Full text: Fuldaer Zeitung (1915)

M 292. 
Samrtag den |8. Dezember t9t5. 
* e^uldaer Zeitung 
*r* 
2. Blatt. 
vnick der H«Idaer Lttiendr,ckerei i» ^»lda. 
Liste 
fett Be-inn der Saloniki-Expedition von U-Booten 
der Mittelmächte im Mittelmeer versenkten feind¬ 
lichen Truppen- und Kriegsmaterial-Transport¬ 
dampfer. 
A. Hilfskreuzer und Truppen- 
T r a n s p o rt d a m p f e r. 
I) Mamazcm, englisch, 3477 t, 500 Mann indische Trup¬ 
pe» und Kri gsmnterial. 
8) Transsylvania, englisch, 14 000 t, Truppen, Muni¬ 
tion und Kriegsmaterial. 
8) Admiral Hamelin, französisch, 6051 t, l Abtg. fran¬ 
zösische Feldartillerie, Munitionswagen und 300 
Pferden. 
<) Marquette. englisch. 7050 t, 1000 weihe englische Lol. 
baten, 500 Maultiere, Munition und r unten- 
Pfleger, 83 Mann gerettet. 
5) Calvados, französisch, 6000 t. 800 Mann französische 
Kolonialtrupp n, 53 Mann gerettet. 
6) Tara, englisch, 1862 t, Hilfskreuzer. 
7) Moorina, englisch, 5000 t, Truppen und Transport 
von 500 Pferden. 
8) Californian, englisch, 6223 t, Kriegsmaterial und 
Truppen <Zahl unbekannt). 
8. Kriegsmaterial — Transport- 
d a m p fe r. 
S) Ravitailleur, französisch. 2800 t, Kohlen für franzö¬ 
sische Flotte im Aegäischen Meer. 
10) Linkmoor, englisch. 4300 t, Kohlen nach M.udroS 
für englische Flotte. 
II) tz. C. Henry, englisch, 4219 t, Teeröl von Alexan¬ 
drien nach Mudros. 
12) Provincia, französisch, 3523 t, Kohlendampfer für 
englisch-französische Flotte. 
13) St. Marguerite, französisch, 3800 t, Vorratsdampfer 
14) Heridia, englisch, 4944 t, mit Stückgütern nach 
Saloniki. 
15) Antonie, französisch, 2387 t, Vorratsdampfcr. 
16) Craigston, englisch, 2617 t, Kohlen von Cardiff nach 
Mudros. 
17) Durrsfield, englisch, 4037 t, Kohlen, Torpedos, Stück¬ 
güter nach Tcnedos. 
18) Motorleichter X 30 englisch. Leichter für Landungs- 
zwecke. 
19) Silverash, englisch, 8753 t, Vorratsdampfer. 
20) Scawby, englisch, 8858 t, Kohlen- und Vorrats¬ 
dampfer. 
21) Thorpwood, englisch, 3184 t, Kohlen für engl.-franz. 
Flotte. 
22) Woodfield, englisch, 3584 t, Kriegsmaterial nach Sa¬ 
loniki, Laltautomobile, 33 Motorbahnwagen. 
23) Uasukuni Maru, japanisch, 5118 t, Kriegsmatcnal, 
Eisenbahnschimen, Petroleum, Stückgüter nach 
Saloniki. 
24) Buresk, englisch, 4350 t, Borratsschiff. 
25) Lumina, englisch, 6200 t, Heizöl für englisch-sran- 
zösische Flotte. 
26) Clan Maccalister, englisch, 4835 t, Kohlen für eng¬ 
lisch-französische Flotte.. 
27) Caria, englisch, 3032 t, Vorratsschiff. 
28) Dagla, französisch, 5600 t, Kohlen für englisch-fccm- 
zösi sche Flotte. 
29) Sir Richard Awdry, englisch, 2234 t, unbekannt. 
Da Dampfer von 2 Torpedofahrzeugen begleitet 
wurd> mutz auf wertvolle Ladung geschlossen 
werden. 
30) France, französisch, 4025 t, in Charter der franzö¬ 
sischen Regierung von Mlwros nach Marseille 
31) Alexandra, englisch, 4000 t, Munition und Kriegs¬ 
mat rial, 
32) Unbekannt, englisch, 4000 t, Munition. 
83) Unbekannt, englisch, 4000 t, Munition. 
34) Hallamshire, englisch, 4420 t, 2200 t Kohlen für 
englisch-französische Flotte von Malta nach Mu¬ 
dros. 
Zusammen: 1474Z3 Tonnen. 
Außer den Dampfern mit Truppen und Kriegs¬ 
material für die Saloniki-Expedition wurden im O k- 
tober und November noch folgende Schiffe 
im Mittelmeer voir U-Booten der Mittelmächte ver¬ 
senkt: 
1) DimitrioS, griechisch, 2508 t, ReiS nach England 
(Bannware.) 
2. Woolwich, englisch. 2936 t, Phosphat, Zinn. 
3) Wacausta, norwegisch, 2521 t, Zucker, Eisenbahn¬ 
wag m und Material für die russische Staats¬ 
eisenbahn. (Bannware.) 
4) Den of Crombie, englisch, 4950 t, ReiS. 
5) Dahra, französisch, 2127 t, Grütze, Graupen. 
6) Sidi Ferruch, französisch, 1619 t, Stückgüter. 
7) User, franz., 3500 t, Stückgüter. 
8) Sailor Prince, englisch, 3144 t, Gerste, Lebens¬ 
mittel. 
9) Halizones, englisch, 5093 t, Erz, Baumwolle. 
10) Apollo, englisch, 3774 t, Kohle und zwei Kriegs¬ 
schiffsbarkassen. 
11) Apscheron, ruff. Tankdampfer, 1000 t, 1000 t Heizöl. 
12) Katja, ruff., 500 t, Zucker. 
13) Enosis, engl., 3409 t, Kohlen. 
14) Name unbekannt, engl. 5000 (?). 
15) Merganser, engl., 1905 t, Stückgut. 
16) Tringa, engl., 2160 t, leer. 
17) Tunis, engl., 3655 t, Vieh. 
18) Kingsway, engl., 3647 t leer. 
19) Omara. franz 435 t, leer. 
20. Malinche, engl., 1868 t, Stückgut. 
21) Colenso, engl., 3861 t, Stückgut und Eisenbahnwagen. 
22) Langton Hall, englisch, 4437 t, Stückgut. 
23) Zarisis, griechisch, 2904 t, Futter-, Lebensmittel 
nach England (Bannware). 
24) Algerien, franz., 1703 t, Stückgut. 
Gesamtsumme: 69 656 Tonnen. 
Rechnet man zu diesen Verlusten im Mittelmeer 
noch jene, die England an der englischen Küste und 
in der Nordsee erlitten bat. so ergibt sich, ganz oilge- 
sehen von der Einbuße an Menschen und an Mate¬ 
rial, ein Ausfall an Frachtramm, der das englische 
Wirtschaftsleben in sehr einschneidender Weise be¬ 
einflussen muß. Wenn die Engländer so tun, als 
brauchten sie sich über die Tätigkeit unserer U-Boote 
nickt besonders aufzuregen, so ist das eben nur eine 
Grimasse, hinter der sie — mit sehr geringm Erfolg 
— ihren Zorn und ihre Unruhe zu verbergen suchen. 
Ein Verlust von rund 218 000 Gewichtstonnen in 
?wei Monaten allein im Mittelmeer — das ist eine 
Tatsache, durch die das Gerede von der unbestritte¬ 
nen See Herrschaft Englands ctte verlogener Phrasen¬ 
bombast gekennzeichnet wird. Wie se'-r die Enalän- 
der über ibre Verluste auch in militärischer Bege¬ 
hung beunruhigt sind, gebt schon daraus berv-r, daß 
nicht nur die Namen der vernichteten Schifte im 
feindlichm neutralen Auslande nur zum Teil ver¬ 
öffentlicht wurden, sondern vor allem niemals etwas 
über die Art der Ladung verlautet. Allein in den 
oben unter .4 und R aufgefübrten Hilfskreuzern. 
Truvventransvottdamvftrn und Damvkern mit 
.Kriegsmaterial, hat die englische Flotte rund 150 OM 
Tonnen verloren. Um diese Ladung auf dem 
Schienenwege fortzuschaffen, bedarf es ungefähr 
200 Effenbakmzüqe von je 50 Güterwagen. Tie 
ganre Langwierigkeit und Unvollkommenheit der 
Truvvenlandungen in Saloniki mag nickt -u- 
leht der erfolgreichen Arbeit der deutschen und öster¬ 
reichisch-ungarischen U-Boot-Flotsillc im Mittelmeer 
zu danken sein, da man sich ja denken kann, mit 
welchen ungeheuren Vorsichtsmaßregeln, alle diese 
Transvmtte von Truppen und Material vorg-'nom- 
men werden mußten. Und dabei wußten die Ober¬ 
befehlshaber in Saloniki niemals, wieviel sie Vov 
dem d abgegangencn Menschen-, Mnnitions-' und 
Proviantmaterial auch wirklich erhalten würden. 
Diese Unsicherheit besteht aber dank der U-Boots- 
tätigkeit weiter, und so dürfen wir auch darauf rech¬ 
nen, daß die ganze Salonisi-Erpedition schließlich, 
wie einzelne Teile von ihr schon vorher, ins Wasser 
fallen wird. 
Kaltstellung Jofftes? 
Amsterdam, 14. Dez. 1915. Der frühere hollän¬ 
dische .Kriegsminister General Staal schreibt im Ba¬ 
derland (Nr. 345): „Wie steht cs eigentlich mit 
Joffre? Ohne Zweifel hält das französische Volk 
sich tapfer und verteidigt musig sein Land, aber mnn 
darf behaupten, daß es kaum befriedigt kein wird über 
seine Strategie des Zauderns. Es werden in Frank¬ 
reich schon Stimmen laut, die beweisen, daß man all¬ 
mählich die Geduld verliert, und die fordern, daß mit 
dev Praxis des Zauderns gebrochen werde. In der 
„Revue Hebdomodaire" hat' .Hauotaux deutlich genug 
erklärt, daß die französische Leitung keine Men Plane, 
keine klare Auffassung der Lage und keinen beherr¬ 
schenden Willen habe. Ist Joffre mitschuldig? Ich 
weiß es nicht. Man wird saaen: die Franzosen sind 
anscheinend der Meinung, daß Joffre nicht schuldig 
sei, denn er wurde zum Generalissimus er¬ 
nannt und ihm ist die allgemeine Leitung aller Heere 
gegeben (also auch der französischen Truppen auf grie¬ 
chischem Boden.) Das ist doch ein Beweis von Ver¬ 
trauen! Es ist allerdings möglich, daß das der Fall 
ist. Aber es ist auch möglich, daß das n i ch t der 
Fall ist und daß man, obwohl man der Meinung 
ist, daß es wünschenswert sei, einen anderen aktiven 
General an seine 'Stelle zu setzen, einqesehen hat, daß 
inan bei Joffre auf etwas Rücksicht nehmen muß, und 
zwar dieses: daß sein Name cnne Parole geworden 
ist, die man in hohen Ehren halten muß! Wenn man 
Joffre einfach opfern würde, würde das auf das 
Volk und das Heer einen katastrophalen Eindruck 
machen und vielleicht eine Entmutigung wecken, die 
unheilvolle Folgen nach sich ziehen könne. Und darum 
ist es möglich (ich sage nicht, daß es wirllich so ist), 
daß man seinen Namen rrm jeden Preis als Parole 
erhalten will, daß man ihm zwar den Oberbe¬ 
fehl im Westen nimmt, aber unter dem Vor¬ 
wände, er sei zu einem höheren Posten berufen. Was 
wird der General in seiner höheren Stellung zu tun 
hcchen? Wird er irgendwo ein Bureau beziehen, um 
mit den Vertretern der anderen Mächte zu beraten? 
Es scheint mir, daß, wenn das notwendig wäre, das 
eher die Aufgabe des Genevalstabschefs wäre! Ein 
Oberbefehlshaber über die gesamten Streitkräfte muß 
anders handeln, muß auftvcten wir Kaiser Wilhelm 
zum Beispiel, der von dem einen nach dem anderen 
Kriegsschauplatz eilt, um immer aufs neue da, wo 
gekämpft wird, die Truppen durch seine Gegenwart 
zu begeistern und, wenn es nötig ist, unmittelbar ein- 
greifen. Die nächsten Tage werden wohl zeigen, wie 
Joffre seine neue Stellung auffaßt und ob diese neue 
Stellung tatsächlich etwas mehr ist als eine — Kalt¬ 
stellung." 
Wachsende Mutlosigkeit in Italien. 
Aus Lugano wird der „D. Tagesztg." geschrieben: 
Unter begeisterten Ovationen sind wahrend der kurzen 
Tagung dem Ministerium zwei Vertrauensvota mit 
großer Mehrheit gegeben worden. Aber nach allen 
Nachrichten, die über die Grenze dringen, ist es trotz¬ 
dem nicht gestärkt aus den parlamentarischen Käm¬ 
pfen herworgegangen. Nicht nur die Darlegungen 
des Schatznnnsters Carcona, die sich vergebens be¬ 
mühten, das Land darüber zu täuschen, daß Italien 
vor einer finanziellen Katastrophe furchtbarster Art 
steht, haben in weiten Kreisen große Bestürzung her¬ 
vorgerufen, sondern auch die Kriegspolitik des Mini¬ 
steriums Salandra befriedigt weder die fanatischen 
Interventionisten noch Neutralisten. Die Interveu- 
tionisten sind enttäuscht darüber, daß die Kriegserklä¬ 
rung au Deutschland noch immer nicht erfolgt ist und 
daß Italien sich nicht entschließen kann, aus seinem 
angeblichen Menschenüberfluß den bedrängten Ver¬ 
bündeten auf dem Balkan Hilfe zu senden und daß 
man sich ttotz der so laut bekannten Solidarität mit 
den Verbündeten darauf beschränkt, den Uebcrresten 
des serbischen Heeres offenbar völlig unzureichende 
Lebensmittel zu senden. Tie Neutralisten aber hal¬ 
ten die so lange hinausgeschobene Unterzeichnung des 
psrtKvntr Vertrages für c;rrn schweren Fehler, weil 
sie der Ueberzeugung sind, daß dieser Verttag Italien 
psilcylen auserregi und es der Freiheit seines Han¬ 
delns beraubt. 
Klarblickende Italiener ,die über die Grenze kom¬ 
men, verhehlen die schweren Besorgnisse nicvt. womit 
sie der Zukunft ihres Vaterlandes entgegensehen, 
wenn man unter vier Augen mit chnen spricht. Sw 
gestehen ein, daß allmählich das Bewußtsein von den 
ungeheuren Verlusten, die bis jetzt ganz er¬ 
folglos in Tirol und am I s o n z o erlitten wor 
den sind, in den weitesten Kreisen sich verbreitet. Ob¬ 
wohl in Italien ebensowenig wie in Frankreich Ver¬ 
lustlisten herausgegeben werden, ja vielleicht gerade 
deshalb, flüstert man sich gegenseitig zu, daß die Zahl 
der Toten und Verwundeten auch die schlimmsten 
Erwartungen übertreffe. Aus fünf großen Tageszei¬ 
tungen zufammeirgestellte Todesanzeigen tundigen den 
Tod von fast dreitausend Offizieren "an. Und durch 
diese Blätter kommt doch nur ein kleiner Teil der 
wirklichen Verluste zur Kenntnis. 
Es ist mir von vertrauenswürdiger Seite berich¬ 
tet worden, daß nur noch wenige Italiener ans einen 
6-riolo mn l^sonzo oder in den Tiroler Bergen hoffen. 
Die beängstigenden Gerüchte werden über die Vor¬ 
gänge verbreitet, die sich oben an oen Landcsgrenzen 
unter den Truppen abspielen, die jeder der Berichte 
Cadornas verherrlicht. Sie machen an den Grenzen 
nicht halt. Und so erfährt man denn auch daß die 
opferreichen Sttirme an der Jsonzofront nur deshalb 
immer wiederholt werden können, weil stets neue 
Regimenter gegen die österreichischen Stellungen 
geführt wurden. Alles das weiß man im Lande, 
wenn es auch selten jemand offen auszusprechen wagt. 
Nur im Parlament herrscht die Gedankenfreiheit noch 
bis zu einem gewiffen Grade. Tagte es nicht Wochen-, 
sondern monatelang wie das englische, daun würde 
das Ministerium Salandra, das Mimstermm des 
Krieges, wohl bald durch ein Ministeriuni des Frie¬ 
dens abgelöst werden, (ctr. bln.) 
Im Postverkehr mit ven Kriegsgefangenen 
pflegen die Angehörigen bei der Beurteilung der Zeit, 
welche die Sendungen für ihre Beförderung und Zu¬ 
teilung benötigen können, zumeist den Maßstab posta- 
ischer Berhältniffe in Friedenszeiten anzuleg, n, und 
ind sofort beunruhigt, wenn von dem Kriegsgefange¬ 
nen einmal längere Zeit Nachrichten ausbleiben, oder 
wenn sie erfahren, daß die dem in Gefangenschaft be¬ 
findlichen Sohn oder Bruder zugcdachten Geld- und 
Pakeffendungen nickst eingettvffen sind. Zu solcher 
Beunruhigung liegt in den meisten Fällenkein Grund 
vor, da die Verzögerung durch zeitweilige Einschrän¬ 
kungen im Postverkehr seitens der feindlichen Regie¬ 
rungen, durch vorübergehende Ueberlastung der Zen- 
surbehörden oder durch die Ueberführuug des betr. 
Gefangenen in ein anderes Lager sich als ganz natür¬ 
lich erklärt. Oft fit auch die Nichtbeachtung der Be- 
sttmmungen für den Postverkehr mit Kriegsgefange¬ 
nen Schuld an der Verzögerung oder an dem Nicht¬ 
eintreffen der Sendung. Leider ist ein großer Teil 
des Publikums geneigt, diese vorübergehenden Ber¬ 
kehrserschwerungen als dauernde Mißstände zu be¬ 
trachten, und glaubt im Interesse der Kriegsgefange¬ 
nen die zuständigen Behörden, in erster Lime das 
Kriegsministerium und die stellvertretenden General- 
Kommandos, darauf aufmerksam machen und um 
schleunigste Abstellung bitten zu müssen. Durch die 
Erledigung solcher Anfragen entsteht die Gefahr einer 
Ueberlastung der maßgebenden Stellen, die dazu füh¬ 
ren kann, daß sie in der Wahrnehmung ihrer eigent¬ 
lichen Aufgabe, die deuffchen .Kriegsgefangenen gegen 
wirkliche schwerwiegende Mißstände zu schützen, sehr 
beeinträchtigt werden. Wer also in Sachen des Post¬ 
verkehrs mit Kriegsgefangenen Auskunft zu erhalten 
wünscht, oder glaubt, Anlaß zu einer Beschwerde zu 
haben, wird sich zunächst besser an die Postcmstalten 
und vor allem an die Auskunftsstellen der vom Roten 
Kreuz errichteten Abteilungen für die Kriegsgeigngc- 
nenfüfforge zu wenden haben. Sollte bei diesen Stel¬ 
len die Ueberzeugung gewonnen werden, Saß es sich 
wirklich um ernsthafte Mihstände in der Gefangenen¬ 
fürsorge handelt, so werden umgehend die notigen 
amtlichen Erhebungen beantragt werden. Unsere Mi¬ 
litärbehörden werden sodann alle zu Gebote sichenden 
Mittel für die Beseitigung vorhandener Mißstände 
eintreten. 
* 
Köln, 16. Dez. 1915. Laut der „Köln. Volktttg." 
hat der Papst dem belgischen Gesandten seine Teil¬ 
nahme anläßlich der Explosion in Havre, die 
so viele Menschenleben gefordert hat, ausgedrückt 
und ihm 5000 Franken für die Opfer der Katasttophe 
ausgehändigt. 
Deutscher Neich. 
München, 16. Dez. 1915. Die bayerische Abge¬ 
ordnetenkammer hat in ihrer heuttgen Vormittags- 
sitzung den Etat der Militärverwaltung 
Baverns für das Rechnungsjahr 1915 und den Ent¬ 
wurf eines Gesetzes betreffend Hauptetat für das Rech¬ 
nungsjahr 1915-16 samt Nachtrag mit allen Stim¬ 
men angenommen. Zuvor gaben die Vertreter der 
einzelnen Parteien eine Reihe von Er-klärungen über 
die Behandlung von Mannschaften ab. Alle Erklä¬ 
rungen schloffen mit der besttmmten Erwartung, daß 
der Krieg bald zum Siege der Armee, des Reiches 
und seiner Verbündeten führen und einen langaudau¬ 
ernden sicheren Frieden bringen werde. — Wie die 
einstimmige Annahme erweist, haben auch die So¬ 
zialdemokraten für den Etat gestimmt was immev- 
hin hervorgehoben zu werden verdient. 
Kurland 
** Tie Monarchie in China. Die Ententege¬ 
sandten in Tokio hatten eine Aussprache mit dem 
japanischen Minister des Aeußern, deren Ergebnis 
wahrscheinlich ein dringender Rat an China ist, die 
Wiedererrichtung der Monarchie aufzuschieben, 
(ctt. fft.) 
Ueber ve gegenwärtige Lage der 
re 'tfdictt Landwirtschaft 
sind, so schreibt man uns von unterrichteter Seite, 
gegenwärtig noch immer, namentlich in den Krci- 
Unpolitische Zeitlöuse. 
N. Berlin, 16. Dezember 1915. 
(Nachdruck vcrboten. 
„Praktisch, prakttsch", sagte der würdige Rech¬ 
nungsrat, „immer prakttsch müffen die Weihnachts¬ 
geschenke sein". — Er ist grundsätzlich gegen die 
Fremdwörter, aber in der Praxis läuft ihm doch 
manchmal ein Fremdwort vom Munde. 
„Schön", erwiderte ich. „Hühneraugenringe habe 
ich oft als sehr prakttsch gefunden, aber am Christ¬ 
baum möchte ich jte doch nicht hängen sehen". 
„Wenn Ihr Witz auf Stelzen geht, hat er freilich 
solche Pflaster nicht nötig. Sie wissen schon, was ich 
meine: man soll nicht mit unnützem Krimskram 
herumwerfen, sondern dem lieben Nächsten schenken, 
was er wirklich braucht." 
„Na ja, eine von meinen Nichten hat stockige 
Zähne; sie braucht notwendig Plomben und künstliche 
Lückenbüßer. Soll ich ihr falsche Zähne aufbauen 
oder ihr einen Guffchem für den Zahnarzt unter den 
Weihnachtsbaum legen?" 
„Diesen Guffchem hätten Sie schon längst für sich 
selber ausstellen und verwerten sollen, damit Ihre 
unvermeidliche Zigarre einen festeren Halt hätte. 
Aber nun sagen Sie gefälligst ohne weitere Gedan¬ 
kenverrenkung, ob es nicht eine Verschwendung des 
mühsam erworbenen Geldes ist, wenn man seinen 
Mitmenschen Dinge an den Hals wirft oder in die 
Hand stopft, die ihm keinen Nutzen bringen." 
„Ich weiß nickt, ob Sie die Freude auch zu den 
Nutzwerten rechnen. Meinerseits halte ich es für 
ein heilsames Werk der Nächstenliebe, einem Mit¬ 
menschen gelegentlich eine Freude zu bereiten. Das 
ist so ein Labetruni, als wenn man einem müden 
Wanderer ein Glas schäumenden Bieres reicht. Nähr¬ 
stoff zienrlich gleich null; aber Erfrischung, Anregung 
und deshalb Stärkung. Unsere Heeresleitung ist doch 
die Verkörperung der Zweckmäßigkeit; aber sie be¬ 
zahlt mit unseren Mlliarden nicht nur Kugeln und 
Kanonen und eiserne Porttonen, sondern auch die 
Militärmusik, obschon die noch keinen Feind umge¬ 
blasen hat. Die erzeugt nur vergängliche Schallwellen, 
die in einer Reihe stehen mit dem Trompetenklcmg 
und dem Trommelwirbel, den ich durch die Weih¬ 
nachtsgeschenke für meine Enkel Hervorrufen werde. 
Aber flüchtige Töne der Militärmusik sind ein wun- 
dcrbaves Trost- und Weckmittel, ein Füllhorn von 
Spannkraft und Wagemut, eine Gemütserhebung, die 
dem ganzen Körper neue Leisttingsfähigkeit gibr. 
Mehr Lebensfreude, mehr Lebenslust und Taten- 
drang, o. das ist nichts unnützliches, das lohnt schon 
die Kosten.^ 
„So? Dann krönen Sie wohl den Spaßmacher 
zum obersten Wohltäter der Menschheit?" 
„Mes an seinen Platz und im rechten Maß! 
Spaß muß sein, und der Ernst hat noch Platz ge- 
nug daneben. Seien wir vielseittg, wie die moderne 
Kriegführung. Etwas fürs Gemüt, etwas für den 
beregnenden Verstand. Dinge von handgreiflicher 
Nützlichkeit, aber auch Dinge, die außerhalb des all¬ 
täglichen Gleises liefen und eine gewisse Ueberra- 
schung bringen. Sind die letzteren richttg ausgewählt, 
so wirken sie erzieherisch." 
„Erziehung nennen Sie das, wenn man die Be¬ 
gehrlichkeit und Eitelkeit, die Genußsucht und die Zeit- 
vertrödeluug fördert!?" 
„Halb so wild, lieber Freund. Ich will ja keine 
Mastkur für die bösen Triebe, sondern nur eine wohl- 
abgemessene Auffrischung der gesunden Lebenslust und 
Lebenskraft. In der Erziehung muß sich zartes mit 
dem strengen, süßes mit dem herben vereinigen. Wenn 
man ewig im scharfen Befehlswne dem Menschen¬ 
kinde ins Ohr schreit: „Du sollst, du sollst!" und 
schließlich von ihm das Zugeständnis erpreßt: „Ich 
m u ß". so ist damit noch wenig gewonnen. Efft wenn 
der Zögling mit gehobenem .Haupt und leuchtenden 
Augen und geschwellter Brust frohmuttg ausruft: 
Ich will! — erst daun darf man sich in Hoffnung 
die Hände reiben. In der Kinderschule wie in der 
Lebeusschule geht es nicht ohne Zwang. Ter Zweck 
desselben soll aber nicht allein die Unterdrückung der 
schlechten Triebe sein, sondern vor allem die Weckmig 
der guten Triebe. Die Kinder sollen über die Last 
des Lernens hinausgeführt werden zur Lust des Ler¬ 
nens, und den Erwachsenen kann man nichts Besseres 
beibringen, als die Freude cm eine brave, fleißige, 
tüchtige Lebensführung. Wer Freude säet, wird Tu- 
gend ernten, und Weihnacht ist eine besonders geeig- 
nete Saatzeit." 
„Wenn Sie es nicht übelnehmen, zünde ich mir 
eine neue Zigarre an und verleihe Ihnen taxftei den 
Titel „Wunderdoktor der Freude". 
„Hier haben Sie eins von den jetzt so kostbaren 
Streichhölzern, und ich will Sie auch nicht mit der 
Frage belästtgen, ob die Zigarre zu den Ding-n ge¬ 
hört, deren prakttsche Nützlichkeit sich verstandsmäßig 
Nachweisen läßt. Ich habe freilich keineswegs die Ab¬ 
sicht. Ihnen zu Weihnachten ein Kistchen mit Leib- 
hinde zu schenken, und zwar aus dem einfachen 
Grunde nicht, weil Sie so wie so schon genug rau¬ 
chen. Wären Sie ein Verächter dieses ttöstlichen und 
anregenden Krautes, so würde ich Sie aus erziehe¬ 
rischer Freundschaft mit einer Nikottn-Uebermschung 
vegiucken. Tenn das. scheint mir ein springender 
Punkt in der Bescherungskunst zu sein: man soll dem 
Empfänger geben, was er zur Auffnschung seiner 
Lebenslust noch braucht, aber nicht das, was er in 
Ueberfluß schon hat oder im Uebermaß verbrauchen 
möchte. So würde ich z. B. einem Mädchen, das Putz- 
und Gefallsucht verrät, keine Zierstoffe oder Schmuck¬ 
sachen schenken, sondern nur solide und hausbackene 
Dinge. Dagegen wäre es für ein anderes Mädchen, 
das sich zum Aschenbrödel macht oder machen läßt, 
gewiß recht heilsam, wenn sie durch eine geeignete 
Gabe veranlaßt würde, etwas mehr Sorgfalt aus ihr 
Aeußeres und ihre Stellung in der Gesellschaft *u 
verwenden. Oder einem Jungen, der bei Tage in 
Kriegsnachrichtcn schwärmt und nachts von Kolonial¬ 
abenteuern ttäumt, würde ich keine Kriegsgedichte 
und keine exotischen Romane schenken, sondern lieber 
belehrende, aber zugleich hübsche Schriften über das 
bürgerliche Leben in der Heimat, damit ihm das 
weniger „langweilig und dumm" vorkommt. Me 
Bücher mit abenteuerlichem Gewürz könnten dagegen 
einem anderen Jungen, der schüchtern und beklom¬ 
men einherschleicht, zur Gehirnauffrischung und Herz- 
erweiterung dienen. — Es kommt eben auf die richttge 
Auswahl der Geschenke an. Wenn sie in Att und 
Maß der Eigenart des Empfängers angepaßt sind, so 
sind sie zweckmäßig und preiswert, auch wenn sie an 
sich nicht so „prakttsch" erscheinen, wie gestrenger Ver¬ 
stand es verlangt." 
„Angepaßt — das ist auch so ein Feigenblatt für 
Ihre Luxuchchenkerei. Das ist es ja eben: sobald man 
über den Kreis der klaren Nützlichkeit hinausgeht, 
kommt man in die Qual der Wahl. Da gibt es ein 
mühseliges Suchen und verantwortungsvolles Klü¬ 
geln, ob dies oder das wohl einen guten (Andruck 
machen und einen gewiffen Nutzen, oder doch wenig- 
r,'.* keinen Schaden brmgen könnte. Das sind die 
y^rmtn am Weihnachtsbaum, die ich immer schärfer 
gespürt habe, je mehr offene Hände sich dem Vater, 
Onkel, Großvater usw. entgegenstellten. Der Kaiser 
braucht immer mehr Soldaten: aber ich brauche 
keine weitere Geschenkempfanger mehr." 
„Ach, tun Sie doch nicht so zugeknöpft! Sie freuen 
sich doch schließlich auch über die Freude, die Ne 
Ihren Anaehöngen bereitet haben, wenn Ne auch 
das Amtsgesicht wahren. Wenn ich aber bei der 
Wahlqual einen unter die Arme greifen soll, so wie- 
dechole ich immer den alten, aber jetzt erst recht zeit¬ 
gemäßen Rat: • Schenkt gute Bücher! Auf diesem 
Gebiet ist das Suchen und Finden verhältnismäßig 
leicht. Die Auswahl ist so groß, daß für jedes Alter, 
für jeden Charakter und jede Bildungsstufe das Pas¬ 
sende sich ergibt." 
„Nun fangen Ae nicht etwa noch mit einer Wech- 
nachtsbücheffchau an." 
„Nur nicht änMich, lieber Freund. Ich habe meine 
Entdeckungsreise auf dem Büchermarkt für dieses 
Jahr schon abgeschlossen. Eins davon habe ich für 
Ihren jüngsten Sprößling besttmmt, den hoffnungs¬ 
vollen Pennäler, der mir zum Geburtstage ein hüb¬ 
sches Gedichtchcn schickte. " 
„Was wollen Ae denn dem Beugel schenken?" 
„Im ttefften Vertrauen: ich will ihm spanisch 
kommen. Das Buch müffen Sic auch mal lesen, 
wenn Ae sich von Ihrem werten Zahlenwust erholen 
wollen: „Spanien von Johannes Mayrhofer", erschie¬ 
nen bei Herder in Freiburg. Eine so frische, flotte, 
fesselnde, sortteißende Schilderung von Land und Leu¬ 
ten, wie ich sie in keinem Meffterwerke dieser Art 
bester gefunden habe. Me 17 beigefiigten Bilder sind 
schön, aber der Text ist noch bildhafter. Das spa¬ 
nische Volk ist nicht bloß neutral, sondern deuffch- 
freundlich. Die Polittk, die in dem Buche auch ge- 
stteift wird, namentlich in dem Barcelona-Kapitel 
mit dem Ferrer-Rückblick, ist freilich nur Nebensache 
ggenüber der lebendigen Schilderung des dortigen 
olkslebeus mit seinen Licht- und Schattenseiten, 
insbesondere der religiösen Enffaltung im katholischen 
Spanien. Ich möchte mit Frau Hamann sagen: 
Hier aenießt man unter Belehrung und lernt unter 
Genuß." 
„Na. na!" 
„Nein, ich schwärme nicht, sondern gebe ehrliches 
Zeugnis. Ne werden ja sehen! Vorläufig wollen 
wir uns aus die Resolutton einigen (oder auf die Ent¬ 
schließung wie es jetzt heißt, daß gute Bücher das 
beste Weihnachtsgeschenk bilden und die Deutschen in 
dem Ankauf von Büchern noch rückständig sind. -- 
Nimm, lies und laß lesen, aber nur, was schön und 
gut ist! — Auf Wiedersehen zu Wechnachten!"
	        
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