Full text: Fuldaer Zeitung (1915)

tttw af§ die deutschen, die oiienretchisch-ungar,scheu nno 
die bulgarischen Heere ihren Sicgeszug durch Serbien 
begannen, da zog sie einen grotzen Teil ihrer auf 
Gallipoli stehenden Truppen ab, angeblich, un: sie zur 
Unterstützung der Serben zu verwenden. Das war 
aber für die Franzosen und Engländer wohl nur ein 
Vorwand, um über das Eingeständnis hinwegzukom¬ 
men daß das Tardanellenunternehmen auf Gallipoli 
vollkommen gescheitert fei. Zu diesem Eingeständnis 
haben sie sich me entschließen können und lediglich um 
das Ansehen zu wahren, haben sie erhebliche Tru^pen- 
nraffen auf Gallipoli zurückgelassen, um die Kämpfe 
dort fortzuführen. Welches das Schicksal dieser Galli- 
politruppcn sein würde, das war niemanden zweifel¬ 
haft. Die Eröffnung des Dona.nweges und die Her¬ 
stellung der Landverbindung mit Konstantinope' durch 
Serbien hindurch ermöglichte es den Türken, sich mit 
den notwendigen Kriegsnutteln zu versehen und so¬ 
bald als sie die erforderlichen Vorbereitungen getrof¬ 
fen hatten, gingen sie zur dcrOffcnsive über, von der 
der türkische Sregcsbericht mit Recht sagt, daß die 
tapferen türkischen Streiter sie seit Monaten hcrbeige- 
sehnt haben. Die wackeren Türken haben Großes ge¬ 
leistet. lieber drei Vierteljahre hielten sie die Ueber- 
macht des Feindes zurück und haben nunmehr mit den 
feindlichen Eindringlingen so gut wie gänzlich aufge¬ 
räumt. Die Dardanellen meiden in'der Hand ihres 
rechtmäßigen Besitzers: alle Hoffnungen Rußlands, 
von dieser Seite her Hilfe zu bekommen, sind in nichts 
zerstoben. 
In Süd-Mazedonien ist die Entente fchwer aufs 
Haupt geschlagen worden, in Mesopotamien wurden 
die Engländer entscheidend befiegt und in wilder 
Flucht mußten sie vor dem siegreichen türkischen Heere 
zurückweichen, und jetzt wiederum die vernichtende 
Niederlage der Entente auf Gallipoli. England und 
Frankreich werden bald in ihren großen von Moham¬ 
medanern bewohnten Besitzungen spüren, was' es 
heißt, von den Truppen der mohammedanischen Vor¬ 
macht geschlagen zu sein. Die militänsche Niederlage 
ruf Gallipoli'ist gleichbedeutend mit einer großen poli¬ 
tischen Niederlage. 
Wo unsere und unserer Bundesgenoffen Feinde uns 
rntgegentreten, in Flandern und in Frankreich, in Po¬ 
len und in Galizien, in Serbien und in der Türkei, da 
sind sie aufs .Haupt geschlagen worden. Noch reden sie 
m hartnäckiger Verblendung von dem endgiltigen 
Sieg, den sie über Deutschland und seine Freunde er¬ 
fechten wollen, aber sie wiffen bestimmt, daß ihnen 
die großen Worte bald im Munde ersterben werden. 
Ter Tag, da sie ihr verlorenes Spiel auch e^dgiltrg 
werden verloren geben muffen, kann nicht mehr 
fern sei.n 
Der englische Gallipoli-Bericht. 
Rotterdam. 21. Dez. 1915. Dos englische Kriegs¬ 
ministerium teilt über die Räumung von Ar: Burnu 
und der Suvlabucht folgendes mit: Ohne daß die 
Türken es bemerkten (?), ist das große Heer aus dem 
besetzten Abschnitt auf Gallipoli zurückgezogen worden, 
obwohl es an einigen Punkten mit dem Feinde znsam- 
mensticß. Infolge dieser Einschränkung der Front 
werden die Kriegsoperationen an anderen Punkten 
unserer Linie mit größerer Kraft geführt Wer¬ 
sen. (ctr. bln.) 
Wir werden ja sehen, ob die öffentliche Meinung 
Englands sich durch diesen Verfchlcierungsve-strch täu¬ 
schen lassen wird. Schließlich wird aus der jämmer¬ 
lichen Nidcerlage gar noch ein Sieg herauskonstruiert 
werden. 
Auch Frankreich versucht die Niederlage zu vertuschen. 
In einem amtlichen französischen Bencht vom 21. 
Dezember über die Dardanellcnannee heißt es: 
Am 19. Dezember unterstützte unser? Artillerie einen 
erfolgreicben Angriff der englischen Truppen ans die tür¬ 
kischen Schützenlini n an der Weltspitze von Gallipoli. 
Nach dem zwischen den Generalstäben der Alliierten ver¬ 
einbarten Plan hat der englische Befehlshaber beschlos¬ 
sen. di? Truppe!:, die bei Kap Suvla gelandet worden 
waren, an einem anderen Kriegsschauplatz 
zu verwenden, da ihre Stellungen im nördlichen T !l 
der Halbinsel Gallipoli bei der neuen Entwickelung d r 
Unternehmugnen im Orient nur mehr von geringer m 
strategischen Werte waren. Die Einschiffung der Trup¬ 
pen und des Kri gSmaterials vollzog sich unter den g ü n- 
st i g st e n U m st ä n d e n, o h n e von deu Türken behel¬ 
ligt zu werden. 
Amtlicher türkischer Krieq«bericht. 
M-tb Konstantinopel, 21. Dez 1915. Das Haupt¬ 
quartier teilt mit: An der I r a ch f r o n t bei Kut- 
el-Amara dauern die örtlichen Käuipse mit Unter¬ 
brechung fort. — An der,Kaukasusfront 
wurde in unserem Zentrum, im Abschnitt von Id. 
ein von ungefähr einem Regiment unternommener 
feindlicher Angriff gegen unsere durch zwei Kom¬ 
pagnien verteidigte Vorpostenstcllung leicht gehal¬ 
ten. — An der Dardanellen front, ist die 
Zählung des bei A r i Burnu und Anaforta vom 
Feinde zurückgelassenen Kviegsmatcrials und Mi- 
litärausrüstungsgegenstände aller Art noch nicht 
abgeschlossen. Unter der bei Ari Burnu gemucks¬ 
ten Heute befinden sich zwei schwere Ge¬ 
schütze und ein Schneider Feldgeschütz, 
große Mengen von Munition, nainent- 
Vorwe»huachtlichcS ans 
dem Schützengraben. 
Großes Hauptquartier, im Dez. 1915. 
Bequeme Wandelhallen sind die Schützengräben 
licht. Und in den Unterständen ist es bisweilen weni¬ 
ger ungefährlich, als gemütlich. Um so bewunderns¬ 
werter, überall frohe Laune zu beobachten. Unsere 
braven Jungen hier draußen sind noch heute so taten¬ 
durstig und humorvoll, wie vor 16 Monaten. Haben 
die Hausfrauen daheim jetzt ihre liebe „Not" mit 
der Butter, worüber man rm Felde nur ein spöttisches 
Lächeln hat, so sind hier in den Schützengräben wich- 
ttgere Sorgen. Wasser, Lehm, Morast wollen nicht 
weichen! Unaufhörlich strömen wahre Regenbäche 
hernieder. Das trieft und klatscht in die Gräben stun¬ 
denlang ohne Pause hinein. Leider kann man diese 
lieblichen Wintererscheinungen, wie sie vornehmlich 
die Gebiete cm der Oise und Somme heimsuchen, den 
von so „bösen" Sorgen in der Heimat bedrängten 
Frauen nur schildern, nicht vor Augen führen. Sie 
würden sonst sicher nie mehr darüber klagen, daß 
aas Brot vorübergehend mit etwas weniger Butter be* 
dacht werden oder vielleicht gar mal ein Mahlzeit 
ohne Butter vor sich gehen muß. Und würden vor 
allem dem Schicksal sanken, daß dieser furchtbare 
Krieg nicht im eigenen Lande tobt und daß sie Weih¬ 
nachten nicht in zerschossenen Häusern, die der Feind 
besetzt hält, zu feiern haben. 
Mit Major P. schlenderten wir dieser Tage durch 
die Gräben der Somnre. Schlenderten? Nein, wa¬ 
teten, triefend von Waffer, nicht gerade im Parade, 
marsch. Ueberdies starke Unruhe in der erslon Feiier- 
linie. „Tie Engländer spenden den üblichen Dcff/.t, 
Herr Major." Ter das sagt, ist ein sittlicher blon¬ 
der Zwanziger. „Scheint so, mein Junge, aber war¬ 
um sagst Tu das französisch, warum nicht „Mittags- 
nachgericht" oder ähnliches? Du bist doch nicht gar 
ein verkappter Franzmann?" Scherzend drohte der 
Herr Major mit dem Ktiotenstock, dem erprobten 
Bahnbrecher durch Lehm und Morast im Schützen- 
ncy Gewehr- und Maschinengewehrmunition, eine 
große Zahl Maultiere, sowie Munitionswagcn. 
Zelte voll Lebensmittel, Telephon- und Pionier- 
material. Ti, feindlichen Schisse beschoffen gestern 
bis zum Abend mit Heftigkeit ihre verschiedenen 
Lagerstellungen, um die von ihnen preisgegebene 
Beute zu vernichten, was ihnen aber nicht gelang 
Bei Sedd-ül-Bahr aus dem rechten und aus 
dem linken Flügel nichts von Bedeutung. Das 
feindliche Zentrum unternimmt hin und wieder 
Angriffe, die jedesmal zurückgeschlagen werden. 
D>« D irken in der Nähe von Aden? 
Nach der ,B. Z/ berichtet der Konstantinopeler 
»Jkdanff, daß die Operationen der Türken die Stadt 
A d e n gefährden. Die englische Niederlage in Meso- 
Soiamien habe eine weitere Ausdehnung des 
racherauf st andes zur Folge. Die Engländer 
sehen sich außer 'ande, den gegen die aufständi:chen 
A'aber kämpfenden Truppen Verstärkungen zu 
schicken, (dt. bl.) 
Wenn fi.g diese bishU unbestätigte Nachricht be¬ 
wahrheitet, dann geht es den Engländern somit auch 
an einer weiteren wichtigen Stelle an den Kraaen. 
Aden ist ein „englischer- Hasen am Golf von Aden, 
ein Anlegepunki für die durchs Rote Meer führende 
Schifffahrtsstraße nach Indien. 
Die en«! fd cn Verluste iu Mesopotamien- 
«tb Konstantinopel, 21. Dez. 1915. Die Agen¬ 
tur Milli meldet: Die Amtliche englische Mittei¬ 
lung vom 9. Dezember über unsere großen Ver¬ 
luste in Mesopotamien sowie die Einzel¬ 
heiten über die vollständige Vernichtung eine unse¬ 
rer Divisionen sind vollständig erlogen 
Nicht eine türkische Division, nicht einmal ein tür¬ 
kisches Bataillon ist während dcser Kämpfe vernich¬ 
tet worden. Unsere Einheiten. die zu Beginn der 
Schlacht bei K t e s i p h o n in den Kampf verwickelt 
waren, bestehen noch ganz vollzählig. Die Englän¬ 
der verheinilichen die Hallte ihrer Verluste. Tau¬ 
sende von Leichen, die sie auf dem Schlacht¬ 
feld? ließen, wurden mit großer Mühe aufgel-scn 
Abgesehen davon, ist die Fahl ihrer Verwun¬ 
deten ungeheuer. Die Engländer vermochten nur 
von einem der drei Schiffe, die wir erbeuteten, die 
Waffen zu ent'ernen: zwei dieser Schiffe werden 
jetzt gegen sie verwendet. Einige der sechs den Eng¬ 
ländern abgenommencn Flugzeuge führen 
Flüge über die feindlichen Stellungen aus. Die 
Beute, die wir an Waffen, Munition. Ausrü- 
stungsgegenständen und Lebensmittclvorräten ge¬ 
macht haben, ist ungeheuer. 
»NM imtf 
Aufbringung eines deutschen Dampfers durch 
ein deutsches U-Boot. 
wtb Kristiania, 21. Dez. 1915. Der Schif's- 
rccber Haraldsen in Ellen bat von dem Kapitän der 
Domvfers „G r e n i a n d" cm Telearmnm mit der 
Meldung erbaisten. ldaß d-S Dxnnpfe'' von einem 
deutschen Unterseeboot aufgebracht wurde, mit einer 
deutschen Vrisenmannschaft an Bord bei Anbolt ans 
Grund aestoßen ist. später aber wieder siott gemacht 
und nach Swinem finde eha-aangen ist. Der 
Dampfer war mit Eisenbahnschwellen nach England 
bestimmt. 
Dewet auf freiem 
vtb J"hannisburg. 20. Dez. 1915. (Reuter.) 
General Dewet »nd 118 andre Gefangene, die 
wegen Hochverrats verurteilt worden waren, wurden 
freigelassen. 
«Id London, 21. Dez. 1915. Die Freilaffung 
wurde v"N der Bezahlung einer Geldstrafe und dem 
Versprechen abhängig gemacht, daß die Freiaelassenen 
für die Dauer hrer Freiheitsstrafen sich jeder Teil¬ 
nahme an der Politik enthalten und keine öffent¬ 
lichen Versammlungen besuchen, sowie ihre Distrikte 
nicht ohne Erlaubnis verlaffen. 
Die «IM»,, MflcMp. 
Ein diplomatischer Schritt Schwedens 
in Washington 
«ffd Washington, 20. Dez. 1915. (Reuter.) Der 
schwedische Gesandte hat der Regierung der Ver¬ 
einigten Staaten mitgeteilt, daß Postpakete, die 
die von den Vereinigten Staaten unterwegs waren, 
von britischen Kriegsschiffen o n g e h a l t en wurden. 
Lau sing eriuchie hierauf den britischen Botsckxrs- 
ter, ibm das darüber vorliegende Tatsachenmaterial 
zur Verfügung zu stellen. 
El« Protest Hollands 
gegen die englischen Uebergriffe. 
«tb. Haag, 21. Dez. 1915. Das Ministerium 
deS Aeußeru teilt mit, daß die niederländische 
Regierung bei der britischen Regierung gegen 
die Beschlagnahme von Postsäcken ans 
niederländischen Dampfern „Noordam", „Fri a" untz 
Saben. „Zu Befehl, Herr Major, Referendar beim 
mdgericht in . . . (alte deutsche Stadt). „Na, dann 
will ich aber schnell weiter, sonst bekomme ich noch 
einen Prozeß auf den Hals", entaegnete der stets jo 
viale Major und spendet vasch noch ein paar Zigarren 
— TreißigSchritte weiter staut sich das Wasser im 
Graben. Man kann kaum noch weiter. Die Leute 
sind daher emsig bemüht, die Grabensohle etwas tiefer 
zu legen und eine Mflußöffnung zu schaufeln. „Pe- 
ronne", der von den Engländern eines Tages herüber¬ 
gelaufene Kompagnieköter, tummelt sich offensicht¬ 
lich mit Behagen im Grabenbade. „Schade, daß hier 
fast nie Frost kommt!" meint unser Führer. „Wasser 
haben wir genug, so könnte man wenigstens zu Weih¬ 
nachten Schlittschuh in den Gräben laufen — was 
Bubi,'" Bubi ist ein siebzehnjähriger Kriegsfrei- 
williger. Seine Brust schmückt das Eiserne „erster". 
Er hat vor einigen Monaten im starken Schrapnell¬ 
regen mit drei Kameraden zwanzig Minuten auf 
einem Potrvuillengaug Stand gehalten, eine feind¬ 
liche Kolonne zum Rückzug gezwungen und zehn Ge¬ 
fangene mitgebrachl. Hell und freudig schaut er drein, 
als der Major mit ihm spricht. „Zu Befehl, Herr 
Major, keine Aussichten zum Schlittschuhlaufen. Aber 
Kahnfahren werden wir Weihnachten können!" Er 
sagt's so drollig, daß alle um ihn hell auflachen. 
Diese knappen Bilder, die man immer wieder 
trifft, sind deutliche Beweise von dem großen käme« 
radschaftlichen Geist, der zwischen Vorgesetzten und 
Untergebenen überall herrscht. Ter lange Stellungs¬ 
krieg hat die Hcrz-n aller einander nälscr gebracht. 
Man kaun gar viel vom Schützengraben lernen! Auch 
was — traute Gemütlichkeit betrifft. Ist es nicht 
staunenswert, was diese Leute trotz der Gefahr, die 
sie stündlich, fast jede Minute umgibt, an behaglichem 
Ausbau der Unterstände leisten. Ganz abges'hen da¬ 
von, daß die meisten dieser unterirdischen Wvhnräume 
die scherzhaft „Unterwafferläufe" getauft wurden, vom 
technischen Standpunkte aus Musterschöpfungen sind. 
Wie oft ist schon die schmucke „Innenausstattung", die 
fast immer von einem bestimmten künstlerischen Ge- 
„Rotterdam" energisch prore'strert habe. Sie 
ersuchte um sofortige Zurückgabe der Post 
und sprach die Erwartung aus, daß sich derartiges 
nicht wiederhole. 
ff'b Amsterdam, 21. Dez. 1915. Das „Hondels- 
blott" erfährt, daß die niederländische Post von dem 
Dampfer „Noorderdnk" der Holland-Anierika-Lwnie 
wiederum von den Engländern be>chiagnahmr 
worden ist. 
Die neue amerikanische Note. 
Aus Washington wird der „Köln. Ztg." gemeldet: 
Die zweite Note der hiesigen Regierung an die Wie¬ 
ner Regierung führt einige der Tatsachen an, die von 
der Wiener Regierung gewünscht werden, v e r'w t i- 
gert aber die Erörterung von Einzelh e i- 
t e n. Die amtliche Mitteilung des österreichischen 
Flottenkommandos wird als genügende Unterlage 
für die Forderungen an die Wiener Regierung ange¬ 
sehen. Danach stehe fest, daß die „Ancona" torpe¬ 
diert wurde, als sich noch Fahrgäste a n 
Bord befanden. Dieses Zugeständnis genüge. Wei¬ 
tere Bestätigungen durch Offiziere oder Ueberlcbende 
von der „Ancona" seien unnötig. Hier herrscht der 
Eindrrrck vor. daß einBruch mit den Mitte l- 
m ä cht e n beabsichtigt ist. Ueberraschend ist 
jetzt das Verhalten Roosevelts, der sich wiederholt 
wegen seiner beftiaen Angriffe ans Deutschland ent¬ 
schuldigte und die Notwendigkeit für sie Wilson in die 
Schuhe schiebt, (ctr. bln.) 
Kanadische Kriegs,Begeisterung". 
In der großen nordamerikanischen „Besitzung" 
Englands. Kanada, hatten ein Teil der Bevölke¬ 
rung und anfänglich auch das Militär, große Be¬ 
geisterung für den Krieg gegen Deutschland an den 
Tag gelegt. Tie deutschen Wasfencrsolge scheinen 
diese Kricqsbegeisternng jedoch schnell abgekühlt zu 
haben. In einem kanadischen Milizbataillon ist es 
zu schweren Ausschreitungen gekommen: 
:: Als das Bataillon, das darauf gedrungen 
hatte, nur in Kanada selbst Dienst zu tun (!), 
überraschend den Befehl erhielt, zur europäi¬ 
schen Front abzugehon, entstand eine wahre Meu¬ 
terei, die sich zuerst gegen die Nachtdienst tuenden 
Polizisten richtete. Bon 9 Uhr abends bis 12 Uhr 
mitternachts kam es zu Ausschreitungen, wie sie die 
Stadt vorher noch nie erlebt hatte. Hunderte von 
Soldaten, die meisten betrunken, bombardierten mit 
Ziegeln und Pflastersteinen die Polizisten, die sich 
ibrer Knüppeln bedienten und gelegentlich auch 
Schüsse abfeuerten. Die aufgeschreckten Bewohner 
der Stadt wandten sich an den Kommandanten des 
Lagers; dieser sandte wohl auch 120 Mann ab, um 
die tobenden Soldaten zu „beruhigen", aber die La¬ 
germannschaft konnte (oder wollte nicht!) nichts 
ausrichten, da man ihnen bezeichnenderweise keine 
Waffen mitgegeben hatte. 
Um Mitternacht lief ein Telegramm ein, wonach 
die Einschiffung des 33. Bataillons nach Europa 
vorläufig verschoben werden sollte, und bald nach 
der Bekanntgabe des Inhaltes hatten die Ruhestö¬ 
rer ausgetobt. Am anderen Morgen aber lagen 
ci"iae dreißig Soldaten mit Schädclbrüchen und 
Schußwunden im Victoria-Hospital und eine An¬ 
zahl von Polizisten war bei dem Aufruhr ernsthaft 
verletzt worden. 
. . . Das sind so kleine angenehme Nebenerschei¬ 
nungen unserer Waffenerfolge. Ganz unterdrücken 
kann England seine Mißerfolge auch in seinen Ko¬ 
lonien nicht und ihr Bekanntwerden wird selbst bei 
den kriegswütigsten Abenteurernaturen in Kanada, 
Australien usw. gründlich abkühlend wirken. 
Tie Kricgspatenschaft. 
Die Kriegs Patenschaft hat zur Aufgabe, die Be¬ 
schaffung eines Ausbildungskapitals zugunsten des 
Patenkindes durch Versicherung. Fast jedes Kind, 
das im Alter von etwa 14 Jahren nach der Ein¬ 
segnung die Schule verläßt und ins Leben eintritt. 
hat ein, wenn auch nur kleines Kapital nötig, um 
die erforderlichen Ausgaben für die Lehre oder für 
die sonstige Fortbildung zu bestreiten. Durch die 
Versicherung des Ausbildungskapitals soll nun die 
Sicherstellung eines Betrages unter Aufwendung 
nur gringer Mittel und was besonders wichtig dabei 
ist, auch für den Fall, daß der Prämienzahler, also 
der Krieg spate stirbt und so die weiteren Prämien 
nicht mehr gezahlt werden, erreicht werden. Tie 
Prämienzahlung hört also bei der Kriegspatenver¬ 
sicherung mit dem Tode des Prämienzahlers gänzlich 
auf. und trotzdem gelangt die volle Versicherungs- 
suume an dos Kind mit dem vollendeten 14. Lebens¬ 
jahr zur Auszahlung. Auch für die Fälle, die den 
Kriegspaten an der Weiterzahlung der Prämie hin- 
dett, sind besonders entgegenkommende Bersiche- 
rungsbcdingnngen vorgesehen. 
Es gilt also zunächst nicht nur diejenigen Per¬ 
sonen. denen die Unterbaltsrsiicht der Kinder ob¬ 
liegt, sondern anch Personen, die den Kindern an 
sich fernstehen, das sind die sogenannten Kriegspaten, 
dazu zu bewegen, von dieser nur wenige Kosten der- 
' urfachenden Wohlfahrtseinrichtung Gebrauch zu 
machen. 
Ter Verband öffentlicher Lebensversicherungs¬ 
anstalten in Deutschland, Vorsitzender Geheimer 
Oberregierungsrat Tr. Kapp, hat sich die Ausbrei¬ 
tung der Kriegspatenschaft zur besonderen Aufgabe 
gestellt. 
Nach dem Tarif genügt bereits ein Betrag von 
monatlich i Mark. Es stellt ein 25jähriger Kricgs- 
pate dadurch z. B. einem neugeboreiren Kinde bei 
desien 14. Lebensjahr eine Summe von 182 Diark 
sicher. 
Nähere Sluskunst über die Ginrichtuna der Kricgs- 
Patenschafl, die in der Provinz Schlesien und dem 
Königreich Sachsen schon als wohltätig anerkannt 
und verbreitet ist, erteilt gern der Leiter der Ge¬ 
schäftsstelle Kasiel des Verbandes öffentlicher Lcbens- 
versichernnasanstalten in Deutschland, Herr Dr. 9!eu- 
mann. Kassel, Akazicnwcg 3. 
* 
„Anzae". Unter der Bezeichnung „Anzac-Zone" 
die sich in der aestrl en englischen Meldung vom 
Rückzüge an den Dardanellen findet, ist der von den 
australischen und neuseeländischen Erpeditionstruppen 
besetzte Bezirk gemeint. Er ist o nach den Anfangs¬ 
buchstaben von „Australian New Zeeland Army" ge¬ 
nannt worden 
Ein cnelischer Zuckerdampfer in Bordeaux ver¬ 
brannt. Bon 10 000 Ballen Zucker, b'e der eng¬ 
lische Dampfer „Omrond" von Newyork nach Bor¬ 
deaux brachte, wurden nach einer Feuersbrunst nur 
: unbedeutende Reste gerettet. Die Unordnung in Bor¬ 
deaux wurde dadurch verschuldet daß die Ausladung 
jener Zuckermengen seit vierzehn Tagen stets ver¬ 
schoben worden war. ® 
* Ein „echter" Amerikaner. In den „New Dort 
Tribüne" vom 25. Nov. sagt Henry Clews seil 
Sprüchlein für den nationalen „Dank'agungstag^ 
(25. Nov.) der Vereinigten Staaten wie folgt her: 
„Seitdem wir eine Natiou geworden sind, hat 
unser Volk n och niemals soviel Ursache znr 
Danksagung gehabt wie dieses Jahr. Unser Land 
blüht urd gedeiht, und unser Volk ist glücklich. Der 
liebe Gott bat un8 mit einer Niesenernte gesegnez, die 
wir zü gründlichen Preisen aus den Markt bringen 
kennen. Für unsere Ernte und unsere Industrie 
steht uns die ganze Welt als Markt offen, und zwar 
auch daun noch ivenn unerwartet jetzt schon Frieden 
geschlossen werden sollte. Während wir uns festlich au 
unsere vollen Tische setzen und Dank sagen, wolle» 
wir alle beten um Trost für die zahllosen Tausends 
von unschuldigen Frauen und Kindern in Europa, die 
ohne eignes Verschulden so unerhörte Prüfungen unt 
Zrübsale durchzumachen haben." 
Dentscher Reichstag. 
Sitzung vom 21. Dezember. 
Eine Anfrag? des Abg. Bassei mann (ntlb.) 
verlangte Auskunft vom Reichskanzler über die englische 
Behauptung, Deutschland habe in Südwejlafrika 
eine außerordentlich starke Trupp.mmacht^ für einen 
Angriff auf Britisch-Südwestafrika an- 
gehäuft und mit Munition versehen, habe ferner ein 
Abkommen mit dem Burenkominandante» Marth ge¬ 
troffen und endlich sogar vor Ausbruch des euroväi- 
schen Krieges da draußen das englische Gebiet ongrei- 
sen zu lass n. Dem gegenüber betonte 
Staatssekretär Solf: Wie der Herr Reichskanzler 
mitgeteilt hat, hat Deutschland niemals die Absicht 
gehabt. Britisch-Afrika anzugreifen. Im Gcgcnt.'il, er 
hat stets die Ansicht vertreten, daß im Interesse des 
Ansehens Äer w>'ißen Raffe ein europäischer Krieg 
niemals auf Afrika übertragen werden dücie. ^«ehr 
richtig!) Daß wiz eine solche Absicht niemals batten, 
ergibt sich daraus, daß die Schutztrupp- in Afrika auf 
weniger als 2000 Mann verringert worden ijt. (Hort, 
hört!) Darüber war man in Britisch-Afrika genau 
unterrichtet. Bei meiner Begegnung mit Borha >m 
Jahre 1912 fand ich diesen über die Stärkc unserer 
Schutztruppen genau unterricht i. (Lebhaftes Hört» 
hört!) Die Behauptung, daß der Gouverneur von Süd- 
westaftika vor Beginn des Krieges mit Mariy ein Ab- 
kommen getroffm habe, ist durchaus unrichtig. 
Hört, hört!" Unrichtig ist auch daß die de'icschen 
Truppen nach Ausbruch des Krieges englisches Gebiet 
von Südwestaftika mig griffen haben. Vielmehr ist 
engljscherseits auf deutsches Gebiet hinübergeschos- 
sen worden, und die Deutschen haben lcdiglch das 
Feuer erwidert. (Lebhaftes „Hört, hört!") Nakeb-Tud, 
das unsere Truppen angegriffen haben sollen, liegt auf 
deutschem Gebiet, ,Hört. hört!) wie auch auf e,ncr 
englischen Karte, die dem Parlament in Kapstadt vor- 
g legen hat, zu sehen war. Später ist, wi- - eine mir 
vorliegende Karte zeigt, von den Engländern der Ort 
von der Stelle entfernt, überdruckt und auf e » g l i- 
sches Gebiet geschmuggelt worden. ^Levhaf. 
tes Hört, hört! Groß- Bewegung.) Diese Fälschung 
liefert den vollen Beweis dafür, daß von einer Ver¬ 
letzung englischen Gebietes nicht die R de sein kann. 
Die Negierung Bothas hat wahrheitSwidnq dir Be- 
völkerung gegen uns aufzuh 'tzen versucht; 'ndky.n ist 
der wahre Sachverhalt in weiten Kreisen Afrikas be- 
könnt geworden. (Lebhaftes Bravo.» 
Das Haus wandte sich dann zu dem neuen 
Iv-Milliardenkredit 
«hg. Eberl (Soz.) bedauerte, daß die Bestrebungen, 
die unermeßlich m Gräuel des Krieges zu beendigen, 
bisher nichts als einen Schimmer von Hoffnung gezeigt 
hätten, obgleich von Seiten des Sozialismus nianches 
schmack des „Unterständlers" kündet, erzählt worden. 
Dennoch wirkt's stets von neuem fesselnd, weil's 
eben jedesmal ein anderer Wesenszug ist. H»er eine 
aeschinackvolle Auswahl von Bildern, dort eine 
hübsche Uhr. an anderer Stelle ein Klavier, eine 
Schlafzimmereinrichtiing, die aus jeder Schützcngra- 
bcnausstellung in Ehren bestehen wii'de Und nicht 
nur. das! Bei einem Oberleutnant F. sieht man 
sogar einen großen, alten Kristallspieael in der 
„Diele" und ein streng waidgerechtcs Wohnzimmer. 
Alle Räume, anch die der Mannschaften, sind fast 
bombensicher zu nennen, ja, sie vertragen selbst ein 
paar „heftige" Granaten. Ter gute alte deutsche 
Sinn für ein molliges Heim, er spiegelt sich selbst 
hier, wo man vielfach nur 100 oder 60 Meter vom 
Feinde ist, in seiner ganzen Größe wieder. Selbst¬ 
verständlich auch die deutsche Sauberkeit. So »nun- 
d«t denn ein Gläschen Burgunder (es kann natürlich 
auch ein spritziger Mosel sein) in einem Unterstände 
ungemein angenchm. Es ist bald eine sehr launige 
Stimmung bergestellt ,die nichts von ihrem vorweih¬ 
nachtlichen Frohsinn einbüßt, wenn m die Unter¬ 
haltung hinein das Bullern der Geschütze dröhnt. 
Das nimmt man hin, als säße man bei tobendem Ge¬ 
witter in sicherer Klause! Wirds zu arg, sodaß 
alles an Bord muß, dann steigt man kraftgestählt 
zur „chinesischen Mauer" hinauf, womit man scherz¬ 
haft die imposanten Wände der Gräben bezeichnet. 
Freilich, a u f diesen chinesischen Dingern darf i.ian 
sich nicht blicken lasten, denn bei der flüchtigsten 
„Sicht" pscfsern die von drüben herüber. 
Manche Beobachtungslöcher ragen über den 
„Kamm" des Grabenrandes hinaus, doch diese Posten 
sind dem welligen Gelände vortrefflich angepaßt. S,c 
sehen von Gräben der Feinde aus so harmlos drein, 
daß die Herren „von der andern Fakultät", wie sie 
Oberleutnant F. nennt, die auf künstlich geschaffen-'n 
Erhöhungen «ver prächtig durch Gras verborgen' » 
Stellen unbedingt für sehr natürliche Bodenbejtanb- 
teile halten müssen. Fast jeder Unterstand hat seinen 
Namen^ wobei vielfach ein unverwüstlicher Humor l 
zu seinem Recht kommt. „Glück im Unierwinkel 
„Zur letzten Ratte". „Neutrale Drehbude", „Zum 
Pillenkasten" (der Apothcken-Unterstand des Sanitäts- 
frldwebels), „Zum Männerhort, Frauen leider Zu¬ 
tritt verboten , „Zum Freibad". — Schöne, mit 
aroßer Sorgfalt ausgewählte Wandteller und Büd^r- 
schmuck geben dieser'Klause, etwa 3 Meter tief unter 
der Erde, ein reizendes Aussehen. „Zur Lehmkutc, 
Abladen von neuem Lehm verboten", heißt ein an¬ 
deres Ouartter, „Billa Dr. Fan" (der Unterarzt der 
Konrpagnie) ein anderes. Sehr launig klingt auch, 
was über einem benachbarten Torbogen sicht: „Gra- 
natenfpelunke". Ties eine kleine Auslese origineller 
„Hausinschriften". 
Senkt sich der meist feuchte Tezenibcltag zur 
Neige, dann rücken die Dienstfreien dicht zusammen. 
Gute Bücher, für die überall in den Gräben ein 
starkes Interesse vorhanden ist, werden hervorge- 
holt. Das elektrische Licht flammt ans. bisweilen muh 
man sich freilich auch mit einem Wachslicht bcschei- 
den. Mitten im Knegslärm entsteht im Handum- 
drehen ein behaalichcs Echolungsstündcheir. Tie 
allerersten, in vorsorglicher Liebe allzu zeitig alge¬ 
sandten Weihnachtsstollen und Naschwerk sind be¬ 
reits hier und da eingetroffcn. redlich werden sie an 
die Stubengenoffen verteilt. Zaubern echte, rechte 
Weihnachtsfreudc in das Empfinden aller. Wo vom 
nahen Weihnachtsfeste nicht gelesen, gesprochen oder 
nach der Heimat geschrieben wird, da greift man zur 
Gitarre oder Geige. Weihnachtliche Klänge st-igen 
auf, heben sich so eigenart-g, wahrhaft ergreifend 
von dem gedämpft hineinschallendcn Pfeifen und 
Zischen und Tonnern da oben ab. Schnell ober 
brechen sich die wonnesamen Klänge sieghaft Bahn. 
Erfüllen den ganzen Ort mit ihrer Weihe und über- 
tönen so den Lärm, der oberhalb an den Krieg ge^ 
mahnt, den Krieg, der so garnichts von Wcchnachcen 
wissen will. . . . (ctr. bln.) 
Emil S i m s o n, Kriegsberichterstatter.
	        
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