Full text: Fuldaer Zeitung (1915)

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Donnerstag den 30. September 1915. 
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42. Zahrqang. 
Der Ansturm im Westen. 
Neue erbitterte Angriffe -er Franzssen nn» Englünver abgeschlagen 
Erfolgreicher Gegenangriff bei Laos — Weiteres Bor-ringen gegen 
Düuaburg. -* Die Verfolgung dev Russe» in Wolhynien — Zusamrrren- 
gebrochene italinifche Angriffs 
Irr lMSk AmNrw. 
wtb Großes Hauptquartier. 29. Sept. 
1915. 
Westlicher Kriegsschauplatz: 
Die feindlichen Dnrchbruchsver suche 
wurden aus de« bisherigen Angriffsabschnitten mit 
Erbitterung fortgesetzt. 
Ein Gegenangriff nach einem abermals 
gescheiterten englischen Gasangriff 
führte zum Wiedergewinn eines Teiles des 
nördlich Loos von uns aufgegebenen Geländes. Hef¬ 
tige englische Angriffe aus der Gegend 
Loos brache« unter starken Verlusten zu¬ 
sammen. Wiederholte erbitterte französische An¬ 
griffe in Gegend Souchez — Neuville wur¬ 
den, teilweise durch heftige Gegenangriffe, zurück¬ 
gewiesen. 
Auch in der Champagne blieben alle feind¬ 
lichen Durchbruchsversuche erfolglos. Ihr ein¬ 
ziges Ergebnis war, daß der Feind nordwestlich 
Souain in einer Strecke von 100 Meter noch nicht 
wieder aus unserem Graben vertrieben werden 
konnte. An dem unbeugsamen Widerstand ba¬ 
discher Bataillone sowie des Rheinischen Reserve- 
Regiments 65 und des Westfälischen Infanterie-Re¬ 
giments 158 brachen sich die unausgesetzt vordrin¬ 
genden französischen Angriffswellen. 
Die s ch we r e njp erluste, die der Feind beim 
oft wiederholten Sturm gegen die Höhen von Massi¬ 
ges zuzog, waren vergeblich. Die Höhen sind 
restlos von unseren Truppen gehalten. 
Die Versuche der Franzosen, die bej Fille Morte 
verlorenen Gräben zurückzuerobern, scheiterten, 
die Gefangenenzahl erhöhte sich. 
In Flandern wurden zwei englische Flug- 
zeuge heruntergeschossen. die Insassen 
gefangen genommen. 
Oöstlicher Kriegsschauplatz: 
Heeresgruppe des Generalfeldmarschalls 
von Hindenlmrg. 
Der Angriff südwestlich von D L n a b u r g ist bis 
in Höhe des Swenten-Sees v o r g e d r u » g e n. 
Südlich des Dryswjaty-Sees und bei Postawy dau¬ 
ern die Kavallerie-Gefechte' an. 
Unsere Kavallerie hat, nachdem sie die Lperatw- 
nen der Armee des Generalobersten v. E i ch h o r n 
durch Vorgehen gegen die Flanke des Feindes 
wirksam unterstützt hatte, die Gegend bei und östlich 
von Wilejka verlassen; der Gegner blieb untätig. 
Westlich von Wilejka wurden unvorsichtig vorgehende 
feindlich« Kolonnen durch Artillrrieseuer zersprengt. 
Zwischen Smorgon und Wischnew sind unsere 
Truppe» in siegreichem Vorschreiten. 
Bei de« 
Heeresgruppen des Generalfeldmarschalls Prinz 
Leopold von Bayern und des Generalfeldmarschalls 
v. Mackensen 
hat sich nichts Wesentliches Ereignet. 
Heeresgruppe des Generals von Linsingen. 
Die Russen sind hinter den K o r m i n und die 
Putilowk« geworfen. 
Oberste Heeresleitung. 
Oesterrerchisch-lmgarischer Taaesberrchl. 
wtb Wien, 29. September 1915. Amtlich wird 
gemeldet: 
Russischer Kriegsschauplatz: 
Die Lage in Ostgalizien und an der Jkwa ist 
unverändert. Feindliche Abteilungen, die westlich 
von Tarnopol gegen unsere Hindernisse vorzudringen 
versuchten, wurden durch Feuer vertrieben. Im 
wolhynischen Festungsgebiet warfen 
unsere Truppen den Gegner aus allen westlich der 
oberen P u t i l o w k a eingerichteten Nachhutstellun¬ 
gen. Weiter nördlich erstürmten sie das zäh ver¬ 
teidigte Dorf B o g u s l a w k a. Bei den k. und k. 
Streitkräften in Litauen verlief der Tag ruhig. 
Italienischer Kriegsschauplatz. 
Im Stilfser Jochgebiet vernichtete unser Artil- 
lericseuer mehrere feindliche Geschütze. Ein aus der 
Hochfläche von Vielgereuth nördlich des Co- 
st o n angesetzter italienischer Angriff brach nach kur¬ 
zem Feuergesecht zusammen. Regen den Mrzli 
vrh und den Tolmeiner Brückenkopf be¬ 
gann gestern nachmittag ein sehr heftiges Artillerie¬ 
feuer, dem abends je ein Angriff auf den genannten 
Berg und bei Dolje folgte. Beide Angrifse wurden 
an unseren Hindernissen abgeschlagen; bej Dolje 
warfen unsere Truppen de» durch zerschossene Hin- 
dernisstellen eingedrunaenen Feiud sogleich wieder 
hinaus. Wie immer blieben alle Stellungen 
fest in unserem Besitz. Im übrigen ging 
die Gesechtstätigkeit auch an der küstenländischen 
Front über das gewöhnliche Geschützfeurr nutz Ge¬ 
plänkel nicht hinaus. 
Südöstlicher Kriegsschauplatz: 
Keine besonderen Ereignisse. 
Der Stellvertreter des Chefs des Gencralstabs: 
v. H o e f e r, Feldmarschalleutnant. 
Die günstige Entwicklung der Lage auf dem 
westlichen Kriegsschauplätze, die bereits am 
Sonntag begonnen hatte, hat bis jetzt fortgedaucrt. 
Zwar haben die Engländer sowohl wie die Franzosen 
ihre Angriffe gegen die deutschen Stellungen mit 
starken Kräften und großer Hartnäckigkett fortgesetzt, 
sie sind aber abgewiesen worden. Den Feinden 
lst es nicht gelungen, den erzielten Erfolg weiter zu 
verwerten. Nur an einer 'Stelle vermochten hie 
Franzosen sich auf hundert Meter Frombrerte in un¬ 
seren Gräben festzusetzen, bei Souain in der 
Champagne. Im übrigen scheiterten alle feindlichen 
Durchbruchsversuche. In der Front Loos Arras sind 
unsere Truppen sogar erfolgreich zu Gegenangriffen 
Lbergegangen. Franzosen und Engländer, nament- : 
sich auch die letzteren, haben sehr schwere Verluste er- i 
litten und ein Teil des Geländegewinnes wurde den j 
Briten bei Loos wieder entrissen. Um die f 
Fortsetzung der Kämpfe braucht uns nicht bange zu - 
werden, wenn sich auH nicht verkennen läßt, daß die ! 
feindliche Offensive die allerg roßte Be- j 
deutung hat. Die Feinde machen offenbar die 
hoch st euAn streng singen, endlich einen durch- ; 
cmrchschlagenden Erfolg zu erzielen, und sicher sind 
vie Kämpfe noch nicht zu Ende. 
Mit aller Deutlichkeit geht das auch aus einer 
Aeußernng des englischen Premierministers As¬ 
quith hervor. Er appellierte in feierlichem Tone 
an alle Fraktionen des Unterhauses/auf die weitere 
Behandlung der den Keim inneren Zwistens in sich 
tragenden Frage der allgemeinen Wehrpflicht zu 
verzichten. „Denn wir stehen jetzt in einem kriti- 
schon Augenblick der Geschichte des Krieges", so fügte I 
er als Begründung hinzu. „Wir beobachten mit s 
Interesse, mit Sympathie und Hoffnung die ver- z 
einten mutigen Anstrengungen der Verbündeten." [ 
Aus diesen Worten erkennt man, daß die Franzo- j 
feit und Engländer im Westen a uf die Ent-, 
s ch e i d u n g drängen. Wir sind getüftet dazu und | 
können mit' Zuversicht dem Fortgange des Kampfes 
entgegensehen. 
Im O st e n nähert sich unser Angriff auf Dü- ° 
n a b u r g immer mehr der Stadt. In dem Seen- s 
gclände südöstlich Dünaburg finden noch Kaval¬ 
leriekämpfe statt. An der oberen Wilijka hat - 
unsere Kavallerie nunmehr, da ihre Flankenbewe- . 
gung den Zweck erfüllt und den Abzug der Russen j 
beschleunigt hat, diese Gegend verlassen und hat sich - 
näher an die Armee herangezogen, die im Raume ! 
Smrgon—Wischnew erneut im Fortschreiten blieb. 
In Wolhynien dauert der Rückzug der Russen 
oor der neu gebildeten Heeresgruppe Linsingen w 
beschleunigtem Tempo fort. 
Die G e s a m t l a g e läßt sich folgendermaßen 
zusameniasien: Im Westen sind alle englisch-franzö¬ 
sischen Angriffe obgewiesen, an einzelnen Stellen 
hat die deutsche Gegenoffensive in erfolgreicher 
Weise eingesetzt. Im Osten dauern die Kämpfe von 
der Düna bis zu den Rokitnosümpfen in erfolgver¬ 
heißender Weise fort, in Wolhynien und Ostgalizien 
ist der Feind geschlagen und zurückgeworfen. 
Amtl'cher französischer Bericht. 
wtb Paris, 29. Sept. 1916. Amtlicher Bericht von 
Dienstag nachmittag: Wir gewannen Gelände gegen 
die Kämme östlich und südöstlich Souchez. In der Cham¬ 
pagne widerstehen die Deutschen auf ihrer: Ausnahme¬ 
stellungen. Wir erzielten einige neue Fortschritte gegen 
die Höhe 186 und gegen La Justine nördlich Massiges. 
In den Argonnen führte der gestrige erbitterte feindliche 
Angriff gegen unsere Schützengräben erster Linie von 
La-fille-morto—Bolante zu einer ernstlichen Schlappe. 
''Wessen?) Wir vertrieben bei rmseren Gegenangriffen 
im Lause der Nacht die deutsche Infanterie aus bei¬ 
nahe allen Punkten, wo sie hatte eindringen können. 
Auf der übrigen Front war die Nacht verhältnismäßig 
ruhig. — Amtlicher Bericht von Dienstag abend: Am 
Tage des 28. September gewannen wir Raum gegen die 
Kämme von Souchez und machten etwa 109 Gefan¬ 
gene. In der Champagne wurden ebenfalls neue Fort¬ 
schritte erzielt, besonders nördlich Massiges, wo wir noch 
800 Gefangene machten. In den Argonnen heftige 
Kanonade. Kämpfe mit Handgranaten gestatteten uns, 
einige Stücke unserer ersten Linie wieder zu gewinnen. 
Zeitweise aussetzende Kanonade im Priesterwalde und 
im Gebiet von Ban-de-Sapt. 
Der englische Bericht. 
wtb London, 29. Sept. 1916. Feldmarschall French 
meldet: Die heftigen Kämpfe um Loos und nördlich da¬ 
von dauern fort. Wir besetzten jetzt das ganze Gelände 
nördlich des Hügels 70, das SamSiag vom-Feinde zu¬ 
rückerobert worden war. Im ganzen erbeuteten wir 
2t Kanon'en. Die Anzahl der Gerangenen beträgt 
mehr als 3000. (Das sind wiederholte Zahlen!) Wtr 
erbeuteten und vernichteten über 40 Maschinengewehre. 
In die genommenen Linien waren die Hoheuzollcrn- 
und die Kaiser Wilhelm-Redoute eingebaut, die ein 
Netzwerk von Laufgräben und Unterständen umtaffen. 
Die zweite Linie verlief westlich. Im Augenblick sind 
wir beschäftigt, die dritte Linie heftig anzugrrifen. 
Der Angriff auf die zweite Linie. 
Die Londoner „Times" meldet aus Paris: Der 
Angriff auf die zweite deutsche Linie hat 
gestern mittag 2 Uhr begonnen, (ctr bin.) 
Schon gleichzeitig mit dieser Meldung gibt uns der 
deutsche Heersbericht von gestern die Antwort darauf: 
Alle Angriffe sind unter schwersten Verlusten 
rurückgewiesen worden. 
Joffres Widerstand gegen die Offensive. 
Die „Tägliche Rundschau" erhält über Genf ein 
Pariser Stimmungsbild, das die Enttäuschung 
über den Fehlschlag der Offensive schil¬ 
dert. Darin wird gemeldet, daß nach einem stunden¬ 
langen Minist er rat, dem auch Poincare und 
Joffre beigewohnt habnr sollen, der vorzeitige An¬ 
griff aus Rücksicht auf die Entwicklung der 
EreignisseaufdemBalkan beschlossen wor¬ 
den war. Das Gerücht nimmt immer größere Be¬ 
stimmtheit an, daß der Oberkommandierende dem 
sofortigen Beginn der Angriffe einen sehr leb¬ 
haften Wider st and entgegengesetzt 
habe und sich auch durch Erklärungen der Regie¬ 
rungsleiter von den internationalen Notwendigkeiten 
zunächst nicht bewegen lassen wollte, seinen Stand- 
punkt aufzugeben. Ob er wirklich, wie eingeweiht 
sein wollende Abgeordnete verbreiten, mit seinem 
Rücktritt gedroht hat, mag dahingestellt bleiben. Da¬ 
rüber ist man sich in ganz Frankreich klar gewor¬ 
den, daß dieEns"öheidungsstundedesWelt- 
krieges nunmehr geschlagen hat. Die 
Bänglichen sehen in der anfänglichen Weigerung 
Joffres naturgemäß kein gutes Vorzeichen für den 
Sieg. Von ihnen geht das Gerücht aus, daß der 
Feldherr erst nachgegeben habe, als Poincare und 
mit ihm der Ministerpräsident Viviani gleichfalls 
mit ihrem Rücktritt gedroht hatten. In gut nnter- 
ttchteten politischem Kreisen von Paris, die zur Um¬ 
gebung des Herrn Telcasse gehören, gibt man sich der 
Erwartung hin, daß Bulgarien zunächst noch 
das Ergebnis der Josfrcschen Angriffe abwarten 
werde und daß Griechenland, wenn nicht sei¬ 
nen Anschluß an die Vierverbandsmächte bewerk¬ 
stelligen, so doch eine keineswegs freundliche Neutra¬ 
lität'gegenüber Bulgarien zeigen werde. Leute aber, 
die die" Verhältnisse unter wesentlich anderen Ge¬ 
sichtspunkten zu bettachten pflegen, meinen, daß 
Joffre unter dem von der Regierung ausgehenden 
Druck alles, das Höchste, das Letzte auf eine 
Karte gesetzt habe und daß, wenn er keinen 
Durchbruch durch die feindlichen Reihen erziele 
wenn er nur zwecklos Menschenleben und Material 
geopfert habe, das rühmlose Ende des Krie¬ 
ges beschleunigt haben würde, (ctt. bln.) 
Das Märchen vom Munitionsmangel. 
Die „Daily Mail" in London weiß aus Paris 
zu melden, daß während des dreitägigen Bombarde¬ 
ments der deutschen Stellungen in Frankreich von 
französischer Seite mehr als eine Million 
Granaten verschossen worden sind. (ctr. bln.) 
Was man in England sagt. 
wtb London, 29. Sept. 1915. „Daily Mail" 
schreibt in ihrem Leitartikel: Di: nächsten 48 Stun¬ 
den werden lehren, ob auf die hefttgen Schläge bei 
A r r a s und in der Champagne weit bedeuten¬ 
dere Ergebnisse! folgen werden, als die Gefangen¬ 
nahm,: der 20 000 Mann, oder ob nach dem glänzen¬ 
den Anfänge wieder eine neue Periode „unentschie¬ 
den" folgen wird, wie nach Neube Chapelle. Das 
Klügste ist, nach dem Grundsatz zu handeln, daß Ver¬ 
stärkungen nie notwendiger sind, als nach einer gro¬ 
ßen Schlacht, und anzunehmen, daß noch viel mehr 
Schlachten geschlagen werden müssen, ehe dir Deut¬ 
schen über den Rhein zurückgeworfen sind. — Ter 
militärische Mitarbeter der „Times" schreibt: Wir 
hätten mit dem Angriff lieber noch etwas 
gewartet, bis sich die volle Wirkung der An¬ 
strengungen Lloyd Georges zeigen konnten, aber die 
allgemeine Lage, namentlich die großen 
Schwierigkeiten Rußlands, verbot einen 'längeren 
Aufschub. 
„Den schlimmsten Augenblick iiberstanden." 
wtb Bern, 28. Sept. 1915. Der Bund schreibt 
zur Lage: Die deutsche Verteidigung im 
Westen, hat den ersten großen Stoß der englisch-fran¬ 
zösischen Offensive Überstunden. Es ist den Ver¬ 
bündeten gelungen, die erste Linie der befestig¬ 
ten Front an zwei Stellen aufzureißen, doch besaßen 
sie nicht mehr genügend Atem und Feuerkraft, um 
bat Zwischenraum zwischen der ersten und zweiten 
Linie zu durchschreiten und die st ä r ke r e zweite 
Linie anzugrrifen. Sie trugen also zwar einen 
klaren, besttmnit abgegvenzten tattischen Erfolg da¬ 
von, der ihnen noch eine strategische Auswirkung ver- 
spttcht, mußten sich aber bescheiden, die Aufgabe in 
Abschnitten zu lösen, die die größte Sicherheit der 
Ausführung nur durch das erste überraschende Durch¬ 
stoßen möglichst vieler Linien des befestigten Kordons 
empfängt. Das Aussetzen des Angriffs vor der zwei¬ 
ten Linie bedeutet keine Erledigung der Offensive. 
Der Angreifer wird versuchen, sich auf dem gewon¬ 
nenen Boden zu befestigen, um Artillerie nachzu¬ 
ziehen, und dann das Spiel wieder beginnen. W i e 
lange eine solche Etappenoffensive 
aushält, fit eine andere Frage. Die deutschen 
Verluste sind beträchtlich, entsprechen aber den Kampf¬ 
bedingungen durchaus. Maschinengewehre und Ge¬ 
schütze waren eingebaut und "unbeweglich. Die Ver¬ 
teidiger waren nach deutscher Vorschrift darauf cin- 
gefchworen, chre Gräben bis zum äußersten zu hal¬ 
ten. Nur so konnte der Angreifer gebremst und bis 
zum letzten Augenblick mit vernichtendem Feuer über¬ 
schüttet werden. Das strategische Ucbwraschungr- 
nwment ist nach der Generaleröffnung nicht mehr 
von Bedeutung. Den ersten schlimmen Augenblick hat 
die deutsche Verteidigung überstanden, die Elastizität 
ihver Linien aufs neue nachgewiesen und damit viel 
gewonnen. 
Nur ei« Paar Buckel im Westen. 
Chttstiania, 28. Sept. 1915. Hauptmann Nörre- 
gard schreibt im „Abendblatt" in einer Bcttachtung 
der Offensive im Westen: 
A ns den langen Berichten geht hervor, daß der Of- 
fensivstoß von Flandern bis Neuville zum Stehen 
gebracht wurde und es sieht fast so au», als ob die 
Engländer bei Dpern und Lille und die Franzosen bei 
Arras die Grenze des Möglichen für diesmal erreicht 
haben und nicht mehr Kraft genug besitzen, 
einen Angriff gegen die zweite deutsche Verteidigungs¬ 
linie zu führen. In der Champagne gehen die Kämpfe 
weiter, wenn auch anscheinend mit abnehmender Heftig¬ 
keit. Das primäre französische Ziel ist diesmal, wie 
in der Winterschlacht, der Eisenbahnknotenpunkt Vou- 
ziers. Sollte cs ihnen glücken, diesen Punkt zu 
nehmen, so wären die wichtigsten Etappenlinien zur 
Armee des Kronprinzen in den Argonnen unterbun¬ 
den. Die Erreichung dieses Zieles dürfte aber trotz 
des Landgewinnes noch gute Weile haben. Man be¬ 
kommt beim Studium des letzten französischen amtlichen 
Berichtes den Eindruck, daß es auch diesmal den Fran¬ 
zosen nicht gelingen werde, ihren Stotz ganz durchzufüh¬ 
ren und datz es auch diesmal keinen Durchbruch geben 
wird, sondern datz nur ein paar neue „Buckel" das 
Ergebnis dieser ttesenhaftcn Anstrengungen sein dürf¬ 
ten. Aus einer Karte, wie man sie in den Zeitungen 
veröffentlichen kann, wird eine solche Veränderung 
kaum sichtbar sein. Sie wird gering und unansehn¬ 
lich aussehen im Vergleich zu den mächtigen Ver¬ 
änderungen auf der Ostfront, durch die wir 
verwöhnt worden sind. (ctr. bln.) 
Die Frage' der Dienstpflicht vom englischen Unter¬ 
hause vorläufig vertagt. 
wtd Lenden, 28. Sept. 1916. Unterhaus. Asquith 
antwortete auf die Frage, ob er in den nächsten Tagen 
eine Erklärung über die Rekrutierung und die na¬ 
tionale Dienstpflicht abgeben wolle, er könne 
nichts derattigeS versprechen. Die Angelegenheit bilde 
den Gegenstand sorgfältiger Beratung der Regierung. 
Er werde, sobald er in der Lage sei, die zukütiftige 
Politik anzukündigen, Mitteilung machen. Asquith 
richtete an alle Parteien die Mahnung, sich inzwischen 
der Besprechung dieser Angelegenheit im Hause zu ent¬ 
halten. (Beifall.) Er sagte: Wir befinden uns in 
einem kritischen Augenblicke der Ge¬ 
schichte des Krieges. Wir beobachten mit Jn- 
tereffe, Sympathie und Hoffnung die tapferen vereinig¬ 
ten Ansttengungen unserer verbündeten Stteitkräfte. 
(Beifall.) Man könnte Girotzhritannien und seinen 
Verbündeten keinen schlechteren Dienst erweisen, als 
wenn man in der Welt durchblicken lägt, datz hier 
Meinungsverschiedenheit herrscht. (Beifall.) Nach die¬ 
ser Erklärung wurde die Frage der Dienstpflicht nicht 
mehr berührt. 
Die cnfllisch-franzöffsche Anleihe. 
wtb London, 29. Sept. 1915. Das Sieutersche Bu- 
reau meldet aus New York: Offiziell wird mitge- 
toilt, daß die englisch-französische Anleihe 
zu einem Zinsfuß von 5 Prozent und ablösbar in fünf 
Jahren dem amerikanischen Publikum zu 98 Prozent 
und dem Garantiesyndikat zu 96 Prozent angeboten 
wird. Nach Ablauf von fünf Jahren steht een Be¬ 
sitzern der Umtausch in 4-/2prozentige englisch-franzö¬ 
sische Anleihescheine mit einer Laufzeit von 16 bis 20 
Jahren zu, die wiederum nach dem Ermessen der be- 
treffenden Regierungen in 10 oder 15 Jahren nach dem 
Zeitpunkt des Abschlusses der ursprünglichen Anleihe 
eingelöst werden können. 
Dieser „Erfolg" bedeittet eine schwere Belastung 
und Demütigung Englands. 
Erstens bekommt England nur die Hälfte von dem: 
was es haben wollte, und zweitens rnuß es für diese 
unzureichenden Summen nicht weniger als sechs 
Prozent an Zinsen uitd Damno leisten. 
1000 Millionen Dollars (4 Milliarden Mark) 
hatte England erbeten. Man drückte die Summe 
allmählich hinunter auf 800, 700, 600 Mill., und 
schließlich sind es nur 500 MMonen (2 Milliarden 
Mark geblieben. Ob nun England diese letzte Hälfte 
aus alle Fälle wirklich erhalten wird, ist ans dem 
knappen „offiziellen" Bericht noch nicht klar zu sehen. 
Während der Verhandlungen wurde von allerhand 
Bedingtrngen der amerikanischen «steldherrn geredet, 
und es ist wohl möglich, daß das sog. Garanttesyndi- 
kat sich noch eine Rückendeckung gewahtt haben könnte, 
um nicht auf allzuviel unverkäuflichen Titres selbst 
hängen zu bleiben. Jedenfalls ist der Betrag int 
Verhältnis zu der Kostspieligkeit vieles Krieges nicht 
groß genug, um niehr als die Deckung der schweben¬ 
den und stir die nächste Zett zu erwattenden Rech¬ 
nungen für amerikanische Munition zu 
gewähren. Eine nachhaltige Wirkung auf den sinken¬ 
den Sterlingkurs ist zweifelhaft, und völlständig aus¬ 
geschlossen ist, daß für das aeldhungerige R u ß- 
I a nd etwas abfalle. In Folge dessen ziebt sich auch 
die Bettelreise des russischen Finanzmiittsters nach 
London sehr in die Länge, und neuerdings wird so¬ 
gar berichtet, die russische Regierung wolle sich Geld 
verschaffen durch Verpfändung der (noch ungehobe¬ 
nen) Bergschätze in Sibirien und am Ural. Im Hin¬ 
tergründe erscheint sogar die Konfiskation der Klo- 
stergüter als letzter Notanker. 
Es war bettchtet worden, die angegangenen Vank- 
berren hätten von den Engländern eine Kommis¬ 
sionsgebühr von 40 Millionen Dollars ver- 
Icmat. Von der „Kommission" wird in der jüngsten 
Mitteilung nichts gesagt. Vielleicht^ sind den^ smor- 
tanen „Gesckiäftsfteunden" noch einige Vorteile be¬ 
willigt worden, die schamhaft verschwiegen bleiben. 
Aber groß genug ist wahrlich schon der offenbare 
Bermittlungsgewinn, der nach dem Tele¬ 
gramm den Banken znfällt: 2 P r o z e nt, das macht 
bei dem 500 M'lliynen-Gesckiäft 10 Million.cn Dol¬ 
lars oder 40 Millionen Mark aus. Eine 
kolossale Provision für eine Anleihe, die nur 5 Jahre 
dauern soll. 
Die ena-liscbe Reaierung erbält nur 96 für je 
100, hat dafür 5 Dollars Jahreszinsen zu leisten und 
nach 5 Jalwen 100 zurückzuzablen. 5 mal 5 Dollars 
Zinsen imd dazu 4 Dollars Mehrrückzahlung macht 
eine Glesvimtbelastung von 29 Dollars aus 96 aus. 
Die prozentuale Belastung ist also in Wirklich- 
keit 6 Prozent und noch eine Kleinigkeit dar¬ 
über. So bewegt sich der englische Kredit in ab- 
steMnder Linie: die erste KwieaSanleihe glaubte man 
noch mit 3'/- Prozent unterbringen zu können, bei 
der zweiten Kneasanleibe mußte man schon zu 114 
Pro-ent mtt Nebenvorteil-n sich verstehen, und seht 
bei der Kriegsanleche in Nordamerika muß England, 
das frühere gelobte Land des niedrigsten Zinsfußes 
und der 214vrorenttaen Konsols, sich alles in allem 
6 Prozent ans Bein binden.
	        
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