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ru. 25.
Nrittao-Kusoabe.
Montag Den t. Februar 1915.
42. Zahrgang.
Frankreich, Enjiland und Deutschland
in ihrer künftigen Kriegsstärke.
Unter der Ucberschrift „Die Reserven der krieg-
führenden Nationen für den Frühjahrsfeldzug"
bringt der militärische Mitarbeiter der römischen
„Tribunal ein bekannter General, einen längeren
vergleichenden Aufsatz über die Kräfteverteilung der
Kriegsparteien im kommenden Frühjahr, der i.n
Lager unserer Gegner keine ungeteilte Freude ent¬
fesseln dürste.
Frankreichs 800 000 Mann aus der Frie¬
denszeit bildeten zusammen mit 11 Reservekiaffen
eine Gesamtheit von 2 080 000 Mann, hinter denen
sich die Reserve von 1200 000 Mann Territorialen
befindet, die hinaufreicht bis zum 48. Lebensjahr,
„das als eine äußerste und schon gefährliche Grenze
für die militärische Tüchtigtest betrachtet werden
muß". Dem Kritiker ist eins während der ersten
Kricgsphase sonnenklar geworden, nämlich, daß es
Frankreich nicht gelungen ist, seine Absicht wahrzu¬
machen, aus seiner Bevölkerung die gleich hohe
Wehrkraft zu schöpfen, wie sie Deutschland aufweist.
Für die französischen Verluste fehlen alle genauen
Taten, die die Deutschen über die eigenen Verluste
liefern. „Wir glauben in der Annahme nicht fehl¬
zugehen, wenn wir unter Abrechnung der Leichtver¬
wundeten, die wieder in die Gefechtslinie zurück-
kehren können, die endgilftgen Verluste der Franzo¬
sen auf eine Million Mann beziffern. D e u t sch -
land aber hat seine Vorbereitungen derart getrof¬
fen daß es auch jetzt in der Lage ist, Frankreich die
gleich großen Reserven entgegenzustellen, ohne da¬
rum die Wehr an der Ostgrenze vernachlässigen zu
müssen."
Zu den 45 Millionen Bewohnern Englands
kommen die Einwohner von der gleichen Rasse in
Kanada, Südafrika, Australien und Neuseeland.
Mit den Engländern zusammen genommen, werden
sie an Zahl der Bewohnerschaft des deutschen Reiches
gleichkommen. Aber die Zahl gibt hier nicht den
Ansschlag. „England hat nunmehr seine Haupt-
streitkraft aufgebracht. Mit einem Korps von
300 000 Mann im Felde und mit der Notwendig¬
keit, die Lücken auszusiüllen und den Drohungen der
Türkei in Aegypten und Arabien zu begegnen, be¬
sitzt. das reguläre englische Heer, so wie es zu Be¬
ginn des Krieges ausgestellt. war, nicht mehr die
Fähigkeit, neue Formationen auf den Kontinent zu
bringen. Auch die Elemente aus den Kolonien, die
Kanadier, Neuseeländer, Australier und Inder,
werden, so vorzüglich und zahlreich sie auch sein
mögen, allesamt durch die obendezeichnete Notwen¬
digkeit, die Lücken auszufüllen, verbraucht werden.
Es bleibt daher nur noch der neue grandiose Or¬
ganismus von Freiwilligen übrig, an dessen Schaf¬
fung sich Lord Kitchener herangemacht hat. Nun
ist aber gerade um die Möglichkeit der Bildung vieses
Heeres eine Polemik ausgebrochen: ist seine Schöp¬
fung eine Tatsache oder ein Phantasiegebilde? Aue
werden begreifen, daß von der Beantwortung dieser
Frage der Ausgang des Krieges zu einem Teile,
imd zwar nicht zum geringen Teile, abhängig wird."
„Kein Kompetenter", so schreibt der General wei¬
ter, „möchte die Verantwortung auf sich nehmen,
eine entscheidende, bestimmte Antwort zu geben.
Fast alle beschränken sich darauf, vernünftige Zwei¬
fel über die Wirkungssähigkeit eines „improvisierten
Heeres" vorzubringen, und die Schwierigkeiten zu
bezeichnen, die sich dem Unternehmen Lord Kitche-
ners entgegenstellen." Der Kritiker ist nicht der
Ansicht, die andere vertreten haben, daß dem Heere
Kitcheners die technischen Mittel, die Ausrüstung
und Munition abgehen würden. Es wäre kein
Grund vorhanden, zu glauben, daß die englisch? In¬
dustrie nicht imstande wäre, eine Million Soldaten
Meines ZeuiAelsn.
Kriegshumor.
Krieg unh Humor scheinen einander auszuschließen
wie Wasser und Feuer; denn wenn der bittere Ernst
durch den ehernen Mund donnernder Kanonen redet,
da dürfte auch dem Leichtfertigsten die Lust zum Lachen
und Sckierzen vergehen. Gleichwohl lehrt die Erfah¬
rung das Gegenteil, und schon unser Krieg vor 44 Jah¬
ren ist reich an treffenden Beispielen hierfür. So hat
sich auch in dem jetzt uns aufgedrungenen großen
Kriege, wo wir gegen eine Welt von Feinden im Kampfe
!tchen, pünktlich der Humor eingestellt und dafür ge»
ovgt, dem Volke der „Träumer und Dichter" ein un¬
zweideutiges Gesundheitszeugnis auszustellen. Denn
Humor ist stets ein sicheres Zeichen von unverwüstlicher
Kraft und Gesundheitsfülle.
Als ein Transport Artillerie nach der belgischen
Grenze ging, erfreute während des Aufenthalts in einer
kleinen westfälischen Stadt ein Stadtwüsikus die Sol¬
daten und die herbeigeströmte Landbevölkerung durch
Blasen patriotischer Melodien. Wie er aber mit dem
Lied „Morgenrot, Morgenrot, leuchtest mir zum frühen
Tck" begann, rief ihm einer der braven Kanoniere zu:
„Biste ruhig, mir ham Retour-Billjetter!"
Ein Lied vom Genera! Muck, dessen Armee den
ersten Sieg übe« die Engländer bei Saint-Qucntin
erfocht, beginnt:
Als Lüttich war genommen,
Namuc auch hinterher,
Da ist John Bull geschwommen
Gekommen übers Meer.
Wohl unterm Morgensterne
Gerad beim Frühkaffee
Sah man ihn landen ferne
6!anz dichte bei Calais.
Da sprach der General Herr von Kluck:
Na. Kinder, rasch noch einen Schluck!
Da ist ein Kerl, da ist ein Mensch,
Der wird verhäun — das ist der French!
Dann ging es Hurra! Schnedderengdengl
Und Dresche gabs'bei San Kantäng (St. Quentin).
Einen beißenden Humor zeigt das „Englische
.Kriegslied", das auf die Nachricht, daß die englischen
Offiziere ihre Tennisgeräte mit auf den Kriegsschau-
auszurüsten, während die deutsche vier oder fünf
Millionen ausrüsten kann. Eine viel ernstere
Schwierigkeit aber erblickt er in der Stellung der
nötigen Offiziere. Tic Statistik sagt uns zwar,
daß das englische Heer schon einen sehr hoben Pro¬
zentsatz an Offizieren — 11 000 auf 180 000 Mann,
also die doppelte Anzahl der Deutschen mit ihren
25 000 Offizieren auf 800 000 Mann — bisher be¬
sessen hat. Und man sagt, daß dasselbe Verhältnis
sich auch aus die Reserven übertragen läßt. Und
Lord Kitchener konnte jüngst verkünden, er habe
29 000 neue Offiziere, zum Teil zweifellos aus seinen
Reservebeständen und aus den Kolonien, zu seiner
Verfügung. Aber die neuen Offiziere werden sich
auch nicht im entferntesten mit der Leistungsfähigkeit
der Offiziere in den beiden Heereslagcrn, im deut¬
schen wie im französischen, die bedeutend besser aus-
gebildet sind messen dürfen. Mit anderen Worten:
das große Heer Englands wird trotz der großen or¬
ganisatorischen Schöpferkraft Lord Kitcheners und
trotz der mehrmonatigen Ausbildung der Rekruten
doch immer ein improvisiertes Heer bleiben mit
allenSchwächen und Mängeln, die sich namenntlick zu
Beginn ihrer Aktion regelmäßig bei ähnlichen Hee¬
ren hcrausgestellt haben. Die Kritiker und die Re¬
serviertheit der kompetenten Beurteiler sind nach die¬
ser Richtung vollkommen berechtigt.
Gewiß habe man auch in Deutschland den Land¬
sturm herangezogen, lind auch da könnte man sa¬
gen, cs handle sich uni eine Improvisation. „Nur
hat die militärische Improvisation Englands gegen¬
über der deutschen den Nachteil der geringeren Er¬
fahrung für so riesige Heeresformationen."
Ter Kritiker vergißt noch eine Kleinigkeit: bic
Heercsorganisation, wie sie Deutschland besitzt, im¬
provisiert man nicht innerhalb eines Jahres, son¬
dern sie ist die Frucht einer jahrzehntelangen ange¬
strengten Arbeitsleistung auf einem Gebiete, auf dem
die Engländer vollkommene Neulinge sind.
Der Kries im Merten.
Die Kämpfe im Argonnenwald.
Ans dem Großen Hauptquariier geht uns nach¬
stehende Darstellung als Abschluß der Schilderungen zu,
die wir auf Grund unserer beigegebencn Kartenskizze
in der Samstag-Ausgabe gebracht haben:
V.
Rein zahlenmäßig lassen sich die bisherigen deutschen
Erfolge in den Argonnen wie folgt amsdrücken. Bis
Ende November hat der Feind emgebüßt: 1300 Ge¬
fangene, 4000 Tote, 13 000 Verwundete. Im Monat
Dezember betrug die Zahl der Gefangenen 3000,
jene der Toten und Verwundeten 8000. An Trophäen
wurden in diesem Monat allein 21 Maschinengewehre,
14 Minenwerfer, 2 Revolverkanonen und 1 Bronze-
mörfer erbeutet.
Rechnet man die bisher im Januar gemachten
2500 Gefangenen und zähl:' man etwa 4 bis 5000 Tote
hinzu, so ergibt sich französischerseits ein Gesamt-
v e r l u st in den Argonnen von etwa 36 000 Mann.
Ein ganzes Armeekorps ist also so gut wie
aufgerieben, während die Verluste auf deut¬
scher Seite nicht einmal den d r i t ■'e n Teil betra¬
gen. Wie sehr die Franzosen in den Waldkämpfen ge¬
litten ihaben, geht allein schon aus der Tatsache hervor,
daß sie immer neue Verbände in die Argonnen geschickt
haben. Kämpften dort zuerst die Truppen des 2. und
5. Armeekorps, so wurden diese bald verstärkt drirch
Kolonialtrmppen und Marineinfanterie. Im Januar
'auckten vorübergehend Truppen des 1. Armeekorps und
Garibaldianer auf; endlich wurden Mitte Januar neue,
bisber bei Dpern verwendete Verbände in den Wald ge¬
schickt, um das anscheinend völlig zusammengebrochene
2. Armeekorps abzulösen.
Wie es mit der Verfassung der französi¬
schen Truppen in den Argonnen bestellt ist, das
platz genommen baben, Grete Herzog diesen englischen
Helden gewidmet hat:
Legt in den SVoffec mir die Tennisbälle,
Den allerbesten Schläger bringt herbei,
Auch einen Fußball bringt sogleich zur Stelle,
Damit zum Kampf ich gut gerüstet sei!
Weitere Wünsche über das Einpacken von weißen
Hemden, Smoking, Regenschirm un-d allerhand Deli¬
katessen folgen und dann heißt es weiter:
Hört ihr dann öfter was von bösen Schlägen,
Die wir bekommen, ist das Lug und Trug.
Die galten den französischen Kollegen;
Die Firma scheint nicht gut fundiert genug.
Ihr kennt ja unfern Grundsatz, der geheiliA;
Der wird auch diesmal unsre Richtschnur sein:
Am Nutzen sind wir jederzeit beteiligt.
Den Schaden trägt der Partner ganz allein!
Köstlicher kann der englische Hochmut und der eng¬
lische Krämergeist kaum verspottet werden.
Prächtigen Humor enthalten auch die netten,
„Weitläufige Verwandtschaft" überschriebcnen Verse:
Der britischen Inseln kaltrechnende Herrn,
Die wären, so meinten wir, nah uns verwandt.
Weshalb wir die Sorte recht häufig und gern
So lange die „englischen Vettern" genannt.
Doch unsere Feldgrauen wissen es jetzt,
Seitdem sic vor ihnen geflohn wie der Wind,
Als hätte der Teufel höchst selbst sie gehetzt —
Was für „weitläufige" Vettern cs sind. *
. Nicht minder köstlich ist der hübsche Vierzeiler
„Flüchtige Bekanntschaft":
„Sind denn," ward Hindenburg gefragt,
„Die Russenfeldherrn tüchtig?"
„Ich weiß nicht," hat der Held gesagt,
„Ich kenne sie Mir flüchtig!"
Und selbst mitten im Schlachtgetümmcl verläßt der
Humor den Deutschen nicht, wie folgender Vorfall zeigt.
Im Schützengraben knallt ein etwas nervös gewordener
braver Vaterlandsverteidiger in einem fort darauf los.
Da ruft ihm fein Vorgesetzter zu: „Ruhig schießen,
Kowalski, ruhig schießen! Sie werden uns noch durch
Ihre verrückte Knallerei die ganze französische Nord¬
armee verjagen"
Doch genug der Proben! Schon aus diesen wenigen
ist ersichtlich, daß unserem Volke auch in ernsten Lagen
der gesunde Hwinor nicht verloren gegangen ist. Möge
es immer so bleiben!
zeigen am besten jene Dokumente, welche den französi-
schen Gefangenen in Gestalt von Anordnungen, Bcfeb-
Icu, geheimen/Erlassen. Briefen und Tagobuchawfzcich-
nungen abgenommen wurden.
Ta erwidert General Gourand, Kommandeur der
10. Division, in einem Zusätze zu dem Tagesbefeül vom
28. Dezember die Klagen seiner Un.ergebenen mit den
Worten:
„Sie werden daraus entnehmen, daß sich dar Geg¬
ner bei der Wegnahme einer Stellung mit den glei¬
chen Schwierigkeiten abznsinden hat, wie wir. Das
gibt zu denken, denn man denkt oft wegen der eigenen
Schwierigkei.en, Anstrengungen und Bcviuste nicht
an jene, die auch der Gegner hat."
Tie Schwierigkeiten erweisen sich aber ckuf franzö¬
sischer Seite als recht erheblich, sonst würden die hübcrn
Führer nicht so oft über die Untätigkeit und Passiv: ät
der ihnen unterstellten Truppen Beschwerde führen.
So enthält ein Mi te Dezember abgenommencs Bcfchls-
iagebuch folgende Weisungen:
„Es ist von der größten Wichtigkeit, auf der gan¬
zen Front die Tätigkeit zu erhöhen. Tie
bisherige ist nach Ansicht der Divisionsgenerale
unzulänglich. ... Es muß eine größere An-
grisfstätigkeit en.saltet werden. Wenn cs weiter
geht, wie bisher, werden die Deutschen uns zuvor-
lomntcn."
Eine geheime persönliche Anweisung des kommandie¬
renden Generals des 2. Armeekorps enthält folgende
Sätze:
„Der kommandierende General stellt mit Bedauern
fest, daß die Gefech Stätigkeit sich ausschlie߬
lich auf starre Verteidigung beschränkt, wäh¬
rend die Deutschen bei gleichen Verlusten wie die
Franzosen immer nerneut angreifen und durch Teil¬
erfolge angefeuert werden. ... Man hat sich an
Untätigkeit gewöhnt'und wartet rein pas-
s i v auf den feindlichen Angriff. Ter Mann über¬
nimmt leinen Wachtposten im Schützengraben wie im
Frieden vor einem Pulvermagazin oder Proviantamt.
. . . Die Führer bleiben in ihren Gefechtsständcn
sitzen; sie führen die Posten viel zu selten auf und
- geben ihnen keine bestimmten Aufträge. Alle Füh¬
rer bringen ihre Zeit in vorderer Linie in Lange¬
weil e o d e r A n g st zu. . . . Es ist unbedingt not¬
wendig, daß dies anders wird. . . . Me Abschnitts¬
kommandeure, die Bataillons- und Kompagnieführer
müssen jeden Tag in den vordersten Schützengräben
ihre Leute aufsuchen. . . . Alle Truppenkommandeure
haben ihre Untergebenen mit Angriffsgeist zu er¬
füllen." Zum Schluß heißt es: „Der kommandierende
General will merken, daß die Franzosen den
Deutschen das Gesetz vorschreiben. Wenn sie fühlen,
daß w i r ihnen überlegen sind, dann werden die Deut¬
schen weicher, und die bisherige schwere Arbeit wird
leichter werden."
Wie erwähnt, mußte inzwischen das 2. französische
Armeekorps aus den Argonnen zurückgenommen wer¬
den.
Dem Brigadcgeneral G o s s a r t (5. französisches Ar¬
meekorps) fällt es auf — Befehl vom 30. November —
„daß der Dienst in den Schützengräben in bezug auf
deren Einrichtung und auf Feuerdisziplin viel zu
wünschen übrig läßt." General Fouborge (3.
Division) „kennt genau die schwierige Lage, in der sich
die Truppen befinden, zweifelt nicht daran, daß sie diese
überwinden werden. (13. November.) Der Armee¬
führer will keinen Zoll zurückweichen. Er wird uner¬
bittlich gegen jeden Offizier und Mann einschreiten,
der nicht bis zum Aeußersten die Stellung und den
ihm anvertrauten Posten hält."
Inzwischen gewannen aber die deutschen Truppen
erneut Boden und auf französischer Seite
stieg die Unlust am Kri^eg c, die Zahl der dem
Feinde in die Hand fallenden Soldaten und Maschinen¬
gewehre. Dagegen versuchte nun der Oberbefehls¬
hob e r der 4. Armee und das französische Große Haupt¬
quartier der Ostarmee einzuschreiten. Anfangs Januar
erschien, von der erstgenannten Stelle ausgegeben, ein
Erlaß geKen die zunehmende Selbstverstümme¬
lung bei den Leuten.
„Seit einiger Zeit," lau'et dieser, „sind eine An¬
zahl verdächtiger Verwundungen bei Mannschaften
verschiedener Tmippcnteile, vor allem bei der Infan¬
terie bemerkt worden. Es hat sich ergeben, daß cs
sich um Fälle freiwilliger Verstümmelung bandelt zu
dem alleinigen Zweck, sich seiner Mili'ärpflicht zu ent¬
ziehen." In Anlage 3 dieses Erlasses wirk erläu¬
ternd hinzugesctzt: „Durch Kriegsgericht der
4. Armee vom 18. Dezember 1014 find wegen Selbst¬
verstümmelung zwecks Verlasfens des Schlachtfeldes
verurteilt worden je ein Mann der Regimenter 151,
34. 7. 149, "47, 836, 135, 88. Jäger 21 und je zwei
Mann von Kolonial-Regiment 24 und Jäger 19. Das
Urteil ist am 19. vollstreck.' worden."
Eine Verfügung des Generals Joffre stellt
fest, daß allein in der Zeit vom 20. November bis 15.
Dezember der Ersatz von 315 Stück Maschinen-
gewehre n angefordert worden sei. Nachdem der
Oberbefehlshaber kurz die Schwierigkeiten betont, die
ein derartig umfangreicher Ersatz bereite, weist er dar¬
auf hin, daß wohl nur ein Teil der Gewehre aus
Mangel an Sorgfalt unbrauchbar geworden, daß da¬
gegen aus den verhältnismäßig hohen Verlusten ganzer
Maschinengcwehrzüge der Schluß zu ziehen sei. daß viele
Maschinengewehre in Feindeshand gefallen
seien. Dazu bemerkt der Generalstab des 5. Armee¬
korps: „Diese Verfügung kommt zu gelegener Stunde,
da die schmachvolle Pa ni k der 5. Kompagnie des
Regiments 46 den Verlust von zwei Maschinengewehren
gekostet hat."
Ein anderer Joffre sch er Erlaß richet sich
endlich dagegen, daß so zahlreiche französische Soldaten
in deutsche Gefangenschaft geraten und verfügt, „daß
jeder gefangen gewesene, nicht verwundete
Soldat bei seiner Rückkehr aus der Gerangen.schaft einer
Untersuchung unterworfen wird."
Dieser und der vorher genannte Erlaß Laben nicht
zu verhindern vermocht, daß die Zahl der Gefangenen
in den Argonnen ständig zunimmt, so daß un¬
mittelbar nach der Ablösung des 2. Armeekorps den fri¬
schen Truppen sogleich zwei Offiziere, 250 Mann und
fünf Maschinengewehre abgenommen wurden.
AuS den Gefangenenaussagen klingt starke
Kriegsmüdigkeit chindurch. die wir aber nicht
ohne wci eres verallgemeinern wollen, da der Gefangene
ja nur allzusehr dazu neigt, dem Sieger zu Gefallen zu
reden, um sich dadurch in eine günstigere Lage zu ver¬
setzen. Weit schärfere Schlüsse vermag man aus dem
Briefwechsel zwischen den Soldaten und ihren Ange¬
hörigen zu ziehen. Wie aus zahllosen Briefen und
Tagebuchaufzeichnungen hervorgeht, betrachten die An¬
gehörigen den in die Argonnen entsandten französischen
Soldaten als Todezkandida i'en und den aus die¬
sen Kämpfen heil Entkommenen als einen, über dessen
Ha>wt die Vorsehung gewaltet haben müsse.
Ein Mitic Januar bei einem größeren erfolgreichen
Angriffsgefecht gefangen genommener französischer
Stabsoffizier (Major Guinard) sag b aus:
„Der Angriff der Deutschen wurde mit^ bewunde¬
rungswürdiger Energie durchgesührt. Unsere Stel¬
lung war schnell durchbrochen. Meine Kompagnien
batten den Befehl, sich bis zum Aeußersten zu halten.
Darum wurden alle, die nicht fielen, gefangen genom¬
men. Ich selbst bekam einen Schusi in den Kops und
weiß von diesem Augenblick an nich 8 mehr. Ich bin
zufrieden, daß ich verwundet bin, denn nun brauche
ich den Fortg ,ig dieses Krieges nicht mit zu erleben.
Wir waren sehr schlecht orientiert über
die Oualität des deutschen Heeres, Der¬
artige Leistungen hatten wir ihm nicht zugetraut.
Andererseits da: man die Russen weit überschätzt.
Für die von Jossre befohlene Offensive haben die
Franzosen noch einmal ibre beite rrnd äußerste Kraft
an allen Punkten eingesetzt. Nachdem nun auch die¬
ser Stoß keinen Eriolg gebracht hat, könnte höchstens
ausländische Silse den Feldzug günstig entscheiden.
Von wem sollte diese Hilfe aber kommen? Ru߬
land ist fertig und E n g l a n d hat wohl Men¬
schen, aber kein Kriegsmaterial mehr einzu-
setzcn. Der Krieg kann zwar noch lange dauern, aber
an eine Besserung unserer Lage glaube ich nicht mehr.
Diese Auffassung verbreitet sich immer mehr, und
deshalb ist es kein Wunder, wenn wir alten Sol»
baten traurig und deprimiert sind."
Mögen die Franzosen in ihren Bulletins immerhin
weiter von angeblichen Erfolgen in den Argonnen be¬
richten. mögen sie fortsahren zu behaupten, daß sie bei
St. Hubert und im Bois de Grurie Stellungen inne-
hä ten, die schon längst einen Kilometer hinter der vor¬
deren Linie der Deutschen liegen, durch alle diese Mittel
wird sich auf die Dauer nicht verheimlichen lassen, wer
der Sieger in den Argonnen ist, ob derjenige, der
unaufhaltsam vorwärts schreitet oder derjenige, der ge¬
zwungen ist, Erlasse herauszugeben, von der Art, wie
sie im Auszuge soeben vorgcführ.k wurden, (wtb)
Der französische Bericht.
wtb Paris, 31. Jan. Am Samstag wurde folgender
am!l. Bericht auSgegcbcn: 3.30 nachm.: Ter 29. Januar
war im Ganzen ruhig. In Belgien Artilleriekampfe.
Cuinchy bei La Bassee warf die englische Armee den
Angriff dreier deutscher Bataillone zurück. Der Feind
erlitt große Verluste. Nördlich Arvas bei Neuville-St.
Vaast nahm unsere schwere Artillerie eine deu'sche Bat¬
terie unter Feuer und zerstörte deren Munitionskisten.
In den Abschnitten Albert, Rohe, Soissons, Reims und
Perthes Ar'illeriekämpfe, welche oft ziemlich heftig wur¬
den und seitens unserer Batterien sehr wirksmn waren.
Im Wocvre bei Flirep sprengten die Deutschen eine
Mine, welche unsere Schützengräben zerstören sollte, die
aber nur einen eigenen zerstörte. — Abends 11 Uhr:
Es bestätigt sich, daß der Feind eine große Zahl von
Toten ans dem Schlachtselde nördlich von Lonibartzhde
am Fuße der Großen Dünen zurückließ, sowie vor den
englischen Linien bei La Bassöe. Es ist Meldung er¬
stattet über eine ziemlich heftige Beschießung von Arras,
Ecurie und Rodlincouri. Aus dem Plateau von Nouvron
brachten die Deutschen eilte Mine zur Explosion, jedoch
ohne Ergebnis.^ Aus den Argonnen meldet man ein
leichtes Zurückweichen unserer Truppen
und Stellungnahme aus einer neuen Linie ungefähr 200
Meter hinter derjenigen, die sie besetzt hasten. . Das Ge¬
lände war lebhaft umstritten. Die Verluste des Fein¬
des sind sehr groß. Freilich hatten auch wir große
Verluste.
Ein feindlicher Flieger bei Mühlhausen.
wtb. Straßburg, 3l. Jan. 1915. Am Freitag
den 29. Jan. gegen 3'' Uhr erschien über der Bahn¬
station Reichweiler bei Mülhausen im Elsaß ein
feindlicher Flieger und warf fünf Bomben ab,
die in den nächst der Bahn gelegenen Betriebsan¬
lagen der Kaliarube „Max" geringen Schaden an¬
richteten. Menschen wurden n i'ch t verletzt. Der offen¬
bar von Belfort gekommene feindliche Flieger ent¬
kam noch, che ein deutsches Flugzeug zu seiner Ver¬
folgung über dem Orte erschien.
Klaren über die englische amtliche Berichterstattung,
wtb London, 31. Jan. 1915. Der militärische Mit¬
arbeiter der „Daily News" kritisier - daß das englische
Kriegsamt so wenig über die Kämpfe des letzten Mon¬
tags bei La Basf e e und über die Kämpfe, die dort am
Dienstag und wahrscheinlich am Mittwoch stattfanden,
mitgeteili habe. Namentlich wurde tu den englischen
amtlichen Berichten nicht erwähnt, daß die Eng¬
länder G'elande verloren haben. Dagegen
erfuhr man aus dem französischen Berichte, daß ein
frischer deutscher Angriff bei G i v e n ch y gemacht wurde,
das nördlich und nicht südlich des Aire-Bethune-Kanals
liegt, und daß die Engländer einen Angriff abschlugen
und einen Gegenangriff machten, der zur Wiedergewin¬
nung der Stellungen führte, die sie am Sonntag be¬
setzt hielten. Der Mitarbeiter der „Daily News" zieht
sodann die deutschen Berichte heran, die ein wiede'r-
holtes Zurückbleiben der Derb'ündeten
melden, während London und Paris dazu schweigen
Der Mitarbeiter fragt: Was sind Tatsachen- Haben
unsere Truppen Gelände verloren, entweder nördlich oder
lüdlicki des Aire-La Bassee-KanalS und wenn dieses der
Fall ist, haben sie eS zurückerobert oder nicht? Haben
am Dienstag oder Mi'dwoch wertere Gerechte stattge-
tunten, und wenn dieses der Fall ist, mit welchem Zie^
und welchem Ergebnis? Die deutschen und französi¬
schen Berichte befinden sich in einem direkten Wider¬
spruch. Ein Londoner Bericht auf Grund der Berichte
French- würde Klarheit bringen. Wir würden wissen
woran wir sind. Die Reuter-Depeschen aus S> Omer
und Boulogne vom Montag beschreiben die Schlacht vom
Montag als sehr beträchtlich. Aber es fehlt jede Er-
wähnung von weiteren Gefechten am Dien« <dq und
Mittwoch. Was jetzt noch not tut, ist ein amtlicher Be¬
richt über das, was tatsächlich zwischen unseren Trup¬
pen und dem Feinde vorgegangen ist.
Für 1 Milliarde Franken Rohmaterial und Fertig-
fcbrikate in Frankreich beschlagnahmt.
In den großen französischen Industriestädten, d^e
letzt in unserem Besitz sind, wie Roubaix, Tour-
c o i n g und Lille, haben unsere Truppen ganz außer¬
ordentlich große Vorräte an den verschiedensten Roh¬
materialien und Fertigfabrikaten beschlagnahmen kön¬
nen, deren Wert auf etwa eine Milliarde
Franken geschätzt werden kann. Herr Kommerzien¬
rat Fränkel in München, ein bekannter Wollfachmann,
der im Aufträge der bayerischen Regierung Nordfraiil-
reich bereiste, machte in der Münchener Handelskammer
darüber interessante Angaben. Außer' sobr großen
Vorräte alle Wolle, Kammzeug, Wollabfällen, Baum¬
wolle, Sauten, Fellen, Leder, Fet.stosfen, Metallen nsw.