Full text: Fuldaer Zeitung (1915)

Jli 57. 
Mittwoch, den JO. März M5. 
2. Blatt. 
vrrck rer 5uldaer AelirndruSerei in 5»lda, 
Fuldaer Zeitung » 
Kauft im Lande! 
In den ersten Tagen nach Ausbruch des Krieges 
setzte der Kamps gegen die ausländische Industrie. 
Produkte sehr lebhaft ein, besonders gegenüber den 
Erzeugnissen des Z i g a r e t t e n t r u st >e s. Wenn 
man aber heute in manchen Städten die Schilder der 
Zigarreniäden besieht, dann scheint es doch, als sei 
dieser Gcsundungsprozeß wirkungslos an uns vor. 
übcrgegangcn, und wenn das schon konstatiert werden 
muß aus einem Gebiete, aus dem eine lebhafte Agi¬ 
tation einsetzte, wie mag es dann erst stehen auf 
jenen Gebieten, die Gegenstand einer Besprechung in 
der Presse gewesen sind! 
Bor einigen Monalen wurde en Rundschrerdln 
aus dem Schrribsedersach in Umlauf gesetzt. Es 
wu>de daraus hingewicsen, daß noch viele deutsche 
Schrcibsedersorten entweder völlig, -Der zum Teil in 
England hergestellt werden. Sogar der Bedarf von 
unzweiselhast deutschen Firmen! Es wurde ferner 
dazil mitgcteilt, daß nur die Fabriken Heintze u. 
Blanckery in Berlin, Brause u. Eo. in Iserlohn, 
Leo in Leipzig, Müller in Leipzig und Nevoigt in 
Rcichenbrand, ihre Schreibedern^ ausschließlich in 
Deutschland Herstellen. Tie übrigen großen Firmen 
aber nicht, oder nur zum Teil, auch wenn ihre Fe¬ 
dern rein deutsche Namen und den deutschen Firmen¬ 
stempel tragen. 
Im Wirtschaftsleben des Volkes spielt die Schreib- 
scder keine große Rolle. Es gehen für Schreibsedern 
etwa 2 Millionen Mark ins Ausland. Aber gerade 
wegen dieser Kleinigkeit des Objektes läßt sich an die¬ 
sem Beispiele vielleicht am treffendsten demonstrieren, 
wir wichtig die Beachtung des nationalen Interesses 
auch bei Kleinigkeiten ist. 
In den Miliiardenetat eines Volkes wie des deut¬ 
schen spielen 2 Millionen eine sehr bescheidene Rolle. 
Und doch geht uns mit diesen für Schreibsedern ins 
Ausland gehenden 2 Millionen ein sehr bedenklicher 
Teil unserer wirtschaftlichen Lebenskraft verloren. 
Rechnen wir: 
Von diesen 2 Millionen werden 1,8 Millionen 
nach Abzug der Rohmaterialien, der Kosten des Ver- 
packungsniatcrals übrig bleiben. Gesetzt den Fall, 
eine Arbeitersamilie lebe von 1500 Mark, dann wür¬ 
den von diesen 1,8 Millionen Mark 1200 Arbeiter 
tnit ihren Familien, also etwa 6000 Personen leben, 
das Rohmaterial und die Verpackung besteht nun aber 
in der Hauptsache ebenfalls aus Arbeitslöhnen: Bucy- 
binderlchnen, Löhnen der Arbeiter in Inn Ho>z?cbiei- 
sereien und Pappenfabriken, der Transportarbeiter, 
der Waldarbeiter, der Forslarbciter usw. und beim 
Stahl aus Löhnen der Arbeiter in Hütten- und Walz¬ 
werken und den Erzbergwerken, dann der Arbeiter 
beim Transport. Es besteht wohl kein Zweiel da- 
rüber, daß von diesen für Rohniatcrial angesetzten 
200 000 Mark niehr als 100 Arbeiterfamilien ihr 
Brot finden werden, so daß allein an der deutschen 
Schreibfedcr-Einsuhr wenigstens 1500 englische 
Familien mit ca. 7000 Köpfen ihr Brot fin¬ 
den werden. 
Aber damit ist die Rechnung noch lange nicht ab¬ 
geschlossen: denn diese 1300 Familien leben doch und 
geben ihr Geld aus und befruchten damit weitere 
Kreise. Es gibt natürlich im Leben eine auf einen 
speziellen Beruf zngcschnittene Gemeinde nicht, aber 
es ist nicht falsch gerechnet, wenn man sich folgende 
Vorstellung macht: Eine Stadt mit 7000 arbeitenden 
Einwohnern ernährt wenigstens 10 Angehörige der 
akademisch gebildeten Schicht. 50 mittlere und 200 
Unterbeamte, sie ernährt ferner 100 Hausbesitzer, 400 
selbständige Handwerksmeister, Gastwirte, Tetail- 
händlcr, 80 Angehörge der freien Berufe, weiter 
zahlreiche Vcrkehrsangehörige, kaufmännisches Per¬ 
sonal usw. usw., sodaß schließlich bequem 10—11000 
Menschen zusammenkommen. Und wenn man diesen 
Gang des Geldes weiter verfolgt, kommt man be¬ 
quem ans 14—15 000 Menschen, die von diesen für 
Schreibsedern ins Ausland gehenden 2 Millionen 
leben würden, wenn man keine ausländischen 
Schreibsedern mehr kaufen würde. 
Deutschland hätte also 15 000 Einwohner 
mehr, und damit eine größere Wehrkraft, 
ein größeres Wohlergehen seiner Gesamtheit, wenn 
man niemals Schreibsedern aus dem 
Auslande gekauft hätte. 
Und wie es bei den Schreibsedern steht, so steht 
es aus zahllosen anderen Gebieten. Wir 
kaufen auch große Auslandsprodukte, Maschinen und 
dergleichen, leichten Herzens, ohne über die wirt¬ 
schaftliche Wirkung dieses Tuns nachzndcnken, aus 
dem Auslande und schädigen damit unsere Volks¬ 
wirtschaft und unsere nationale Widerstandskraft 
noch weit mehr, als es bei Schreibsedern der Fall 
ist. Vielleicht gibt uns dieses Exemvel mit den 
Schreibsedern Gelegenheit, unser Gewissen einmal 
gründlich zu erforschen. Tann kommt vielleicht man. 
! chem zum Bewußtsein, wie sehr und wie oft er bisher 
seine ureigensten Interessen mit Füßen getreten hat. 
Lokales. 
Fulda. 10. Mär; l^!5. 
* Ile Dnrchhaltnnq der Viehbestände. Ter 
Sächsische Landeskulturat hat in einer Beratung auf 
den Jucker als wichtiges Hilfsmittel bei der Ernohung 
der Tiere hingewie'en. Ter Jucker stehe den Land- 
Wirten ohne Steuer zur Verfügung, er ler ein aus¬ 
gezeichnetes Futtermittel sur Pferde. Schweine, Rin- 
der. Ter Jucker müsse jedoch erst mit Hache! ver- 
aällt werden, 20 Pfund Häck'el auf 80 Pfund Zucker. 
Am besten kaufe man gleich fertig vergällten 
Zucker, den Zentner zn etwa 12 Mark. Pferde 
leichten Schlags können täglich 3—4 Pfund erl-alten, 
schweren Scklaas 6 Pfund, Schweine 3-4 Pfund, 
Rinder 3—6 Pfund. Ter Zucker müsse zedoch nur 
allmählich bis zu diesen Mengen gesteigert werden. 
Vor allem müssen die Tiere so behandelt werden 
daß sie sich wohl fühlen. Dazu ist erforderlich: Luft 
und Licht im Stalle, sauberes und trockenes Pflaster, 
Sauberhaltung und hinreichende Erneuerung der 
^ ^ Der Ivvjährige Geburtstag Bismarcks, der 
auf den 1. April d. I fällt, soll nach ministeriellem 
Er ab in den Volksschulen und böb. Lehranstalten be- 
aangen werden. Da dieser Tag in die Osterferim 
fällt so soll kurz vor Beginn der Fcr:cn m einer 
Gcschichtsstunde die Gedenkfeier veranstalt-t 
werden. Wo es angebracht ist kann auch unter 
Ausfall einer Unterrichtsstunde die Feier für d.e 
ganze Schule stattfinden. . 
= Krammarkt. Der dles,ahnge erste Kram- 
markt weist nicht so viele Verkoufsstände au? als 
wir es in Friedenszeiten gewöhnt waren. Tie Händ¬ 
ler mit irdenem Geschirr mit Slcingutwarcn und 
Porzellan - Nippsachen, die sonst auf dem freien 
Platze bei der evangelischen Kirche ihre Waren feii- 
boten fehlen diesmal gänzlich. Tie Mehzahl der 
Städter besuchte acstwn den Markt, nur urn die Aus. 
lagen zu betrachten. 
r*i Schöffengericht- Ter Viehhändler I. W. von 
hier hatte einen gerichtlichen Strafbefehl von 10 
Mark erhallen, weil ein Transportsührer von chm 
das vorgeschriebene Kontrollbuch nicht mitgefiihrt 
hatte W. erhob gegen den Strafbefehl Widerspruch. 
Das'Schöffengericht erkannte aus eine Geldstrafe 
von 5 Mark. — Die Ehefrauen R. S. und Th- H. 
sollten an einem Ianuartage in der Königstraße 
durch lautes Schimpfen und Schreien Lärm gemacht 
und einen Menschenauflauf verursacht hab"N- Sie 
erhielten dafür polizeiliche Strafbefehle über je 6 
Mark, gegen die sie gerichtliche Entscheidung bean¬ 
tragten-' In dieser Angelegenheit war gestern schon 
der zweite Termin. Nach Vernehmung der acht Zeu¬ 
gen kam das Gericht zu der Ueberzeugung, daß von 
einein Straßenspektakel keine Rede sein kann und 
sprach beide Angeklagte frei. 
(*) Der Briefwechsel mit unseren gefangenen 
Landsleuten soll möglichst kurz sein. Von zuständiger 
Seite wird uns folgende dringende Mahnung mit¬ 
geteilt: Die an deutsche Kriegsgefangene in Feindes¬ 
land gerichteten Briefe und Pakete werden vor der 
Ablieferung durch den feindlichen Zensor genau 
untersucht. Täglich etwa zweitausend Stück allein an 
Paketen. Es empfiehlt sich, die brieflichen Mitteilungen 
möglichst kurz zu fassen, um eine schnelle Ab¬ 
fertigung zu ermöglichen. — Auch ist bekannt ge¬ 
worden/ daß längere Briefe, die dem feindlichen 
Zensor zu viel Zeit kosten, einfach vernichtet werden, 
also gar nicht an die Adresse gelangen. Tesbalb 
nochmals im Intcreffe unserer gefangenen Lands¬ 
leute: kurz schreiben, am besten Postkarten. 
» Schlachtungen im Jahre 1914. Im Kreise 
Fulda, einschließlich der Stadt Fulda, wurden im 
Jahre 1914 geschlachtet und beschaut 69 Pferde, 742 
Ochsen, 215 Bullen, 977 Kühe, 1336 Jungvieh, 3573 
Kälber, 28,744 Schweine, 667 Schafe und 273 Zie¬ 
gen. Tuberkulose wurde ermittelt bei 166 Ochsen, 
50 Bullen, 309 Kühen, 215 Iungrindern, 12 Käl¬ 
bern, 807 Schweinen und 2 Ziegen. — Im Kreise 
Gersfeld wurden ge'chlachtet und beschaut 124 
Ochsen, 7 Bullen, 200 Kühe, 380 Jungrinder, 563 
Kälber, 9823 Schweine, 132 Schafe und 171 Ziegen. 
Tuberkulöse wurde ermittelt bei 7 Ochsen, 1 Bullen, 
33 Kühen, 16 Jungrindern, 6 Kälbern, 90 Schafen 
und 2 Ziegen. — Im Kreise Schlüchtern wirrden 
geschlachtet rind beschaut 123 Ochsen, 8 Bullen, 130 
Kühe, 570 Jungrinder, 612 Kälber, 14,269 Schweine, 
245 Schafe und 268 Ziegen. Tuberkulose wurde er¬ 
mittelt bei 22 Ochsen, 2 Bullen, 17 Kühen, 46Juug- 
rindern, 259 Schweinen und 1 Ziege. 
- Aus dem Nachbargebiet. 
* Vom Vogelsberg, 8. März. Ter Gastwirte- 
vcrein Bogclsberg beschloß wegen der Bierpreis- 
erböhung durch die Brauereien das Glas Bier 
statt wie bisher m?t 10 jetzt mit 12 Psg. zu verkaufen. 
_ Fermer werden später neue Gläser von 0,2 Liter 
Inhalt eingcsübrt. Tcr Preis dieses Gesäßes wurde 
auf 10 Psg. festgesetzt. 
* HersselS, 9. März 1915. Oberleutnant L a 
pon Randow im Königsgrenadrer Regt., z. Zt- 
bci der Maschinengewehr-Komp. Landw.-Ins Negis. 
Nr 7, ein 2,^'v. d-s Kommandeurs unserer 
Kriegsschule, hat das Eiserne Kr:uz erhalten. Ter 
,,'^,7.,. t nt ueiöc Kl asten 
des Eisernen K'-,'"^ r— " 
* Eschwe-e, 8. März 1915. Die Zahl der ge¬ 
schlachteten Schweine in den Monaten Dezember, 
Januar und Februar betrug zusammen 2349 
Sckweine. mehr argen das Vorjahr 455 Stück Es 
* He'n?i'oldsha«sen. K. Hers^ekd, 9. März 1915. 
In der Nähe un'eres Ortes wurde ein Gefange¬ 
nenlager für 150 Russen errichtet, die in den dor¬ 
tigen Kaliwerken be'^äftiat werd"n. 
' * Wetzlar, 8. März 1915. Tie b'esig? Ulster, 
offizierschule ist mit einem Landsturnibgtailst'n be. 
legt und somit die Stedt zur Hälfte von der Ein- 
guartierung befreit worden. Das Kgl- Lehrersemi¬ 
nar und vielleicht auch die Minnebing werden für 
Lamrettzwecke eingerichtet. Ter Unierri^'t stir die 
Seminaristen und die Seminarübungsschule wird 
im Gymnasium und der Gewerbeschule erteilt. 
j> Gießen, 8. März 1915. Ter Vorstand des 
diesigen Kriegervereins bat in seiner am 3. 
März stattgefundencn Sitzung beschlossen, 1000 Mark 
für die 2. Kriegsanleihe zu -eichnen. Dieser 
Beschluß hat in weitesten Kreisen freudige Zustim¬ 
mung gefunden, obgleich ein Krieaerverein sein an¬ 
gesammeltes Vermögen in erster Linie für die Un¬ 
terstützung seiner hilfsbedürftigen Mitglieder bereit 
haben soll, deren es jetzt und nachdem Krieg gewiß 
nicht wenig geben wird. Man hat aber auch in 
Anbetracht'eines solch vorbildlichen Beschlusses, der 
von allen vermögenden gleichen Vereinen nachge¬ 
holt werden sollte, die Erwartung ausgesprochen, 
daß auch alle anderen Vereine und Verbände 
(Schützen-, Turn-, Gelang- Sport-, u. dergk. Vereine, 
Innungen, landwirtschaftliche Vereine u'w.) eben¬ 
falls sofort zur Kriegsanleihe zeichnen möchten. 
£ Neu-Isenburg, 8. März 1915. Um durch¬ 
marschierende Soldaten besser sehen zu können, beugte 
sich in der Karlstraße ein kleines Mädchen weit aus 
dem Fenster. Tabei verlor es das Gleichgewicht 
und stürzte in die Tiefe. Es brach beide Arme und 
erlitt außer einem schweren Schädelbruch noch innere 
Verletznnaen. 
* Ostenbach a. M., 8. März 1915. Für die Kriegs¬ 
fürsorge in Offenbach a. M. hat die Stadt bis jetzt 
einen Zuschuß von 1 Million Mark gewährt. An 
freiwilligen Gaben aus bürgerlichen Kreisen flössen 
rund 1U Million Mark. Einschließlich der für 
Militärzwecke sowie für Anschaffung von Tauerfleisch¬ 
waren erforderlich aewesenen Mittel von rund 
350000 Mark sind bisher 1 116000 Mark für Kriegs¬ 
zwecke verbraucht worden. Ta die vorhandenen Mitte! 
zur Neige gehen, wird die Stadtverordnetensitzung 
demnächst über die Bewilligung einer weiteren ll» 
Million Mark zu beschließen staben. 
ft. Frankfurt a. M., 8. März 1915. Als der 
19 jährige Mechaniker Johann Rausch bei dem Dieb¬ 
stahl eines Automobils abaefaßt wurde, flüchtete er 
mit dem Wagen durch halb Frankfurt: endlich stellten 
ihn die verfolgenden Automobile in der Battonstraße. 
Rausch sprang jedoch in ein Haus der nahen Stein¬ 
gasse, flüchtete von hier aufs Dach, dann kletterte er 
mit erstaunlicher Kühnheit über eine Anzahl Dächer 
bis nach der Gelnhäuser Gasse, wo er sich hinter 
einem Schornstein versteckte. Hier entdeckte man den 
kühnen Dieb und verhaftete ihn. An der Verfol¬ 
gung hatte sich schließlich eine gewaltige Menschen¬ 
menge beteiligt. — Ter 29jährige Schlosser D abus 
aus Köln, der hier in den letzten Monaten eine 
große Anzahl von Villeneinbrüchen verübte, 
wurde in Mainz bei einem Villeneinbruch über¬ 
rascht und verhaftet. Die hier in Frankfurt ausge- 
sührten Einbrüche wurden dem Diebe an der Hand 
der an den Talorten aufgenommenen Fingerabdrücke 
einwandfrei nackgewie-en. 
* Lahnstein, 6. März 1915. Eskommt alles 
an — aber wann! so schreibt das „Tagbl": 
Ein hiesiger Landstürmcr, der wegen Krankheit aus 
den Schützengräben Rußlands zurückgekehrt ist, 
bekam jetzt von der Post einen Postsack ausgehändigt, 
worin sich 10 Pakete, Briefe Karten und Zeitung», 
scndungen befanden, die vor Wochen hrer abgegange« 
waren. 
* Von der Lahn, 8. März 1915. Vor einigen 
Tagen sind die ersten Störche vom sonnigen 
Süden her wieder ins Land gekommen und haben 
klappernd ihren Einzug in die alte Heimat gehalten. 
— Vom Westerwald, 8. März 1915. Wo am 
Trciprovinzcnstein die Regierungsbezirke Arnsberg, 
Koblenz und Wiesbaden im hohen Westerwald zu- 
sammenstoßen, breiten sich mächtige Flächen Cb* 
ianb und weite Sümpfe aus. Tie Bewohner der 
umliegenden Dörfer finden in diesem Gebiete nicht 
den nötigen Lebensunterhalt: sie wandern in dre 
Eisengruben des Siegerlandes, wo sie besiere Löhne 
verdienen. Wohl wären die Gemeinden in erster 
Linie berufen die dürren Heideslachen ur- 
bar zu machen, die Moore zu entwässern, die 
nasten, sauren Wiesen zu drainiercn und die Basalt¬ 
findlinge zu sammeln, aber die Tarier sind blutarm 
und ihre Sienerlasten groß. Run hat eine Bewe- 
gung Fuß gefaßt, die Kriegsgesingene mr Ver. 
richtung dieser Kulturarbeiten hcrdeizichen will. 
Auch für die Frühjahrsbestellung mangelt es in den 
landwirischastlichen Betrieben an Arbeitskräften. 
Hierfür will man auch Kriegsgefangene verwenden. 
Wenn jetzt im Westerwald mit Hilfe der Gesänge, 
neu die Kulturarbeiten in großzügiger Weise ourch. 
geführt werden dann bleibt der Krieg für das Ge¬ 
biet ei;, Segen für alle Zeiten. Hoffentlich verschließt 
sich die Regiernna nicht den berechtigten jahrelangen 
Wünschen der Westerwälder. 
* Vinocn, 9. März 1915. Etwa 200 kriegsge- 
fangcne Franzosen ans der Champagne werde» 
Mitte April hier eintrefsen. Sie sind von der Mili- 
tärbebörde dem Verein Bingencr Weinbergsbesitzer 
zur Verfügung gestellt worden nnd sollen sür die 
Arbeiten in den Weinbergen verwendet 
werden. 
* Jena, 9. März 1915. In Jena tagte die Zone 
„Thüringen" des Deutschen Gastwirt-verbandes. 
Tie Versammlung beschloß, den von den Brauereien 
geplanten Bier Preiserhöhungen entgeg.n- 
zutreten. Man rechnet dabei besonders aus die Mit¬ 
hilfe des Publikums. 
Märkte. 
* Frankfurter Viehmarkt vom 8. März. (Amtliche 
Notierungen.) Bezahlt wurde für 1 Zentner Lebendge- 
wicht: Ochsen: a) vollfleischige, ausgemästete höchsten 
Schlachtgewichtes: 1. im Alter von 4—7 Jahren 56—60 
M. (Schlachtgewicht 102—108 M.), 2. die noch nicht ge- 
zogen haben, ungejocht 00—00 M. (00—00 M.). b) junge 
fleischige, nicht ausgemäsiete und ältere ausgemästete 
50—54 Mark (91—100 Mk.). c) mäßig genährte junge, 
gut genährte ältere 00—00 Mk. (00—00 M.), Bullen: 
a) vollflcischige ausgewachsene höchsten Schlachtivcrtc» 
52—55 M. (86—92 M.), bj vollfleischige jüngere 47—50 
Mk. (80—85 Mk.), c) mäßig genährte junge und gut 
genährte ältere 00—00 Mk. (00—00 M.), Färs e n und 
Kille: a) vollfleischige ausgemästete höchsten Schlacht, 
wertes 50—53 Mk. (90-95 M.), b) vollfleischige ausge» 
mästete Kühe höchsten Schlachtwertes bis zu 7 Jahren 
44—49 Mark (82—88 Mk.), c) 1. wenig gut entwickelte 
Färsen 40—45 M. (77—87 M.), 2. ältere, ausgemästete 
Kühe und wenig gut entwickelte jüngere Kühe 38—44 
Mk. (70—82 M.), ri) mäßig genährte Kühe und Färsen 
30—36 Mk. (60—72 M.), e) gering genährte Kühe und 
Färsen 26—30 Mark (60—67 Mark), Kälber: a) 
Doppellender feinster Mast 00—00 M. (00—00 M.), b) 
feinsteMastkälber62 -65M.(103—108M.),c)mittl.Mast.u. 
beste Saugkälber 00—64 M. (100—107 M.). ck) gering. 
Mast, und gute Saugkälber 56-00 M. (95—102 Di.), 
e) geringe Saugkälber 52—55 M. <88—93 M.). Schafe: 
A. Weidemastschafe: a) Mastlämmer und Masthammel 
48 M. (105 M.), b) geringere Masthammel und Schafe 
— M. (— M.), R. mäßig genährte Hammel und Schafe 
(Märzschafe) — M. (— M.). — Schweine: a) vollflei¬ 
schige von 80—100 kg Lebendgewicht 84—86 M. (Schlacht¬ 
gewicht 103—106 M. b) vollfleischige unter 80 kg Lebend» 
gewicht 78—82 M. (Schlachtgewicht 96—100 M.), c) voll- 
fleischige von 100—120 kg Lebendgewicht 84—86 M. 
(Schlachtgewicht 103—106 M.), d) vollfleischige von 120— 
150 kg Lebendgewicht 84-86 M. (Schlachtgewicht 103— 
106 M.). — Auftrieb: Rinder 1415 Stück (einschl. 20 
dänische), darunter: 196 Ochsen, 53 Bullen, 1166 Färse« 
und Kühe; 385 Kälber. 102 Schafe. 2084 Schweine. — 
Marktverlauf: Es wird bei lebhaftem Geschäftsgang 
ausverkauft. Fette Ochsen und fette Schweine sehr ge¬ 
sucht. — Wie sich aus einer Vergleichung des gestrigen 
Mark es mit dem vom 1. März ds. I. ergibt, sind die 
Preise für alle Viehsorten gegen die Vorwoche gestiegen. 
Gottesdienstordnung. 
Donnerstag, 11. März. Fulda. Nonnenkirche. 
Morgens h,9 Uhr Amt mit Segen für die lebenden 
Krieger. 
Das Sifiilfeial Derer m §aiienfelD. 
3] .Kriegsroman von Matthias Blank. 
Leichtsinn! Hatte er selbst früher nicht gelacht, 
wenn sein Junge törichte Streiche ausgeführt hatte? 
F,.tz von Hastenfeld ging mit z:' -geknif¬ 
fenen Lippen über den Korridor. 
Er war immer noch verärgert. Hatte er dem 
vom Glücke immer begünstigten Sonntagskinde Hans 
nur wirklich einen Schaden zugefügt? Ten bunten 
Rock würde er ja wohl auszichcn muffen. Vielleicht! 
In einer Woche würde der kranke Vater alles wieder 
vergessen haben. Alles! lind wenn Hans dann 
bettelte, dann würde er ihm wiederum alles erlauben. 
Ten Wechsel mußte er ja zahlen. Jedenfalls würde 
alles doch nur so bleiben, daß Fritz das Arbeitstier 
wie immer sein würde, und daß Hans gleich einer 
Drohne von seiner Arbeit leben sollte, ob in bun¬ 
tem Rock oder ohne diesen. Gegen Hans war der 
Vater stets zu schwach gewesen. _ 
Ta hörte Fritz von Hassenfeld stürmende schritte 
die Treppe emporeilen. 
Klara firnt? dies nicht sein. 
Ta erschien auch schon auf dem Korridor in 
schmucker, eleganter Leutnantsuniform Hans von 
Haüen'eld: nt seinem <’ ■ >■ ••oiittc*’. Ti?t” "wn 
Gesichte, in dem nur ein kleiner, blonder Schurr- 
bart stehen geblieben war. das auch die graugrünen 
Augen derer von Hastenfeld aufwies, war eine große 
Erregung zu erkennen. 
Hans von Hassenfeld erkannte seinen Bruder, der 
sofort stehen geblieben war. 
„Fritz, du mußt mir helfen. Ich glaube, ich 
habe r. te T stute zu Tode gehetzt, um nia-t zu 
spät zu kommen." 
„Tu muß, dein Geld sehr leicht verdienen, wenn 
)u deine Pferde zn Tode hetzen kannst." 
„Lieber Fritz, laß dieses Nörgeln sür setzt. Ich 
habe eine Narrheit begangen." 
„Nicht zum ersten' Mal:," unterbrach Fritz von 
Hastenfeld abermals. 
Aber Hans wollte darauf nicht hören. 
„Ist von Rosenfelder bereits ein Brief gekom¬ 
men?" 
«Ja!" 
,',Du sollst ihn nicht öffnen, wenn —" 
„Es ist schon geschehen." 
Ta schauten sich die beiden Brüder an; und Hans 
von Hastenfeld mußte erkennen, daß sein Bruder 
bereits alles wußte. 
Ein paar lauge Minuten verstrichen: qualvolle 
Augenblicke für Hans von Hastenfeld. 
'„Tann weißt du ja alles. Aber schau, ich tat es 
weder aus Schlechtigkeit, noch aus Leichtsinn. Ich 
wußte, daß ich das Geld bestimmt zurückerhalten 
würde. Sieh selbst! Hier — hier habe ich das Geld 
für den Wechsel." 
Dabei zerrte Hans von Hastenfeld seine Brief- 
tasch' hervor und wies aus dieser eine Anzahl von 
Banknoten. 
„Ich babe das Geld! Damals wollte ich dem 
kranken Vater nur einen neuen Aerger ersparen, 
denn er hätte es doch nicht geglaubt, daß ich das 
Geld wieder erhalten würde. Nur deshalb, und weil 
mir Rosenfelder versprochen hatte, den Wechsel vor 
v"r Fri" n wt aus der — geäm, — und dann, 
hier zähle selbst das Geld! Gib mir den Wechsel!" 
Alle Sorge über die Tat. die er in seinem Leicht¬ 
sinn gar nicht bedacht hatte, war in dem Gesichte 
Hastenselds zu lesen. 
Nun sah Fritz von Hastenfeld den Bruder klein, 
ganz klein, eben den. dem doch sonst alles in den 
Schoß fiel, auch die Liebe, ide er vielleicht gar nich! 
gesuckit hatte. 
„Nur um dem Kranken keinen Kummer zu machen, 
keine Aufregung. Ich wußte doch, daß ich bezahlen 
können würde, und daß ich vom Vater, wenn ich ihn 
angebettelt hätte, das Geld ohne einen Wechsel er¬ 
halt :n haben würde. Aber das war nicht nötig! 
Ich wußte doch, daß ich das Geld wieder haben 
konnte. Ich wollte vom Vater nur die Aufregung 
abwmden! Tu mußt mich doch verstehen!" 
Aber seine suchenden Vlicke begegneten m dem 
harten, unbeweglichen Gesichte sei: : Bruders kei¬ 
nem Verständnis. In dies:n graugrünen Augen 
leuchtete eher etwas wie Schadenfreude. 
Tie Antwort klang hart und kalt. 
„Ich verstehe das nicht. Ich kann nur ver¬ 
stehen, daß ich mich ehrlos betrachten würde, wenn 
ich mich einer solchen Tat schuldig wüßte." 
„Fritz, das kann dein Ernst nicht sein!" 
„Ich denk; nicht anders, als mein Vater." 
Ta taumelte Hans von Hastenfeld vor Erschrecken 
ein paar Schritte zurück. 
„Du — du hast ihm-?" 
Die weiteren Worte erstarken ihm auf den Lip- 
Pcn. 
Aber Fritz von Hastenfeld hatte die Frage doch 
verstanden und nickte nur. 
Ta wurde die Stimme von Hans von Hastcn- 
feld zu einem Röcheln. 
„Das hat dein Neid getan. Du hast mir mei¬ 
nen Frobsinn und mein Lachen nie gegönnt. Des¬ 
halb wolltest du nun mein Leben vergiften! Tu 
hattest wohl lange schon auf eine solche Gelegenheit 
gelai'ert." 
„Was schimpfst du über mich? Ich tat nichts! 
Ich weiß mich frei von jeder Verdächtigung. Ich 
mußte dem Vater doch den Wechsel zeigen, ob ich für 
diesen das Geld beschaffen sollte. Was fällst du des¬ 
halb mich an?" 
„Ilnd — und was sagte er?" 
„Daß :in Fälscher die Ehre verloren hat, den Rock 
zu tragen, den du. immer noch trägst." 
,Das ist nicht wahr." 
„Daß er dich auf Hastenfeld nie mehr sehen will. 
Nie mehr, daß du erst eine ehrliche Arbeit lernen 
sollst." 
Wie erschreckt hob Hans von Hastenfeld beide 
Hände gegen den Bruder. 
Und da fügte Fritz von Hastenfeld noch das letzte 
hinzu, das am tiefsten treffen mußte: 
„Daß der Wechsel als Fälschung zurückgesandt 
werden soll." 
„Du lügst! Du lügst! Ich gehe zn ihm! Und 
er wird mich hören. Er kann dann nicht so Mitleid 
los sein, wie du es bist." 
„Er will dich nicht sehen! Er hat dir verboten, 
sein Zimmer zu betreten." 
Dabei versuchte er den Bruder am Arme zu faste« 
und zurückzuhalten: doch dieser riß sich los, eilte den 
Korridor entlang nach der Türe, die zum Zimmer 
seines Vaters führte. 
Fritz von Hastenfeld hatte ihn nicht mehr halte» 
können. So zog er nur noch die Schultern hoch und 
schritt davon, dann hinaus in das Feld, wo er dem 
Bruder nicht mehr begegnen mußte. 
3. Kapitel. 
Mer draußen auf dem Felde hatte Fritz von Has¬ 
senfeld auch keine Ruhe gestmdcn: er schaute immer 
wieder zu dem mächtigen alten Bau des Gutes zu¬ 
rück, wobei er die Augen mit der Hand gegen das 
grelle Sonncnlicbt beschattete. 
Und einmal sah er länger nach der Richtung, wo- 
b"i er sich vorbeugte, als könnte er dann genauer 
sehen. 
Er erkannte die Uniform seines BruderS. Hans 
von Hastenfeld war es, der aus dem Schlöffe die 
Landstraße fortstürmte und der Richtung zur kleinen 
Stadt zustrcbte, wo sich auch die Bahnstation befand. 
Was war geschehen? 
An der stürmenden Eile konnte Fritz von Hasten¬ 
feld nur auf eine große Erregung schließen, denn er 
wußte, daß in der kleinen Stadt erst abeiids ein Zug 
nach dem Garnisonsorte des Bruders führte, so dag 
die -.le damit keineswegs zu erklären gewesen wäre. 
Den Zug konnte er unmöglich versäumen. Es mußte 
also etwas anderes vorgefallen sein. Wahrscheinlich 
hatte Hans von Hastenfeld bei dem Vater doch nicht 
die Nachsicht gefunden, die er sich erhofft haben mochte. 
Und diese Annabme trieb Fritz von Hastenfeld wie¬ 
der vom Felde zurück. 
Er wollte Gewißheit haben; er wurde auch von 
einer Unruhe geauält, denn er hatte dem Bruder ge- 
genüber mehr'gedroht, als der Wahrheit gleichkam. 
Auf der Treppe begegnete er Klara von Hasten¬ 
feld. 
„Weißt du es? Hans war hier gewesen." 
(Fortsetzung folgt.)
	        
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