Urschrim täglich mit LuSnabm« der Sonn, and Feiertage
verantwortlich für den redaktionellen Teil: Karl Schütte,
für den Anzeigenteil: I Parzeller. Fulda. — Rotation»,
druck und Verlag der Fuldarr Artirndruckerei in Fulda. —
Fernsprecher Nr. ». r-legramm-Adressen yuldaer Zeinmg
Ausgabe At Mit «ochenbeikage .Illnftriert« Sonn, ««»«a»« »: Mit de» gleiche» veilagen wie «»»gäbe A
tags,einn,g- and MonatSdeilag« „yuldaer «eschicht«. „d der liesdrack-«ochenbeilage .yllastrirrt« «elt.
blätter- ohne vestellgel» »lerteljShrlich l& Mark. (*«* »d»e «eftellgeld »irrtrlsShrlich r,1« Mark.
Ziehungsliste« der prentzisch-siiddentschen Klaffe».Lotterie. — Halbjährlich Taschenfahrplan.
Anzeigen lS Pfennig dir einspaltige Tolonetzelle ode, vere»
Raum. Reklamen 10 Pfennig Bei Wiederboiungen Rabatt.
Für Offert- and AuSkunfranzeigen außerdem 20 Pfennig —
In Konkur«fSllen wird der bewilligt« Rabatt hinfällig —
Erfüllungtor» Fulda. — Fernsprecher Nr d and Nr Ul
nt. 2is.
Dienstag den 21. September 1915.
42. Zahrqanq.
Deutsche und österreichische Offensive gegen Serbien.
Erfolglose Beschießung von Westende und Middelkerke. — Weitere Ver¬
folgung der Russen. — Rückzug der Italiener im Mischer Becken.
Ser Deutle Sorte«.
wtb Großes Hauptquartier» 20. Sept.
1915.
Westlicher Kriegsschauplatz:
Feindliche Schisse, die W e st c n d c und Mid¬
delkerke (südwestlich von Ostendei erfolglos be¬
schossen, zöge« sich vor unserem Feuer zurück. Es
wurden Treffer beobachtet.
An der Front keine besonderen Ereignisse.
Westlich von St. Quentin wurde ein engli¬
sches Flugzeug durch einen deutschen -Kampfflieger
abgeschossen: der Führer ist tot, der Beobachter ge¬
fangengenommen. >
Oestlicher Kriegsschauplatz:
Heeresgruppe des Generalfeldmarschalls
von Hindenburg.
Im Brückenkopf von Dünaburg mußte der
Feind vor unserem Angriff von R o w o A l c k -
sandrowsk in eine rückwärtige Steilung Wei¬
chen. Es wurde« 550 Gefangene gemacht.
Be; S m o r g o n versuchte der Gegner durchzu¬
brechen; er ivu«de abgeschlagen.
Der Angriff gegen den aus der Gegend W i l n a
abziehenden Gegner ist im Gange. Auch werter süd¬
lich folgen unsere Truppen dem weichenden Feinde.
Die Linie Mjedniki-Lida-Soljanc (am
Njemen) ist erreicht.
Heeresgruppe des Geberalseldmarschalls
Prinz Leopold von Bayern.
Der Gegner leistete nur vorübergehend an ein¬
zelnen Stellen Widerstand. Die H-eccsgrnppe er¬
reichte den Mo lczadz-Ab schnitt bei Dwor-
Sc und südöstlich und nähert sich mit dem rechten
lüget dem Myschanka-Abschnitt.
Heeresgruppe des Generalfeldmarschalls
v. Mackensen.
Ter Feind ist überall weiter zurückgcdrängt.
Südöstlicher Kriegsschauplatz:
Bel kleineren Gefechte,, machten die deutschen
Truppen über 100 Gefangene.
Vom nördlichen Donauufer nah,,, deutsche A r -
tillerie den Kamps gegen serbische Stel¬
lungen südlich des Stromes Semendria auf.
Ter Feind wurde vertrieben und sein Geschützscuer
zum Schweige» gebracht. Oberste Heeresleitung.
Lesterreichisch-rrngarischen Tagesberichte.
wtb Wien, 20. September 1915. Amtlich wird
verlautbart:
Russischer Kriegsschauplatz:
Unsere Stellungen im Raume östlich von Sud
wurden gestern wiederholt von starken russischen Kräf¬
ten angegriffen. Unsere Truppen, unter ihnen Eger¬
länder- und wcstböhmische Landwehr, schlugen den
Feind überall an vielen Punkten im Kamps Mann
gegen Mann zurück. Auch gegen unsere I l»M a -
Front führten die Russen im Abschnitte bei Krze-
mieniee starke Kolonnen zum Angriff vor. An ein¬
zelnen Stellen gelang es dem Feind, das Westuser
der Jktva zu gewinnen, aber unsere herbcieilendrn
Reserven warfen ihn überall zurück. Ter
Feind erlist besonders durch unser Artillericfeuer
große Berluste. Die bis gestern abend eingebrachtrn
Gefangenen zählen über 1000. Das Insanterie-
Regiment von Hindenburg Nr. 69 hat neuerlich
Proben seiner Kampftüchtigkeit abgelegt. In O st -
g «l i z i e n herrschte Ruhe: die Lage ist dort unver¬
ändert. Tie in Litauen kämpfenden k. und k.
Streitkräfte haben das Ostufer der Luchozwa ge¬
wonnen.
I t a l i e n i s ch e r K r i e g s s ch a u p l a tz:
Im Tiroler Grenzgebiet versuchten sich
die Italiener stellenweise in fruchtlosen HochgebirqS-
unternchmungen namentlich im Ademello- und Dolo¬
mitengebiete. An der Kärtner Front ist die Lage
unverändert. Im Flitschcr Becken gingen die Reste
der feindlichen Angrifsstruppen aus unserem näheren
Schußbereiche in ihre alten Stellungen zurück. Einer
unserer Flieger belegte den Bahnhof und das Lager
von Arsiero mit Bomben.
Südöstliche, Kriegsschauplatz.
Oesterrcichisch-ungarische und deutsche Batterien
haben gestern die serbischen Stellungen am
Südufer der Sava und der Dona» be¬
schossen; auch die Festung Belgrad stand unter
unserem Feuer. In der Nähe der Drinamiindung
wurden von unseren Truppen serbische vorgeschobene
Abteilungen überfallen und a u s g e r i e b en.
Der Stellvertreter des Ehefs des Generalstabs:
v. H o e f e r, Feldmarfchalleutnant.
„Wir haben starke Armeen zu neuen Schlägen
frei", sprach vor Monatsfrist der Reichskanzler un¬
ter den, Beifall der versammelten Volksvertreter
bei der Reichstagseröffnung am 19. August. Diese
Worte des leitenden deutschen Staatsmannes fanden
in der gesamten Welt ein Echo, und angstvoll be¬
gann man im Lager der Gegner Deutschlands und
Oesterreich-Ungarns ein Rätselspiel, zn raren, wohin
diese neuen Schläge treffen sollten. Ein kurzer Satz
im Berichte der Obersten Heeresleitung erzahlt's
dem aufhorchenden Europa. Am nördlichen o -
n au-Ufer stehen gegenüber von Semendria
deutsche Batterien, die mit ihrem gewaltigen Baß
die Ouvertirre einleitetcn zu einem neuen Helden¬
epos des deutschen Kampfes gegen Serbien.
Fast % Jahre hatte der Kampf gegen Serbien ge¬
ruht, jetzt wird er wieder ausgenommen und wie
aus galizischem,, polnischen und russischem Boden
deutsche und österreichisch-,ingarische Truppe,, Schul¬
ter a„ Schulter kämpfend die Waffenbrüderschaft
zwischen den beiden mitteleuropäischen Kaiserreichen
besiegelten, so stehen jetzt deutsche und österreichisch-
ungarische Krieger vereint zur Bestrafung des Scr-
ben-Volkes, dessen jahrzehntelange Intrigen gegen
den Weltfrieden im Mord von Serajewo gipfelten
und zur Entfachung des gewaltigsten Kriegsbrandes
aller Zeiten führten.
Auf dem östlichen Kriegsschauplatz nimmt in-
g' lischen die russische Katastrophe ihren Fortgang.
ie Russen befinden sich in der eisernen Zange und
zvo sie durchzubrechen versuchen wie bei S m o r g o lt,
werden sie mit schweren Verlusten zurückgctrieben.
Der Raum von Wilna wird von den Russen gänz¬
lich ausgegeben, die deutschen Truppen folgen dem
«^ziehenden Feind hart ans den Fersen. Die Linie
Miedniki-L i d a-Soljanc (am Njmen) ist erreiefit.
Lioa ist Station der strategisch äußerst wichtigen
Nord - Süd - Bahn Wilna - Barcmowitschi - Luninez -
Rowno. Wester südlich ist diese Bahnlinie auch von
den Truppen des Prinzen Leopold von Bayern bei
Dworzek erreicht. Mit der Besetzung von Moto-
decmo, das nur noch 60 Kilometer nordöstlich von
Minsk liegt, war bereits der wichtigste Knotenpunkt
der ö st l i ch von Wilna fortführenden Bahn nach
Minsk bezw. Polozk in unseren Händen. Das heißt
aber nichts anderes, als daß der bei Wilna geschla¬
genen russischen Armee zurzeit überhaupt keine
Bahnverbindung mehr zur Verfügung
steht.
Auf dem nördlichen Flügel der Ostfront unter¬
nahm die Armee des Generals von Eichten aus
der Richtung von Rowo-Alerandrows einen Vorstoß
nach dem nördlich gelegenen Brückenkopf von D ü n a-
b u r g, der die Russen zwang, zuruckzugehen.
Wilna und Belgrad.
Hinter der Siegesnachricht von der Einnahme
Wilnas kommt alsbald die amtliche Meldung
von einem neuen Angriff auf Serbien, und
zwar mit vereinten deutschen und österreichischen
Streitkräften. Offenbar besteht ein innerer Zusam¬
menhang zwischen den Erfolgen aus dem russischen
Kriegsschauplätze der Wiederaufnahme der Akfiön
gegen Serbien und den jüngsten Ereigniffen in dm
Balkanstaaten.
Ter Erfolg von Wilna ist nicht allein nach der
Größe und Bedeutung dieses russischen Wasfcn-
platzes zu schätzen, sondern besiegelt mich ein: ge¬
wonnene Feldschlacht. Denn die russische Heereslei¬
tung hatte im Süden von Wilna allez zusammenge-
rafft, was dort an kampffähigen Truppen i,och vor¬
handen war, und hatte durch die verbündete Presse
im Westen eine Entscheidungsschlacht ankündiqen
lassen. Also ein nördliches Seitenstück zu dem Wi¬
derstandsversuch, der in Ostgalizien und Wolbvnien
angesetzt war. In beiden Fällen ist dre „erlösende
Offensive", zu der sich der neue russische Generalstab
unter der Leitung des Zaren selbst entschlossen batte,
gekcheitert. Im Wilnaer Bezirk wurde der
volle Sieg der ^Deutschen durch eine vortreffliche
Umfassungsstrategie herbeigeführt. Während die
Armee des Prinzen Leopold von Bayern von Brest
her und von S ü d w e st e n die russische Flanke be¬
drohte, drang die Arniee Eichhorn schnell und kühn
zwischen Dünaburg und Wilna hindurch, um die
Russen von Nordosten im Rücken zu bedrohen.
Da gab es keine andere Rettung mehr, als die
Flucht n a ch M i n s k zu, — gewiß die alte
Rückzugsstrategie des abgesagten Generalissimus
Nikolai.
Der Verlust von Wilna ist eine furchtbare
Schlappe für den neuen gekrönten Generalissimus,
und eS bleibt abzuwarten, welche Rückwirkung diese
bittere Enttäuschung auf die innere Krisis in Ru߬
land ausüben wird. Vielleicht wird der geschlagene
Zar jetzt politisch nachgiebiger, — wenn cs zu spät
ist!
Der Borswß gegen Serbien darf uns wohl
die Ueberzeugung geben, daß die deutsche und öster¬
reichische Heeresleitung trotz der noch andauernden
Kämpfe am Sereth und in Wolhynien den Zusam¬
menbruch der russischen Macht für vollendet und
besiegelt hält, so daß Kräfte für eine neue Unter¬
nehmung verfügbar sind. Das gemeinsame Vor¬
gehen der Deutschen und Oesterreicher an der Do¬
nau, der Save und der Drina ist sicherlich als Ein¬
leitung einer großen Aktion auf dem
Balkan zu betrachten, deren militärische
und p o I it i s ch e Vorbedingungen zweifellos gründ¬
lich erwogen sein werden. Tie Kriegsbereit¬
schaft Bulgariens ist militärisch durch Trup-
penaushebung und in nationaler Hinsicht durch die
jüngsten Feierlichkeiten zum 30jährigcn Gedenktag
der Vereinigung mit Ostrumelien hergestellt wor¬
den. Ein gegnerisches Eingreifen von Rumänien
oder Griechenland ist zwar nicht unmöglich, aber
doch angesichts der schweren Niederlagen der Russen
und der Tardanellenstürmer unwahrscheinlich und
im äußersten Falle wohl abzuwehren. Wenn dieser
Vorstoß sich zu einer Wegöffnung zwischen
den Zentral möchten und der Türkei
auswächst, so bekommt die ganze Kriegslage ein
neues Gesicht, und es schwindet auch der allerletzte
Zweifel, ob die Türkei den Widerstand gegen den
Bierverband mit seinen Soldaten und seiner Mu¬
nition ausbalten könnte.
Früher haben unsere Gegner gesagt, die Ent¬
scheidung in dem Weltkriege werde an den Darda¬
nellen fallen. Wir wollen nicht so absprechend und
einseitig urteilen, sondern die Frage offen lassen, ob
nicht der letzte, ausschlaggebende Schlag doch im We¬
sten fallen muß. Mer die außerordentliche
Bedeutung von s ü d ö st l i ch e n Erfolgen, die sich
an die ö st l i ch e n Siege anschließen würden, liegt
auf der Hand. Also ein Hoch für die bisherigen
Siege und ein Glückauf für die neuen Unterneh¬
mungen!
Her Krieg im Gissten.
Amtlicher französischer Bericht.
wtb Paris, 20. Sept. 1915. Wie der amtliche Bericht
von Sonntag nachmittag meldet, herrschte auf der gan¬
zen Nordwestfront bis zur Oise lebhaftes Artilleriefeucr.
Nach der Sprengung einer sehr starken Mine unternah¬
men die Deutschen südwestlich von Peronne einen An¬
griff, der aber von uns zurückgeworsen wurde. Um
Rohe nahmen sich unsere Batterien die feindlichen Ma¬
schinengewehre in den Truppenquartieren hinter der
Front zum Ziel. Aus den übrigen Teilen der Front
gleichfalls heftiges Geschütz- und Gewehrfeuer. Oestlich
St. Mihiel wurde eine feindliche Flugzeug-Abwehr¬
kanone anher Gefecht gesetzt. In den Vogesen Kämpfe
mit Handgranaten. — Der Kriegsbricht von Sonntag
abend meldet n. a. die gleichzeitige Beschießung der
deutschen Werke an der belgischen Küste und bei Nieu-
port durch die englische Flotte 'einerseits und die fran¬
zösische Artillerie anderseits. Auf der Nordweftfrünt läßt
her Geschützkampf nach. Unser,« Brückenkopf bei Sapig-
neul am Aisne—Marne-Kanal konnten wir gegen drei
deutsche Angriffe behaupten. Auf den anschließenden
Teilen der Front wirksames Feuer unserer Artillerie.
Vier feindliche Munitionslager flogen in die Luft. Bei
St. Mihiel wurde ein deutsches Flugzeug abgeschossen.
Eine Erklärung Lloyd Georges für die allgemeine
Wehrpflicht.
wtb London, 20. September 1915. Lloyd
George hat eine Erklärung veröffentlicht, in der
es Heißt, die Regierung sehe vollständig ein, daß man
dem Lande die Dien st Pflicht auferlegen
müsse, wenn aus den Ziffern hervorgehe, daß dieser
Zwang zum Schutze Europas gegen den Sieg des
militärischen Despotismus nötig sei. (!!) Niemand
werde sich, soweit er sehen könne, diesen, Zwange
widersetzen, und wenn es einen solchen Mann gäbe,
würden die arbeitenden Klaffen ihn nicht unter¬
stützen. Nur wenn England alle seine -Kräfte an¬
spanne, könne es siegen.
Englische Wehrpflicht auf Kriegsdaner.
Nach einer Amsterdamer Meldung des „Berl.
Lokalanz." berichten die „Times" über den Bermitt-
lungsvorschlag zur Beilegung des Konfliktes über
die Wehrpflicht in England. Danach soll Sir Jvor
Herbert, einer der 40 Unterhausvertreter, die dem
Premierminister eine Denkschrift über die Wehr¬
pflicht überreichten, einen Antrag eingebracht ha¬
ben, worin es als wünschenswert erklärt wird, daß
während der Dauer des Krieges die
Dienste aller männlichen Briten zwischen l 8
und 65 Jahren zur Verfügung des
Königs gestellt werden, für alle Pflichten, die die
Krone bestimmen wird. Mit einer solchen Kriegs¬
notmaßregel, die nicht als gesetzliche Einführung des
allgemeinen Wehrpflichtprinzips angesehen werden
kann, würden sich auch, wie man nach den Beschlüs¬
sen des letzten Kongresses der Gewerkschaften anneh¬
men kann, die Arbeiter, soweit sie nicht den kleinen
sozialistischen Verbänden angehören, einverstanden
erklären. Me Maßnahme gebe auch der Regierung
die Handhabe, alle Industriearbeiter unter militä¬
rische Disziplin zu stellen. Der Wert wäre mehr
ein moralischer, als ein praktischer, ctr. bln.)
Die Fahrt aus der Themse eingestellt.
wtb Amsterdam, 20. Sept. 1915. Die Blätter
melden ans Vlissingen: Tic britische Admiralität
hat die Fahrt auf 'der Themse für mehrere Tage
einstellen lassen. Der Postdienst der Zeeland-
gesellschaft ist ebenfalls unterbrochen worden.
W Krieg WK Mini
(f-itt russisches Sevan?
Ueber die Bedeutung der Einnahme von
Wilna äußert sich der milstärische Mitarbeiter der
„Boss. Ztg." in bemerkenswerter Weis«. Er weist
u. a. darauf hin, daß der größte Teil der Eisen¬
bahnen und Wege, die für den Rückzug der bei
Wilna und südlich davon geschlagenen russischen Hec-
resteile überhaupt in Betracht kommen, gesperl' t
ist. Die Eisenbahnlinie Wilna-Dünaburg scheidet
aus,nachdem sie ans ihrer ganzen Ausdehnung im
Bereiche des deutschen Operationsgebietes liegt. Die
Bahninie Wilna-Minsk ist durch Erreichung von
Smorgon und Molodeczno von den Deutsch«» besetzt.
Es sind dies die beiden einzigen Bahnen, die von
Wilna in östlicher Richtung führen. Die von dem
weiter südlich gelegenen Eisenbahnknotenpunkt Lida
nach Osten führende Bahn geht über Molodeczno und
ist damit ebenfalls der russischen Heeresleitung ent¬
zogen. Ob die von Wilna über Lida in südlicher
Richtung nach Rowno führende Bahn noch frei ist,
oder ob sie auch schon von der vorgetriebenen Kaval¬
lerie der Heeresgruppen Prinz Leopold und Macken¬
sen gestört ist, läßt sich noch nicht genau ersehen.
(Nach dem neuesten Bericht ist auch diese Linie
von den deuffchen Truppen bereits unterbro¬
chen. D. Red.) Durch die glücklich durchgrführte
Umfassungsbewegung der Armee Eichhorn ist die
Verbindung der russischen W i l n a g r u p p e m i t
der Dü nagruppe vollkommen zerris¬
sen. Das müssen selbst Petersburger Berichte zu¬
geben. Das russische Heer wird auf diese Weise
immer mehr in einzelne Gruppen zersprengt,
die nicht mehr in Verbindung miteinander sieben
und zwischen die sich die Verbündeten keilförmig
e i n s ch i e b e n. So haben wir jetzt in, Norden die
russische Tünagruppe, sodann die Wilna-Lidg-
Gruppe, tveiter im Süden einzelne Teile, die sich der
Armee Mackensen gegenüber in dem Snmpsgeländc
von Pinsk befinden und schließlich die starke Gruppe
im Südosten (in Wolhynien,Ostgalizien und Bessara-
bien). Ter vorzüglichen Taktik unserer Heeresleitung
ist es g-elungen, nicht nur die Flanken der feindlichen
Wilnaarmec einzuklammern, sondern auch in den
Rücken der r u ssischen Front zu gelangen.
Ter militärische Mitarbeiter der „Franks. Ztg."
bespricht die wahrscheinlichen Folgen der Umsas-
sungsbewegnng der Armee Eichhorn und weist dar¬
auf hin, daß die scharfen Frontalangriffe der Ar¬
meen v. Scholtz und v. Gallwitz die Aufmerksamkeit
der russischen Heeresleitung auf sich zogen, so daß sie
die Umsassungsbewegnng Eichhorns, die nun in ei¬
ner Frontbreitc von über 70 Kilometer sich in
Flanke und Rücken der russischen Wilnageuppc
wälzt, nicht rechtzeitig gemerkt hat oder nicht mehr
rechtzeitig verhindern konnte. Deutlich ist ersichtlich,
wie durch energische Frontalangriffe Kräfte gebun¬
den werden können, so daß während dieser Bindung
die Umfassung ihre Vorbereitungen treffen kann.
Nun steht der linke Flügel ""chhorns ans etwas über
60 Kilometer von Mins - nt. Ein weiteres Vor-
neben dieser Truppen bringe allem, wqs sich in dem
Kessel, der sich schon gebildet hat, befindet, ^dcn
s ich e r e n Untergang. Dazu kommt, daß Teile
der Armee des Prinzen Leopold die Schtschara schon
übeffchritten haben und gegen die Linie. Nowo-
Grudak-Lida Vordringen. Wenn wir uns die Lage
bei Freund und Feind in die Karte einzcichncn, so
ergibt sich eine Aehnlichkeit in i t Sedan,
aber in weit vergrößertem Maßstabe,
denn die Einschließungsoperation von heute erfüllt
einen Raum von über 10 000 Quadratkilometer. Tie
russischen Massen, die zwischen Wilna und Njemen
und an der Schtschara Widerstand leisteten, können
nicht mehr nach Südosten an Minsk vorbei in Rich¬
tung ans Sluzk ihren Rückzllg nehmen. Schon das
wird ihnen nicht ohne größte Berluste möglich feilt.
Bei diesem Rückzug müßten sie aber weiter den
Spitzen der Heeresgruppe Mackensen in die Arme
laufen. Ein Rückzug auf oder in der Nähe der gro¬
ßen Straße nach Minsk oder Smolensk ist, wenn
der linke Flügel Eichhorn stark genug ist, heute schon
nicht mehr möglich. Durch die g ra n d i o s e U m -
f a s s ü n g dieses Generals ist also eine st r a t e g i-
s ch e Kr is i s fiir die Russen geschaffen 'worden, wie
sie im bisherigen Verlauf der Operationen seit Gor-
lice in diesem Maße nicht auftrat. Bisher bestand
immer die Möglichkeit für die Russen, durch Verle¬
gung der Rückzugsrichtung um wenige Grade und
durch rücksichtsloses.Opfern der Nachhuten die Gros
zu retten. Das kam daher, weil es der allgemeinen
Lage nach gelingen konnte, die Umfassung tief genug
anznsetzen. Nun aber stehen unsere umfassenden
Truppen im Rücken der russischen Mas¬
sen, haben schon eine Hauptrückzugslinic in den
Händen und verengen den Raum für den Rückzug
in solchem Maße, daß man nur mit höchster Span¬
nung die weitere Entwickelung dieses straiegischev
Dramas abwartcn kann.
Die Räumung von Wilna.
Nach einer Dteldung der Zentral News, die de.
„Tägl. Rundschau" zugeht, ist die Räumung der
Fabriken in Wilna nrir zu einem Teil erfolgt
weil man durch die Schnelligkeit des deutschen
Vordringens überrascht wurde. Dagegen war es
gelungen, sämtliche Regierungsarchive nock
reebtzertig in Sicherheit ,u bringen, ictr bln.i
DaZ russische Gardeossizierkorps ausgerieben.
Berlin, 20. Sept. 1915. Ter „Nat. Ztg." wird
von der russischen Grenze unterm 20. Sepcbr. ge-
drahtet: Nach zuverlässigen Mitteilungen ist das
russische G a r d c - O f f i ; i e r k o r p s in den
bisherigen Kämpfen vollständig a,ufgerie
ben worden. Allein die Osfiziersverlustc der vor-
nehmsten Petersburger Regimenter werden auf übet
800 geschätzt. Auch der Offiziersbestand der soge¬
nannten „ausgezeichneten. Brigaden" ist vollständig
vernichtet worden. Akttve Offiziere sind nur nock,
in ganz verschwindender Anzahl vorhanden und so¬
weit diese sichtbar sind, sind sie schwer verwundet
oder leidend geworden. Auch die aktiven Mannschasts-
bestände der bevorzugten Regimenter sind vollständig
dezimert. So ist heute von dem bekannten Regi-
ment Biborg nicht mehr ein aktiver Soldat vor-
Händen.
Die „lebende Lawine".
tteber die Völkerwanderung in das Innere Ru߬
lands gibt dem „Berl. Tagebl." zufolge, die russische
Zeitung „Nowoje Wremja" eine herzzereißende Schil¬
derung: „Wolhynien hat sich erhoben. Man hörte
bloß von der Ferne Kanonendonner, und ganz Wol¬
hynien ergriff die Flucht. Drei Bezirke, K o w e l,
Luck und Wladimir-Wolynsk sind ganz ge¬
räumt. Mit der Devise: Lieber vernichtet als dm
Feinde überliefert, ist die Bevölkerung ausgewandert,
alles bewegliche Eigentum mitnchmend und das un¬
bewegliche zerstörend. Diesen drei Distrikten folgten
bald die Nachbardistrikte, wie Rowno, Dubno, Kre-
mmiec, Altkonstantin und Izjaslawl. Nur die Bezirke
von Schitomir und Owrutsch sind noch nicht geräumt,
obwohl Schitomir selbst von den Einwohnern massen¬
weise verlassen wird. Wolhynien bietet einen tra¬
gischen Anblick. Der geräumte Teil st c h t i n F l a m :
men, der übrige gleicht einer lebenden La¬
wine, die gen Osten rollt.- Jede Landstraße, jeder
Dorsweg und Feldpfad wimmelt von den endlosen
Ameisenhaufen fliehender Volksmassen, vorn große
Scharen zu Fuß, danach folgen mit Menschen vollge-
pfiopfte Fuhrwerke, und di: Nachhut bilden blökende
Rinder. Aus den Fuhrwerken kauern Kinder und
gebrechliche Alte neben Schweinen und Gänsen. Das
Geschrei der Kinder, das Geschnatter der Gänse und
das Quieken und Grunsen der Schweine begleitet die-