M 292.
Samrtag den |8. Dezember t9t5.
* e^uldaer Zeitung
*r*
2. Blatt.
vnick der H«Idaer Lttiendr,ckerei i» ^»lda.
Liste
fett Be-inn der Saloniki-Expedition von U-Booten
der Mittelmächte im Mittelmeer versenkten feind¬
lichen Truppen- und Kriegsmaterial-Transport¬
dampfer.
A. Hilfskreuzer und Truppen-
T r a n s p o rt d a m p f e r.
I) Mamazcm, englisch, 3477 t, 500 Mann indische Trup¬
pe» und Kri gsmnterial.
8) Transsylvania, englisch, 14 000 t, Truppen, Muni¬
tion und Kriegsmaterial.
8) Admiral Hamelin, französisch, 6051 t, l Abtg. fran¬
zösische Feldartillerie, Munitionswagen und 300
Pferden.
<) Marquette. englisch. 7050 t, 1000 weihe englische Lol.
baten, 500 Maultiere, Munition und r unten-
Pfleger, 83 Mann gerettet.
5) Calvados, französisch, 6000 t. 800 Mann französische
Kolonialtrupp n, 53 Mann gerettet.
6) Tara, englisch, 1862 t, Hilfskreuzer.
7) Moorina, englisch, 5000 t, Truppen und Transport
von 500 Pferden.
8) Californian, englisch, 6223 t, Kriegsmaterial und
Truppen <Zahl unbekannt).
8. Kriegsmaterial — Transport-
d a m p fe r.
S) Ravitailleur, französisch. 2800 t, Kohlen für franzö¬
sische Flotte im Aegäischen Meer.
10) Linkmoor, englisch. 4300 t, Kohlen nach M.udroS
für englische Flotte.
II) tz. C. Henry, englisch, 4219 t, Teeröl von Alexan¬
drien nach Mudros.
12) Provincia, französisch, 3523 t, Kohlendampfer für
englisch-französische Flotte.
13) St. Marguerite, französisch, 3800 t, Vorratsdampfer
14) Heridia, englisch, 4944 t, mit Stückgütern nach
Saloniki.
15) Antonie, französisch, 2387 t, Vorratsdampfcr.
16) Craigston, englisch, 2617 t, Kohlen von Cardiff nach
Mudros.
17) Durrsfield, englisch, 4037 t, Kohlen, Torpedos, Stück¬
güter nach Tcnedos.
18) Motorleichter X 30 englisch. Leichter für Landungs-
zwecke.
19) Silverash, englisch, 8753 t, Vorratsdampfer.
20) Scawby, englisch, 8858 t, Kohlen- und Vorrats¬
dampfer.
21) Thorpwood, englisch, 3184 t, Kohlen für engl.-franz.
Flotte.
22) Woodfield, englisch, 3584 t, Kriegsmaterial nach Sa¬
loniki, Laltautomobile, 33 Motorbahnwagen.
23) Uasukuni Maru, japanisch, 5118 t, Kriegsmatcnal,
Eisenbahnschimen, Petroleum, Stückgüter nach
Saloniki.
24) Buresk, englisch, 4350 t, Borratsschiff.
25) Lumina, englisch, 6200 t, Heizöl für englisch-sran-
zösische Flotte.
26) Clan Maccalister, englisch, 4835 t, Kohlen für eng¬
lisch-französische Flotte..
27) Caria, englisch, 3032 t, Vorratsschiff.
28) Dagla, französisch, 5600 t, Kohlen für englisch-fccm-
zösi sche Flotte.
29) Sir Richard Awdry, englisch, 2234 t, unbekannt.
Da Dampfer von 2 Torpedofahrzeugen begleitet
wurd> mutz auf wertvolle Ladung geschlossen
werden.
30) France, französisch, 4025 t, in Charter der franzö¬
sischen Regierung von Mlwros nach Marseille
31) Alexandra, englisch, 4000 t, Munition und Kriegs¬
mat rial,
32) Unbekannt, englisch, 4000 t, Munition.
83) Unbekannt, englisch, 4000 t, Munition.
34) Hallamshire, englisch, 4420 t, 2200 t Kohlen für
englisch-französische Flotte von Malta nach Mu¬
dros.
Zusammen: 1474Z3 Tonnen.
Außer den Dampfern mit Truppen und Kriegs¬
material für die Saloniki-Expedition wurden im O k-
tober und November noch folgende Schiffe
im Mittelmeer voir U-Booten der Mittelmächte ver¬
senkt:
1) DimitrioS, griechisch, 2508 t, ReiS nach England
(Bannware.)
2. Woolwich, englisch. 2936 t, Phosphat, Zinn.
3) Wacausta, norwegisch, 2521 t, Zucker, Eisenbahn¬
wag m und Material für die russische Staats¬
eisenbahn. (Bannware.)
4) Den of Crombie, englisch, 4950 t, ReiS.
5) Dahra, französisch, 2127 t, Grütze, Graupen.
6) Sidi Ferruch, französisch, 1619 t, Stückgüter.
7) User, franz., 3500 t, Stückgüter.
8) Sailor Prince, englisch, 3144 t, Gerste, Lebens¬
mittel.
9) Halizones, englisch, 5093 t, Erz, Baumwolle.
10) Apollo, englisch, 3774 t, Kohle und zwei Kriegs¬
schiffsbarkassen.
11) Apscheron, ruff. Tankdampfer, 1000 t, 1000 t Heizöl.
12) Katja, ruff., 500 t, Zucker.
13) Enosis, engl., 3409 t, Kohlen.
14) Name unbekannt, engl. 5000 (?).
15) Merganser, engl., 1905 t, Stückgut.
16) Tringa, engl., 2160 t, leer.
17) Tunis, engl., 3655 t, Vieh.
18) Kingsway, engl., 3647 t leer.
19) Omara. franz 435 t, leer.
20. Malinche, engl., 1868 t, Stückgut.
21) Colenso, engl., 3861 t, Stückgut und Eisenbahnwagen.
22) Langton Hall, englisch, 4437 t, Stückgut.
23) Zarisis, griechisch, 2904 t, Futter-, Lebensmittel
nach England (Bannware).
24) Algerien, franz., 1703 t, Stückgut.
Gesamtsumme: 69 656 Tonnen.
Rechnet man zu diesen Verlusten im Mittelmeer
noch jene, die England an der englischen Küste und
in der Nordsee erlitten bat. so ergibt sich, ganz oilge-
sehen von der Einbuße an Menschen und an Mate¬
rial, ein Ausfall an Frachtramm, der das englische
Wirtschaftsleben in sehr einschneidender Weise be¬
einflussen muß. Wenn die Engländer so tun, als
brauchten sie sich über die Tätigkeit unserer U-Boote
nickt besonders aufzuregen, so ist das eben nur eine
Grimasse, hinter der sie — mit sehr geringm Erfolg
— ihren Zorn und ihre Unruhe zu verbergen suchen.
Ein Verlust von rund 218 000 Gewichtstonnen in
?wei Monaten allein im Mittelmeer — das ist eine
Tatsache, durch die das Gerede von der unbestritte¬
nen See Herrschaft Englands ctte verlogener Phrasen¬
bombast gekennzeichnet wird. Wie se'-r die Enalän-
der über ibre Verluste auch in militärischer Bege¬
hung beunruhigt sind, gebt schon daraus berv-r, daß
nicht nur die Namen der vernichteten Schifte im
feindlichm neutralen Auslande nur zum Teil ver¬
öffentlicht wurden, sondern vor allem niemals etwas
über die Art der Ladung verlautet. Allein in den
oben unter .4 und R aufgefübrten Hilfskreuzern.
Truvventransvottdamvftrn und Damvkern mit
.Kriegsmaterial, hat die englische Flotte rund 150 OM
Tonnen verloren. Um diese Ladung auf dem
Schienenwege fortzuschaffen, bedarf es ungefähr
200 Effenbakmzüqe von je 50 Güterwagen. Tie
ganre Langwierigkeit und Unvollkommenheit der
Truvvenlandungen in Saloniki mag nickt -u-
leht der erfolgreichen Arbeit der deutschen und öster¬
reichisch-ungarischen U-Boot-Flotsillc im Mittelmeer
zu danken sein, da man sich ja denken kann, mit
welchen ungeheuren Vorsichtsmaßregeln, alle diese
Transvmtte von Truppen und Material vorg-'nom-
men werden mußten. Und dabei wußten die Ober¬
befehlshaber in Saloniki niemals, wieviel sie Vov
dem d abgegangencn Menschen-, Mnnitions-' und
Proviantmaterial auch wirklich erhalten würden.
Diese Unsicherheit besteht aber dank der U-Boots-
tätigkeit weiter, und so dürfen wir auch darauf rech¬
nen, daß die ganze Salonisi-Erpedition schließlich,
wie einzelne Teile von ihr schon vorher, ins Wasser
fallen wird.
Kaltstellung Jofftes?
Amsterdam, 14. Dez. 1915. Der frühere hollän¬
dische .Kriegsminister General Staal schreibt im Ba¬
derland (Nr. 345): „Wie steht cs eigentlich mit
Joffre? Ohne Zweifel hält das französische Volk
sich tapfer und verteidigt musig sein Land, aber mnn
darf behaupten, daß es kaum befriedigt kein wird über
seine Strategie des Zauderns. Es werden in Frank¬
reich schon Stimmen laut, die beweisen, daß man all¬
mählich die Geduld verliert, und die fordern, daß mit
dev Praxis des Zauderns gebrochen werde. In der
„Revue Hebdomodaire" hat' .Hauotaux deutlich genug
erklärt, daß die französische Leitung keine Men Plane,
keine klare Auffassung der Lage und keinen beherr¬
schenden Willen habe. Ist Joffre mitschuldig? Ich
weiß es nicht. Man wird saaen: die Franzosen sind
anscheinend der Meinung, daß Joffre nicht schuldig
sei, denn er wurde zum Generalissimus er¬
nannt und ihm ist die allgemeine Leitung aller Heere
gegeben (also auch der französischen Truppen auf grie¬
chischem Boden.) Das ist doch ein Beweis von Ver¬
trauen! Es ist allerdings möglich, daß das der Fall
ist. Aber es ist auch möglich, daß das n i ch t der
Fall ist und daß man, obwohl man der Meinung
ist, daß es wünschenswert sei, einen anderen aktiven
General an seine 'Stelle zu setzen, einqesehen hat, daß
inan bei Joffre auf etwas Rücksicht nehmen muß, und
zwar dieses: daß sein Name cnne Parole geworden
ist, die man in hohen Ehren halten muß! Wenn man
Joffre einfach opfern würde, würde das auf das
Volk und das Heer einen katastrophalen Eindruck
machen und vielleicht eine Entmutigung wecken, die
unheilvolle Folgen nach sich ziehen könne. Und darum
ist es möglich (ich sage nicht, daß es wirllich so ist),
daß man seinen Namen rrm jeden Preis als Parole
erhalten will, daß man ihm zwar den Oberbe¬
fehl im Westen nimmt, aber unter dem Vor¬
wände, er sei zu einem höheren Posten berufen. Was
wird der General in seiner höheren Stellung zu tun
hcchen? Wird er irgendwo ein Bureau beziehen, um
mit den Vertretern der anderen Mächte zu beraten?
Es scheint mir, daß, wenn das notwendig wäre, das
eher die Aufgabe des Genevalstabschefs wäre! Ein
Oberbefehlshaber über die gesamten Streitkräfte muß
anders handeln, muß auftvcten wir Kaiser Wilhelm
zum Beispiel, der von dem einen nach dem anderen
Kriegsschauplatz eilt, um immer aufs neue da, wo
gekämpft wird, die Truppen durch seine Gegenwart
zu begeistern und, wenn es nötig ist, unmittelbar ein-
greifen. Die nächsten Tage werden wohl zeigen, wie
Joffre seine neue Stellung auffaßt und ob diese neue
Stellung tatsächlich etwas mehr ist als eine — Kalt¬
stellung."
Wachsende Mutlosigkeit in Italien.
Aus Lugano wird der „D. Tagesztg." geschrieben:
Unter begeisterten Ovationen sind wahrend der kurzen
Tagung dem Ministerium zwei Vertrauensvota mit
großer Mehrheit gegeben worden. Aber nach allen
Nachrichten, die über die Grenze dringen, ist es trotz¬
dem nicht gestärkt aus den parlamentarischen Käm¬
pfen herworgegangen. Nicht nur die Darlegungen
des Schatznnnsters Carcona, die sich vergebens be¬
mühten, das Land darüber zu täuschen, daß Italien
vor einer finanziellen Katastrophe furchtbarster Art
steht, haben in weiten Kreisen große Bestürzung her¬
vorgerufen, sondern auch die Kriegspolitik des Mini¬
steriums Salandra befriedigt weder die fanatischen
Interventionisten noch Neutralisten. Die Interveu-
tionisten sind enttäuscht darüber, daß die Kriegserklä¬
rung au Deutschland noch immer nicht erfolgt ist und
daß Italien sich nicht entschließen kann, aus seinem
angeblichen Menschenüberfluß den bedrängten Ver¬
bündeten auf dem Balkan Hilfe zu senden und daß
man sich ttotz der so laut bekannten Solidarität mit
den Verbündeten darauf beschränkt, den Uebcrresten
des serbischen Heeres offenbar völlig unzureichende
Lebensmittel zu senden. Tie Neutralisten aber hal¬
ten die so lange hinausgeschobene Unterzeichnung des
psrtKvntr Vertrages für c;rrn schweren Fehler, weil
sie der Ueberzeugung sind, daß dieser Verttag Italien
psilcylen auserregi und es der Freiheit seines Han¬
delns beraubt.
Klarblickende Italiener ,die über die Grenze kom¬
men, verhehlen die schweren Besorgnisse nicvt. womit
sie der Zukunft ihres Vaterlandes entgegensehen,
wenn man unter vier Augen mit chnen spricht. Sw
gestehen ein, daß allmählich das Bewußtsein von den
ungeheuren Verlusten, die bis jetzt ganz er¬
folglos in Tirol und am I s o n z o erlitten wor
den sind, in den weitesten Kreisen sich verbreitet. Ob¬
wohl in Italien ebensowenig wie in Frankreich Ver¬
lustlisten herausgegeben werden, ja vielleicht gerade
deshalb, flüstert man sich gegenseitig zu, daß die Zahl
der Toten und Verwundeten auch die schlimmsten
Erwartungen übertreffe. Aus fünf großen Tageszei¬
tungen zufammeirgestellte Todesanzeigen tundigen den
Tod von fast dreitausend Offizieren "an. Und durch
diese Blätter kommt doch nur ein kleiner Teil der
wirklichen Verluste zur Kenntnis.
Es ist mir von vertrauenswürdiger Seite berich¬
tet worden, daß nur noch wenige Italiener ans einen
6-riolo mn l^sonzo oder in den Tiroler Bergen hoffen.
Die beängstigenden Gerüchte werden über die Vor¬
gänge verbreitet, die sich oben an oen Landcsgrenzen
unter den Truppen abspielen, die jeder der Berichte
Cadornas verherrlicht. Sie machen an den Grenzen
nicht halt. Und so erfährt man denn auch daß die
opferreichen Sttirme an der Jsonzofront nur deshalb
immer wiederholt werden können, weil stets neue
Regimenter gegen die österreichischen Stellungen
geführt wurden. Alles das weiß man im Lande,
wenn es auch selten jemand offen auszusprechen wagt.
Nur im Parlament herrscht die Gedankenfreiheit noch
bis zu einem gewiffen Grade. Tagte es nicht Wochen-,
sondern monatelang wie das englische, daun würde
das Ministerium Salandra, das Mimstermm des
Krieges, wohl bald durch ein Ministeriuni des Frie¬
dens abgelöst werden, (ctr. bln.)
Im Postverkehr mit ven Kriegsgefangenen
pflegen die Angehörigen bei der Beurteilung der Zeit,
welche die Sendungen für ihre Beförderung und Zu¬
teilung benötigen können, zumeist den Maßstab posta-
ischer Berhältniffe in Friedenszeiten anzuleg, n, und
ind sofort beunruhigt, wenn von dem Kriegsgefange¬
nen einmal längere Zeit Nachrichten ausbleiben, oder
wenn sie erfahren, daß die dem in Gefangenschaft be¬
findlichen Sohn oder Bruder zugcdachten Geld- und
Pakeffendungen nickst eingettvffen sind. Zu solcher
Beunruhigung liegt in den meisten Fällenkein Grund
vor, da die Verzögerung durch zeitweilige Einschrän¬
kungen im Postverkehr seitens der feindlichen Regie¬
rungen, durch vorübergehende Ueberlastung der Zen-
surbehörden oder durch die Ueberführuug des betr.
Gefangenen in ein anderes Lager sich als ganz natür¬
lich erklärt. Oft fit auch die Nichtbeachtung der Be-
sttmmungen für den Postverkehr mit Kriegsgefange¬
nen Schuld an der Verzögerung oder an dem Nicht¬
eintreffen der Sendung. Leider ist ein großer Teil
des Publikums geneigt, diese vorübergehenden Ber¬
kehrserschwerungen als dauernde Mißstände zu be¬
trachten, und glaubt im Interesse der Kriegsgefange¬
nen die zuständigen Behörden, in erster Lime das
Kriegsministerium und die stellvertretenden General-
Kommandos, darauf aufmerksam machen und um
schleunigste Abstellung bitten zu müssen. Durch die
Erledigung solcher Anfragen entsteht die Gefahr einer
Ueberlastung der maßgebenden Stellen, die dazu füh¬
ren kann, daß sie in der Wahrnehmung ihrer eigent¬
lichen Aufgabe, die deuffchen .Kriegsgefangenen gegen
wirkliche schwerwiegende Mißstände zu schützen, sehr
beeinträchtigt werden. Wer also in Sachen des Post¬
verkehrs mit Kriegsgefangenen Auskunft zu erhalten
wünscht, oder glaubt, Anlaß zu einer Beschwerde zu
haben, wird sich zunächst besser an die Postcmstalten
und vor allem an die Auskunftsstellen der vom Roten
Kreuz errichteten Abteilungen für die Kriegsgeigngc-
nenfüfforge zu wenden haben. Sollte bei diesen Stel¬
len die Ueberzeugung gewonnen werden, Saß es sich
wirklich um ernsthafte Mihstände in der Gefangenen¬
fürsorge handelt, so werden umgehend die notigen
amtlichen Erhebungen beantragt werden. Unsere Mi¬
litärbehörden werden sodann alle zu Gebote sichenden
Mittel für die Beseitigung vorhandener Mißstände
eintreten.
*
Köln, 16. Dez. 1915. Laut der „Köln. Volktttg."
hat der Papst dem belgischen Gesandten seine Teil¬
nahme anläßlich der Explosion in Havre, die
so viele Menschenleben gefordert hat, ausgedrückt
und ihm 5000 Franken für die Opfer der Katasttophe
ausgehändigt.
Deutscher Neich.
München, 16. Dez. 1915. Die bayerische Abge¬
ordnetenkammer hat in ihrer heuttgen Vormittags-
sitzung den Etat der Militärverwaltung
Baverns für das Rechnungsjahr 1915 und den Ent¬
wurf eines Gesetzes betreffend Hauptetat für das Rech¬
nungsjahr 1915-16 samt Nachtrag mit allen Stim¬
men angenommen. Zuvor gaben die Vertreter der
einzelnen Parteien eine Reihe von Er-klärungen über
die Behandlung von Mannschaften ab. Alle Erklä¬
rungen schloffen mit der besttmmten Erwartung, daß
der Krieg bald zum Siege der Armee, des Reiches
und seiner Verbündeten führen und einen langaudau¬
ernden sicheren Frieden bringen werde. — Wie die
einstimmige Annahme erweist, haben auch die So¬
zialdemokraten für den Etat gestimmt was immev-
hin hervorgehoben zu werden verdient.
Kurland
** Tie Monarchie in China. Die Ententege¬
sandten in Tokio hatten eine Aussprache mit dem
japanischen Minister des Aeußern, deren Ergebnis
wahrscheinlich ein dringender Rat an China ist, die
Wiedererrichtung der Monarchie aufzuschieben,
(ctt. fft.)
Ueber ve gegenwärtige Lage der
re 'tfdictt Landwirtschaft
sind, so schreibt man uns von unterrichteter Seite,
gegenwärtig noch immer, namentlich in den Krci-
Unpolitische Zeitlöuse.
N. Berlin, 16. Dezember 1915.
(Nachdruck vcrboten.
„Praktisch, prakttsch", sagte der würdige Rech¬
nungsrat, „immer prakttsch müffen die Weihnachts¬
geschenke sein". — Er ist grundsätzlich gegen die
Fremdwörter, aber in der Praxis läuft ihm doch
manchmal ein Fremdwort vom Munde.
„Schön", erwiderte ich. „Hühneraugenringe habe
ich oft als sehr prakttsch gefunden, aber am Christ¬
baum möchte ich jte doch nicht hängen sehen".
„Wenn Ihr Witz auf Stelzen geht, hat er freilich
solche Pflaster nicht nötig. Sie wissen schon, was ich
meine: man soll nicht mit unnützem Krimskram
herumwerfen, sondern dem lieben Nächsten schenken,
was er wirklich braucht."
„Na ja, eine von meinen Nichten hat stockige
Zähne; sie braucht notwendig Plomben und künstliche
Lückenbüßer. Soll ich ihr falsche Zähne aufbauen
oder ihr einen Guffchem für den Zahnarzt unter den
Weihnachtsbaum legen?"
„Diesen Guffchem hätten Sie schon längst für sich
selber ausstellen und verwerten sollen, damit Ihre
unvermeidliche Zigarre einen festeren Halt hätte.
Aber nun sagen Sie gefälligst ohne weitere Gedan¬
kenverrenkung, ob es nicht eine Verschwendung des
mühsam erworbenen Geldes ist, wenn man seinen
Mitmenschen Dinge an den Hals wirft oder in die
Hand stopft, die ihm keinen Nutzen bringen."
„Ich weiß nickt, ob Sie die Freude auch zu den
Nutzwerten rechnen. Meinerseits halte ich es für
ein heilsames Werk der Nächstenliebe, einem Mit¬
menschen gelegentlich eine Freude zu bereiten. Das
ist so ein Labetruni, als wenn man einem müden
Wanderer ein Glas schäumenden Bieres reicht. Nähr¬
stoff zienrlich gleich null; aber Erfrischung, Anregung
und deshalb Stärkung. Unsere Heeresleitung ist doch
die Verkörperung der Zweckmäßigkeit; aber sie be¬
zahlt mit unseren Mlliarden nicht nur Kugeln und
Kanonen und eiserne Porttonen, sondern auch die
Militärmusik, obschon die noch keinen Feind umge¬
blasen hat. Die erzeugt nur vergängliche Schallwellen,
die in einer Reihe stehen mit dem Trompetenklcmg
und dem Trommelwirbel, den ich durch die Weih¬
nachtsgeschenke für meine Enkel Hervorrufen werde.
Aber flüchtige Töne der Militärmusik sind ein wun-
dcrbaves Trost- und Weckmittel, ein Füllhorn von
Spannkraft und Wagemut, eine Gemütserhebung, die
dem ganzen Körper neue Leisttingsfähigkeit gibr.
Mehr Lebensfreude, mehr Lebenslust und Taten-
drang, o. das ist nichts unnützliches, das lohnt schon
die Kosten.^
„So? Dann krönen Sie wohl den Spaßmacher
zum obersten Wohltäter der Menschheit?"
„Mes an seinen Platz und im rechten Maß!
Spaß muß sein, und der Ernst hat noch Platz ge-
nug daneben. Seien wir vielseittg, wie die moderne
Kriegführung. Etwas fürs Gemüt, etwas für den
beregnenden Verstand. Dinge von handgreiflicher
Nützlichkeit, aber auch Dinge, die außerhalb des all¬
täglichen Gleises liefen und eine gewisse Ueberra-
schung bringen. Sind die letzteren richttg ausgewählt,
so wirken sie erzieherisch."
„Erziehung nennen Sie das, wenn man die Be¬
gehrlichkeit und Eitelkeit, die Genußsucht und die Zeit-
vertrödeluug fördert!?"
„Halb so wild, lieber Freund. Ich will ja keine
Mastkur für die bösen Triebe, sondern nur eine wohl-
abgemessene Auffrischung der gesunden Lebenslust und
Lebenskraft. In der Erziehung muß sich zartes mit
dem strengen, süßes mit dem herben vereinigen. Wenn
man ewig im scharfen Befehlswne dem Menschen¬
kinde ins Ohr schreit: „Du sollst, du sollst!" und
schließlich von ihm das Zugeständnis erpreßt: „Ich
m u ß". so ist damit noch wenig gewonnen. Efft wenn
der Zögling mit gehobenem .Haupt und leuchtenden
Augen und geschwellter Brust frohmuttg ausruft:
Ich will! — erst daun darf man sich in Hoffnung
die Hände reiben. In der Kinderschule wie in der
Lebeusschule geht es nicht ohne Zwang. Ter Zweck
desselben soll aber nicht allein die Unterdrückung der
schlechten Triebe sein, sondern vor allem die Weckmig
der guten Triebe. Die Kinder sollen über die Last
des Lernens hinausgeführt werden zur Lust des Ler¬
nens, und den Erwachsenen kann man nichts Besseres
beibringen, als die Freude cm eine brave, fleißige,
tüchtige Lebensführung. Wer Freude säet, wird Tu-
gend ernten, und Weihnacht ist eine besonders geeig-
nete Saatzeit."
„Wenn Sie es nicht übelnehmen, zünde ich mir
eine neue Zigarre an und verleihe Ihnen taxftei den
Titel „Wunderdoktor der Freude".
„Hier haben Sie eins von den jetzt so kostbaren
Streichhölzern, und ich will Sie auch nicht mit der
Frage belästtgen, ob die Zigarre zu den Ding-n ge¬
hört, deren prakttsche Nützlichkeit sich verstandsmäßig
Nachweisen läßt. Ich habe freilich keineswegs die Ab¬
sicht. Ihnen zu Weihnachten ein Kistchen mit Leib-
hinde zu schenken, und zwar aus dem einfachen
Grunde nicht, weil Sie so wie so schon genug rau¬
chen. Wären Sie ein Verächter dieses ttöstlichen und
anregenden Krautes, so würde ich Sie aus erziehe¬
rischer Freundschaft mit einer Nikottn-Uebermschung
vegiucken. Tenn das. scheint mir ein springender
Punkt in der Bescherungskunst zu sein: man soll dem
Empfänger geben, was er zur Auffnschung seiner
Lebenslust noch braucht, aber nicht das, was er in
Ueberfluß schon hat oder im Uebermaß verbrauchen
möchte. So würde ich z. B. einem Mädchen, das Putz-
und Gefallsucht verrät, keine Zierstoffe oder Schmuck¬
sachen schenken, sondern nur solide und hausbackene
Dinge. Dagegen wäre es für ein anderes Mädchen,
das sich zum Aschenbrödel macht oder machen läßt,
gewiß recht heilsam, wenn sie durch eine geeignete
Gabe veranlaßt würde, etwas mehr Sorgfalt aus ihr
Aeußeres und ihre Stellung in der Gesellschaft *u
verwenden. Oder einem Jungen, der bei Tage in
Kriegsnachrichtcn schwärmt und nachts von Kolonial¬
abenteuern ttäumt, würde ich keine Kriegsgedichte
und keine exotischen Romane schenken, sondern lieber
belehrende, aber zugleich hübsche Schriften über das
bürgerliche Leben in der Heimat, damit ihm das
weniger „langweilig und dumm" vorkommt. Me
Bücher mit abenteuerlichem Gewürz könnten dagegen
einem anderen Jungen, der schüchtern und beklom¬
men einherschleicht, zur Gehirnauffrischung und Herz-
erweiterung dienen. — Es kommt eben auf die richttge
Auswahl der Geschenke an. Wenn sie in Att und
Maß der Eigenart des Empfängers angepaßt sind, so
sind sie zweckmäßig und preiswert, auch wenn sie an
sich nicht so „prakttsch" erscheinen, wie gestrenger Ver¬
stand es verlangt."
„Angepaßt — das ist auch so ein Feigenblatt für
Ihre Luxuchchenkerei. Das ist es ja eben: sobald man
über den Kreis der klaren Nützlichkeit hinausgeht,
kommt man in die Qual der Wahl. Da gibt es ein
mühseliges Suchen und verantwortungsvolles Klü¬
geln, ob dies oder das wohl einen guten (Andruck
machen und einen gewiffen Nutzen, oder doch wenig-
r,'.* keinen Schaden brmgen könnte. Das sind die
y^rmtn am Weihnachtsbaum, die ich immer schärfer
gespürt habe, je mehr offene Hände sich dem Vater,
Onkel, Großvater usw. entgegenstellten. Der Kaiser
braucht immer mehr Soldaten: aber ich brauche
keine weitere Geschenkempfanger mehr."
„Ach, tun Sie doch nicht so zugeknöpft! Sie freuen
sich doch schließlich auch über die Freude, die Ne
Ihren Anaehöngen bereitet haben, wenn Ne auch
das Amtsgesicht wahren. Wenn ich aber bei der
Wahlqual einen unter die Arme greifen soll, so wie-
dechole ich immer den alten, aber jetzt erst recht zeit¬
gemäßen Rat: • Schenkt gute Bücher! Auf diesem
Gebiet ist das Suchen und Finden verhältnismäßig
leicht. Die Auswahl ist so groß, daß für jedes Alter,
für jeden Charakter und jede Bildungsstufe das Pas¬
sende sich ergibt."
„Nun fangen Ae nicht etwa noch mit einer Wech-
nachtsbücheffchau an."
„Nur nicht änMich, lieber Freund. Ich habe meine
Entdeckungsreise auf dem Büchermarkt für dieses
Jahr schon abgeschlossen. Eins davon habe ich für
Ihren jüngsten Sprößling besttmmt, den hoffnungs¬
vollen Pennäler, der mir zum Geburtstage ein hüb¬
sches Gedichtchcn schickte. "
„Was wollen Ae denn dem Beugel schenken?"
„Im ttefften Vertrauen: ich will ihm spanisch
kommen. Das Buch müffen Sic auch mal lesen,
wenn Ae sich von Ihrem werten Zahlenwust erholen
wollen: „Spanien von Johannes Mayrhofer", erschie¬
nen bei Herder in Freiburg. Eine so frische, flotte,
fesselnde, sortteißende Schilderung von Land und Leu¬
ten, wie ich sie in keinem Meffterwerke dieser Art
bester gefunden habe. Me 17 beigefiigten Bilder sind
schön, aber der Text ist noch bildhafter. Das spa¬
nische Volk ist nicht bloß neutral, sondern deuffch-
freundlich. Die Polittk, die in dem Buche auch ge-
stteift wird, namentlich in dem Barcelona-Kapitel
mit dem Ferrer-Rückblick, ist freilich nur Nebensache
ggenüber der lebendigen Schilderung des dortigen
olkslebeus mit seinen Licht- und Schattenseiten,
insbesondere der religiösen Enffaltung im katholischen
Spanien. Ich möchte mit Frau Hamann sagen:
Hier aenießt man unter Belehrung und lernt unter
Genuß."
„Na. na!"
„Nein, ich schwärme nicht, sondern gebe ehrliches
Zeugnis. Ne werden ja sehen! Vorläufig wollen
wir uns aus die Resolutton einigen (oder auf die Ent¬
schließung wie es jetzt heißt, daß gute Bücher das
beste Weihnachtsgeschenk bilden und die Deutschen in
dem Ankauf von Büchern noch rückständig sind. --
Nimm, lies und laß lesen, aber nur, was schön und
gut ist! — Auf Wiedersehen zu Wechnachten!"