M 268.
Samrtag &<it 20. November M5.
Ful-aer Zeitung
2. Matt.
9ni der 5»ldarr Ucli«ndr»cker«l 1» 5»1*a-
Franzöfische und russische Anleihen.
Solange als nur eben möglich War, hat man die
innere Anleihe hinausgeschoben, weil der
Versuch zu schlechte Aussichten bot. Jetzt läßt sich
ober mit Schatzanweisungen und Banlvorschüsscn
nicht mehr auskommen, und da auch England nichts
mehr verschenken will und kann, so müssen sowohl
sie französische wie die russische Regiening den Not-
mker der inneren Anleihe auswerfen.
Rußland leidet van altersher an Geldmangel:
Frankreich galt bisher als ein wohlhabendes
Rentnerland. Es gibt ja dort auch manche großen
und sehr viele mittlere und kleine Kapitalisten. Aber
dennoch findet der Finanzminister wenig flüssiges
Geld. In D e u t s ch l a n d , das bisher als ein
noch unreifer Emporkömmling unter den Geldmäch¬
ten betrachtet wurde, hat sich dagegen das Angebot
von Kapital für Staatszwecke riesig groß erwiesen,
bis zu 12 Milliarden auf einem Brett, wovon die
französische Regierung nicht einmal in ihrem schön¬
sten Rausch zu träumen wagt. Und Oesterreich-
Ungarn, das bisher als armes Land verschrien
war, hat glatt und leicht aus drei Kriegsanleihen
zusammen fast neun Milliarden amgebracht; die
französische Regierung wäre herzlich froh, wenn sie
die Hülste davon in Bar einheinisen könnte. Wie
erklärt sich das Versagen des französischen Kapi¬
tals? Hu einem Teil dadurch, daß die noiionolen
Ersparnisse in Höhe von Milliarden ins Ausland
gewandert sind, hauptsächlich nach dem verbündeten
Rußland, von wo sie sich nicht zurückholen lassen.
Zum anderen Teil wirkt aber auch der Mangel an
Verständnis. Pflichtgefühl und Bert rauen mit.
Die deutschen Bürger und Bürgerinnen haben auf
das glänzendste bewiesen, daß sie die Bedürfnisse
des Reiches in dieser Kriegszeit nicht allein ver¬
stehen, sondern auch tatkräftig befriedigen wollen.
Das waren bei uns wirkliche'V o l k s anleihen im
schönsten Sinne des Wortes. Keiner von unseren
Gegnern hat uns das nachzumachen vermocht.
Nicht einmal England, wo die Beteiligung der
weiteren Volkskreise trotz aller Reizmittel mangel¬
haft blieb. In Frankreich ist noch weniger auf
Massenandrang zu rechnen. Daher hat die f r a n-
zösische Regierung noch zu einer sehr hohen
Verzinsung und zu dem besonderen Lockvogel der
Konvention greifen müssen.
Wie man in England die alten Konsuls bei der
Kriegsanleihe in Zahlung nahm, sollen nach dem
neuen französischen Gesetz dort nicht nur die bisher
ausgegebenen Schatzscheine und Obligationen, son¬
dern sogar die 3sttzprozentige Rente (unter gewissen
Bedingungen, sogar die 3Prozentige) in Zahlung ge¬
nommen werden. Durch den Umtausch dieser Pa¬
piere erlangt die Staatskasse kein neues Geld was
sie doch braucht, sondern nur eine erhöhte Zinsenlost.
Es ist ein kostspieliges Lockmttt-l. und der Erfolg ist
kung
sondern nur die Barzahlungen
Wie weit der französische Staatskredit hinter dem
deutschen Reichskredit zurückstehr. zeigt sich handgreis-
kich in der Vergleichung d § A u s g a b e k u r l e: s.
In Deutschland' konnte bei jeder folgenden Anleihe
der Zeichnungspreis erhöht werden, so daß er ganz
dicht an Pari (100 Prozent) herankam. In Frank¬
reich soll die neue Anleihe zu 38 ausgegebcn wer¬
den. Unser Schatzsekretär bezahlt nur eine ver-
schwindenoe Kleinigkeit mehr als 5 Prozent. Ter
französische Finanzminist w aber muß tatsächlich
sechs Prozent leisten. Tenn 6 Mars Zinsen sur
88 macht schon 5,7 Proz-nt, und da obendrein noch
die Verzinsung schon vom 16. November lanfen soll,
während die Zeichnungen erst im Dezember abge¬
schlossen und die Zahltermine bis in den März aus¬
gedehnt wertzen, so erhöht sich die Belastung noch um
wenigstens Y< Prozent, so daß di- franrösische An¬
leihe' tatsächlich sechsprozentig ,sl. Taber
haben wir den Profit der Umwandler ihrer alten
Renten noch nicht in Rechnung gestellt. Tie fran¬
zösische Regierung muß also bedeutend höhere Zin¬
sen zahlen, als die deutsche, und es ist uniso be¬
achtenswerter, als bisher in Frankreich ebenso wie
Unpolitische Zettläuse.
kl. Berlin, 18. November 1915.
(Nachdruck verboten.)
Zwei Kurpfuscherinnen sind verurteilt
worden weOn fahrlässiger Tötung, jede zu einem hal¬
ben Jahre Gefängnis. Tie Gerichtsverhandlung er¬
regte riesiges Aufsehen: denn es waren nicht gewöhn¬
liche Quacksalber, die da au; der Anklagebank saßen,
sondern Vertreter einer großen Sekte, die Millionen
von Anhängern zählt und ihren Humbug unter dem
Deckmantel der Wisienschaft und der Frömmigkeit
betreibt.
Tie Geschüftsfirma lautet: Chnsttau scrence, aus
deutsch „christliche Wisseuschast". Gewöhnlich nennt
man die Leute Gesund beter. Der Ausdruck paßt
aber nicht recht; denn das Beten betreibt mau dorr
ganz anders, wie wir geivöhnlichen Ehristenmenschen,
und die Sache läuft schließlich, darauf hinaus, daß
man sich gesund denken soll. . ,
Nichts einfacher als das: die ganze Materie ist
nur Einbildung, die Krankheiten und Schmerzen im
Körper sind auch nur Einbildung: wenn der Geist
sich von dieser Einbildung befreite, so ist er gesund
und wohl; die Uebcrwindung des störenden Stoffes
erreicht der menschliche Geist, indem er mit dem gött¬
lichen Geiste sich vereinigt. ^
Das letztere klingt sehr fromm und gottselig, ober
»g ist unchristlich durch und durch. Der Christ sagt:
Hotr hat die menschliche Seele erschossen nach seinem
Ebenbilde, aber auch der Körper und die umgebende
Stoffwelt ist von Gott ins Dasein gerufen. Er ver¬
ehrt Gott als den gütigen Pater, ober auch als den
strengen Richter. Er betrachtet auch die Krankheiten
und Leiden als Schickungen Gottes, der die Sünden
strafen und die Menschheit durch die heilsame Zucht¬
rute erziehen will. Ter Christ bittet demütig: Er¬
löse uns von dem Hebel; er fügt auch hinzu: Dein
Wille geschehe im Himmel und auf Erden. Der
Christ siebt um Gnade, damit er emst zur Ansckau
ung Gottes gelange. Diese Jrrlebrer aber maßen sich
cm,' ihren Geist zu einem B e st a n d t e i l de? gött¬
lichen Ge'stes macken zu können, und fordern vom
lieben Gott nicht ein Almosen seiner Liebe, sondern
rin Anrecht auf seine Macht und Herrlichkeit. Sie
wollen die trügerische Verheißung der Schlange cn>
sich in Erfüllung gehen lasten: sie wollen werden wie
Götter. Schon in d'esem irdischen Jammertale wol¬
len sie erhaben sein über alle Schwächen. Nöten und
Leiden. Sie reden gottselig, aber sie denken und han¬
deln gotteslästerlich, indem sie dem Allmächtigen
vorsihrsibeu. was er tun und nicht tun dark
in England der Zinsfuß viel niedriger war als in
Deutschland.
Rußland hatte schon längst einen höheren
Zinsfuß. Daher ist es nicht auffallend, daß der rus¬
sische Finanzminister jetzt eine öh^prvzeniige An¬
leihe auflegt. Aber er bekommt von den vermitteln¬
den Beamten nur 90 Rubel für 100: dadurch steigt
die wirkliche Verzinsung auf etwas über 6 Prozent.
Jni übrigen ist sich alle Welt darüber klar, daß die
ruflische Anleihe nicht vom Volke ^gedeckt werden
wird, sondern zum Teil von den Sparkassen
unter obrigkeitlichem Druck oder zum anderen Teil
von den Banken, von denen manche nur aus Ge¬
fälligkeit zeichnen, damtt die Schlußsumme recht
groß erscheint, nachdem die Regiening ihnen Scho¬
nung bei der Einziehung der Beträge versprochen
hat.
Auch in Frankreich werden sicherlich die
Banken als Lückenbüßer einspringen müssen. Wenn
das Ergebnis verkündet wird, so werden wir den
Schein von der Wirklichkeit sondern müssen. Aber
aller Wahrscheinlichkeit nach wird dort nicht mal
auf dem geduldigen Papier sich diese Summe er¬
reichen lassen, die Deutschland in gutein G e l d e
aufgebracht hat.
Der deutsche Kurienkardinal.
Die inr nächsten Konsistorium bevorstehende E r-
Nennung des Münchener Nuntius Msgr. F r ü h-
w i r t h zum Kurienkardinal hat nicht nur rein kirch¬
liche, sondern auch geschichtliche Bedeutung. Mit
dieser Ernennung geht ein längstgehegter Wunsch der
deutschsprec^nden Katholiken nach einem deutschen
Kurienkardinal in Erfüllung. Wenn Kardinal Früh-
wirth auch nicht Reichsdeutscher, sondern Oesterrel-
cher ist, so kann man rhn doch als deutschen Kurien
kardinal ansprechen. Der letzte deutsche Kurienkardr-
nal war der Jesuit Steinhuber und seit seinem Ab¬
leben sind die Wünsche nach einem deutschsprechen¬
den Berater des Papstes nicht verstummt.
Die Bedeutung der Ernennung eines Deusschen
zum Kurienkardinal liegt darin, daß damit ein Deut¬
scher in das Kardinalskollegium einzieht, der zu den
ständigen Beratern des Papstes gehört und als sol¬
cher maßgebenden Einfluß auf die Verwaltung der
Kirche auszuüben vermag. Die Kunenkardinalc
setzen sich fast ausschließlich ans Angehörigen der ro-
nmnis^en Staaten zusammen und ein deutscher Ku¬
rienkardinal, der rwt den Bedürfnissen, dem Wesen
und der Bedeutung des deutschen Katholizismus
durch und durch veAraut ist, kann hier nicht zuletzt
auch im Interesse der Kirche selbst Großes wirken.
Die deutschen Katholiken und das ganze deutsche
Volk kann Papst Benedikt XV. für die Ernennung
Msgr. Frühwirths dankbar sein, ganz besonders
unter den gegenwärttgen durch den Krieg geschaffe¬
nen Verhältnissen. Schon zu normalen Zetten
wäre die Ernennung eines Deutschen als Kurienkar¬
dinal ein Ereignis gewesen, im gegenwärtigen
Augenblick aber, wo der romanische und speziell der
national-französische Katholizismus allen Einfluß
aufwendet, den Papst zum Aufgcbcn seiner sttrkten
Neutralität zu veranlassen, ist sie eine Tat. Die un¬
beirrbare, keinerlei Einflüssen zugängliche und einzig
das Wohl der ganzen Kirche im Auge habende Un¬
parteilichkeit des Papstes Benedikt XV. zeigt sich hier
M schönsten Lichte. Pius X. gab dem deusschen Volke
den ersten deutschsprechenden Nuntius und nun sein
Nachfolger einen deutschsprechenden Berater des
Papstes. Als Parteinahme für die Zentralmachte
kann aber diese Ernennung doch nicht angesehen wer¬
den, denn Kardinal Frühwrvth ist als Nuntius nicht
Deutscher oder Oesterreicher, sondern ausschließlich
päpstlicher Diplomat. . „ _ ,
Ein päpstlicher Ablegat, der von einem Nobel-
qardisten begleitet sein wird, in Friedenszetten ge¬
sellte sich ein päpstlicher weltlicher Kämmerer dazu,
überbringt dem neuen Kardinal das päpstliche Er-
ncnnungsdekvet und das rote Kardinalsbirett. Die¬
ses— und das ist ein Privileg, das bisher nur dem
Kaiser von Oesterreich und dem König Don Spa!-
nien zustcmd — wird König Ludwig III. von
Bayern als Vertreter des Papstes dem neuerncmnten
Kardinal aufs Haupt setzen. Kardinal Frühwirth wird
wahrscheinlich bis zur Beendigung des Krieges als
Es ist ein geistiger Turmbail von Babylon. Die
Jrrlehrer wollen bei lebendigem Leibe in den Him
mel der Glückseligkeit eindringen; dabei scheitern sie
elendiglich.
Das Schicksal der zwei armen Opfer dieser Sekte
ist erschütternd. Es waren zwei Schauspielerinnen,
und sie gehörten zu den Zierden dieses Standes. Die
eine litt an Zuckerkrankheit, die andere an einer bös¬
artigen Hautkrankheit. Solange sie in der Behandlung
der Aerzte waren und deren Anordnungen befolgten,
fanden sie Linderung und dursten auf Verlängerung
des Lebens hoffen. Nun fielen sie aber tn die Hand«
von Gesundbeterinnen oder Gesunddenkermnen. De
hielten die Aerzte fern, stießen die Vorschriften über
Ernährung und Behandlung um, verlegten sich nur
auf ihre Bearbeitung des „Geistes" und ließen die
kranken Körper so verkommen, daß die armen Frauen
tatsächlich bei lebendigem Leibe verfaulten.
Schauspieler sind bekanntlich sehr zum Aberglau¬
ben geneigt; die weiblicken Bühnenkünstlerinnen erst
recht. Daher darf man sich nicht zu sehr wundern,
we^ die beiden Frauen sich trotz ihrer wachsenden
S «en einreden ließen, daß chr« Krankheit nur
Einbildung wäre und zur Erlangung der Gesundheit
nichts weiter notwendig sei. als fleißig in b>.m Buche
zu lesen, was die Stisterin der Sekte geschrieben hat,
und durch eigenes und fremdes „Geoett'den Geig
göttlich zu machen. Aber der Kreis der Gläubigen"
beschränkt sich keineswegs auf phantastische Künstler
oder ungebildete Leute. Sogar O s jlz iere treten
in der GericbtShandlung auf, die durch dieses Gemisch
von Kurpfuschertum und Schwärmerei bezaubert
waren. Di« Anhänger der Sekte zählen bei uns zu
Lande nach Tausenden und in Amerika, dem Ur-
sprungslande, nach Millionen. In Amerika besitzt
die Sekte Hunderte von Kirchen, darunter überaus
mächtige und kostbare Tempel. Es ist eine ansteckende
Geisteskrankheit, die da durch die Welt geht.
Sehr bezeichnend sst di« große Scheu, welche die
Gesundbeterinnen vor den katholischen Geistlichen und
den katholischen Krankenhäusern an den Tag
legten. Sr« wußten ganz gut, daß gerade die kathol.
Religon mit klaren Glaubenssätzen und ihrer gesun.
den Kirchenzucht solchem Aberglauben den wirksamsten
Widerstand leistet. Die Sette erhält den größten Zu¬
wachs aus den andersgläubigen Kreisen, wie ja auch
ihre Wiege in Nordamerika stand, dem gelobten Lande
für eine'Unmasse von Sekten, wo die mormonische
Vielweiberei ebensogut ihren Nährboden fand, wie
die methodistischen Verzückungen rrnd die „betende"
Kurpfuscherei.
Pro-Nuntius in München bleiben und dann erst Sitz
in Rom nehmen.
Das Kollegium der Kardinäle ist der Senat oder
hohe Rat der katholischen Kirche, aus ihm geht der
üopst hervor. Das vollzählige Kollegium soll 70
Kardinäle umfassen, gegenwärtig, d. h. bis zur Er¬
nennung der neuen Kardinäle, sind es nur 57.
Die Kardinale werden in zwei Klassen eingeteilt:
die Kurienkardinäle und die Kronkardinäle. Kurien-
kardinäle sind jene, die in Rom residieren, die Kron-
kackinäle werden meistens von den Herrschern dem
Papste in Vorschlag gebracht und wohnen außerhalb
Roms. An der Kurie residierten bis jetzt gegen 20
Italiener und nur 4 Ausländer: der Spanier Merry
del Val. der Holländer Pan Rossum, dcr Franzose
Billot und der Engländer Gasquet. Aus dieser Tat¬
sache zeigt sich ebenfalls, welche Bedeutung der Er¬
nennung eines deutschen Kurienkardinals zukommt.
Die Würde des Kardinals folgt unmittelbar der
päpstlichen. Das äußere Zeichen der Kardinalswürde
ist der „rote Hut", das Kardinalsbirett und der Kar¬
dinalsring. Die Kardinäle, die natürlich allen ande¬
ren geistlichen Würdenträgern im Range voran-
aehen, haben auch Vortritt vor allen weltlichen pur¬
sten mit Ausnahme der regierenden Fürstlichketten.
Zn 'einzelnen Staaten ist der Hofrang der Kardinale
besonders geregelt. Ter Kardinal führt den Titel
„Eminenz" und jeder Kardinal erhält in Rom eine
sog. Titelkirche.
Lokaler.
Fulda, 2\ November 1915.
Im katholischen Frauenbund hielt gestern
Herr Regens Professor Dr. Schreiber seinen drit¬
ten Vortrag. Er sprach über „Das L c b e n a l s
Gottesdienst". Ter RÄmer begann mtt Vor-
lestma eines Artikels der „Leipziger Nachrichten", in
dem gesagt wurde: 'Nock) zu keiner Zeit sei in Deutsch¬
land das' Sehnen nach Gott und Religion so stark ge¬
wesen als jetzt. Aber nach der modernen Auffassung,
die auch in dem Artikel zum Ausdruck kam, erschöpft
sich die Religion, die nicht auf christlicher Grundlage
ruht, in der'allgemeinen Menschenliebe. Es ist eine
Lehre, die das 'Sittliche und Edle um seiner selbst
willen liebt, ohne daß sie hinführt zu Gott. Ta aber
Gott der Ursprung aller Tinge ist, der alles geschas¬
st n hat und erhält, so muß man Gott dienen, nicht
nur im Gottesdienst des Lebens, sondern auch m
Kultus und Gebet. Alle begründeten Lebensziele
des Menschen sind daher in vollen Einklang zu brin¬
gen mit dem Dienste Gottes. Nachdem er das Dasein
eines persönlichen Gottes und den Ursprung des
Menschen, der nickt aus der Entwicklung eines nie¬
deren Wesens ensstanden, sondern als Mensch ge¬
schaffen worden sein muß, klar bewiesen hatte, kam
der Vortragende zu dem Ergebnis, daß die ganze
Tätigkeit des Menschen auf seinen Schöpfer und Er-
Halter binzielen muß. Da Gott alles gehört, muß
auch alles Gott dienen. Wie schön hat daher die
katholische .Kirche durch die Sakramente und Sakra¬
mentalien dem ganzen Menschenleben in allen Laarn
und bei jedem neuen Lebensabschnitt die religiöse
Färbung gegeben. Nun gibt es viele, die sagen,
ich brauche nickt in die Kirche zu gehen, wenn ick
nur rechtschaffen lebe, so genügt das. Dieses sst eine
ungebührliche Wersschätznng der -weltlichen Tätigkeit.
Wir können zwar durch unsere Berufsarbeit Gott
dienen, ober wir sind auch vervflichtet zum Preis und
Dank gegen Gott. Hierzu bedarf es des Gebetes, der
Teilnahme am Gottesdienst und der religiösen He¬
bungen. Die etbische Reliaion. die Lehre Kants, die
nichts wissen will von Gebet und Kultus und die
Religion nur in Sittlichkeit bestehen * läßt,
ist daher falsch und verwerflich. Im zweit-n
Teil des hochinteressanten, alle Zuhörer aufs höchste
fesselnden Vortrags svrach der Redner nwächst gegen
die Irrlehren eines Feuerbach und Nietzsche, die leh¬
ren, daß die Gebote Gottes dem Menschen in seinem
Glücke hinderlich seien. Er fühtte den Nachweis, daß
Gottesdienst stets in Einklang zu bringen ist mtt all-n
menschlichen Lebenszielen, daß Reliaion und Lebens-
alnck, Religion und .Kulturarbeit. Religi-n und G--
meinwohl nie im Widerspruch stehen, sondern daß
Die Begründerin der Sekte. Iran Eddp, war eine
richtige Amerikanerin. Sie schrieb die neue Bibel,
wonach alle Materie nur Einbildnno sst. aber tv-W
m„ßte sie den Wett der cw»denen Materie vortreff-
lick zu scköt>en. Durch ihre Irrlehre wurde sie
mebttacke Missionärin. Auch ibre Handlongerinnen
lassen sich für ibr Lesen und „Beten" bei den Kran¬
ken ganz aern bewf-len, obschon sie doch eigentlich
nur an ihren „Geist" denken fassten. Das Kur-
vfnschertum sst ein profitables Geschäft, sowohl
beim Schäfer Ast, der alles aus den Nackenhaaren
kuriert, wie bei den Gesundbetern, die unter reli¬
giösem Deckmantel „arbeiten".
~ Wie groß die Macht des Aberglaubens ist, zeigt
sich recht drassssch in der Aussage eines Zeugen, der
stramm und fest versichert: Wenn er den richssgen
Glauben habe im Sinne der Frau Eddv und sitze
auf einem Pulverfaß, an das die Lunte gehalten
werde, so würde ihm nichts passieren. Das soll nun
„christlich" sein. Und doch lesen wir in dem Evan¬
gelium (Matthäus im 4. Kapitel):
„Da nahm ihn der Teufel mit sich in die hl.
Stadt und stellte ihn auf die Zinnen des Tem¬
pels und sprach zu ihm: Bist du Gottes Sohn, so
stürze dich hinab, denn es steht geschrieben: „Er
ha» seinen Engeln deinetwegen befohlen, nnd sie
sotten dich auf den Händen tragen, damit du
nicht etwa deinen Fuß an einen Stein. stoßest."
JcsuS aber sprach zu ihm: „Es steht wieder ge¬
schrieben: „Du sollst Gott deinen Herrn
nicht versuchen."
Was der Erlöser selbst als freventlich« Versu¬
chung Gottes ablehnt, daS wagen diese Schwärmer
dem Allmächtigen zu bieten. Sie bilden sich ein,
daß ihr Geist Gotteskraft habe, und daß zu ihren
Gunsten die Naturgesetze aufgehoben werden mü߬
ten. DaS hängt nicht von dem Willen das All¬
mächtigen ab, sondern ist ihr selbstverständliches
RcM. Wenn ein „gläubiger" Genosse auf dem
Pulverfaß sitzt, so darf es nicht explodieren, so
kann es nicht explodieren!
Aber da ist doch der Gegenbeweis leicht zu füh¬
ren: man braucht ja nur die Lunte daran zu halten
wenn der Schwärmer seinen Platz eingenonimen
hat. Aber so leicht geben sich die Schwärmer nicht
gefangen. Sollte das Faß doch explodieren, so hat
der Mann eben noch nicht den gehörigen Glauben
gehabt, ist noch nicht „geistig" genug gewesen. Also
ivcrden alle Mißerfolge beiseite geschoben, daoegen
werden die anscheinenden Erfolge als Be¬
weise siir die Richtigkett der Irrlehre auspcsaunt.
die Religion dem Menschen zu alleu Werken Trost
und Kruft verleiht, besonders auch in sittlichen
Schwierigkeiten. Wo ist der Weg zum Wahren,
Schönen, Guten, das der Künstler schaffen will, wo
indet alle menschliche Tätigkeit, sei es auf welchem
Gebiet immer ihre Spitze und Krönung, nur in
Gott. Mit begeisterten Worten schilderte der Red¬
ner, wie dje ganze Schöpfung, vom Wurm der im
Staube kriecht, vom Vogel, der in den Lüsten fliegt,
bis zu den unendlichen Gestirnen am Himnrel dro¬
ben, ein Preis- und Danklied singt ihrem Gott und
Herrn.
st?) Prcisprüsungsstellc. Unter dem Vorsitz deS
Herrn LandeSoekonomierates Wagener hielt di»
hiesige neubegründeke Preisprüfungsstelle gestern ihv
erste Sitzung ab. Es wurden lediglich vorbereitend«
Arbeiten erledigt; auch wurden die einzelnen Aus
schüsse für Vorschläge der Preise gewählt.
!! Eme Reise mit der Eisenbahn wollte am
Donnerstag gerne ein Schuljunge aus Talherd«:
machen. Er kam auch bis hierher, logierte unfrei
willig im Hl. Geisthojpital und wurde dann gestern
wieder nach seinem idyllisch gelegenen Heimatdcw
zurückgebracht.
Kus dem Nachdargediete.
* Frankfurt, 19. Nov. 1915. Die Bolksvcreins
Versammlung, die kürzlich im Kompostellhof hier
stattfand, war stark besucht, auch der Führer der Zen-
trumspartei. Oberlandesgerichtspräsioent Dr. Spahn
und Stadtpfarrer Geistl. Rat Abt waren anwesend.
Nach Eröffnung der Versammlung durch Mittclschul-
lehrer Schwarz sprach Direttor Dr. Brauns- M.-
Gladbach über das Thema „Deutschlands
Starke im Völkerringe n". In ausgezeich¬
netem Vorttage beleuchtete Redner _ die Gefahren,
denen das eingekreiste Deutschland bei Ausbruch des
Krieges gegenüberstand. Es war nicht allein die un-
günsttge geographische Lage der beiden verbündeten
Mächte, sondern auch der Feinde Ucbermacht —
825 Millionen Menschen gegen 157 Millionen, —
eine Lage, die manchen besorgt in die Zukunft
schauen 'ließ. Dazu der verwerfliche englssche Plan
der Aushungerung der Zivilbevölkerung. Aber
Deutschland besteht den Kampf glänzend.. Die Kraft
hierzu fand es zunächst darin, weil es ein Volk der
intensivsten, allseitigen 'Arbeit sst mit hocyentväeielter
Technik und Wissenschaft und vorzüglich organisiert,
dessen Sozialpolstik das Volk gesund erhalten hat und
die Wunden des Krieges heilen Hilst. Nicht zuletzt
aber haben die sittlichen Kräfte: Liebe zum Vater¬
land, Pflichtbewußtsein und die riefe reliaiöse Er¬
fassung des Krieges durch das Volk Deutschland so
stark gemocht und ihm zu seinem Siege verholsen.
So werden wir auch weiterkäinpfcn und durchhatten,
damit aus diesem Kriege ein neues, genchcrtes, vom
alten Geiste getragenes Deutschland erstehe.
* Frankfurt. 19. Nov. 1915. Auf Annrf des
Hcmdwerksamts an die 31 bestehenden freien Hand¬
werkervereinigungen nnd Genossenschosten wurde die
Gründung eines Bundes der freien .Handwer¬
kervereinigungen und Genossen>chaften ein¬
stimmig beschlossen, der sich mit dem bestehenden Jn-
nungsausschuß der vereinigten Innungen zu^LIVüw
.Hauptausschuß sämtlicher Frankfurter Handwerker
vereinigen und dem Handiverkeramt angraludert
werden wird. — Durch diese für das Frankfurter
Handwerk bedeutsamen Beschlüsse wird^ eine zusam¬
menfassende Handwerkerstandes- und Interessenver¬
tretung geschaffen, wie sie in gleich vollkommener
Weise wohl in keiner Großstadt bestehen dürste.
* Eschwcge, 18. Nov. 1915. Am Montag und
Dienstag fanden die Stadtverordneten-
w a hl e n statt. Zur Wahrung des Burgfriedens hat¬
ten die Handwerkervereinigung, der Beamtenverein,
der evangel. und katholische Arbeiterverein mit den
Freien Gewersschasten für alle drei Abteilungen ge¬
meinsame Listen aufgestellt, deren Kandidaten auch
gewählt wurden.
* Wiesbaden, 18. Nov. 1915. Die M a u l - u n d
Klauenseuche ist rm hiesigen Regierungsbezirk
wieder im Zunehmen begriffen. Vergangene Woche
waren es 27 Oute in 12 Kreisen gegen 31 Orte in
12 .Kreisen in dieser Woche.___
Im Gerichtssaale trat eine Anzahl von Zeugen
auf, die durch die „christliche Wissenschaft" ge¬
heilt sein wollten. Mit diesen „Heilungen" ist es
eine eigene Sache. ES gibt keinen Kurpsusckwr. der
nicht ein Bataillon von „Geheilten" Paradieren
le"en kann, und die Geschäftsleute, die «geito ein
bestimmtes Heilmittel vertreiben, können mtt „Tau¬
senden von Dankschreiben" aufwarten. Ist das
lauter Schwindel und Fälschung? Zum Teil nur.
In manchen Fällen liegt eine wirkliche Besserung
des Befindens vor. Je fester man „glaubt" an die
betreffende Kur, desto stärker werden von der Seele
auz die Widerstandskräfte des Körpers angeregt.
Namentlich bei Leiden, die mit den Nerven zu¬
sammenhängend tut die Belebung der Hoffnung i'nd
die Aufmunterung der Körperkräste oft die. wert¬
vollsten Dienste. Auch der zünftige Arzt sucht den
Lebensmut seiner Patienten eifrig zu heben. Oft ist
freilich die Besserung nur vorübergehend, ein zeit¬
weiliges Aufflackern des Lebenslämpchens. Der
Rückschlag pflegt dann verschwiegen zu werden.
Alanchnial gibt es auch eine dauernde Besserung,
wenn der angeregte Körper noch im Stande war,
die Krankheit zu überwinden. Letzteres tritt be¬
kanntlich auch häufig in solchen Fällen ein, wo der
Kranke weder zum Artt noch zum Kurpfuscher geht,
sondern sich auf die Heilkraft der Natur verläßt.
Wenn einer nach einer Kur genejen ist, so kann
man noch nicht immer sagen, er sei d u r ch die Kur
geheilt worden. Wer gerecht urteilen will, muß in
die eine Wagschale die Zahl der wirklich Geheil¬
ten legen, und' in die andere Wagschale die Zahl
der ungeheilten. Die blinde Maffe aber geht ganz
anders vor: den Kurpfuschern und Wunderdoktoren
wird jeder angeblich Geheilte zum Ruhme ange¬
rechnet, dagegen läßt man bei Beurteilung der zünf-
ssgen Aerzte die Geheilten aus dem Spiele und
rechnet ihnen jeden unheilbaren Fall als Beweis
ihrer Ohnmacht an. Der kluge Mann hütet sich vor
Einseissgkeit und Schwärmerei.
Treffend wurde im Gerichtssacll gesagt: Die An¬
hänger der Amerikanerin reden nur vom Beten in
ihrer Att. der Christ aber sagt: Bete und ar-
beite d. h., wenn du krank bist so bitte den lie¬
ben Gott um Trost und Hilfe, aber tue auch d a S
Deinige, um wieder gesund zu werden und ge-
ünd zu bleiben. Gehe rechtzeitig zu einem sachver-
tändigen Arzt, befolge dessen Anordnungen gewis-
enhaft und lebe überhaupt gesundheitsgemäß. Gott
zilft dem, der sich selbst zu helfen sucht.