie 
übten einen Beruf oder ein Handwerk aus, das sie 
in Wirklichkeit nie ausgeübt haben. Die Bekannt¬ 
machung fügt hinzu, es bedürfe hoffentlich nur des 
Hinweises, "um die Drückeberger zu veran- 
lasien, sich sofort zum Frontdienst zu melden. 
Landesverräter aus Friedenssehnsucht. 
Ein Münchener Künstler teilt von der Front aus 
Nordfrankreich folgende Episode mit: Vor einigen 
Tagen erschien der Bürgermeister einer von uns besetz¬ 
ten Ortschaft mit genauer Skizze von Häusern und allem 
Wissenswerten einer Ortschaft, um die wir schon lange 
kämpften, und übergab die Skizze mit dem Bemerken, 
daß sich alle Bewohner (Franzosen) freuten, wenn 
es vorwärts ginge, damit der Krieg ein Ende 
nähme. Ich selbst habe die Zeichnung zum Stabe eines 
Infanterieregiments bringen müssen und habe sie mir 
auch angesehen, (ctr. bln.) 
Der Kries Segen Ranlaal 
Der österreichische Tagesbericht. 
wtb Wien, 20. Jan. 1915. Amtlich wird ge¬ 
meldet: 20. Januar 1915. Die allgemeine Lage ist 
unverändert. An der Front in Polen fanden, 
abgesehen von Patrouilleng. fechten, nur Artillerie¬ 
kämpfe statt. — Am Dunajec beschoß unsere Ar¬ 
tillerie mit Erfolg Abschnitte der feindlichen Jn- 
fanterielinien und erzwang die R ä u m u n g eines 
stark besetzten Meierhofes. Eine eigene Abteilung 
drang bis an den Fluß vor, brachte dem Gegner 
mehrere h u n de r t Mann V e r l n st e bei und 
zerstörte noch die vom Feinde eingebaute 
Kriegsbrücke über den Dunajec. — In den 
Karpathen nur unbedeutende Gefecht?. 
Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabs, 
v. H o e f e r, Feldmarschalleuinant. 
Das Elend in Russisch-Polen. 
wtb Kopenhagen, 20. Jan. 1915. „Warschawski 
Dnewnik" meldet, daß Blonje von den Einwoh¬ 
nern verlassen sei und in der Umgebung der Stadt 
schreckliches Elend herrsche. Die Stadt selbst 
biete ein trauriges Bild. Der stellvertretende Gou¬ 
verneur van Warschau, Gresser, und Medizinalin¬ 
spektor Brand begaben sich nach Blonje, um sich mit 
dem Eharafter der unter der Bevölkerung aufge- 
tretenen Magenkrankheiten bekannt zu machen. 
(Hungertyphus?). Sie stellten aber fest, daß keine 
Gefahr vorliege. 
Bevorstehender RüFzirg 
der Russen in Südpolen? 
Auch aus London wird jetzt, dem „Berl. Tgbl." 
zufolge, gemeldet, man fürchte, die Russen wer¬ 
den in Eüdpolen wiederum 40 Kilometer zu¬ 
rückweichen, und zwar auf der Linie Radom- 
Opatow, östlich der Lysa-Gora. Die Vorbereitungen 
dazu seien getroffen, (ctr. bln.) 
Die glänzende Verteidigung von Przemysl. 
„Pesti Naplo" teilt der „D. Tgzrg." zufolge mit, 
daß er von einem ungarischen Fliegeroffizier, der 
am 10. Januar wieder nach Przemysl flog, folgen¬ 
des erfahren habe: Die Russen haben Teile 
ihrer Einschließungsarmee zurückge¬ 
zogen. Ihre Unternehmungslust gegen die Fe¬ 
stung ist sehr abgeslaut. Dagegen erringen die Be¬ 
lagerten bei ihren Ausfällen stets große Er¬ 
folge. Sie beunruhigen und schwächen den Feind 
ohne Unterlaß.. So unternahmen sie einen Aus¬ 
fall in der Richtung auf Dyrnow, brachten den 
Russen nicht nur eine schwere Niederlage 
bei, sondern nahmen ihnen auch 1200 Gefan¬ 
gene ab, die sie in die Festung einlieferten. Außer¬ 
dem erbeuteten sie die Ausrüstung einer gan en 
Kompagnie russischer Pioniere. Bei ihren Ausfäl¬ 
len pflegen die Belagerten auch in der Regel mas¬ 
senhaft Waffen und Munition zu erbeuten? 
(ctr. bln.) 
Drei rn'fische Regimenter ausgerieben. 
Von ihren: zum westgalizischen Kriegsschauplätze 
entsandten Berichterstatter E. Lennhoff erhält die ,B. 
Z. a. Mff folgenden Drahiber . über die Aufrei¬ 
bung dreier russischer Regimenter bei Zakliezhn: 
Ueber die Kämpfe bei Zakliczyn erfahre ich noch 
folgende Einzelheiten: Tie Russen hielten die dortigen 
Stellungen für einen der Hauptstützpunkte der ganzen 
Front. Sie griffen deshalb unermüdlich immer wieder 
an. Besonders war es ihnen um eine Höhe zu tun. 
zu deren Eroberung ein Waldraum durchschritten werden 
mutzte. Unsere Truppen erhielten davon Kenntnis, daß 
nach mehrtägigen vergeblichen Angriffen zu einer be¬ 
stimmten Nachtstunde ein entscheidender Sturm 
dreier russischer Regimenter erfolgen sollte. Der Ar¬ 
tilleriekommandant ließ nun die gesamte verfügbare 
Artille-i? sich auf den Waldraum einschiet-en und 
42. Zahrgang. 
eröffnete auf diesen ein derartig vernichtendes 
Feuer, daß die drei russischen Regimenter f a st v ö l, 
lig aufgerieben wurden. Allein von einem Ba 
taillon fielen vier Kompagnieführer, (ctr. bln.) 
Pessimismus in Petersburg. 
wtb Petersburg, 19. Jan. 1915. Der Militärkritiker 
der „Nowoje Wrcmja" veröffentlicht über die Kriegslage 
folgende Betrachtungen: Eine Aenderung der Taktik der 
Deutschen in Polen ist vorauszusehen, da sie wahrschein¬ 
lich alle Mittel versuchen werden, um das Schützengra. 
bensystem wie in Flandern zu verhindern. Es ist jedoch 
grundfalsch, annehmen zu wollen, daß die Deut¬ 
schen an den Rückzug denken. Ohne irgendeinen be. 
sonderen Grund werden die Deutschen sicherlich nicht ihre 
starken und von mächtiger Artillerie unterstützten Stell 
lnugen aufgeben, zumal sie auf dem rechten Flügel in 
andauernder Fühlung mit den Oesterreichern sich befin¬ 
den, und hier jeglicher Unterstützung sicher sind. Die 
Stellungen sind so stark, daß die Deutschen, 
selbst wenn sie ihre Offensive aufgeben, hier zur Not 
auch eine Schlacht «nehmen können, wenn sie ihnen rus« 
sischerseits angeboten wird. Es ist jedoch aber nicht ein¬ 
mal wahrscheinlich, daß die Deutschen ihre Offensive ein¬ 
stellen werden. Wir glauben im Gegenteil, daß die 
deutsch-österreichischen Streitkräfte in allernächster Zu¬ 
kunft aus ihrer verhältnismäßigen Ruhe herausgehen 
werden, und daß uns eine allgemeine Vorwärtsbe¬ 
wegung auf der ganzen Front bevorsteht. 
Eine rusiische Fürstin über Rußlands Schicksal. 
Der Brref einer Fürstin aus der höchsten russischen 
Aristokratie und Verwandtschaft des Zaren ist einem 
Freund der „Münchener Post" zur Einsicht überlassen 
worden. Das umfangreiche Schreiben ist am 1. Dezem¬ 
ber abgeschlossen und über Rom nach Deutschland ge¬ 
kommen. Die Fürstin schreibt, daß die russischen 
V e r l u st e in ihren Kreisen bis Ende November und 
nach Angaben des Kriegsministers auf 500 000 Tote 
und 1 300 000 Kranke und Verwundete ge¬ 
schätzt worden seien, und daß deshalb tiefe Trauer in 
allen Schichten der Bevölkerung herrsche. Ueber die Zahl 
der Gefangenen würden gar keine bestimmten Angaben 
gemacht. In den nicht zum engeren Zirkel des Zaren ge¬ 
hörenden Adelskreisen werde die Beteiligung am Kriege 
als Rußlands Unglück bezeichnet, und Verwandte 
des Zaren, vor allem Großfürstinnen deutscher Abkunft, 
die schon vor dem Kriegsausbruch den Einfluß des Gro߬ 
fürsten Nikolai Nikolajewitsch brechen wollten, trachteten 
trotz schlimmer persönlicher Kränkungen neuerdings da¬ 
nach. Bei P o i n c a r e § und Vivianis Peters¬ 
burger Besuch sei die Entscheidung gefal. 
len. Sie sei nach den Absichten der Kriegspartei von 
tswolrki und Benckendorff vorbereitet worden. Dieser 
ibe damals aus London berichtet, daß Englands Ver¬ 
bindung mit Belgien, Portugal und Japan jedes Risiko 
ausschlretze. Einen Haupttrumpf beim Zaren habe der 
Großfürst mit der angeblichen Versicherung BivianiS 
auSgespielt, daß er mit Ausnahme von Jaures die ganze 
Sozialdemokratie geschlossen hinter sich habe, und er da¬ 
für garantiere, daß alle revolutionären Ele¬ 
mente in Rußland während des Krieges ruhig 
bleiben würden. Die Rüstungen mit den franzö¬ 
sischen Milliarden seien unter ausländischer Kontrolle er¬ 
folgt zur Beschämung aller wahren Patrioten. Die 
dunklen Ahnungen jener Großfürstinnen, darunter auch 
der Großfürstin Sergius, die ungeachtet schlimmer per¬ 
sönlicher Kränkungen die Kaiserfamilie vor dem Unheil 
des Krieges hätten bewahren wollen, seien nun leider irt 
vollem Umfange eingetroffen, (ctr. bin.) 
Dieser Brief, der durchaus den Eindruck der 
Echtheit macht, zeigt, welch pessimistische Stimmung 
in Rußland herrscht, da die Verschwörung gegen 
Deutschland nicht so verlaufen ist, wie es von den 
Verschwörern erhofft wurde. 
Der TiirKenkrleg. 
Meuterei in der russischen Schwarzen Meer-Flotte. 
wtb. Konstantinopel, 20. Jan. 1915. Das osma- 
nische Nachrichten-Büro erfährt, daß 57 Matrosen 
der russischen Schwarzen Meer-Flotte von dem Kriegs¬ 
gerichte in Odessa wegen M e u t e r e i zu je 3 Jahren 
Festungshaft verurteilt wurden. 
Die Goldene Medaille des Roten Halbmondes für 
den Kaiser. 
wt'o Konstantinopel, 19. Jan. 1918. Der Zentralral 
des Roten Halbmondes hat gestern beschlossen, der dem¬ 
nächst stattfindenden Generalversammlung vorzuschlagen, 
dem Deutschen Kaiser als Zeichen der Dankbar¬ 
keit für seine Spende von 40 000 Mark die goldene 
Medaille zu verleihen; geyiäß einem bereits früher ge¬ 
faßten Beschlüsse wird derselben Generalversammlung 
die Verleihung der Goldenen Medaille an Kaiser 
Franz Joseph vorgeschlagen werden. 
Die anderen HCcite. 
Die Haltung Italiens. 
Italien hat sich in letzter Zeit eine immer grö¬ 
ßere Kriegsbereitschaft verschafft. Damit soll nicht 
gesagt sein, daß Italien auf ernste Verwickelungen 
in nächster Zeit hinsteuert. Im Gegenteil, die 
Wühlarbeit der Treiverbandsdiplomaten in Rom 
hat eher abgeflaut, und die Kriegstreiber in Italien 
selbst sind vorsichtiger geworden. Sie fühlen sich der 
Volksstimmung nicht recht sicher. Die Volksstim¬ 
mung ist heute so und morgen anders. Eine neue 
Tatsache, die noch nicht eingetreten ist, deren Ein¬ 
tritt sich jedoch vorhersehen läßt, wäre die Vollen¬ 
dung der seit langem betriebenen militärischen Vorbe¬ 
reitungen^ Italiens. Diese Land- und Seerüstungen 
dürften bis Ausgang Februar ihren Abschluß jinden. 
Daraus erklären sich die iwm" 
Ankündigungen eines italienischen Eingreifens in 
den europäischen Krieg. Die Verbreiter solcher An¬ 
kündigungen können mit einigem Grund geltend 
machen, daß eine Großmacht wie Italien ihr Heer 
und ihre Flotte nicht in Bereitschaft setzt, um dann 
Gewehr bei Fuß stehen zu bleiben. Richtig ist jeden- 
alls, daß auch enffchicden friedlich gesinnte Italiener 
von ihrer Regierung ein gewandtes Ausnutzen der 
Kriegsumstände zur Förderung der nationa. staat¬ 
lichen Interessen Italiens erwarten. Es könnten 
daher in absehbarer Zeit von Rom aus Wünsche er¬ 
kennbar werden, denen sich durch die dann erlangte
	        
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