Full text: Fuldaer Zeitung (1915)

M 289. 
Mttvoch de» fS. Vezemder 
Belgische Steuer-KuriosttSterr. 
Bon Walther Nissen. 
Brüssel. S. Dezember ISIS. 
Di» neuen Abgaben von monatlich vierzig Mil¬ 
lionen, die der Geneoalgouverneur für das Land 
ausgeschrieben hat. beschäftigen die Gemüter ver¬ 
antwortlicher und unverawworllicher Personen. 
Während die Provinzialräte darüber Nachdenken, 
auf welche Weise die Summe am besten aufge¬ 
bracht werden könne, nutzt man im Dolle die Ge¬ 
legenheit, das bisher in Belgien bestehende Steuer¬ 
system heftig anzugreifen, oder mit vieler Wärme 
zu verteidigen — \t nachdem man zu den Benach¬ 
teiligten, oder zu den Begünstigten dieses Steuer¬ 
system» gehört. Belgien hat, wie Frankreich, keine 
Einkommensteuer, mit der, nach gerechter Abstu¬ 
fung, alle in gleicher Weis, getroffen werden. Man 
versteuert hier den Grundbesitz, wenn man welchen 
hat, die Anzahl der Fenster, die nach der Straße 
gehen, die Anzahl der ins Freie führenden Türen, 
die Anzahl der Dienstboten, die man beschäftigt, die 
Anzahl der Wagenpferd« und Reitpferde, die im 
Stalle stehen. Außerdem den Wert des Mobiliars 
und, wenn man zur Miete wohnt, den Mietswert 
der Wohnung. Er ist einleuchtend, daß z. B. die 
Anzahl der Fenster und Türen, die nach außen 
gehen, keineswegs für die Größe und Geräumigkei» 
des Hanfes maßgebend sind. Außerdem kann ein 
armer Mann durch Verhältnisse gezwungen sein, in 
einem großen Hause zu leben, und ein Millionär 
kann Geschmack daran finden, in einer winzigen 
Zähnung, ja in einem Hotelzimmer zu wohnen, in 
welch letzterem Fall er überhaupt keine Steuer» zu 
bezahlen hat. Bei dem belgischen Einfamilienhaus- 
System, in diesem Lande, wo jedermann sein HäuS- 
chen hat und eins von diesen Häuschen ungefähr so 
aussieht und so eingeleilt ist. wie daS andere, sind 
also die Merkmale, die zur Grundlage der Steuer¬ 
einschätzung gemacht werden, sehr wenig unterschei¬ 
dend. Selbst der „Mobiliarwert" hilft der Gerech- 
Hgfett nicht auf die Beine, denn abgesehen davon, 
daß Krösusie oft genug zwischen Schundmöbeln 
fitzen und weniger gesegnete Leute alles, was sie 
übrig haben, in ihre Emrichtung stecken, denkt hier 
niemand im Traume daran, den wirklichen Wert 
Sine, Sachen anzugeben. Ebenso wie man bei der 
erzollung Waren ganz offiziell unterdeklaricrte, 
so einigt man sich mit der Steuerbehörde auf einen 
mäßigen „Normalbetrag". 
Diese für deutsche Anschauungen erstaunliche 
Steuertechnik hat im gegenwärtigen Augenblick 
scheinbar ihre Vorteile für die Steuerkassen. Denn 
während das Einkommen der meisten Be¬ 
steuerten durch den Krieg rapide gesunken ist, bleibt 
ihre Steuerveranlagung im Großen und Ganzen 
dieselbe, weil sie ja eben nicht aus dem Einkommen, 
sondern auf anderen, fast ganz unverständlichen 
Grundlagen beruht. Der Staat hat also nahezu 
normale Steu erfordern» gen zu Buche stehen. Nur 
nützt ihm das nicht viel, da die Einziehung dieser 
torderungen jetzt gwße Schwierigkeiten bietet. 
chwierigkeiten, die sich noch erhöhen dürsten, wenn 
zur Deckung der Kriegskontribution neue Steuern 
eingeführt werden sollten. Das Problem ist, in 
Zukunft diejenigen zu besteuern, die das meiste 
Geld (nicht die meisten Türen oder Fenster) haben. 
An Vorschlägen hierzu fehlt es nicht, wobei als 
Grundzug die Schonung des eigenen Geldbeutels 
und die Schädigung des nachbarlichen festzustellen 
ist. Amüsante Anregungen gibt z. B. ein Mitar¬ 
beiter der Zeitung „La Belgique". Dieser verwirft 
alle bisher in Belgien existierenden Steuern, da sie 
nichts weiter seien als eine Strafe, die man für ge¬ 
leistete Mühe und Arbeit zahlen müsie, während er- 
sichtllch Weit eher das Vergnügen, der Luxus, die 
Liebhabereien und Leidenschaften zu bestrafen seien. 
Er macht ungefähr folgenden Entwurf: 
t Wer an öffentlichen Orten zu rauchen beab¬ 
sichtigt, hat eine Steuer von 25—200 Francs 
(je nach Größe und Schwere der Zigarren) zu 
entrichten. Es werden Rauchkarten nach Art 
der deutschen Brotkarten ausgegeben. 
2. Eine Lustbarkeitssteuer auf alle Besuche der 
Theater. Cinemas, Bälle, Pferderennen und 
Warenhäuser. 
8. Die Preise der Billets für Fahrten auf Eisen¬ 
bahnen, Schiffen usw. werden am Sonntag 
Born Geburtsorte Joh. Mabiüons. 
(Schluß.) 
Don Interesse ist auch, wa§ Mabillon über die 
deutschen Herbergen und die Ehrlichkeit der Wirts¬ 
leute sagt: „Betritt der Fremde eine Herberge, so 
kommen ihm Wirt und Wirtin entgegen und hei¬ 
ßen ihn mit ausgestreckter Hand in ihrem Hause 
willkommen, worauf sie ihn ins Speisezimmer füh¬ 
ren. In diesem Raume findet man zur Sommers- 
zeft eine solche Menge Flieger:, daß eine Klappe 
oder ein Schläger nötlg :st, um sich ihrer zu weh¬ 
ren. Sie wohne« umso lieber da, weil sich ein gro¬ 
ßer Ofen in dem Zimmer befindet, um den sie sich 
m kühlen Tagen scharen können. Fast ebenso lästig 
ist der üble Tabakgeruch. Die aufgetischten Spei¬ 
sen sind eher dazu angetan, den Appetit zu verscheu¬ 
chen, als zu reizen; im Brot befinden sich in ganz 
widriger Weise Fenchel und ähnliche Kräuterstoffe, 
während die Gemüse von Pfeffer und Gewürzen 
strotzen. All das Aufgetragene wird genau auf ei¬ 
ner Tafel verzeichnet." Wer in diesem Weltkriege 
zwei Sommer in Mabillons Heimat, in armen Ar¬ 
dennendörfern, hat zubringen 'muffen, wird über die 
Erwähnung der Fliegenplage in deutschen Häusern 
gewiß nicht wenig erstaunt sein. Denn was man 
auf diesem Gebiete in Frankreich findet, kann wirk¬ 
lich nicht leicht übertroffen werden. „Außer den 
erwähnten Unbequemlichkeiten — bemerk: er wei¬ 
ter — ist alles hübsch, sauber und blank. In ka 
tholischen Häusern hat das Kruzifix überall den 
Ebrenplatz. Ueber der Türe steht eine Inschrift dje 
Schutz uüd Heil für Leib und Seele, Gottes Ehre 
und die Freiheit und Wohlfahrt des Vaterlandes 
erfleht. Macht man Miene, aufzubrcchen, so bringt 
der Wirt seine Tafel herbei, aus der alles, was man 
verzehrt oder benützt hat, aufz Genaueste verzeich¬ 
net steht. Murmelnd geht er die einzelnen Posten 
durch und zieht die Summe. So groß aber ist die 
Ehrlichkeit und der Gerechtigkeitssinn dieses Volkes 
daß er auch um keinen Pfennig von seiner Tafel 
abweicht. Zum Abschied pflegt man dem Wandere: 
mit einem Ehrentrunk auf die Minne des hl. Jo¬ 
hannes eine glückliche Reise zu wünschen." Als 
«ne Merkwürdigkeit in deutschen Städten wird das 
Institut des „Nachtwächters" besonders erwähnt- 
-«Ern Wächter, d>"- während der Nach:, um etwaiger 
Fuldaer 
Zeitung 
2. Blatt. 
vrnck der 5»ldaer Bctiendrackerei in 
zuÜereftet. Und der Russe aß und aß. Als es den 
letzten Stücken zuging, sah er immer häufiger nach 
der Küchentür, rief endlich seinen Herrn herbei und 
sagte: „Nun muß aber der Fisch bald kommen, sonst 
schaffe ich es nicht mehr." 
* Kassel, 13. Dez. 1915. Tie Spitzbube n - 
gescllschaft, die es namentlich auf Fleischerlä¬ 
den abgesehen hatte, scheint jetzt vollständig hinter 
Schloß und Riegel gebracht zu sein. Insgesamt 
hat die Kriminalpolizei 38 des Diebstahls und der 
Hehlerei verdächtige Personen festgenommen. Am 
Sanastag glückte es ihr noch, zwei bereits mit 
Zuchthaus vorbrstrafte Einbrecher, die anscheinend 
die Führer der Bande waren, zu verhaften. 
Ll Gießen, 14. Dez. 1915. Bor kurzem feierte 
in Taubringen der Metzger .Heinrich Walter mft sei¬ 
ner Frau das goldene Hochzettsftft. Bor einigen 
Tagen starb der 78jährige Ehemann und wenige Zeit 
darauf seine 71jährige Lebensgefährtin . Beide fan¬ 
den nun auch ein gemeinsames Grab. 
[] Butzbach, 13. Dez. 1915. Aus dem hiesigen 
Kommando sind die beiden kriegsgefangenen Fran¬ 
zosen Paulin Deltpou und Ren« Buhot entwichen 
Ersterer trägt französische Jnfanterieuniform, letz¬ 
terer wahrscheinlich Zivilklcider. 
* Eisenach, 13. Dezember 1915. Der große 
S ch a f d i e b st a h l der vor geraumer Zeit in dem Vor¬ 
werk Hucherode bei Thal ausgeführt wurde, fand 
vor der Eisenacher Srraflammer seine Sühne. Ein 
ganzer Schafstall wurde, wie in einer Verhandlung 
festgestellt wurde, von dem Schäfer Emil Liebling 
aus Thierbach zum Schaden des Rittergutsbesitzers 
Böninger in Farnroda geplündert. Der Schäfer 
trieb die Herde aus dem fragliche» Vorwerk über 
Eisenach nach Treffurt, wo er 161 Schafe auf der 
Bahn verlud, während er 13 Stück unterwegs an 
einen Gutsbesitzer veräußerte. Der Gerichtshof ver¬ 
urteilte deu schon mehrfach vorbestraften Angeklagten 
zu drei Jahren Zuchthaus, sowie auf Aberkennung 
der bürgerlichen Ehrenrechte auf die Dauer von 10 
Jahren und Stellung unrer Polizeiaufsicht. Der 
Staatsanwalt hatte 7 Jahren Zuchthaus beantragt. 
* Erkürt, 11. Dez. 1915. Verhaftet wurde hier 
der 17 Jahre alte Postanshelfer Otto Döppmg aus 
Erfurt, der in ganz raffinierter Weise das rhm ge¬ 
schenkte Vertrauen mißbrauchte. Er radierte 
meist auf hier eingegangenei: F e ld p o st a n - 
Weisungen die mit Kopierstift geschriebenen Adressen 
fort und setzte teils seinen Namen, teils den eines 
anderen jungen Menschen, der mit ihm unter einer 
Decke steckte, an die Stelle. Somit gingen Döpping 
und seinen Freunden die Geldsendungen zu, 
^ Glauberg (Großh. Hessen), 14. Dez. 1915. Nach 
vierzigjähriger Dienstzeit verstarb hier der Polizei¬ 
diener Jakob B e ch t o l d. Ihm verdankt die Ge¬ 
meinde ihren blühenden Obstbau. Wo der 
schlichte Mann in langen Jahrzehnten einen leeren 
Raum fand, bepflanzte er chn mit Obstbäuinen und 
schuf auf diese Weise die Grundlagen für eine sich 
jetzt von Jahr zu Jahr mehr lohnende Einnahme¬ 
quelle seines Heimatsortes. 
Behörden niachen darauf auftnerksam, daß es er¬ 
wünscht und zweckmäßig ist, trotz des Krieges ge- 
plant'- oder in Angriff genommene Obst-,Nutz- und 
Fo-.stpflanzunaen auszusühren und zu vollenden Zu 
diesem Zwecke stehen, wie der Landrat des Kreises 
Teltow seinen Kreiseingeseffenen mitteilt, etwa zwan¬ 
zig Millionen erstklassiger Obstbäume der verschie¬ 
denen Formen und Altersklassen in den deutschen 
Baumschulen zur Verfügung. Die Baumschulen¬ 
besitzer haben trotz der gegen die Vorjahre erhöhten 
Kosten keine Erhöhung ihrer Mindestpreise vorgenom- 
men. Mit Rücksicht auf die große Bedeutung, die 
unserer Obsternte bei der Ernährung des Volles zu¬ 
kommt, ersucht der Landrat, auf Anpflanzung von 
Obstbäumeu hinzuwirken und betont dabei, daß es 
eine vaterländische Pflicht ist, nur dcuffche Erzeug- 
niffe zu kaufen. Tie Gewährung von Staats! eibilfm 
soll in der Hauptsache dazu dienen, bei bedürftig?n 
Gemeinden und Körperschaften die Herstellung 
von Obstbaumpflanzungen zu ermöglichen. 
Vermischtes. 
* Zwanzig Millionen neue Obstbäume. Zur 
Herstellung von Obstbaumpflanzungen stehen den 
Land- und Gartenbesitzern bekanntlich Staatsbechilfen 
zur Verfilgnng. In diesem Jahre sind Anträge aus 
diese Ctaatshilfen bis jetzt wenig eingegangen. Die 
Literarisches. 
„Feldgraue Geschichten". Bilder aus der Zeit des 
großen Völkerkricges 1914/15. Ein Jugendbuch 
von Lehrern und freunden der Jugend Mit 
Illustrationen von W. Merker. Originaleinband 
Preis Mk 3—. Verlag von A. Anton u. Co., 
. Leip-ig. 
Mit großem Geschick haben die Verfasser es ver¬ 
standen. in hübschen Einzelbildern eine Geschichte des 
ganzen Krieges zu schreiben Bald sind wir in Flan¬ 
dern. bald in Frankreich oder Rußland. An Abenteuern 
und überraschenden Situationen fehlt es nicht, und so 
wird jeder Junge, der dies Buch in die Hand bekommt, 
sicherlich seine helle Freude an ihm haben. 
„Der Wall von Eisen und Feuer" von Georg Wege» 
ner. (Ein Jahr an der Westfront.) Leipzig, 
F. A Brockhaus. 19 5. 192 Seiten 1 Mark. 
Der Verfasser des so betitelten, soeben bei BrockhauS 
erschienenen Buches, Profeffor Dr. Georg Wegener, ist 
als Geograph und Forschungs-Reisender, als Berater 
und Begleiter des Kronprinzen auf seiner Jndienfnhrt 
als gründlicher Kenner von Land und Leuten in allen 
Winkeln der Erde, als geistreicher Plaudeier und Vor¬ 
tragsmeister dem deutschen Pu li'um längst vorteilhaft 
bekannt. Seit Beginn des Weltkrieges weilt er im Haupt¬ 
quartier des Westens, und seine Erlebnisse und Ein¬ 
drücke an der Front vom Meer bis zu den Vogesen faßt 
er in diesem Buche zusammen. Mit handgreiflicher 
Plastik, tief poetischer Auffassung und in wuchtigem Ltil 
zeichnet Wegener scharf umriffene Bilder all' der Stät¬ 
ten und Ereignisse, deren Namen schon zu einem un¬ 
sterblichen Heldenlied zusammenklingcn. Aus dem Ver¬ 
gänglichen der Taaeseindrücke formte sich ein Werk von 
dauerndem Wert, das durch seine literarisch-künstlerischen 
Vorzüge seinen Platz behaupten und allen national Ge¬ 
sinnten noch lange eine Quelle des Stolzes und der Er> 
Hebung sein wird. 
Gottes-ienstor-nung. 
Donnerstag, 16. Dezember. Nonnenkirche. Um 
8'/, Uhr Hochamt für die lebenden und verstorbenen 
Krieaer. 
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verdoppelt. Der erzielte Mehrgewinn fließt 
dem Staate zu. 
4. Man kennt die Leidenschaft des Belgiers für 
die Hunde. Selbst Leute, die jetzt ihre Miete 
nicht bezahlen können, finden Mittel und 
Wege, dicke, große Hunde zu e ihren, die den 
Nachbarn vollständig widerwär.az sind Steu¬ 
erschraube anfetzen! 
5. Steuern auf Taubenzüchter, Breuspieler. 
Steuern auf Casös. die nach 11 Uhr abends 
noch geöffnet sind. 
6. Steuern auf Beamt- jeder Gwße und 
Schwere. Beamte haben ihr schönes, gesichertes 
Einkommen, ob Krieg, ob Frieden, und wenn 
man sie nicht mehr hrouchen kann, so werden 
sie Pensioniert, d. h. sie erhalten bis zu ihren, 
seligen Ende ein bestimmtes jährliches An¬ 
standsgeld. Steuern! .. ^ 
7. Junggesellensteuer! Steuer auf kinderlose 
Ehen! Es fft der Gipfel des Luxus, keine 
Frau zu haben oder kein Kind. Wobei noch 
zu berücksichtigen fft, daß solch ein Mensch bei¬ 
nahe gar keine Fenster und Türen braucht und 
daher bis jetzt überhaupt den Maschen unseres 
geistvollen Steuersystems entgangen ist. 
Diese scherzhaft gemeinten Vorschläge haben als 
ernsthaften Hintergrund die Mangelhaftigkeit der 
hier bestehenden Steuergesetze, die den Reichen 
möglichst ungeschoren lassen und dafür der , armen, 
arbeitenden Bevölkerung einen verhältnismäßig 
ungeheuer großen Teil der aufzuzwingenden Abga¬ 
ben aufbüft>en. Die der deuffchen Verwaltung not¬ 
wendig erscheinenden Kriegskontributionen wären 
sicherlich leicht, jedenfalls ohne als drückende Last 
empfunden zu werden, aufzubringen, wenn man 
sich endlich enffchlöffe, bisher unhetretene Wege zu 
beschreiten, die zu den Geldschränken der Besitzen¬ 
den führen. 
Vorläufig haben die Pwvinzialräte sämtlicher 
neun Pwvinzen — einschließlich der zuerst zögern¬ 
den Provinzen Brabant und Antwerpen — sich so¬ 
eben bereit erklärt, die geforderten Summen zu ga¬ 
rantieren. Ein Bankenkonsortium wird wohl zu¬ 
nächst für ihre Beschaffung sorgen. (c«r. bin.) 
llur dem Nachbarqebiete. 
«. Florenberg, 14. Dez. 1915. Am letzten Sonn¬ 
tag würde in unserer Pfarrei eine I u n g f r a u e n - 
kongregation errichtet unter dem Titel der Un¬ 
befleckten Empfängnis und unter dem Schutz der 
hl. Flora. Nachmittags um 2 Uhr war die feü-r- 
liche Aufnahme. Ueber 100 Jungfrauen aus den 
zu unserer Pfarrei gehörigen Ortschaften wurden 
in die Sodalität ausgenommen. 
-5- Steinau, 14. Dez. 1915. In einer sehr gut 
besuchten Bolksvereins-Bersammlung hielt gestern 
abend der hochw. Herr P. Provinzial Theophil 
Witze! einen hochinteressanten Lichtbilder-Vortrag 
über seine Erlebnisse als Feldgeistlicher auf dem 
östlichen Kriegsschauplatz. 
* Aus dem Kreise Hünfeld, 14. Dez. 1915. 
Nachdem es nun-mehr endgiltig gesetzlich feststeht, 
daß mit dem Zusam m en l egu n gs v e rfahren 
in der Gemarkung Haselstein, der Reihenfolge nack 
baldigst begonnen werden kann, io bat sich in letzter 
Zeit eine beträchtliche Anzahl Grundbesitzer der Ge- 
marknng Roßbach entschlossen und den Antrag zur 
Zusammenlegung unterzeichnet. Der Grund zu 
diesem Entschluß war die Einffcht der Rwbacher 
Grundbesitzer in die landwirtschaftlichen Verbesserun¬ 
gen ihrer schon zusammenaelegten Nachbargemark¬ 
ungen Großenbach, Kirchhasel und Hünfeld. Als 
weitere Gemarkung, deren Grundbesitzer dem An¬ 
träge zur Zusammenlegung nicht mehr fern stehen, 
dürfte Obera chenbach genannt werden. 
A Aus der Wetterau, 14. Dez. 1915. Ein l n st i - 
ges Geschieh tchen von dem gesegneten Appetit 
der hier beschäftigten kriegsgefangenen Russen, macht 
augenblicklich die Runde. Beim Abendschoppen zeigte 
ein Fischereipächt-er einen fünfpfündigen Fisch vor, 
den er kurz zuvor in der Wetter gefangen hatte. Ein 
Gutspächter behauptete, daß einer seiner Rusien im¬ 
stande sei, den ganzen Fisch zu verzehren. Man be 
zweifelte es allseitig. Der Rusie wurde in die Wirt¬ 
schaft geholt. Um ihm den Fisch mundgerecht zu 
machen, wurde dieser stückweis auf verschiedene Art 
Feuersgefahr vorzubeugen, in der Ortschaft di'' 
Runde macht, hat an verschiedenen Stellen, zum 
Zeichen, daß er seine Pflicht erfülle, bestimmte 
Worte zu rufen." 
Ueber Einsiedeln kommen die beiden Mönche 
nach St. Gallen. Reiche Holzvertäfelungen und 
große Oefen fallen den Fremden in: dortigen Klo 
ster auf, wie denn überhaupt die Ofen von Mabil- 
lvn verschiedentlich besonders hervoraehoben wer¬ 
den. Er kam eben aus einem Lande, in den: di? 
offenen Kaminfeuer heimisch sind. Auch in St 
Gallen konnte Mabillon sich wieder von der würdi¬ 
gen Feier des Gottesdienstes überzeugen. „Am 
Tage nach unserer Ankunst, der erste Sonntag im 
August, fand hier unter großem Volkszudrang ein 
Bittgang statt, Litanei und Gebete wurden in der 
Muttersprache, doch in sehr ordenil^ber, entspre¬ 
chender Weise gesungen. Ueberhaupt fft bei den 
meisten öffentlichen Gebeten, die nicht unmittelbar 
zum Offizium oder zur hl. Messe gehören, die Lan¬ 
dessprache im Gebrauch." 
Von St. Gallen ging die Studienreise tveiter 
über Rohrschach, Lindau, Ravensburg nach Kloster 
Weingarten, also ins Schwabenland. „Tie 
Straßen sind hier ebener und schöner, die Sitten 
und Gebräuche von denen der Schweizer verschie 
den, wenn auch nicht weniger Freiheit atmend; die 
Sprache feiner und reiner, aber dis Häuser de: 
Landleute nicht so groß und elegant." Die Schätze 
der Weingartener Klosterbibliothek finden die ge¬ 
bührende Bewunderung seitens der fremden For¬ 
scher. lieber Kempten und Ottobeuren kommen die 
beiden Franzosen nach Augsburg. Bon hier 
aus schreibt Mabillon an seinen Freund und Mit¬ 
arbeiter Ruinart einen Brief, dem wir die folgen¬ 
den Stellen über das kirchliche Leben in Deutsch 
land entnehmen: „In allen Benediktinerklöstern 
finden sich herrliche Bibliotheken, so daß ich mich 
der nnsrigen von St. Germain hei einem Vergleich 
mit diesen deutschen Klöstern fast schäme ..." Ich 
hätte es mir früher kaum vorgestellt, daß in den 
deutschen Landen beim Weltklerus sowohl wie bei 
den Mönchen eine so vortreffliche Disziplin herrsche. 
Ich muß sagen, daß mrch die Regularktät und 
Frömmigkeit und das wissenschaftliche Streben in 
den bis jetzt von uns besuchten Klöstern im höchsten 
Matze erbcmt hat. Der Bischof hiesiger Stadt, Jo¬ 
hann Christoph von Freiberg, ist zum wenigste» 
ebenso eifrig, exakt kirchlich gesinnt und tätig, als 
die eifrigsten Bischöfe von Frankreich. Me Pfar¬ 
rer dieser Diözese sind sehr tüchtig, wissenschaftlich 
gebildet und wacker in ihrem heiligen Berufe. .Kurz 
ick» muß Ihnen gestehen, daß ich durch persönlich: 
Bekanntschaft ganz andere Anschauungen übe: 
Deutschland und die deuffchen Katholiken gewonnen 
habe." Müssen uns diese Worte heute stffcht ganz 
eigenartig berühren? Wäre den ftanzösischen Ka- 
tboliken nicht auch heute zu wünschen, daß sie „durch 
persönliche Bekanntschaft ganz andere Anschauun¬ 
gen über Deuffchland und die deutschen Katholiken" 
sich verschafft hatten? 
Vom Bahernlande, in das die Reise wei¬ 
terhin führte, heißt es im Reisebericht: „Unser Aut- 
enthalt in dresenr herrlichen Lande dauerte unge¬ 
fähr einen Monat und zähll zu meinen schönsten 
Erinnerungen. Wie angenehm ist das Wandern 
durch diese schönen Gegenden mit ihren Wiesen 
Hainen. Flüssen und was immer znin Lebensunter¬ 
halt und zur Annehmllchkeit der Bewohne: 
dient . . . Im ganzen Staate herrscht eine vor 
zügllche Ordnung und musterhafte Verwaltung." 
Wir übergehen hier die Schilderungen von Regens- 
burg und manchem bayerischen Kloster. Wenige: 
erbaut waren die Reisenden von ihrem Empfang 
in der Abtei Benediktbeuren. Daselbst wurde ge¬ 
rade ein kirchliches Fest gefeiert, und man bedeu 
tete den Fremden, alle Gasträume seien bereits ver¬ 
geben: doch bot man ein Nachtquartier im Toffe 
an. Me fremden Mönche aber baten, die wenigen 
Stunden bis zum Abend auf die Besichtigung des 
Klosters und der. Bibliothek verwenden zu dürfen 
welche Bitte auch gewährt wurde. „Der Bibliothe 
kar indes", so sagt der Reisebericht, „den man au* 
dem Refektorium hatte holen müssen ließ alsbald 
seinen ganzen Ingrimm gegen die Franzosen los 
die eben als Verbündete der Türken und als deren 
Hetzer gegen Oesterreich galten." Dcnnrach scheint 
der ?. Bibliothekar mit «h: bayerischer Deutlichkeit 
seine Meinung über die Politik Ludwigs XIV. ge 
sagt zu haben. Tie französischen Besucher zogen Y 
daher vor, möglichst bald 'gen München Wetter zn 
wandern. Aus Bayerns Hauptstadt vermerkt das 
Tagebuch die Abhaltung öfsentllcher Kriegsandach 
ten, die auf Anordnung des Kursürste» stattfanden 
um des Himmels Segen auf die christlichen Waffen 
im Äompfe gegen int Türke» heraL^iflehe«. 2P 
unsere Reisenden auf der Weiterreise über Andechs 
und Füssen zum zweitenmale in die Abtei Kempten 
einkehrten, traf dort die Freudenbotschaft von der 
Nicdc:lage der Türken bei Wien ein. „Die Freude 
darüber war zuerst still und schüchterir, well die 
Nachricht gar zu unglaublich schien und keine amt¬ 
liche Bestätigung erhalten hatte. Bald aber wagte 
man es, herzlich auf die Tapferkeit der christlichen 
Helden zu trinken, mdes mit Anstand Ruhe und 
Mäßigung, wie es sich für ein solches Fest geziemt." 
Nachdem die Türkengefahr glücklich abgewandt war. 
besuchten die beiden Benediktiner noch mehrere süd¬ 
deutsche Abteien und Klöster, wie Salem, R e i - 
ch e n au, B i l l in g e n. Ganz besonders hebt der 
Bericht die freundliche und überaus herzliche Auf¬ 
nahme im gastlichen Kloster zu Billingeu hervor, 
„lieber so viel Liebe und Aufmerksamkeit bis zu 
Tränen gerührt, nahmen wir Abschied und ver¬ 
trauten uns dem Manne an, welchen man uns:m 
Kloster als Geleitsmann über den gefahrvollen 
Schwarzwald mitgegeben." Die Schilderung 
des letzteren befremdet uns heute. „In der Tat 
muß ich gestehen, noch heute llopst mir das Herz 
und erstarrt mir das Blut in den Adern, wenn ich 
an diese Wanderung denke. Wie ist das Alles so 
unwegsam, steil und abschüsiig; allseits starren in, 
Halbdunkel nur Felsen empor und riesige Bäume. 
Kein geebneter Pfad, kein Dorf." „Aus diesem un¬ 
wegsamen. schrecklichen Labyrinthe oder, richtiger 
gesagt, aus den gähnenden Schlünden und Abgrün¬ 
den mit ihren wilden Felszacken wären wir sicher 
nicht lebendig herausgekommen,, hätte» nicht unsere 
ernten Mitbrüder von Billingeu uns einen zuver¬ 
lässigen Führer gegeben. Endlich erreichten wir das 
Benediktinerkloster St. Peter, das etwa drei 
Stunden von Freiburg im Breisgau entfernt, am 
Saume des Schwarzwaldez liegt, wo man doch. 
Gottlob, wieder ftei aufatmen und mit Ruhe den 
Himmel betrachten kann." 
Mabillon steht am Ende seiner deutschen Reise: 
am 1. Oktober trifft er in r\r> »n>i 
streikt in sein Tagebuch: „Gott sei Tank! endlich 
wieder in Frankreich, nachdem wir mir Glück und 
Ehren einen großen Teil von Deutschland durch¬ 
wandert haben." 
Eduard Schmitl, Hauptmann d. •<*
	        
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