Full text: Fuldaer Zeitung (1915)

M 294. 
t>ieitsfog -e« 21- Dezember 
Fuldaer Zeitung 
2. Blatt. 
ttud der Mdaer Letirndrsckerei in 
Stadtverordneten- Versammlung. 
S stulva, 21. Dez. ISIS. 
, foj gestrigen Sitzung der Stadtverordneten-Ber 
sammlung, die unter dem Vorsitze des Statdverordneten 
«orstehett, Herrn Justizrats Rang, ftattfand. hatten 
nch 25 Mitglicher des Kollegiums eingefunden. Vom 
Magistrat waren zugegen der Herr Oberbürger¬ 
meister und die Beigeordneten A r n d und Fritz. 
1) Beschlussfassung über die Giltigkeit der Stadtver- 
«cbueteuwahlen. Ein Einspruch gegen die Stadtverord¬ 
netenwahlen im November ist nicht erfolgt, weshalb die 
Lersammlung sie für gültig erklärte. 
L. Fluchtlmienplanentwurs über das vom Künzeller- 
ber Dlorengaffe bi» zur Strafte am Franzofen- 
waldche« und »an da entlang der Breitenborn schen 
«lrtuere, bi» zum Edelzellerweg und dem Edelzeller- 
weg eingeschloffene Gelände. Der Fluchtlinienplan wurde 
angenommen. 
3) Legen eines Steinzeugrohrkauall im Biehmarkt- 
Vlatz »,r der Oberrealfchule und dem Oberrealschulneu. 
»au, sowie »n der geplanten Lerlängeruus der Sein 
richstratze. 
In diesen von dem Neubau der Oberrealfchule be 
grenzten Strahrmteilen ist die Kanalisierung noch nicht 
^^ß^"??"men. dort liegt noch ein alter Kanal, der un- 
zulangllch rst. Die Verlängerung der Httnrichstraßc, das 
Echulgrundsti-ck und die Viehmarktstratze müssen ent¬ 
wässert werden. Der anzulegende Kanal hat eine Länge 
von 180 Meter und soll 6S00 Mark kosten. Die Magi 
stratSvorlage wurde angenommen. 
4) Uebertragung der Polizeiverwaltung auf die Stadt. 
Rach einer Verordnung aus dem kaiserlichen Haupi 
quartier, datiert 20. September, geht die hiesige Polizei. 
Verwaltung vom 1. April 1016 ab auf die Stadt über. 
Die B wstadtlichung der Polizei bedeutet, wie der Be¬ 
richterstatter, Herr R ü b s a m darlegte, für unseren 
Stadtsäckel gegen früher eine Mehrbelastung um mehr 
als 30 000 Mk. Auch der Herr Oberbürgermei¬ 
ster erklärte, datz die plötzliche Uebertragung der Poli¬ 
neiverwaltung auf die Stadt eine unangenehme Lage ge- 
schaff 'n habe, gegen die seit Jahren angekämpit wurde. 
Die Uebertragung der Polizeiverwaltung auf die Stadt 
sollte schon im Jahre 1909 geschehen. Eine städtische 
Deputation beim Minister habe eine Hinausschiebung 
de» Planes erwirkt. Man wußte aber schon damals, daß 
das nicht von langer Dauer sein konnte. Im Kriegs¬ 
jahr wolle nun der Staat jedenfalls spüren uichzwar aus 
Kosten der Gemeinden, denen ja im Krieg- überhaupt 
viel Lasten auferlegt würden. Der Magistrat könne nichts 
dag:gen tun; die kaiserliche Verordnung sei bereits in 
der preußischen Gesetzessammlung veröffentlicht. Fulda 
sei in Kurhessen die einzige klttnere Stadt mit königli¬ 
cher Polizei; in Marburg sei die Verstadtlichung schon 
vor sechs od'.r sieben Jahren vorgenommen worden. 
Diese Stadt habe sich damals auch vergeblich gewehrt. 
Der Stadt würden nun viele Arbeiten erwachsen, wir 
müßten aber in den sauren Apfel beißen. Ohne Steuer¬ 
erhöhung gehe es auch nicht ab, was in diesem Kriegs¬ 
jahre mit den vielen Lasten doppelt unangenehm sei. 
Auf die Anfrage des Herrn S u n k e l, ob die Angele¬ 
genheit vielleicht noch ein Jahr hinauszuschieben sei, 
erwiderte der Herr Oberbürgermeister mit „Nein". Er 
erklärte, daß kein Mitglied des Mag 'trats vorher von 
der Absicht der Regierung etwas gewußt habe. Herr 
Beigeornete A r n d hob hervor, daß die Sache auch 
unseren Abgeordneten und dem Herrn Landrat über¬ 
raschend gekommen sei. Die Polizei sei auch gleich¬ 
zeitig Kreis-Polizei. Das schwierigste sei wohl die Per¬ 
sonenfrage. Auf die Einwendung des Stadtv. K i r ch e r, 
ob die Uebertragung der Polizei auf die Stadt rechtlich 
zulässig sei, da der preußische Staat bei Uebernahme 
der kurhessischen Städte die damaligen Verordnungen 
als zu Reckt bestehend mit übernommen habe, erwiderte 
der Herr Oberbürgermeister, daß der König eine solche 
Verordnung jederzeit wieder aufheben könne. Stadiv. 
R üb s a m meinte, es möge der Versuch gemacht werden, 
wenigstens während der Kriegsdauer die Sache hinaus¬ 
zuschieben. Der Herr Oberbürgermeister er¬ 
widerte, über den finanziellen Effekt kämen wir nicht 
hinaus. Man könne die Regierung vielleicht bitten, die 
Beamten vorläufig hier zu belassen, weil die Beschaf¬ 
fung neuen Personals jetzt schwierig sei. Im übrigen 
mühten wir die bittere Pille schlucken und müßten sehen, 
möglichst billig davonzukommen. 
Während der Verhandlungen kaur eine Sonderaus¬ 
gabe der „Fuldaer Zeitung", die einen großen Türken¬ 
sieg an den Dardanellen meldete, zur Verlesung. Die- 
Kklnes Feuilleton. 
— Das weibliche Dienstjahr. In immer weitere 
Knife dringt die Ueberzeugung, daß die Frau im 
Leben unserer Zeit vor Aufgaben gestellt wird, auf 
die Erziehung und Unterricht in der Jugend sie nicht 
genügend vorbereitet haben. Um den Anforderungen, 
die das Leben an die Mutter und Frau heute stellt, 
entsprechen zu können, ist eine vertiefte, erweiterte 
Ausbildm'g nötig. Man hat sich schon daran ge¬ 
wöhnt, un.er diesem Gesichtspunkte von einem weib¬ 
lichen Dienstjahre zu sprechen, d. h. einer Zeit, in 
der das Hauvtgewicht auf die Erarbeitung solcher 
Kenntnifle gelegt wird, die der Frau gestatten, sich 
als Glied, und zwar als tätiges, wirkendes Glied 
Unserer Volkswirtschaft zu fühlen. Wie ein solches 
Jahr eingerichtet werden müßte, mit welchen Fä¬ 
chern die Mädchen näher besaßt werden sollen, das 
sind Fragen, die gründlicher, reiflicher Ueberlegung 
LK»mffen. Wie wir hören, hat sich der Verein katho¬ 
lischer deutscher Lehrerinnen entschlossen, vom 30. 
Dezember 1915—5. Januar 1916 in Köln einen 
Lehrgang zu veranstalten, durch den in Vorträ¬ 
gen und Besprechungen eine Lösung des Problems 
versucht werden soll. Nicht nur Lehrerinnen, son¬ 
dern auch Vertretungen von Anstalten und Fortbil¬ 
dungseinrichtungen, die jetzt schon die hausmütter¬ 
liche und soziale Ausbildung der Mädchen zum Ziele 
haben, sind eingeladen, sich an der Veranstaltung zu 
beteiligen. Wegen der näheren Einzelheiten wolle 
man sich an die Hauptgeschäftsstelle des Vereins 
katholischer deutscher Lehrerinnen, Aachen, Heinrich¬ 
straße 9, wenden. 
— Vater ist im Kriege! Kein treffenderer Titel 
konnte für das Kriegsbilderbuch gewählt werden, 
das die Kronprinzessin den deutschen Kindern .zum 
nahen Weihnachtsfesl unter den Christdaum legt! 
In farbenprächtigen Bildern zieht der Weltkrieg an 
den Augen der kleinen Schar vorüber. Die herr¬ 
lichen Waffesttaten unserer Feldgrauen — vom 
jüngsten Kriegsfreiwilligen bis zum ergrauten Land¬ 
sturmmann — spiegeln sich in dem Buche wieder. 
Alle Truppengattungen sind vertreten mit Bi.dern 
namhafter Künstler. Was aber ein Bilderbuch erst 
belebt und zum Freund der Kinderwelt macht, — 
der Dichter Rudolf Presbex hat es mit seinen fri- 
schen und gemütvollen Versen getrosten. Mit dem 
Erscheinen des Buches verbindet die Kronprinzessin 
den Zweck, der K r i e g s k i n d e r s p e n d e, die sie 
aus Freude über die Geburt chres Kriegstöcbter- 
leins inz Leben rief, neue Mirtcl zuzufuhren. Viel 
Not gflt es zu lindern an armen Kindern, deren Er¬ 
nährer im Felde steht. Ein Eremplar des Bilder¬ 
buches, das in jeder Buchhandlung bezogen werden 
kann, kostet nur 1,20 Mark, davon fließen 25 Pfg. 
in die Kasse der Kriegskindersvende; tausendfach ge¬ 
kauft, wird es tausendfache Hilfe bringen. 
Siegesbotschaft unseres Verbündeten wurde von der Ver¬ 
sammlung mit lebhaften Berrallskundgebungen begrüßt. 
Schluß der öftentlichen Sitzung um %9 Uhr. 
Lokales. 
Fl, lda, 21. Dez. 1915. 
Die Verjährung im Kriege. 
Gegen Ende des Jahres wstd sonst die Frage 
der Verjährung von Forderungen krrttfch. Infolge 
des Krieges ist diele Frage gegenwärtig gegenstands¬ 
los geworden. Unterm 22. Dezember 1914 hat 
nämlich der Bundesrat eine „Bekanntmachung über 
die Verjährungsfristen" dahin erlassen, daß die in 
den tzß 196, 197 des Bürgerlichen Gesetzbuches bc- 
zeichneten Ansprüche, die noch nicht verjährt find, 
nicht vor dem Schluffe des Jahres 1915 verjähren. 
Zwar hotte bereits das sogenannte Kr iegsteilnehmer- 
schutzgesetz vom 4. August 1914 die Verjährung bis 
zur Beendigung des Kriegszustandes gehemmt, je¬ 
doch nur zugunsten der Kriegsteilnehmer und ihrer 
Gegner. Die Bundesratsverordnung vom 22. Dez. 
1914 kennt dagegen diese Beschränkung nicht, gilt 
vielmehr für alle natürlichen und juristischen 
Personen, Inländer und Ausländer. Wie der In¬ 
halt der 8ß 196, 197 des Bürgerlichen Gesetzbuchs 
ergibt, handelt es sich um die -Schulden des täglichen 
Lebens und bei der leider noch immer viel zu viel 
verbreiteten Borgwirtschaft im Deutschen Reiche um 
weite Kreise der Bevölkerung. 
Die weitere Tauer des Krieges hat nun zu einen! 
zweiten Erlaß vvni 4. November 1915 geführt, wel¬ 
cher bestimmt, daß die oben erwähnten Ansprüche, 
die zur Zeü des Jnkrasttrsteus der ersten Bekannt¬ 
machung noch nicht verjährt waren, nicht vordem 
Schlüsse des Jahr es 1916 verjähren. Au¬ 
ßerdem bestimmte sie neu, daß diese Vorschrift auch 
insoweit gelten solle, „als für die Ansvrüche der Ver¬ 
jährungsfrist durch andere gesetzliche Vorschriften 
als die der §§ 196, 197 des Bürgerlichen (Gesetzbuchs 
geregelt ist." Hiernach verjähren alle noch 
nicht vor dem 22. Dezember 1914 ver¬ 
jährt gewesenen Ansprüche, deren Verjährungs¬ 
fristen reichsgesetzlich geregelt sind, nicht vor dem 
31. Dezember 1916, gleichviel, ob und lote die 
Fristen im Bürgerlichen Gesetzbuch oder in einem 
anderen Reichsgesetze festgesetzt sind. 
Die Hinausschiebung der Verjährung bezweckt die 
Entlastung der infolge "des Krieges nur schwach be¬ 
setzten Gerichte und es ist zu wünschen, daß die 
Gläubiger noch Möglichkeit die durch den Krieg er¬ 
schwerte Lage ihrer Schuldner berücksichtigen und zum 
Nutzen der "Allgemeinheit von der gerichtlichen Ein¬ 
mahnung abschen. 
-j- Einen ehrenden Nachruf widmet der „Lehr¬ 
körper der Strahlenbergschule" in Frankfurt dem auf 
dem Felde der Ehre gefallenen Lehrer Adolf Ro߬ 
bach von hier. Es heißt darin: „Unsere Schule 
verliert durch den Heimgang dieses vortrefflichen 
Mannes einen Lehrer, der, ausgestattet mit reichem 
Wissen und hohenr Lehrgeschick, in seltener Treue 
und vorbildlicher Pflichterfüllung seinen Schülern 
ein herzensguter Freund und väterlicher Berater 
war. Der Schule gehörte sein Herz, im Felde 
selbst blieb er stets durch regen Briefwechsel mit sei¬ 
ner Klaffe innig verbunden. Aus allen Briefen at¬ 
mete der Hauch seiner großen Begeisterung für die 
hl. Sache. . . Die lautere Gesinnung, sein an¬ 
spruchsloses. allzeit freundliches und humorvolles 
Wesen machten ihn bei uns bald zu einem beliebten 
und geschätzten Mitarbeiter . . 
X Zwangsversteigerung. Tic auf den Namen 
des Baumeisters Karl Wcgener und dessen Ehest ai 
eingetragenen Grundstücke : Hofraum mit Hausgarten 
Heinrichstraße Nr. 29, 616 gm groß und eine Fläche, 
Weg im Kasernenfeld, kamen gestern im Wege der 
Zwangsvollstreckung zum gerichtlichen Verkauf. 
Die auf dem Grundstücke haftende Hypothek von 
12255 Mark bleibt bestehen. Käufer war die 
Richard Müller'sche Gutsverwaltung mit dem Höchst¬ 
gebot von 1510 Mark. 
L Gestohlen wurden aus einem Hofe in der 
Adalbertstraße einige Weihnachtsbäume, die 
unvorsichtigerweise so aufgestellt wurden, daß sie von 
der Straße aus ru seben waren. « 
: Privatpakete für Angehörige des deutschen 
Heeres in der Türkei und Bulgarien werden bis zum 
31. Dezember dieses Jahres beim Zentral-Depot 
für Liebesgaben. Berlin W. 50, Hardenbergstraße 
29 a—e, zur Weiterbeförderung an die Empfänger 
angenommen. Die Pakete wolle man als gewöhn¬ 
liche Pakete porto- und bestellgeldsrei dis Berlin 
aufgeben. Die Sendungen sind mit folgenden Auf¬ 
schriften zu versehen. 1. mit vollständiger militäri¬ 
scher Adresse des Empfängers, 2 mit dem Zusatz: 
durch Vermittlung desZentral-DePvts für Liebes¬ 
gaben, Berlin W. 50. Hardenbergstr. 29 a—c, Z. mit 
Bestimmungsland (Türkei oder Bulgarien). Im 
übrigen gelten die für den Privatpaketverkehr be¬ 
stehenden Bestimmungen. Soweit bisher Pakete au 
das Militär-Paket-Tepot Leipzig gesandt sind, wird 
von dort ihre Weitersendung veranlaßt. 
(*) Arbeiterlegitimationskarten. Ausländische Per¬ 
sonen, die auch im Jahre 1916 in Deutschland woh¬ 
nen und arbeiten wollen, haben ihren Antrag aus 
Erneuerung der Legitimationskarten unter Vorlage 
der alten Karten und ausreichender Heimatspapiere 
bei der Ortspolizeibehörde der Arbeitsstätte zu stellen. 
Das Pähere ist aus der heuttgen Bekanntmachung 
>er Polizeidirektion zu ersehen. 
(*) Verwendung älterer Schulhefte. Da infolge 
der durch den Krieg hervorgerufenen Sckwierigtci- 
keiren die Herstellung der neu vorgeschriebenen 
Schülerhestc an einigen Stellen verzögert worden 
ist, an anderen noch große Vorräte alter Geste vor¬ 
handen sind, hat die Königliche Regierung zu Kas¬ 
el die Frist, bis zu welcher neben den neu vorge- 
schriebcnen Heften auch noch alte in den Schulen be¬ 
nutzt werden dürfen, bis Ostern 1917 verlängert. 
** Wo bleiben die eisernen Fünfpfcnnigstücke? 
Zur Bekämpfung der Knappheit an kleinen Zahlungs¬ 
mitteln ist neben anderen Maßregeln bekanntlich 
die Ausprägung von eisernen Fünfpfennigstücken 
veranlaßt worden. Trotzdem nun täglich Hundert¬ 
tausende von Münzen die Prägesiäne verlassen, er- 
cheinen die Stücke nicht ganz so zahlreich wie man 
annehmen sollte. Dieser Umstand legt die Vermutung 
nahe, daß in weiten Kreisen der Bevölkerung die 
Neigung besteht, die eisernen Fünfpfennigstücke als 
Kriegsandenken zurückzuhalten.^Tamn wird aber der 
mit der Ausprägung dieser Stücke erstrebte Zweck 
vereitelt. Ein solches Verfahren sollte in patriotischer 
Einsicht unterlassen werden. Nach Wiederkehr normaler 
Verhältnisse ist hinreichend Gelegenheit vorhanden, 
ohne Schädigung wichttger wirtschaftlicher Interessen 
solche Andenken zu sammeln. 
Kur dem Nachbargebiete. 
= Nüst, bei Hünfeld. 20. Dez. 1915. Dem Ar¬ 
mierungssoldat Landwirt Karl Sauer von hier 
wurde für hervorragende Tapferkeit aus dem west¬ 
lichen Kriegsschauplatz das Eiserne Kreuz verliehen. 
F Liebhards, 20. Dez. 1915. Lehrer Ehr. H e r r - 
l i ch von hier wurde zum Vizefeldwebel befördert. 
"A- " Flieden, 20. Dez. 1915. Trotz der vielen 
Einberufungen hat sich dank der trockenen Witterung 
des vergangenen Jahres und des Solidariiälssinnes 
unserer Einwohnerschaft die Ernte, sowie die Herbst¬ 
bestellung fast normal abgewickelt. JViir das kom¬ 
mende Jahr weckt cs hier Besorgnrsie. daß gerade 
in unserer Gegend die jungen Leute bestrebt sind, an 
der Bahn Beschäftigung zu suchen, die sie auch fin- 
dcn. Das Bestreben der jungen Leute ist ja zu ver¬ 
stehen, Aussichten auf spätere Anstellung, größere 
Freiheit, das sind die verlockenden Vorzüge gegenüber 
denen eines Dienstboten. Wo bleibt aber in dieser 
kritischen Zeit unsere-Landwirtschaft, welcher 
diese Kräfte unentbehrlich find? Kriegsgefan¬ 
gene kann man in größeren landwirtschaftlichen Be¬ 
trieben verwenden, aber in unseren Kleinbetrieben 
mit 30, 40 und mehr Morgen hat das seine Schwie¬ 
rigkeiten. Wie kann eine allein stehende Frau mit 
einem fremden, der Sprache nicht mächttgen, in 
nichts Bescheid wissenden Manne fertig werden? Un¬ 
sere jungen Leute aber wissen in diesen Arbeiten 
Bescheid. Hoffentlich finden die maßgebenden Be¬ 
hörden Mittel und Wege, hier einem Notstand früh¬ 
zeitig vorzubengen , 
fl Frankfurt a. M., 20. Dez. 1915. Die städtische 
Jähresrechnung für 1914 schließt mit einem Fehl¬ 
betrag von 2 340 890 Mark ab. Zur Deckung der 
gewaltigen Ausgaben an Kriegsuntcrstützungen — 
monatlich 2 Millionen Mark — beantragt der 
Magistrat die Genehmigung fiir .eine später aufzu- 
nehmende Anleihe bis zu 20 Millionen Mark. — 
Wenige Tage vor seinem 75, Geburtstage starb 
hier der ehemalige Oberlehrer Profesior Dr. Harald 
Schütz. Der Verstorbene war einer der ersten 
Kenner der klassischen Sprachen und Herausgeber 
wertvoller philosophischer Werke und Dichtungen. 
In den letzten Jahren wandte sich der alte Herr mit 
Vorliebe dem Studium der orientalischen Sprachen 
zu. Hierbei fand er in seinem Sohne. Tr. Ludwig 
Harald Schütz, eine schätzenswerte Stütze. Letzterer 
gilt in Philologenkreisen als ein „Sprachenunikum", 
das. ohne je aus Deutschland hinousgekommen zu 
sein, neben den Hauptverkchrssprachen der Welt eine 
große Anzahl von Sprachen des Orients und Ost¬ 
asiens in Wort und Schrift vollkommen beherrscht. 
A .Königstädten (Großh. Hessen), 19. Dez. 1915. 
Vier junge Burschen zerschlugen aus reiner Zer¬ 
störungswut an den Wegen von Rüffelsheim 
nach Königstädten 38 Isolatoren. Das Groß 
Gerau« Schöffengericht verurteilte die Bursche» we¬ 
gen dieses Vergebens zu der gesetzlichen Mindeststrafe 
von je einem Monat Gefängnis- 
Königstein, 20. Dez. 1915. Bei den Aus¬ 
grabungen an der Haderhecke wurde neben mehrere» 
Brandgräbern aus der Römerzeit eine größere 
Grube'freigelegt, die einen Durchmeffer von nahezu 
2,50 Meter besitzt. Auf dem Boden der 2 Meter 
liefen Grube fand man zahlreiche Feuersteine, Pfeil¬ 
spitzen aus Feuersteinen, Reste von Bronze-Gegen¬ 
ständen, geschmolzenes Glas, viele Eisengerä e, die 
aber völlig verrostet waren. Die Gegenstände lagen 
in einer dicken Asche- und Kohle»schicht von etwas 
fetthaltiger Beschaffenheit. Man vermutet in der 
Grube eine Verbrennungs-Stätte von römischen 
Krieger«. Die Fundgeaenstände wurde» dem hiesigen 
Altertums-Museum zugeführt. 
6: Niedernhausen l Nassau), 15. Dez. 1915. Gestern 
kam eine betrübt dveinschauendc Frau von etwa 25 
Jahren — „Koch" nennt sie sich — ins hiesige , katho¬ 
lische Pfarrhaus und bittet den Geistlichen, ihren 
schwerkranken Mann mit den heiligen Sterbesakra¬ 
menten versehen zu wollen. Der Geistliche, dem eine 
Familie Koch gänzlich fremd war, fragt nach der 
Wohnung. Wir kommen von Idstein und wohnet! 
erst seit 4 Wochen in Niedernhausen und zwar im 
Hause des Herrn Reininger in der Jdsteinerstraße. 
Ich selbst war in letzter Zeit krank, deshalb ken¬ 
nen Hochwürden mich nicht." An die Schilderung 
ihres Elendes schließt „Frau Koch" in bewegten Wor¬ 
ten die Bitte um eine Unterstützung, die aus einer 
für diesen Zweck zur Verfügung stehenden Kaffe der 
armerc Frau gewahrt wird. Als der Geisüiche zur 
festgesetzten Stunde mit der hl. Kommunion in dem 
bezeichnten Hause erscheint, erfährt er, daß er das 
Opfer eines raffinierten Schwindels ge¬ 
worden ist. 
Kus HeifK nnb Umgebung. 
[J Geisa, 20. Dez. 1915. Ter Gefreite Rudolf 
Fleck, welcher vor einigen Wochen.mit dem Eisernen 
Kreuz ausgezcichncr wurde, ist jetzt zum lUrterosfizicr 
befördert worden. 
* Vacha, 20. Dez. 1915. Den Inhaber» der 
Firma M. Gold sch midt dahier: Handelsmann Mo¬ 
ses Goldschmidt. und Kaufmann Hermann Gold¬ 
schmidt wird von der Bezirksdirekrion der Forrbe- 
trieb ihres Handelsgewerbes insoweit untersagt, als 
es sich auf den Umsatz von Häuten oder Fellen von 
Großvieh jeder Art, insbesondere aber von Bullen, 
Ochsen/Kühen, Rindern, Kälbern und Pferden erstreckt. 
Kur Gderheffen v. den heff. Kemtern. 
Ziegenhai», 19. Dez. 1915. Ter Gefreite 
Heinrich We imar bei der Marine-Infanterie er¬ 
hielt das Eiserne Kreuz. Er war auch durch einen 
Granatschuß schwer verwundet worden und mußte 
sich einer Amputation des linke» Armes unterziehe». 
Fritzlar, 18. Dez.. 1915. Gestern nachmittag 
fand die Wahl von vier Kreistagsabgeord- 
n e t c n itn Wahlverbande der Großgrundbesitzer und 
Gewerbetreibenden hier statt. An die Stelle des ver¬ 
storbenen Prinzen Philipp von Hanau, Durchlaucht, 
Schloßgut Oberurff, wurde Herr Guts- und Fabrik¬ 
besitzer Lederle. Fritzlar, gewählt. Außerdem gingen 
die Herren Rittergutsbesitzer Henkel, Wickershof. 
Gutsbesitzer Metz, "Zennern und Rittergutsbesitzer 
von Urif, Niederurff, aus der Wahl als Mitglieder 
des Kreistages hervor. 
vermischter. 
* Hundefleisch-Angebvte. Welch lächerliche Auf- 
saffung selbst Neutrale über die Ernährungsverhält- 
niffe in Teuffchland. haben, zeigt folgendes Rund¬ 
schreiben, das ein übereifriger dänischer Geschäfts¬ 
mann in großer Zahl in Süodeuifchland verbreitete: 
„Ich erlaube mir cmzufragen, ob Sie Verwendung 
von Huriden haben, geschlachtet oder lebend, damit Sie 
Kett daraus gewinnen können. Ich hörte, daß man in 
Sndd mtschland gerne . Hunde speist, und bitte ich um 
Mitteilung, was-Sie für das Stück und Kilo bezahlen 
wollen." 
Zum Glück aber sind nicht wir auf den Hund ge 
kämme», sondern, wie der Gang des Krieges zeigt, 
unsere Feinde, die derart lügnettscke Angaben über 
unsere wittschiftlichen Verhältnisse verbreiten. 
* 26 233 787 Mark Geldstrafe und 2i/2Jahre 
Gefängnis. In einem Prozeß wegen Branntwein- 
fteuerhinterziehung gegen de« Fabrikanten Ernst 
Bötticher und den Luchhatter Leonhard Jansen aus 
Eitorf, sowie den Brennereibesixer Vincenz Lubanski 
aus Homberg bat die Bonner Strafkammer den An¬ 
geklagten Bötticher insgesamt 13116 893 Mark so¬ 
wie l (A Jahr Gefängnis, den Angeklagten Jansen 
zu einer Geldstrafe von«8 302 492 Mark sowie 8 
Monate Gefängnis und den Angeklagten Lubanski zu 
einer Geldstrafe von 4 818 404 Mark sowie einen 
Rtonat Gefängnis verurteilt. Tie Geldstrafen sind 
auf einen vierfachen Betrag der hinterzogenen Steuer 
bemeffen. Der Angeklagte Bötticher hat für die gegen 
Jansen und Lubanski exkanten Geldstrafen sowie für 
die Kosten hasten. 
Märkte. 
* Frankfurter Biehmarkt vom 20. Dezeulb. (Amtliche 
Dotierungen.) Bezahlt wurde für 1 Zentner Lebendge¬ 
wicht: Ochsen: a) vollfleischige, ausgemästete höchsten, 
Schlachtgewichtes: 1. im Alter von 4—7 Jahren 74—78 
M. (Schlachtgewicht 138-^140 M.). 2. die nach nicht ge¬ 
zogen haben, ungejocht .00-00 M. (00—00 M.st h) junge 
fleischige, nicht ausgemästete und ältere ausgernästete 
69— 72 Mark (128—132 SW!.), c) mäßig genährte junge, 
gurgenäbrte altere 00- 00 Mk. (000-000 M.). Bullen: 
»). vollfleischige ausgewachsene höchsten Schlachtwerics 
70— 78M. (124—130 M.), d)vollfleischige jüngere 68—60 
Mk. (148—124 Mk.), e) mäßig genährte junge und gut 
genährt« ältere 00-00 Mk. (000—000 M.), Färsen und 
Kühe:'»)»ollfleischige ausgemLittte höchsten Scklacht- 
meries 68 —73 SWf. (128—135 SW.), b) vollfleischige ausgc- 
mäftete 'Kühe höchsten Schlachtwertes bis zu 7 Jahren 
64—69 Mark (-118—128 Mk.), c) 1. loenig gut entwickelte 
Färsen 60—762 M. (120—180 SR.), 2. ältere, ausgemästetc 
Kühe und wenig gut entwickelte jüngere Kühe 52—57 
Mk. (104—114 M,), ck) mäßig genährte Kühe und Färsen 
44—50Mk. (88—100 SN.st 0) gering genährte Kühe und 
Färsen 38—41 Mark (87-98 Mark), Kälber: a; 
Doppellender feinster Mast 00—00 M. (000—000 M ist 
fite Mastkälber 85— 90SW. (142—130 M ), c) mittl.Maü- u. 
beste Saugkälber 80—84 M. '183—140 M.), d) geringe 
Rast- und gute Saugkälber 75—80 M. (127—135 SW.) 
e)geringeSaugkälberlD—74Mk. (119—125Mk.). «chafe: 
A. Weidemastschafe: a) Mostlämmer und Masthammel 
64—00 M. (140—0Ö0 SW.), b) gering. Masthammel u. Schafe 
00M. ('»00 M.). 3. mäßig genährte Hammel und Schafe 
(Märzschafe) 00 M. (00 SW.). — Schweine: a) vollflei¬ 
schige von 80—100 kg Lebendgew. 108—000 SW. (Schlacht¬ 
gewicht 138—00 M. Ist vollfleischige unter 80 kg Lebend¬ 
gewicht 88—00 M, (Schlachtgew. 119—900 M. . c) völl- 
fleischige von 108—120 kg Lebendgewicht 118-118,8 Mk. 
(Schlachtgewicht 148—000 M.st ck) vollflcischige von 120— 
180 »e Lebendgew. 120 —129,5 M. (Schlachtgewicht 161 — 
600 Mk.). e) unreine Säuert und geschnittene Eber 
Lebendgewicht 00 Mk. — Anktrieb: Rinder 3342 
Stück, darunter 3jäl Ochsen, 51 Bullen, 2910 Färsen 
und Kühe, 527 KAber, 128 Schafe, 430 Schweine. - 
Marktve-rtaus: Am Rindermarkt mstangö lev- 
hailrr. später flauer Geschäktsgang; es verbleibt unbe¬ 
deutender Ueverfland. Kleinvieh und Schweine werden 
bei flottem Handel ausverkauft. ■ Die Schl acht ge- 
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