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politische und militärische Lage sei durchaus befrie¬
digend. Die serbische Armee sei in, einer geradezu
verzweifelten Lage. Während die Verbündeten
Streitkräfte die Städte und Ebenen besetzt halten,
se'en die Serben auf das montenegrinische und alba¬
nische Bergland beschränkt. Ter Winter sei jetzt dort
einaekehrt und die noch wenigen Wege, die vorhan¬
den, seien ungangbar. Militärische Unternehmungen
*n größeren Verbänden während der schlechten Jah-
rsreit seien unmöglich. Tie serbische Armee sei in¬
folgedessen tatsächlich erledigt. Schwieriger sei die
tufgabe der bulgarischen Truppen an der Süd-
» r o n t, wo sie in einem gebirgigen Gelände operie-
en müßten; aber der Heldenmut und die Ausdauer
r Bulgaren würden es ermöglichen, auch diese Hin¬
dernisse zu überwinden. Bon G r i e ch e n l a n d sei
keine Ueberraschung zu befürchten. Griechenland be-,
finde sich mitten in einer lebhaften Wahlbewegung
und beweise danrit die Absicht, nicht aus seiner Neu¬
tralität herauszutreten. Ueber den weiteren Verlauf
der kriegerischen Operationen könne noch nichts ge¬
sagt werden. Bedeutungsvoll für weitere Beschlüsse
'ei die Reise Enver Paschas nach O r s o w a,
oer heute vom König empfangen wurde und mit dem
Ministerpräsidenten Und dem Kriegsministev Unter¬
redungen hatte.
Griechenland und der Vierverband.
Berlin, 3. Dez. 1915. Ter „Nieuwe Rotterd.
Courant" meldet aus Sofia: Die Haltung Griechen¬
lands gegenüber der Verletzung seiner Neutralität
durch die Ententemächte wird genau dargelegt wer¬
den, sobald die Zentralmächte fertig sein werden, die
jetzt planen, Griechenland im Falle der Not kräftig
zu unterstützen. Griechenland wird dann von der
Entente die Zurückziehung der Truppen aus
dem griechischen Gebiet verlangen und. falls das
nicht geschieht, die Truppen entwaffnen. Die Drv-
hung der Ententemächte mit einer Blockade oder gar
mit einer Beschießung wird von der Regierung und
und dem ruhig urteilenden Publikum nicht ernst ge¬
nommen, da Griechenland in einem derartigen Fall
sofort Repressalien gegen die Expeditionstrnppen der
Entente ergreifen könnte. Sie könnte diesen jede
Zufuhr abschneiden, um auf diese Weise zu
verhindern, daß der Rückzug auf griechisches Gebiet
erfolgt. Die Expeditionstruppen der Entente wür¬
den alsdann gänzlicher Vernichtung ausgesetzt und es
könnte zu ihrer Gefangennahme kommen. In hohen
militärischen Kreisen Griechenlands wird unumwun¬
den cingestanden, daß ein derartiger Verlaus der An¬
gelegenheit ohne Zweifel tatsächlich eintreten könnte,
(ctt. £>In:)
wtb Rom, 3. Dez. 1915. Ter „Messagero" teilt
mit, daß in der gestrrgen Kammersitzung die Minister
S o n n i n o und S a l a n d r a schleunigst den Si¬
tzungssaal verließen. Tie Sitzung wurde unter¬
brochen. Beide Minister blieben etwa 20 Minu¬
ten in, Ministerzimmer zu einer Besprechung. Bald
verbreitete sich das Gerücht, die Konsulta habe
schlimme Nachrichten erhalten; die griechische
Regierung Hobe ablehnend auf die letzten
kategorischen Forderungen des Vierverbondez geoml-
wortet, sowohl auf das Verlangen des freien Ge¬
brauches des Hafens und der Bahnlinien von Sa¬
loniki wie auf die Forderung, die arttchischen .Küsten
überwachen zu dürfen, und zu verhindern, daß- öster-
reichisch-ungariscbe Unterseeboote sie als Basis benutz¬
ten. Eine Bestätigung dieser Meldung liegt bisher
nicht vor.
Griechische Rüstungen.
' Eine Meldung des Mailänder „Eorriere della
Sera" aus Athen besagt, daß zwar der Vierverband
wie die griechische Regierung eifrig bemüht seien,
das Aeußerste abguwenden, daß aber 'die Lage
tägl ich schlimmer werde und daß sie sich von
einer Stunde zur anderen zum schlimmsten wenden
könnte. Griechenland denke nicht an Abrüstung, setze
vielmehr seine Rü st ungen fieberhaft fort.
Es habe bereits 200 000 Mann unter den Waffen
Tie letzten Druckversuche des Vierverbandes hätten
beim König den denkbar schlechtesten Eindruck hin-
terlassen. (ctr. bln.)
Kitcheners letzter Versuch.
■ DD' Wie der Korrespondent der „Voss. Ztg."
aus London erfährt, verlautet in dortigen politi¬
schen Kreisen, daß Kitchener augenblicklich den letz¬
ten Versuch unternehme,' die Balkanexpedi¬
tion des Vierverbandes zu retten. Als Kit¬
chener vor seiner Abreise in London und Paris die
Unmöglichkeit betonte, bei den schwierigen Trans¬
port- und Verpflegungsbedingungen und der gerin¬
gen Truppenmacht etwas auf dem Balkan auszu¬
richten, wurden ihm genügend Verstärkun-
g e n in kürzester Frist zugesagt. Jetzt hat aber Kit-
chener bereits mehr Truppen von Gallipoli weg¬
genommen, als beabsichtigt war. Seine Lage ist
. folglich sehr schwierig, da er von der Regierung die
strikte Anforderung hatte, die Balkanexpedition zu
retten, die erst versprochenen Verstärkungen aber
infolge der Meinungsverschiedenheiten unter den
Kabinetten des Vierverbandes ausgeblieben sind.
In Paris wurde Kitchener auch mit'geteilt, daß die
französische Regierung keine großen Hoffnungen auf
den Ausgang der Batkanoperationen setzte. In Pa¬
ris hat sich Kitchener offenbar bedrückt gefunden; er
reiste sofort wieder ab, nachdem er den Führern der
Ententetruppen in Griechenland neue Befehle er¬
teilt hatte.
Griechenland m»d die Türkei.
wtd Die „Kölnische Zeitung" erfährt aus Sofia
vom 1. Dezember«: Bon gut unterrichteter Seite er¬
fahre ich, daß die griechisch-ttirkischen Beziehungen
einen neuen Grad höher Wichtigkeit erhalten haben.
S k u l u d i s und der G r o ß v e z i e r wechselten
herzliche Telegramme. Die griechisch-türkischen B e r-
handlungen finden gleichzeitig in Konstanti¬
nopel und Athen statt und betreffen die Regelung
wirtschaftlicher Fragen sowie den Besitz¬
stand griechischer und türkischer Untertanen in beiden
Ländern. Das schnelle Vorschreiten der Verhand¬
lungen erweckt die Hoffnung auf eine volle politische
V e r st ä n d i g u n g.
Auch die e Nachricht läßt erkennen, daß Grieche *
land nicht daran denlt, ins Vierverbandslager
überzuschwenken.
Rumänien.
Lugano, 3. Dez. 1916. Ein Bukarester Tele¬
gramm des „Eorriere" meldet, daß der Jahrgang
1892 en tlaisen worden ist. Tie Entlassung des
Jahrgangs 1893 folgt. Tie rumänischen Studen¬
ten erhielten die Erlaubnis, zur Fortsetzung ihrer
Studien ins Ausland abzureisen. Die rumänische
Grenze gegen O e st e r r e i ch - U n g a r n ist fast
ganz von Truppen entblößt, nur einige Mu-
nitionszüge gehen nach Predeal. (c>r fft.)
Rumänisches Getreide für die Mittelmächte,
wtb Bukarest, 3. Dezember 1915. Die für den
Verkauf an die Mittelmächte in Frage kommenden
50 000 Waggons Getreide verteilen sich wie folgt:
20 000 Waggons Weizen, 10 000 Waggons Mais,
7500 Waggons Gerste, 5000 Waggons Hafer, 2500
Waggons Erbsen, 5000 Wgggons Dahnen.
Uebevschwemmungen an der unteren Donau.
Budapest, 2. Dez. 1915. Das Hochwasser der
Donau hat große Strecken der Tobrudscha und
Bessarabiens überschwemmt. In Rumänien stehen
das Mündungsgebiet und die Gegend zwischen Ga-
latz und Braila unter Wasser. In Besfarabien
mußten sich die in Reni. angesammelten russischen
Truppen nach'höher gelegenen Plätzen zurückziehen.
Infolge der Ueberschwemmungen ist großer Futter¬
mangel eingetteten, der angerichtete Schaden ist be
deutend, (ctr. fft.) ,, ,, ,, _~
Der TüKenKrtes.
Der türkische Tagesbericht.
Ein feindliches Torpedoboot gestrandet,
wtb Konstantinopel, 3. Dez. 1915. Das Haupt
quartier teilt mit: An der K a u k a s u s f r o n t be¬
schränkt sich die Tättgkeit, dg der frische Schnee stel¬
lenweise drei Meter hoch liegt und auch hefttge
Wirbelstürme einsetzen, nur auf bedeuttrngslose Zu
sammenstöße der Patrouillen. — An den Tarda-
nellenfront setzte der Artilleriekanrpf aus; es
fand heftiger Bombenkampf an einigen Stellen
statt. Bei Anaforta ließ der Feind zwei Panzer¬
kreuzer, bei An Burnu und Sedd ül Bahr zwei
.Kreuzer einige Zeit lang an dem Feuer der Land¬
batterien teilnehmen. Unsere Artillerie ant¬
wortete der feindlichen wirksam und verursachte
bedeutenden Schaden an Teilen der feind¬
lichen Schützengräben und bei seinen Truppen, die
außerhalb der Deckungen beobachtet wurden, ver¬
nichtete eine feindliche Maschinen-
grwehrabteilung bei Anaforta und einige
Bombenwerferstelungen bei An Burnu. Außerdem
erzielten unsere Arttlleristen Volltreffer mit
zwei Geschossen auf dem Hinterteil und mit einem
Geschoß ai , dem Verdeck eines feindlichen
Kreuzers der von den Küstengewässern von
Sedd ül Bahr her das Feuer eröffnete und zwangen
diesen Kreuzer, das Feuer einzustellen und sich zu¬
rückzuziehen. Eines unserer Flugzeuge warf
Bomben auf ein feindliches Torpedo¬
boot, das am Nordufer der Bucht von Sa ros,
drei Kilometer westlich von Kap Jridsche st r a n -
d e t e. Am 1. Dezember warf der Feind, ohne
Schaden anzurichten, Bomben auf das Spital-
schiff „R e s ch i d Pasch a", das durch seine Ge¬
stalt und Farbe, sowie durch sichtbare Zeichen auch
dem Feinde als Spitalschiff kenntlich ist. An den
anderen Fronten keine Veränderung.
Die Ursache der englischen Niederlage
in Mesopotamien.
Dev Genfer Korrefpondent des „B. L." bezeichnet
nach Privatnachrichten als Hauptursache der Nieder¬
lage der Engländer am Tigris die von politischen
Rücksichten diktierte dringende Aufforderung Asquiths
an den bvittschen Kommandanten, selbst unter den
größten Opfern vor Ende November bis an
die Mauern von Bagdad zu gelangen. Die
gesamten Hoffnungen Englands und des Vierverban¬
des sckien auf dieses zur Lahmlegung des deutschen
Orienteinflusses erforderliche Ziel gerichtet. Der bri¬
tische Kommandant gehorchte, obschon er über die
sehr starken gegnerischen Maßnahmen unterrichtet
war. Die empfindlichsten Verluste brachte den Bri¬
ten die mit furchtbarer Präzision wirkende deutsch-
otomanische Artillerie bei, die auch unter den als letzte
Reserven herangezogenen Kolonnen starke Verwü¬
stungen anrichtete und den Nachhuten der in Eilmär¬
schen nach Süden sich konzentrierenden britischen
Hauptkräften schweren Schaden zufügte, (ctr. bln.)
Do«! Sw- mi llMmMlH.
Von U-Booten verseukt.
wtb. Malta, 1. Dez. 1915. Ter britische Dampfer
„Manuel". 1156 Bruttotonnen, wurde versenkt.
Die Besatzung wurde gerettet.
wtb. London, 2. Dez. 1915. Nach Meldung des
Reuterschen Büros fft der Dampfer „Co len so"
(386l Tonnen) versenkt, doch die Besatzung geretiet.
Auch der Dampfer „Orange prince (3583
Tonnen) wurden versenkt.
Bis inderen Hiditi
Die amerikanische FriedenServedition.
wtb Washington. 3. Dez. 1915. Staatssekretär
Lansing gab bekannt, das Staatsdepartement habe
beschlossen, den Mitgliedern der sogenannten ameri¬
kanischen Friedenserpedition keine Pässe zu ge-
währen. Lansing begründet das damit, daß es ein
allgemeiner Grundsatz des Departements sei, nur
solcheni Leuten, die dringende Geschäfte in Europa
haben, Pässe auszustellen. Man betrachtet diesen
Schritt als Anzeichen dafür, daß die Regierung der
Vereinigten Staaten die Friedensversuche
von amerikanischen Privaten verurteilt. —
In einem späteren Telegramm aus Washingwn
wird mitgeteilt, die Bekanntmachung Lansings be¬
ziehe sich nur auf Pässe nach kriegführenden Län¬
dern. Es wurdeni bereits 75 Pässe nach n e u -
traten Staaten ausgegeben. Mehrere Pässe
wurden aus technischen Gründen verlveiaert.
Keine Verlängerung der gesetzlichen
Wehrpflicht.
wtb Berlin, 3. Dez. 1915. (Anttlich.) DaL ge¬
genwärtig wieder umlaufende Gerücht von einer
in Aussicht stehenden Verlängerung der gesetz-
lichen Wehrpflicht entbehrt der Begrün¬
dung.
Ankunft des Sanitätspersonals ans Teutsch-
Siidwestafrika.
wtb Berlin, 2. Dez. 1915. Wie berefts neulich
angekündigt, ist ein weiterec Transport von Sani¬
tätspersonal aus Deutsch-Südwestafrika, bestehend
aus 9 Sanitäts-Offizieren, -1 Regierungs- bezw.
praktischen Aerzten, 2 Zahnärzten, 1 Oberapotheker,
1 Pfarrer und 38 Sanitätsmannschastcn heute hier
eingeiroffen. Die Reise erfolgte von Lüderitzbucht
nach England auf dem früher der Deutsch-Ostasrika-
linie gehörenden z. Zt. von den Engländern geka¬
perten Dampfer „Rufidji" und von England »ach
Holland mit holländischem Dampfer. Im Schutz¬
gebiete verblieben noch 2 aktive Sanitäts-Ofiziere,
d-ie sich aber ebenfalls seit Mitte November mit dem
Dampfer „Professor Woermann" auf der Heimreise
befinden sollen. Mit diesem Schiffe sind u. a. auch
die Frauen und Kinder der neulich und jetzt hier
eingettoffenen Sanitätsoffiziere und Mannschaften
zu erwarten. Der Sanitätsdienst im Schutzgebiet
wird neben den vorhandenen englischen Aerzten
von 14 noch dort verbliebenen deutschen praktischen
Aerzten versehen.
* Eine Regelung des Verkehrs mit Butter wird,
wie der „Magdeburger Zeitung" aus Berlin berich¬
tet wird, vonr Bundesrat derart vorgenommen wer¬
den, daß eine Verpflichtung der großen Molkereien
festgesetzt wird, einen gewissen Prozentsatz chrer
Butterprodnktton zur Verfügung der Regierung zu
stellen, die ihn dann besonders butterbedürfiigen Be¬
zirken zuführen wird. Von der Einführung einer
Butterkarle soll abgesehen werden.
Deutsches Reich.
Die Familienunterstützung.
Unser Reichstagsabgeordneter M ü ller, Fulda,
hat, da er z. Zt. nicht selbst Mitglied des Haupt-
ausschusses ist, durch den Herrn Abgeordneten Erz¬
berger den Antrag stellen lassen, daß künftig, d. h.
vom 1. Januar 1916 ab, den Frauen und Kindern
aller zum Kriegsdienst einberufenen Mannschaften
und Unteroffizieren, soweit solche dies verlangen,
die Familienunterstützung ohne Rücksicht ans
Bedürftigkeit gezahlt werden solle.
* Erhöhung der Mannschastswhne. Vom Zen¬
trum ist dem Hauptausschnß des Reichstags bean¬
tragt worden, der Reichstag wolle den Reichskanzler
ersuchen, durch zweckentsprechende Aenderungen in
der Kriegsbeioldungsordiiung tunlichst Mittel zu
schaffen, um die Löhnungen der Mannschaften vom
1. Januar 1916 um 50 Prozent erhöhen zu können.
Eine Friedensinterpellation.
Die sozialdemokratische Partei hat eine Inter¬
pellation im Reichstage eingebracht, die den Reichs¬
kanzler vor die Frage stellt, ob er bereit sei, Aus¬
kunft darüber zu geben, unter welchen Bedingungen
er geneigt sei, in Friedensverhandlungen einzutreten.
Ter Reichskanzler wird wahrscli-einl'ich bereit sein,
die Interpellation zu beantworten. Ob er aber auch
geneigt ist, ein Programm von Friedensbedingungen
zu entwickeln, erscheint uns als ausgeschlossen. Frie¬
densverhandlungen sind ein zwei- und mehrseitiges
Geschäft, und es nützt nichts, daß der eine Teil Frie¬
densideen entwickelt, wenn der andere Teil nach keine
Bereitwilligkeit, zu verhandeln, gezeigt hat und es
vorzieht, auf eine Wendling des Kriegsglücks zu hof¬
fen. Niemand kann im Zweifel darüber sein, daß
diese Hoffnung von den Stcwtslenkern der feindlichen
Mächte trotz aller schweren militärischen und politi¬
schen Niederlagen noch immer gehegt und mit allen
Künsten der Verschleierung und Entstellung der
Wahrheit bei ihren Völkern zu nähren versucht wird.
Der Reichskanzler hat bereits wiederholt unser all¬
gemeines Kriegsziel deutlich genug unterschrieben:
ein Frieden, der uns volle militärische und politische
Bürgschaften für die Zukunft gegen die Wiederkehr
eines solchen uns aufgezwungenen Verteidigungs¬
krieges bietet. Mehr wird er auch jetzt nicht über die
Friedensbedingungen sagen können. Das wäre nicht
nur zwecklos, sondern würde auch leicht die Hoff¬
nungen der Feinde ermuntern, also nur schädlichen
Eifer verraten, da die am Kriege Schuldigen in
London, ipcir/S und Petersburg ohnehin nichts ver¬
absäumen, was ein Zeichne von Kriegsmüdigkeit und
Erschlaffung bei uns mißdeutet und zum Dolksbetrug
bei ihnen verwertet werden könnte. Insofern kann
man die sozialdemokratische Interpellation nicht
rade als zeitgemäß ansehen. Ihre Einbringung
offenbar Gründe, die mit den bekannten Gegensätzen
innerhalb der Partei Zusammenhängen. Nach dem
„Vorwärts" wollte der äußerste sinke Flügel eine
viel weitergebende Interpellation haben, die Partei
sollte auf» bestimmte Fricdensforderungen festgelegt
werden. Als Kompromiß wurde daun mit 58 gegen
43 Stimmen die harmlosere Fassung beschlossen.
Immerhin gibt die Interpellation dem Reichskanzler
eine gute Gelegenheit, die Umstände darzulegen
warum es bisher trotz der grundsätzlichen Bereitwil¬
ligkeit der deutschen Regierung, vernünfttge Vor¬
schläge zu erwägen, noch zu keinerlei den Frieden
einleitenden diplomatischen Schritten kommen konnte.
Einen faulen Frieden will das deutsche Volk nicht,
kann es nach seinen herrlichen opfervollen Kraft¬
leistungen nicht wollen. .Das von neuem einmüsig
p bekunden, ist die Aufgabe des Reichstages und
das beste Mittel, dem feindlichen Ausland jede Hoff¬
nung auf- deuffche Schwackmütigkeit zu nehmen und
den Versuchen der feindlicken Regieruit gen, ihre
eigenen Völker zu täuschen, ein Ende zu machen.
* Die Ergebnisse der Viehzähung vom 1. Oktober
werden in der dem Reichstage zugegangenen Denk¬
schrift über die wirtschaftlichen Maßnahmen kurz, wie
vlgt, dorgestelli: Der R i n d v i e h b e st a n d weift
gegenüber der Zählung am 1. Dezember 1914 nur
einen gerinfügigen Rückgang auf. Der Schafbestand
zeigt gegenüber der Zählung vom 1. Dezeniber 1914
eine Zunahme von 4.4 v. H. Noch stärker, nämlich-
10,6 d. H., ist die Zunahme des Z i e g e n bestandes.
Gegenüber dem Ergebnis der beiden letzten Sckweine-
zwischenzählungen vom 15. Mörz und 15. April 1915
hat der S ch w e i n e b e st a n d eine erfreuliche Zu¬
nahme nachzuweisen. Die Steigerung gegen den
-Bestand vom 15. April 1915 beträgt 16 v. H. Diese
Zunahme prägt sich noch deutlicher aus bei demjeni¬
gen Teile des Schweinebestandes, auf dem für die
nächste Zeit die Aufgabe der Fleischversorgung der
Bevölkerung beruht; denn bei den ein Jahr alten und
älteren Schweinen beträgt die Zunahme 46,6 v. H.,
bei den % bis 1 Jahr alten sogar 87 v. H. Das
Federvieh hat eine Abnahme von 8,7 v. H.
gegenüber der letzten Zählung, der vom 2. Dezember
1912, anfzuweisen. Dieser Rückgang ist aussckli-ß
lich bei den Hühnern eingetteten; Gänse und En¬
ten haben eine nicht unerhebliche Zunahme aufzu-
weisen.
Krieg und soziale Aürioroe.
Die künftigen Geschichtsschreiber des Weltdramas,
das wir mit Staunen und Schaudern erleben, wer¬
den auch der sozialen Fürsorge in diesem Kriege Be¬
achtung schenken müssen. Unsere nicht imnrer ge¬
recht gewürdigte Sozialpolitik hat sich als eine der
Kräfte erwiesen, die zu der gigantischen und sieg¬
haften Mobilmachung der deutschen Nation ebenso
erfolgreich beigettagen haben wie der Generalstab,
die Reichsbank und die Eisenbahn. Diesen Leitge¬
danken stellte der Präsident des Reichsversicherunqs-
amts Dr. Kaufmann (Berlin) an die Spitze seines
Borttages über „Krieg und soziale Fürsorge", den
er im Hörsaale der Ausstellung für Bcrwundeten-
und Krankenfürsorge im Kriege hielt. Und er be¬
wies die Richtigkeit des Satzes an einem schier er¬
drückenden Beweis- und Zahlenmaterial. Durch die
zielbewußte deuffcke Sozialpolitik sind Lebenshal¬
tung und Gesundheitszustand der Arbeiterschaft ge¬
hoben worden. Bei einem Bevölkerungszustande von
66 Millionen waren rund 18 Millionen gegen
Krankheit, 25 Millionen gegen Unfall und 16 Mil¬
lionen gegen Invalidität und Alter versichert. Bis
Ende 1914 waren nahezu IM Milliarden Mark
Enffchädigungen an 127 Millionen Versicherte und
deren Angehörige gezahlt. Der tägliche Aufwand
der drei Versicherungszweige belief sich im Jahre
1914 auf 2y2 Millionen Mark. Wichtiger noch als
diese Enffchädigungen waren die vorbeugenden Ma߬
nahmen zur Verhütung von Schäden und zur Ge¬
sunderhaltung unseres Volkes, das dadurch viel
Kraft erspart hat. Der Redner erinnerte an die
ttankheitsverhütenden Maßnahmen der Krankenkas¬
sen, an den Bau zahlreicher Kranken- und Ge¬
nesungshäuser, an die Unfallverhütung durch %
Vorkehrungen der Berufsgenossenschaften, an die
Einrichtungen zur Milderung der Unfallsolgen usw.
Bisher wurden 200 Millionen Mark für die Unter¬
bringung Versicherter in mustergültigen Anstalten
verausgabt. Aus vielen anderen Gebieten der Volks-
Wohlfahrt haben sich die Versicherungsträger, deren
Kapitalvermögen mehr als 2y2 Milliarden beträgt,
erfolgreich betätigt. So wurden bis 1914 für den
Arbeiterwvhnungsbau 54 Millionen Mark, für das
landwirtschaftliche Kreditbedürfnis 130 Millionen
Mark ausgegeben. Alle diese vielfältigen Maßnahmen
zum Besten der Volksgesundheit haben bewirkt, daß
die Sterblichkeitsziffer von 30,9 im Jahre 1872 auf
16,4 im Jahre 1912 zurückgegangen ist, daß die
mittlere Lebensdauer in der Zeit von 1871—1900
um über neun Jabre sich erhöht hat und daß den
schaffenden Arbeitsschichten Männer und Frauen
jetzt drei Jahre länger angehören als vor vier Jahr¬
zehnten., Das sind zahlenmäßige Beweise dafür,
was Deutschland in verhältnismäßig kurzer Zeit au
Volkskraft gewonnen hat. Die durch den Krieg ver-
uffachten Verluste an Kraftreserve nach Möglichkeit
auszugleichen, wird eine der wichtigsten Aufgaben
nach dem Friedensschluß sein, die der stets vor¬
wärtsschreitenden Sozialreforni und der Sozial-Ethik
zufallen. Die Befürchtung, daß die soziale Fürsorge
zur Verweichlichung führe, ist durch die Tatsachen
des Krieges widerlegt worden. Wenn die Schlackt
bei Königgrätz durch den preußischen Schulmeister
gewonnen worden ist, so sind bte jetzigen deutschen
Siege der Schule und >ber Sozialpolitik f)u ver¬
danken, die zur Zusammenfassung und Einigung der
Volkskräfte viel beigettagen hat. Hoffentlich werden
wir die Früchte dieser Einigung, wie wir sie jetzt
c-cken auch im späteren Frieden erhalten können,
l'lit Betonung wies der Redner darauf hin, daß btc
deuffche Sozialpolitik während des Krieges nicht nur
ungestört weitergearbeitet, sondern sich auch in der
nationalen Fürsorge bewährt hat. . Krankenhäuser
und Genesungsheime wurden der Militärverwaltung
zur Verfügung' gestellt. Die vielfältigen Erfahrun¬
gen, die man in der Krankenbebandlung schon in
Friedenszeiten bei den Krankenkassen und Berufs-
aenossenschaften gesammelt hat« kommen jetzt (der
Verwundetenpflege zustatten. Von über 100 Mil¬
lionen Mark, die zur Verfügung stehen, sind schon
jetzt 20 Millionen Mark für Kriegswohlfahrtszweckc
ausgegeben worden. An der Aufbringung der
Kriegsanleihe sind die Vefficherungsträger mit drei
Viertel Milliarden beteiligt. Der Redner schloß
seinen ausgezeichneten Vortrag mft dem Wunsche,
daß der Frieden, der diesen Krieg krönen soll, so be¬
schaffen sein möge, daß er dem deuffchen Volke die
weitere volle und ungehinderte Entfaltung seiner
Kräfte gewährleistet.
kus dem Nachbargebiete.
F. Hofaschenbach, 3. Dez. 1915. Heute vormittag
kain die ledige Maria Gensler aus Silges mit den
Kleidern in das Getriebe ihrerMühle; sie wurde
mehrmals herumgeschleudert, sodaß der Tod auf der
Stelle eintrat. Erst nachdem auch die Beine in das
Getriebe gerieten, stand das Mühlwerk still. Kurz
vor dem Unglück hatte das auf so traurige Art ums
Leben gekommene Mädchen seinem vor einigen Tagen
einberusenen Bruder einenWrief geschrieben. Da die
beiden Geschwister allein waren, ist jetzt nur noch ein
kriegsgefangenerRusse und eine Dienstmagd auf der
Mühle. Der Kriegsgefangene war der Verunglückten
für den einberufenen Bruder erst an demselben Mor¬
gen zngewiesen worden.
* Hersfeld, 3. Dez. 1915. Das Landratsamt hat
einem weiteren Einwohner von Kerspenhausen das
Recht der Selbstversorgung mir Brotgetreide
entzogen, weil er bei der Angabe von Brotgetreide-
Vorräten am 16. Novcmder größere Vorräte ver¬
schwiegen und sich dadurch unzuverlässig gezeigt hat..
§§ Kassel, 3. Dez. 1915. Die K a i s e r i n be-
sichngte heute in Begleitung der Prinzessin Marie
Auguste von Anhalt das Prinzenhaus in der König¬
straße, bat, dem Prinzen Joachim von Preußen,
der seit einem Jahr der Kasseler Garnison ange¬
hört, zur Wohnung dient und auch nach der Ver¬
mählung des Prinzenpaares als Wohnung beibe¬
halten werden dürfte. An: Nachmittag unternah¬
men die Kaiserin und die Prinzessin einen Ausflug
nach Wilhelmshöhe. Hier ließ die Kaiserin der jun¬
gen Prinzessin die Zimmer und Säle des großen
Schlosses zeigen, worauf die Kaiserin in Begleitung
der Prinzessin einen Spaziergang durch die Park¬
anlagen unternahm, unter Führung des Kgl. Ober¬
hofgärtners Virchotv das Palmenhaus besichtigte
und sich dann den Kaiserlichen Marstall zeigen ließ,
der zu einem Lazarett hergerichtet ist. Nash dieser
Besichttgung fuhr die Kaiserin zu ihrem Lieblings-
aiffenthalt, nach dem allerliebsten Rokokoschtößchen
Wilkelmstal, wo wundervolle Gobelins und Land¬
arbeiten von der Kunstfertigkeit hessischer Prinzes¬
sinnen und junger Fürstentöchter zeugen. Hier
wurde der Tee eingenommen, worauf die Kaiserin
mit der Prinzessin wieder nach Kassel zurückkehrte.
Ueberall, in Stadt und Land, war die Kaiserin und
die Prinzessin Gegenstand herzlicher Huldigurgen.
§8 Kassel, 2. Dez. 1915. Für die glänzende
Wirtschaftslage Kassels im Knegsjahr
1914-15 spricht die Taffache, die heute abend in der
Stadtterordnetenversammlung vom Stadtverordne¬
ten Geheimen Justtzrat Dr. Harnier gebührend her-
vvrgehoben wurde, daß die Spareinlagen bei der
städtischen Sparkasse um 7V4 Millionen Mark ge-
st i e g e n sind und den Durchschniit der letzten drei
Iah"? vor dem Kriege noch überflügeln konnten.
Durch die städtische Sparkasse wurden für Rechnung
der Sparer bei allen drei Kriegsanleihen 9y2 Mill.
Mark gezeichnet, davon auf die dritte Kriegsanleihe
allein 5y2 Millionen Mark, dae sich aus über 13 OOO
Einzelzenhner zusammensetzen, der beste Beweis da¬
für, daß selbst der sog. „kleine Mann" sich in aus-
qieknger Weise an der Aufbringung der Kriegsan¬
leihe beteiligt hat. — Der Verein für Bekämpfung
des Hansbetielunwesens und gegen Verarmung und
Hausbettelei hat sein gesamtes Veveinsvermögen der
Stadtkasse zur Beifügung gestellt mit der Besttm-
mung, mit diesem Gelde die Kriegerfamilien zu un-
tefftützen; es handelt sich um einen Betrag von
10 300 Mark, den die Siadtterordnctenversammlung
mit Tank in der Hoffnung ongenomnien bat, es wer¬
den sich auck noch andere Vereine bereitfinden, über¬
flüssige Rücklagen oder sonstige Kapitalien der Stadt
zum Besten der Kricgsfürsorge zu überweisen. Für
hiesige Lazarette v e r mo ch t e Frl. Margarete Zange¬
meister aus Gotha der Stadt Kassel den Betrag von
2000 Mark. — Tie Stadt Kassel batte zum -Bau
ihrer Stadthalle auf dem Floraparkgrundstück von
dem vefftorbenen Geb. Kommerzienrat Siegmund
Alchrot in Berlin 20 000 Quadratmeter Baugelände