Full text: Fuldaer Zeitung (1915)

ten L i sten gesehen, die in Petrograd auch 
tatsächlich starken Erfolg erzielten." (ctr fst.) 
Greise und Kinder verlassen Warschau. 
Russische Blätter melden, der ,D. TgSztg.' zufolge, 
daß der Milirärgouverneur von Warschau angeordnet 
habe, daß alle allen Leute und Kinder baldigst die 
Dtadt verlassen und nach Südrußland abreisen 
sollen. (ctr. bin.) 
^Dokumente Vcr Lüge". 
Unter die er Ueberschrift bringt die Norddeutsche 
Mgeme-ne Zeitung in einer besonderen Beilage un¬ 
ter Beifügung der betreffenden bildlichen Darstellungen 
folgende Entlarvung eines russischen Verleum- 
vungsver suchs: 
In der argentinischen Zeitung „Critica" vom 
24. Noven ber ifi unter der Epitzmarke „Die deutsche 
Barbaret. graphische Dokumente für die Geschichte" eine 
Zusammenstellung von Photographien veröffentlicht, die 
die von deutsct>e» Truppen in Polen gemarterten 
russischen Einwohner darstellen sollen. Bis 
i'ehi habe man, so sagt die Zeitung, nur immer von den 
urch die Deutschen verübten Greueltaten gehört, man 
abe aber noch kein authentisches Material darüber ge¬ 
atzt. Die vorliegenden Photographien, die der Zeitung 
sson russischer Seite zur Verfügung gestellt seien, und 
gber deren Echtheit kein Zweifel bestehe, brächten zum 
ersten Make den greifbaren Beweis dafür, daß die Deut¬ 
schen in der Tai Frauen. Kinder und Greise töten. „Ist 
richt der ähgen&I tf gekommen," so ruft die „Critica" 
ku§, »wo das junge Amerika, die Vereinigten Staaten 
Lnd das A. B. E. (Argentinien, Brasilien und Chile) 
Deutschland eine Richtungslinie für ein humaneres De» 
kragen auferlegen sollen? Alle Völker, alle Menschen 
,sabcn das Recht, sich der Verübung gewisser Infamien 
kntgegenzustcllen. Das ist der Fall der gegenwärtigen 
Stunde. Verflucht seien die Barbaren. Möge auf sie 
«llen die Strafe der Götter und der unversöhnliche Last 
>er Menschen." 
Es hätte nur geringen Nachdenkens der „Critica' 
»edurft, um auf den ersten Blick zu sehen, daß die von 
»er Zeitung gebrachten Bilder, die hier wicdergegeben 
ind, nicht Bilder ermordeter russischer 
bauern, sondern solche ermordeter Juden 
larstellen. Nicht bloß die Physiognomien der Getöteten, 
/andern auch das gestreifte jüdische GebetStuch, die Tal¬ 
kith. das über fast olle Leick)en au-gebreitet ist, lassen 
keinen Zweifel darüber. Es handelt sich um Pogrom, 
pildcr, und zwar um typische Müder von Judenpo¬ 
gromen. die zur Zeit der russischen Revolu¬ 
tion von den reaktionären und judenfeindlichen Par¬ 
teien in Rußland veranstal t worden sind. Eines der 
Bilder stammt aus den Judenpogromen von Bjelostok 
aus dem Jahre 1905 und ist abgednuckt in dem Werke 
„Der letzte russische Selbstbeherrscher" Seite 340. Zwei 
anbere Bilder stammen aus den Judenpogromen in 
Odessa ebenfalls vom Iabr? 1905 und sind in Tausen¬ 
den von 'Exemplaren in Rußland verbreitet. 
ES ist der Gipfelpunkt der Gewissenlosigkeit, wenn 
unsere Feinde sich jetzt nicht einmal scheuen, ihre 
eigene Schande vor den Augen der Welt auszu- 
stellen und ihre eigenen Greueltaten der deutschen 
Armee in die Schuhe zu schieben. 
NebrigenS reicht sich frer die Propaganda aller drei 
Ententegenossen die Lände. Es wird uns aus Süd- 
Vry° berichtet, daß dorthin jetzt von England aus 
Krüppel und Einäugige gesandt werden, 
dre man in den Siechenhänsern aufgelesen hat und die 
von englischen Wanderrednern als lebende Bei- 
spiele der deutschen Greueltaten in Bel- 
g i e n ausgestellt werden. Ebenso beabsichtigt man 
setzt von Frankreich aus. die nordischen und die 
übrigen neutralen Länder mit Schwindelfilms zu ver¬ 
sorgen. die Fälschungen angeblich deutscher Greuel ent¬ 
halten. welche alle aus ähnlichem Wege zustande gekom¬ 
men sind. 
Nicht immer wird es gelingen, den Nachweis der 
Fälschung so mützelos m führen, wie im vorliegenden 
,rolle. Mächte er den Neutralen, die solche „authen¬ 
tischen Dokumente" für echt hinnehmen, zur Warnung 
und Vorsicht dienen. ctrbln.) ' 
Am !ee- nna llebmeekrle». 
Englands Angst vor der Wahrheit. 
^ Ter englische Zensor hat nach einer Meldung der 
ch.Täql. Rundschau" die niederländischen Zenunqen, 
welche die den Reutermeldungen entgegenstehenden 
amtlichen deutschen Wolfs-Meldungen' über die 
Seeschlacht gebrc cht ha en. von der Einfuhr 
nach England ausgeschlossen und nach 
Holland zurückschaffeit lassen, (ctr. bln.) 
Tic feindlichen Unterseeboote in der Ostsee. 
,3h der Meldung, daß englische Unterseeboote in die 
Ostsee gelaugt seien, vielleicht durch den Sund, viel- 
D-u.sche Lolöntcn 
in poln'schen Dörfern 
Aus dem Hauptquartier im Osten, 26. Jan. 1915. 
Unter den Städten, die in dem ostpreußischen Grenz- 
krieg wiederholt die StaarSzugehörigkett gewechselt 
haben, um deren Besitz immer wieder gekämpft wurde, 
ist MIawa bei iveitem am denen weggekommen. B'äh- 
rvnd die opprrußiscben Orte, öre heute in rri'sischen 
Händen sich befinden, von ihren Einwohnern völlig ver¬ 
lassen sind und zahlreiche Spuren des Kampfes und 
der Vertoüstung zeigen, geht in Mkawa und den um¬ 
liegenden Orten das bürgerliche Leben fast unbehindert 
Weiter. In den Dörfern sieg! mau hie.-' nnd da eine 
Brandstätte, ein von einer Granate getroffenes Dach. 
In Mlawa selbst hat ein Geschoß das Portal der Markt¬ 
halle getroffen, und bei ein paar kleinen Holzkaten, 
die allnmhich als Brennholz in den Kachelöfen ber 
Stadt veryck winden, bin ich ungewiß, ob der Krieg oder 
die Altersschwäche den Anstoß zur Auslösung gegeben 
hat. 
Das letzte Mal verließen unsere Trirvven Mlawa 
weil sie hinausmarschiert wurden. Während vor un- 
serer Front eine etwa gleich starke russische Linie stand, 
schoben sich zwei weitene Truppenmassen an unseren 
Flügeln vorüber, denen wir im Augenblick nichts ent. 
gegenzuslellen hatten. Ta aber kein Heer weiterkämpten 
kann, dem mit seinen rückwärtigen Verbindungen der 
MutkveiSlaus zerschniten wird, muhte Mlawa damals 
ger umt werden. .Heute fitzen wir fest darin und 
Während unsere Truppen im weiten Halbkreis vorge. 
schoben sind, bant dahinter der „Landsturm ohne Waffe" 
eine neue Stellung unter Leitung der Pioniere. 
In einem der bequemen Unverstände lag die Karte 
der ganzen Anlage, beziehungsweise dieses Abschnitte? 
ans dem Tisch — ein wahrer Irrgarten, zackig und 
winklg wie alte Festungsanlagen, mit unterirdischen 
Gängen. Wvhnröumen, Munitionskammer!», einem Ver. 
'andkzimmer ui«d einer Latrine. Wer mit dem Plan 
nicht vertrau» ist und eine Weile in den Gräben und 
Gängen herum geht, verliert bei unklarem Himmel 
infehlbar die Orientier ing. Ich war höchst erstaunt, 
vlötzlick Warna zu erblicken, während ich noch die ent- 
gegengesehle Richtung zu haben glaubte. Der Schützen» 
graben ist durch Schnlterwehren in zahlreiche Abschnitte 
getestt damit ein einschlogendes Geschoß immer nur die 
Leute dieses Abschnittes treffen kann. Tie Scheidewand 
ist ein stehengelassener, etwa meterdicker Erdwürsel, 
vm den der Verbindung-gang hufeisenförrnig herum¬ 
geht. Die Zulaufgräben aus dem rückwärtigen Gelände 
sind in vielfachen spitzen Winkeln so angelegt, daß 
fein feindliches Geschoß die Längsrichtung eines Dyn¬ 
leicht auch durch den Belt, schreibt die „Deutsche Tages¬ 
zeitung": 
Ihre Stützpunkte haben sie naturgeniäß in russi¬ 
schen Häfen, Vor einigen Monaten wurde Hel. 
singsorS am Finnischen Meerbusen genannt, jedoch ist 
wobl anzunehmen, daß sie auch südlichere russische 
Häfen nunmehr benutzen. Begünstigt wurde die Krieg¬ 
führung diesr Unterseeboote bisher in unettvartciem 
Maste durchs die Milde des Winters. Russische Häfen. 
£je bei gewöhnlichem Verlaufe des Winters seil einer 
Reih« von Monaten durch EiS geschlossen sein müßten, 
sind ln diesem abnormen Winter offen und die Ge¬ 
wässer für die Uniersebootsschiffahrt möglich geblieben. 
So mutz man damit rechnen, daß die britisckren Unter¬ 
seeboote alles tun werden, um in der deutschen Ostsee 
und an den deutschen Ostseeküsten usw. sich geltend zu 
machen. Der deutschen Marine ist das Vorhandensein 
dieser Fahrzeuge natürlich nichts Neues, und dast 
sie auch in der Ostsee auf dem Posten sein werde, ist 
selbstverständlich. Peinlich ist die Angelegenheit ohne 
Zweifel für Dänemark und Schweden, dcnm 
deren neutrale und durch Minen gesperrte Gewässer 
haben die englischen Unterseeboote passiert, mithin die 
Neutralität dieser beiden Mächte veo- 
leht. Unter diesem Gesichtspunkte und im Hinblick 
auf eine Reihe von Konsequenzen, die unter Umstän¬ 
den daraus erwachsen können, gewinnt die Anwesenheit 
der englischen Unterseeboote in der Ostsee an Bedeu- 
rung, auch abgesehen von ihrer Eigenschaft als rein 
mtltärischev Faktor, (ctr. bin.) 
Der französisch- Marine minister inLondon 
tvÜ> London, 28. Jan. 1915. Das Reutersche 
Bureau meldet amtlich: Der französische M a r i „ e 
nunifler Auqagneur ist am Dienstag früh in 
London eingetrosfcn. Er wurde am gleichen 
Tage vom König empfangen. Der Minister hatte 
mehrere Konferenzen mit dem ersten Lord der 
Adnttralltät über Aufstellung und Ber- 
we n d u n g der S e e st r e i t k r ä s t e der beiden 
verbündeten Mächte.- Die Konferenzen ergaben eine 
U Übereinstimmung in den Anschauungen beider 
Ctmtsmänner und die intime Solidarität beider Re. 
gierungcn. 
Der MenRrleg. 
Russische Gelüste auf Palästina. 
wib. Kopenhagen. 29. Januar 1914. Am Tage der 
Wafierweihe <19. Jan., hat in den Gemächern deS Pe- 
tersburger Metropoliten Wladimir eine feierliche Ver¬ 
sammlung stattgesunden, an der sich viele Bischöfe und 
hohe Geistlich«, Mitglieder des Heiligen Synod und 
llniversitätsprofefforen beteiligten. Der Metropolit ver¬ 
trat in einer Rede den Standpunkt, dast es für Ru߬ 
land nicht wünschenswert sei, auf die Neutralisierung 
des Heiligen Landes hinzuarbeiten, für die sich ein Teil 
der öffentlichen Meinung in Petersburg ausgesprochen 
habe. DaS Heilige Land muffe vielmehr dem 
russischen Reiche unterstehen, wobei die übrigen 
christlichen Völker das Recht haben würden, die hettlgen 
Orte zu besuchen. 
Die amleren Machte. 
Die Haltung Rumäniens 
:: Ein rumänischer Diplomat, der jetzige Senator 
Argeioyano, ein hervorragendes Mitglied der 
konservativen Partei, der auf dem Wege nach Tirol 
ist, machte bei seinem kurzen Aufenthalt in Wien 
der .Freien Presse' Mitteilung über die Haltung 
Rumäniens. 
Argeioyano weiß wohl, daß ganz Europa, einschließ- 
sich neutraler Länder an dem Eindrücke sesthält, Ru¬ 
mänien werde bald gegen Oesterreich-Ungarn 
und Deutschland lvsschlagen. Der Senator, der über 
die Absichten seiner Partei und über die der Regie- 
| rung genau unterrichtet ist, behauptet, cs gebe in 
> der Frage der auswärtigen Politik Rumäniens derzeit 
keine Verschiedenheil der Äuffaffung. und dieie gehe 
dahin, dast Rumäniens Neutralität b,S zum 
Ende auirecht erhalten wird. Senator Araetoy, n 
könnte sich nicht auf Wochen entfernen, wenn Rumä¬ 
nien am Vorabend des Krieges stände. Rumänien habe 
die Neutralität schon zu einer Zeit gewahrt, als es nicht 
w>e jetzt, hätte fürchten müssen, die Türkei könne es 
bedrohen. Auch Italien werde, dessen ist Arge, 
toyano so gut wie sicher, die Neutralität bis ans Ende 
wahren Rumänien und Italien handelten im vollen 
Einverständnis Die Agitation gegen Oesterreich und 
Teultckland sei ohne Einfluß aus die Regierung und 
zum großen Teil gegen diese gerichtet. Argeioyano 
schließt: „In Oesterreich hat man, des bin ich fidter, 
nidrtä von Rumänien, und, wie ich mit größter Wahn- 
scheinüchkeit annehme, nichts von Italien zu befürchten." 
Wien, 29. Jan. 1915. Der österreichiich-unqa- 
nsche Gesandte in Bukarest, Graf Ezernin, der 
vorgestern hier eingetroffen ist, wurde heute vom 
Kaiser in Audienz empfangen. Er hatte gestern 
eine längere Besprechung mit dem Minister des 
Aeußereu Baron Burian. (rtrbln.) 
Rumänisches Getreide für Deutschland. 
wtb Bukarest, 29. Jan. 1915. Halbamtlich wird 
gemeldet: Der größte Teil der in den letzten Mo- 
naten für Deutschland gekauften Getreide¬ 
mengen konnte wegen Waaenmanaels nicht auSge- 
führt werden. Die rumänische Eisenbahnverwalkung 
hat nun den Vorschlag der deutschen Regierung an¬ 
genommen, daß sie den dazu notwendigen Wagen¬ 
park selbst nach Rumänien senden werde. 
Monarchistische Anschläge in Portugal? 
Man ist es schon gewöhnt, daß bei jedem Revo- 
lutiönchen in Portugal Gerüchte über die Rückkehr 
des Exkönigs Manuel laut werden, der sich 
bekanntlich nach dem Verluste seines Thrones in 
England niedergelassen hat. Auch jetzt wird wieder 
über seine Rückkehr in der Presse etwas laut. Die 
,Franks. Ztg.' meldet: 
Madrid, 29. Jan. 1915. Der .Jmparciast veröffent¬ 
licht ein Telegramm aus Badajoz, in dem das Gerücht 
verzeichnet wird, daß Exkönig Manuel bei Oroise s?> 
an der spanischen Grenze portugiesisches Gebiet betreten 
habe. Der Gcneralstab der Monarchisten, darunter 
farf- 77/ rfprr Kämpfen bei Craonne. 
den teils zu treffen vermag. Es ist keine geringe Bau¬ 
kunst. die die Gesamtankkge und alle Einz.-lsteiten 
einer solchen Feldfestung erfordert. Ich habe im Laufe 
des Kriegs eine ganze Menge davon gesehen; und es 
will mir scheinen, als wenn sic immer bequemer, siche¬ 
rer und unsichtbarer würden, als wenn unserer Pio¬ 
niere die Fülle der Erfahrungen zu fortgesetzten Ver¬ 
besserungen benutzten. 
Aus der Höhe wehte ein kalter Wind, der weiße 
Nebelwände am Horizont hinschob und der Sonne den 
Schleier vor dem Gesicht ciuf und zu zog. Ein deutscher 
Eisenbahnzug fuhr mit lang wallender Rauchfahne in 
den weißen Nebel hinaus. denn die Schienen sind bis 
an den Schutzberm . des Feindes in unsere Spurbreite 
umgenagelt, sodatz oie rollenden Magazine weit vor¬ 
geschoben werden können. Eine hallbe Meile nach Sü¬ 
den stand ein einziges kleines Wäldchen; schon stark 
gelichtet. ES soll ganz verschwinden, damit feindliche 
Artillerie es nicht als Deckung benutzen t-mu 
Um zu sehen, wie unsere nicht im Schützengraben 
liegenden Soldaten in den polnischen Dörfern unter¬ 
gebracht sind, fuhren wir zunächst nach W o s n o w k a. 
Es ist ein kleines Baneondors. Die ffrohg-F cften 
Wohnhäuser und kleinen Höfe machen durchweg einen 
ireundlichen Eindruck. Die größte Stube des Hauses 
verrät sich durch daS ausaebreite'e Strohlager, Waffen 
und Tornister meist als Soldatenanartier. Der Bauer 
wohnt mit feiner Familie in den kleineren Räumen. 
Das Verhältnis jsoifd'cn der Bevölkerung und unseren 
Soldaten scheint überall ein freundliches zu sein. Frei¬ 
lich klagen die Leute über den Krieg, der schon seit 
Monaten diesen Landstrich ouszrhrt. „Die Pferde 
haben sie mir genommen, di« Kühe, den Hafer, wo¬ 
von soll ich leben." „Nun, aber Quittungen über die 
entnommenen Tiere habt ihr dock, bekommen. Es wird 
auch ersetzt werden. Wenn wiv im Lande bleiben. 
sick>er." „Ja. ein paar Quittungen. Aber Pferde und 
Wagen haben sie ohne Quittung genommen, als ich 
nicht zu Hause war. Nichts zu leben, gar nichts." 
Der Feldwebel, der uns begleitete, schmunzelte oazu. 
„Sie klagen immer schon vorher, weil sie denken, es 
soll ihnen etwas genommen werden. Er hat ganze 
Mieten Kartoffeln, und eine Kuh bat er auch." Ich be¬ 
wog den Alten, mir die Kuh zu zeigen. Ich wolle sie 
ihm nicht nehmen. Ein jüngerer Bauer gesellte sich 
dazu, und wir gingen in den Stall. Ein rotes, wohl¬ 
genährtes Kühchen stand da im Stroh unter der niedri¬ 
gen Balkendecke. „Ja. die Hab ich gekauft, werter im 
Lande. Die Leute Haben alle Angst, daß ste ihnen ge¬ 
nommen wird. Da Hab ich sie billig bekommen. Für 36 
Rubel. ... Im Frieden kostet sie 80." Die Leute faß- 
trn Vertrauen, weil ich ihre Sprache redete. Man sah. 
daß der ehemals größere Hof dunst einen schmalen 
Schuppen nachträglich in zwei Höfe geteilt war. Eine 
Hälfte besaß der alte, die andere der jüngere, sein Bru¬ 
dersohn Jeder hatte 15 polnische oder 25 preußische 
Morgen, sodaß eine Familie gerade noch Arbeit und 
Auskommen darauf finden kann. 
Podkrajewo war das nächste Dorf. Ein Kirch- 
darf. In dem hübschen Pfarrhaus wohnt derzeit ein 
junger Geistlicher, der einen Offizier im Quartier htt. 
Er begleitete uns in die Kirche, die vor einem halben 
Jahrhundert in der polnischen Revolutionszeit erba- t 
wurde. Die in jener Zeit entstandenen polnischen Kir¬ 
chen galten als Denkmäler der nationalen Erhebung 
und sind alle in gleichem Stile erbaut. Auf einem 
gothischen Unterbau von Stein ruht ein von Holzfäulen 
getragenes, gebroäienes Holzgewölbe. Der Sinn ist 
deutlich genug: Das Fundament des volnischen Volkes 
ist unzerstörbar und für die Ewigkeit geschaffen. Die 
zusammenfaffende Bekrönung, das schirmende Dach ist 
nur vorläufig aufgesetzt. Es ist von anderem Material, 
nicht organisch mit dem Unterbau verwachsen. Seltsam, 
wie ein Volk, das in schwerer Zeit sein Schicksal stumm 
tragen muß, die Steine reden läßt, um einen Ausdrua 
seiner Sehnsucht zu finden. Im Gutshause waren 
gleichfalls die größeren und meisten Zimmer von un¬ 
serem Militär belegt, während der Besitzer und seine 
Familie aus Zwei Stuben und die Küche beschränkt 
waren. In einem dieser Zimmer hing ein Bild des 
Nationalhclden KoSzinsky, während ein anderes die 
^lstiuna mit ein selbständiges Polen versinnbildlichte 
mit einem starken Anklang an die biblische Scene, in 
der der Arm des betenden 'Moses von seinen Begleitern 
gegen das Herabsinken unterstützt werden. . 
Der Besitzer erzählte mir, daß er auf seinem gegen 
1000 preußische Morgen großen Gute in Friedenszeiter 
4M Zentner Roggen säe, während er in diesem Jal re 
infolge des Krieges nur I00 Zentner in den Boden ge¬ 
bracht habe. Er schien es als sicher anzunehmen, daß 
Polen endgültig von Rußland getrennt sei und -ragte 
interessiert, ob es wobl zu Preußen oder Oesterreich 
nach dem Frieden kommen werde. An den Guköhof 
schließt sich ein längeres Dorf an. de"en Bewohner 
während des Sommers mm größten Teil in Deutsch¬ 
land arbeiten. In Podkrajewo, wie schon in Mlawa und 
seiner näheren Umgebung kiel mir die Fülle edler und 
>ehr gut gezogener Ob'bäume aus. die sowohl dem 
Gutsbesitzer, wie auch zahlreichen kleinen Leuten weit 
über den eigenen Bedarf reichende Qbstmcngen liefern 
mühen. Die meisten dieser Anlagen sind neuerer, Da¬ 
tums. Ich sehe diese Zeichen steigender Bodenkultur 
immer mit besonderer Freude. 
In dem Gutsbause des nächsten Dorfes lag oe.- 
Oberst eines Landwehr-InsanterieregimentS im Onar» 
twr. Er stellte unS eine lange Tafel für das Frühstück 
Manuels Sekretär Homem Christo. Gras Gakvela« und 
andere, befinden sich in der Provinz Zamora nahe der 
Grenze und warten die weiteren Ereignisse ab. Die 
Falle von Meutere, und die Verhaftungen mehren sich, 
y-er halt man die innere Lage Portugals aus jeden 
Fall für bedenklich. (ctr. bln.) 
Die „Dacia". 
E London, 29. Jan. 19,5. .Daily Ehronicle' 
meldet aus New-Aork, daß sich die „Daria" noch 
ln Galveston befindet. Tie Agenten erklären, 
den Grund hierfür nicht zu kennen. Cie bestreiten 
aber entschieden, daß das Schiff mit 50000 Tollars 
tn Hamburg versichert sei. Der Besitzer der „Tacia", 
Breitung, soll beabsichtigen, noch fünf andere Schiffe 
der Hamburg-Amerika-Linie zu kaufen, darunter die 
I „Allemaniita", „Aldingia", „Constantia" und 
„Georgia". 
Ter Dreiverband vereitelt 
die Änregung des Papstes, 
«rtb Wien, 29. Jan. 1916. Anknüpfend aus die aus 
russischer Quelle kommende Nachricht, daß die Verhand¬ 
lungen über den Austausch der deutschen und rus- 
sisdien Kriegsgefangenen abgebrodien seien, 
weil Deutschland die Befreiung sämtlicher Konsuln vev- 
lang«. während Rußland die Freigabe von Kviisaln. die 
in Festungsgcbieten tätig gewesen sind, ablchne. sogt 
die „Neue Freie Presse", daß Rußland sich jetzt s»u. 
verän über jedes Völkerrecht zurückziehe, weld/cs keinen 
Unterschied zwischen Konsuln, die in Feslungsbezirken 
und solchen, die in offenen Städten tätig gewesen sind, 
kenne. Man höre überhaupt wenig mehr von dem 
Austausch der invaliden Kriegsgefangenen, den Papst 
Benedikt angeregt Hobe. Tie Entente habe kein 
Interesse daran, daß die Leute nach Hause kämen, die 
mehr über die Ereignis« wüßten, als den Regierungen 
lieb sein könnte, zumal die Gefangenen bei den Zen« 
tralmächten gut aufgehoben seien. 
Kurland. 
** Die amerikanische EinwanderungSvorlaae ae- 
schcltert. Präsident Wilson hat sein Velo gegen 
die Einwanderungsvorlage ausgesprochen. — Die 
Vorlage bezweckte den Ausschluß der des Lesens Un¬ 
kundigen von der Elnwailderuiia in die Vereinialev 
Staaten. " 
Kur dem Nachbargebiet. 
LH Blankenau. 29. Jan. 1915. Dem Unterosflzler 
im Reierve-Jnsantcrie-Regimenl Nr. 99 Pius W e st 
wurde für treue Pslichtersnllung im Kriege die Heff. 
Tapserkeitsmcdaille verliehen. 
* Eisenach, 29. Januar 1915. Der Grmeinde- 
rat beschloß ,m Jahre 1915 von der Sch u lden , il- 
gung abzusehrn, um aus diese Weise einen 
Ausgleich zu schaffen für den erheblichen Fehlbetraa 
der Kämmereikasse. ~ 
Lokaler. 
Fulda, 30. Jannar 1915. 
Oettribe» und Mehlvorräte am 1. Februar 1915. 
Am 1. Februar begrnnt die Frist für dr« A n m eU 
düng der Getreide- und Mehlvorräte. Es sei deshalb 
auf folgende Vorschriften hingewiesen: 
1. Wer in der Nacht vom 31. Januar zum 1. 
Februar 1915 Vorräte von Astüzen (auch Dinkel und 
Spelz), Roggen, allein oder nnt andc-rer Frucht ge¬ 
mischt. und Hafer, sämtlich auch ungedroschen, Wei¬ 
zen-, Roggen-, Hafer- und Gersten mehl in seinem 
Gewahrsam hat, ist verpslichtet, diese Vorräte un¬ 
ter Benutzung eines Formulars a n z u m e l b t n. 
2. Von der Anmeldung sind befreit: a) Vorräte 
an gedroschenem Getreide oder an Mehl, die zwei 
Zentner insgesamt nicht übersteigen. Wer weniger 
als diese Menge in Gewahrsam hat, hat die am 
Schluffe der Anzeige vorgesehene Erklärung zu un¬ 
terschreiben. b) Vorräte, die sich im Eigeittuine der 
Krtetzs-Getreide-Gesell schast m. b. H. und der Zen- 
tralernkaufsgesellschaft m. b. H. befinden. 
3. Alle Angaben haben in Zentnern zu erfolgen 
Jede andere Gewichtsangabe ist verboten. 
4 U »gedroschenes Getreide ist nach 
dem zu schätzenden Körncrertrag anzngeben. 
5. Als Mehl ist auch das zur menschlichen Er¬ 
nährung dienende Schrot und Schrolmehf 
anzugeben. 
zur Verfügung und bewirtete uns mit einem Glase 
Rotwein. Er hakte eine fnsch verheilte Kopfwunde; 
an der Brust das Eiserne Kreuz erster Klaffe und jedes 
seiner Worte zeigte, daß er mit Leib und Seele Soldat 
'st — eine jener schlichten, kernigen Soldatennaturen, 
die ich nie ohne lebhafte Freude sehen kann. Wir 
wollten noch den Eigentümer des Gute« begrüßen, der 
jedoch krank war. Dagegen erschien die Dame des H„u, 
ieS, eine schöne Vierzigerin mit dunklem Haar, blauen 
Augen und einem seltenen Charme in Sprache und Be 
oegungen. Sie erzählte, daß sie und ihr Mann bei 
lusbruch ds Krieges sich vorgenommen hätten, aus .brem 
Gute auszuharren. „Manchmal war es uns schon 
leid.. Denn fünf Mal haben schon die Russen und 
Deutsche abgewechselt hier. Aber doch ist es bester so. 
Nur die Leute mutzte man festhalten. Sie wollten immer 
weglausen. Manchmal haben die Kanonen geschossen; 
nicht weit von hier sieht inan die Löcher. Dann haben 
>oicder die deutschen Kanonen hinter dem Hose gestan 
den und geschoffen. Die Kinder wollten immer zusehet^ 
Man gewöhnt sich so daran. — Wie viel Kinder iä 
habe? Sechs." Ihre Augen lachten. — Jenseits des 
Rondells vor den Büschen blickte eine schneeiveiße Jung 
irau Maria von dunklem Sockel zu uns hernieder, «le 
wir weitersuhren. 
Der Hof war in musterhafter Ordnung. Die Felder 
an denen wir vorbeikamen, fast alle mit Winterung 
bestellt. Hauten von Drainröhren lagen aus deni Acker, 
und breite Voriliitgröben zeigten, daß auch die Ent- 
lväfferung im Stile einer intensiven Bodenkultur bc 
trieben wurde. Das Gut war überdoppell so groß al< 
Podkrajewo. Die Frau des Hauses mar übrigentz i, 
Deutschland geboren und ausgewachsen. 
Hinter dem Dorfe mußten wir die Autos verlosten 
und zu Fuß weiter gebe». Wir hegten die schwache 
Loffnung. daß sich an der Front etwas ereignen würd- 
wir hörten keinen Schuß auf dem drei Kilometer lange 
Wege zum nächsten Dorf. Kr, !»eide,' ^eite" V/ Be¬ 
lagen grobe, zugefrorene Wallcrilächen. Auf dem O' 
pelnden Eise spazierten Krätzen im Scheii> der u»f 
gebenden Sonne. Rechts des Dorfes wurde auf d 
Felde eine Getreidemictc gedroschen. Es war ger 
Feierabend, als wir in die Nähe tnmcic. Die Arbe> 
gingen auf das Dorf zu und zwei Husaren, die vi 
svännig ein Viertel Fuder Steoh geboli hatten, gat, 
vierten aus den Sarteloferben sitzend übermütig n 
dem Hose hinüber. Aus dem Rückwege begegnetet! . 
schon im Halbdunkel zwischen den Erettacke» eil ■ 
Bataillon Infanterie, das zur Ablösung nach de: F' 
zog Man konnte die bärtigen Getickter gerade noch 
kennen, wie sie ernsthaft und entschloffen vor sich hui 
blickten. 
Rudolf von Koschützki. 5krrLasveriKersts«i-«-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.