•511. 59.
Freitag, den \2. Mär; (0(5.
Ful-aer Zeitung
2. Blatt
Drcd der 5«lda«r Liiiendruikertl in Hulda.
Ja scMe ttskti.
vtd. Gr otz es Kau Pt quartier, 11. März
1915, vormittags. (Amtliches Telegramm.)
Westlicher Kriegsschauplatz:
vtb. Ern englischer Flieger warf über
Menin Bomben ab. Erfolg hatte er
nur mit einer Bombe, mit ver er sieben
Belgier tötete unv zehn verwun¬
dete.
Die Engländer griffen gestern unsere
Stellungen bei Neuve Capella an, sie
drangen an einzelnen Stellen in das Dorf
ein. Ter Kampf ist noch im Gange. Ein
englischer Vorstotz bei Givenchh wurde
abgeschlagen.
In der Champagne richteten die
Franzosen zwei Angriffe gegen den Wald¬
zipfel, östlich von Souain. aus dem sie
vorgestern geworfen waren. Beide An¬
griffe wurden blutig abgewicsen.
Die Kämpfe um den Reichsacker-
kopf in den Vogesen wurden gestern
wieder ausgenommen.
Oestlicher Kriegsschauplatz:
Westlich von Ser es e nahmen wkrde»
Russen GOO Mann, drei Geschütze und
zwei Maschinengewehre ab.
Ein erneuter Durchbruchsversuch der
Russen südlich von Augustow endete mit
der Vernichtung der dort eingesetz¬
ten russischen Truppen.
Im Kampf nordwestlich Ostrolenka
blieben unsere Truppen siegreich. Die
Russen ließen sechs Offiziere, 900
Mann und acht Maschinengewehre
in unseren Händen.
Unsere Angriffe nördlich und nordwest¬
lich von Prasznysz machten weitere
Fortschritte.
Im Kampfe nordwestlich Nowe Mi-
asto machten wir wieder 1660 Gefan¬
gene.
Oberste Heeresleitung.
Die Verbreitung dr r Heiligen Schrift.
Ein: der ersten Regierungshandlungen des ge-
aegenwärtigen Papstes war ein Schreiben an Kar¬
dinal Caffetta, den Vorsitzenden der zur Verbreitung
des Evangeliums gegründeten Gesellschaft vom hl-
Hieronymus. Mit Freude wies Papst Benedikt XV-
in diesem Schreiben darauf hin, daß er an der Grün¬
dung dieses Unternehmens beteiligt war und es seit¬
dem auf alle Weise förderte. Er nannte die Aus-
breitung der hl. Evangelien eine „über¬
aus nützliche Arbeit zur Heranbildung der Seelen in
der christlichen Vollkommenheit", er wünschte Glück
zu dem „herrlichen Werke" und lobte den Eifer, mit
dem die genannte Gesellschaft „in den letzten Jahren
die Ausgaben der hl. Bücher mit immer größer:m
Erfolge und stets besserer Ausstattung in die Oeffent-
lichkcit gebracht habe".
Auch in der ersten Enzyklika des hl. Vaters Papst
Benedikt XV. sind die Hinweise auf die Lehre Jesu
Christi als den Urquell christlicher Lebensauffassung
in so frischer, unmittelbar aus dem Evangelium ge¬
schöpfter Form vorgetragen, daß Prof. Tr. Göller
in seiner in der „Köln. Volksztg. über die Enzyklika
erschienenen Artikelserie sagen konnte:
„Unwillkürlich erinnert man sich bei diesen AuSfüh.
rungen der schon von anderer Seite erwähnten Tat-
fache, daß Benedikt xe. seit Jabrcn der treibende Faktor
in den Bestrebungen für die Ausbreitung des Evange¬
liums, die Verbreitung des mit entsprechendem Kom-
Jas Sdsidiial Derer uon WenseA.
4] Kriegsroman von Matthias Blank.
Fritz von Hasienfeld antwortete ausweichend:
„Ich komme eben vom Felde zurück."
- „Ich weiß nicht, wann er gekommen ist. Ich
war eben in meinem Zinrmer und saß im Erker bei
einer Handarbeit. Man kann dabei zu den alten
Kastanien im Hofe hinuntersehen. Und da sah ich
Hans in größter Eile aus dem rückwärtigen Ausgang
herauslaufen und über d:n Hof eilen. Er mußt: also
die schmale Wendeltreppe heruntergekommen sein. Ich
rief seinen Namen, während ich mich aus dem Erker
beugte. Aber Hans schien sich in einer derartigen
Erregung zu befinden, daß er mich gar nicht hörte.
Er rannte ans dem Hofe, trotzdem ich ihm noch zwei¬
mal nachrief."
Tie beiden standen einander gegenüber und di-
dunklen Augen von Klara von Hassenfeld blickten for¬
schend auf 'das sonnverbrannte Gesicht des älteren
Vetters.
Aber -Fritz von Hassenfcld verlor seine Ruhe nicht.
„Die Wendeltreppe? Dann war er wohl nur b:im
Vater gewesen?"
„Tu! Hast du dein Versprechen nicht gehalten?
Hast du dich so feige gerächt, weil ich dem Verlang-«
«blehncn mußte, weil ich nicht be'.ichcln kann, was
ich nicht empfinde? Hast du deinen Bruder dem
Vater verraten?"
„Wenn Hans zum Vater gekommen war, dann
wird er es wohl selbst zugestanden haben/
„Aber du hattest diesen schon verständigt."
Kaum ein sekundenlanges Zögern folgte; dann
erklärte Fritz von Hasienfeld mit zusammengeschobe-
nen Brauen:
„Nein! Ich höre nur wieder, wie du mir iede
Schuld ausdürden möchtest, um den anderen besier
zu machen. Vielleicht ist das, was wir wissen, n ch
nicht alles, was Hans zu gestehen hatte. Ich werde
zu d-m Vater gehen."
Und dann ging er an Klara Hassenfeld vorbei.
Diese war zurückgeblieben.
mentar «ersehenen Textes der Heiligen Schrift unter
dem Volke ist." . „
Auch in Deutschland gilt eS *mn< bcn Herzens¬
wunsch des Papstes durchzuführen und mit noch gro-
ßerem Nachdruck, als dies bisher geschah, die Heilige
Schrift in geeigneten Uebersctzungen u«t:r dem -olke
zu verbreiten. Es waren in den letzten Monaten
mancherlei Anregungen von verschiedenen Seiten ge¬
geben worden, ohne daß die Tat gefo gt war. Auch
hier hat der Krieg fördernd eingegriffen und macht-
voll vorwärts gedrängt, was son t viulinmt n^ch
Jahre zur Entwickelung gebraucht batte. DaS Be-
dürfniS nach einer billigen A u s g a b e des
Neuen Testamente-, die zur Masscnverbre,.
tung geeignet ist. wurde besonders lebhaft empfunden
gegenüber der regen Tätigkeit der Protestanten feit
dem Beginn des Krieges. Hierzu schreibt die ,FoI».
Volksztg." (Nr. 197) das Folgende:
Ter richtige Weg zur Ausführung des gerade letzt
so dringend empfundenen Wunsches wu^e in Trier
gefunden. Dort hatte der Hochverrate Bibelforscher
Prof. Jakob Ecker, den leider der Tod viel zu früh
seine eifrige Tätigkeit abbrechen ließ, als'n -^b:ns-
werk eine kathol. Bolksbibel zum Abschluss« geführt
Tiefe Bolksbioel ist eine glänzende Leistung, die wie
keine andere den Zweck, die Bibel dem Volke n^b.r
zu bringen, erreicht. Die Eigenart der sprachlichen
Wiedergabe, die nicht nur den Geist des -^riginal-
tertes durch innige Einfühlung erfaßt, sondern sich
auch durch eine seltene Schönheit und Eindnnglich.
kcit des Ausdrucks auSzeichnet, fand beim ersten Er-
scheinen des Werkes begeistertes Loh. Die bewege
ben'n Anmerkungen wahren di: katholische Tradition
der Bibelcregese, sind von tiefer Frömmigkeit erfüllt
und eignen sich durch ihre packende, volkstümliche
Sprache in hohem Grade für eine Volksausgabe der
Heiligen Swrift. Leider hat der hohe Preis eine
größere Verbrntung dieses bedeutsamen Werkes bis¬
her allzusehr erschwert.
Rach dem Tode des Verfassers ging daS Eigen-
rumsrecht an dieser Bibelausgabe nach seiner letzt-
willigen Persüguna aus den Bischöflichen Stuhl rn
Trier über. Der Bischof von Trier, Dr. wt. F. K v-
rum. hatte schon früher in hochherzigster Werse um
das Zustandekommen dieser Dibelausgab: sich be¬
müht. Seiner Miwirkung ist es nunmebr auch zu
verdanken, wenn zunächst das Neue Testament,
in einer billigen Volksausgabe zur Massenverbrei¬
tung hergestellt werden kann (Trier, Mosellaverlag).
Das Trierer Priesterseminar hatte eS mit lobens¬
wertem Eif:r übernommen, für die entsprechende
Bearbeitung Sorge zu tragen, und so kann in den
nächsten Tagen eine handliche Ausgabe des Neuen
Testamentes erscheinen, die auch durch ihre Sichere
Ausstattung (Taschenformat mit biegsamem Ein-
band) und ihren Preis (50 Pfennig) die vom Papste
ausgesprochenen Wünsche verwirklichen dürft:. In
Sonderausgaben erscheinen auch (zum Preise von 15
Pfennig) die einzelnen Evangelien.
Der unter dem Protektorate des Kölner Erzbi¬
schofs. Kardinal von Hartmann, stehende B o r r o-
mäusverein wird es übernehmen, für Deutsch¬
land die Aufgaben einer Gesellschaft zur Verbreitung
der Evangelien zu erfüllen. Seine Geschäftsführer
werden sich gewiß mit allem Eifer dieser den Zielen
des Vereins so sehr entsprechenden Arbeit widmen.
Der Borromausverein wird in der gegenwärtigen
Zeitlage zunächst dafür sorgen müssen, eine möglichst
große Zahl dieser Taschenausgaben des Neuen Testa-
menteS unter unseren katholischen Kriegern im Felde
und in den Lazaretten zu verbreiten. Möge der Er-
folg ein durchschlagender sein. Schon jetzt verdienen
aber die eifrigen Förderer dieses einem Lieblings-
Wunsch des Heiligen Vaters entsprechenden Unter¬
nehmens, welche Trier zum Ausgangspunkte dieses
so zeitgemäßen Werkes machen, ganz besonders der
Oberhirte der Trierer Diözese, den Dank aller deut¬
schen Katholiken.
flu$ Uirche und Schule.
DaS Grabmal PinS X. Das Grabmal PiuS X.
ist kürzlich seiner Vollendung entgegengeführt worden.
Es ist sehr bescheiden und einfach, so wie es der ge¬
wesen, dem dieses Grabmal gewidmet ist. Die la¬
teinische Inschrift auf dem Grabstein lautet: „?i»s
Papa X. — pauper et dives — mitis et humilis corde
— rechne catholicae vindex torti* — instaurare om-
nia in Christo — sat ngens — pie nbiil die XX. Au-
gusti A D.MCMX1V.“ Zu deut'ch: „PapstPiuS X., arm
und reich, milde und demütig von Herzen, starker
Woran sollte sie nun alauben? Sie hatte das
Gesicht von Hans von Hassenfeld gesehen, in dem
Zorn und Erschrecken zugleich zu eckeuncn waren.
Jedenfalls war er von einem Begegnen mit seinem
Vater gekommen. Aber warum halte er erst nicht
nach dem Bruder gefragt?
Oder sollte dieser seine Zusage gebrochen haben?
Sie hatte ja den Haß und seine ganze Leiden¬
schaftlichkeit erkannt, den Fritz vo>, Hassenseid gegen
de« Bruder empfand, den er überall vom Schicksal
begünstigt wähnte. Dabei loderte in Fritz v. Has-
senfeld wohl auch noch die Eifersucht.
Mit Recht?
Klara von Hasienfeld wollte sich selbst daraus
keine Antwort geben.
Langsam kehrte sie zurück, um wieder ihr Zim¬
mer aufzusuchen, wieder den stillen Erker, in dem
sich leicht darüber grübeln und träumen ließ.
Eben bog sie nach dem Seitenkorridor ein, als
sie ihren Namen rufen horte.
Fritz von Hasienjeld kam anscheinend in größter
Bestürzung und Verwirrung dahergceilt.
„Was ist geschehen?"
„Es soll sofort der Arzt kon.meu! Sofort! Ter
Vater ist tot!"
„WaS! So schnell?"
„Ich trat ganz leise in das Zimmer, um schl'eß-
sich den Schlaf des Kranken nicht zu sttren; er lag
in seinem Lehnstuhle. Er schien auch wirklich zu
schlafen. Aber da erschrecke mich der weit offene
Mund und das graue, verfallene Gesicht- Ich griff
nach der schlaff herniedrrhängenden Ha d, die sich
eisigkalt anfühlte. Und da erst erriet ich die Wahr¬
heit. Er war tot!"
Tot! Hatte ihn Hanz noch lebend gesehen? Was
war dort vorgefallcn? Warum war Hans in solcher
Bestürzung fortgerannt? Und woran war der alte
Mann gestorben?
Ein Diener war erschienen, der Fritz von Has¬
senfeld sofort verständigte, damit er in einem Wa»
gen den Arzt aus der llecnen Stadt herbeibrächte.
Tann suchte Fritz von Hasienjeld mt Klara daS
Zimmer des Tote» auf.
Schirmer der katholischen Bewegung, dessen LebenS-
werk gewesen, alles in Christo zu erneuern, ist fromm
gestorben am 20. August des JahreS 1914."
Lokaler.
Fulda, 13. Mar; 1915.
(*) Ein« Sitzung der Stadtverordneten findet am
Montag, den 15. März d. IS. abends 'f>8 Uhr mit
folgender Tagesordnung statt: 1. Feststellung deS
Planes und KostennachweiseS über den herqestell-
ten westlichen Teil des Bürgersteiges in der Straße
„Hinter den Löhern" und Heranziehung der An-
Neger zu Beiträgen gemäß § 9 den K. A. G.
(Wohlaemuth.) 2. deSgl. wegen des östlichen Straßen-
teiles. (Wehncr.) 3. Nachbewilligung einer Etats-
Überschreibung bei der Armenverwaltung. (Kapp.)
4. desgl. bei der Schulverwaltung. (Plappert.) S.
Mitteilung deS Magistrats auf den Beschluß der
Stadtverordnetenversammlung betr. Bestellung de»
Irrgartens. (Kircher.) In geheimer Sitzung kommen
folgende Punkte zur Beratung: 1. Befristung eine»
Zinsrückstandes. (Singer.) 2. Grundstucks-Tausch-
vertrag. (Keil.) .
0 Die Ausnutzung der Wasierkraft« am Main.
Wie bekannt, besteht die Absicht, den bei Durchführung
der Kanalisierung stark zu stauenden Main zur Er-
zeugunq von elektrischer Energie zu benutzen
und in Verbindung mit der Edertalsperre einen
großen Bezirk mit ihr vorteilhaft zu versorgen. Es
wird damit gerechnet, aus dem Stauwasser deS
Mains an den hier in Betracht kommenden drer
Staustufen etwa 20—24 Millionen Kilowattstunden
jährlich zu gewinnen und sie zu einem billigen
Preise abgeben zu können, da sich die Anlage- und
Erzeugungskosten niedrig stellen werden. Um die
Angelegenheit weiter zu fördern und zu erörtern,
ist vorgestern in Fulda in Gegenwart des Re¬
gierungspräsidenten Grasen Bernstorff eine Kon¬
ferenz von Vertretern der Stadt- und Landkreije
Hanau, Gelnhausen, Schlüchtern, Fulda und Hün-
feld abgehalten worden, bei der Ministerialdirektor
Peters vom Ministerium der öffentlichen Arbeiten
in Berlin den Vorsitz führte. Aus den gegebenen
Darlegungen ging hervor, daß dem preußischen
Landtage in seiner nächsten Tagung eine entsprechende
Vorlage über das Projekt unterbreitet werden soll.
Es steht außer allem Zweifel, daß in Verbindung
mit der Fortführung der Mainkanalisation von
Offenbach bis Aschaffenburg daS in Aussicht ge¬
nommene großzügige Werk für die industrielle Ent¬
wickelung eines umfangreichen Bezirks von größter
Bedeutung sein wird.
Äur dem Nachbargebiet.
X Aus dem Kreise Fulda, 11. März 1915, schreibt
man uns: In den Hanauer Blättern ist folgende
beachtenswerte Bekanntmachung zu lesen: „Mir
geben unseren werten Gästen bekannt, daß laut Ver¬
fügung vom 18. Februar 1915, Absatz 3 d:r Ver¬
ordnung, wir nicht in der Lage sind, Brot oder Bröt¬
chen ab 1. März 1915 an Gäste abzugeben. In-
nung der Wirte vom Stadt- und Landkreis Hanau.
Ter Vorstand." Ein gleiches Verfahren ist auch in
Berlin und Frankfurt a. M. eingeführt. Neulich
weilte ein Herr aus Fulda Geschäfte halber in letz¬
terer Stadt. In keiner Wirtschaft konnte er ein
Krümlcin Brot erhalten, bi» es ihm zufällig g--
lang, von einem Packträgcr eine Brötchen karte
zu erwerben. In Berlin fragen die Kellner die brot-
bcqchrenden Gäste höflichst nach der Brotkarte; ohne
dieselbe verabfolgen sie keine Brotwaren. Eine e, n-
heitlich: Regelung der Brot- und Brötchenab-
gäbe scheint uns sehr vonnöten zu sein.
* Schotten lVogelsbcrg) 9. März 191-,. Die
Schüler der hiesigen Realschule brachten in ganz
kurzer Zeit über 6000 Mark Gold zusammen.
* Herbstem, 9. März 1915. Ter Musketier
Heinrich Joseph Staubach von Herbstein wurde
mit der Heffischen Tapferkeitsmedaille ausgezeichent.
* Mendorf fl. W. 9 Mär; 1915. Der Vorstand
der Allgemeinen Ortskrankenkasse für den Amtsge¬
richtsbezirk ANendorf hat beschlossen, für die jetzt
ausliegende fünfprozenige Reichsanleihe 5 5 00
Mark zu zeichnen.
* Hann. Münden, 8. März 1915. Als gestern
ans dem hiesigen Babnbose ein Mi'tt'grtrcmspo t
rintraf, wurden im Zuge versteckt zwei kriegsbegei-
Tort sa'd sie den Toten, wie e» ihr Fritz von
Hasienfeld geschildert hatte.
Schweigend warteten sie; r» war, als wagte in
Gegenwart de» Toten keine» irgendwelche Frage.
Neben dem Krankenstnble. in den der seit m-hre-
ren Monaten schon Gelähmte gebannt war, stand
auf einem Servicrbrett noch ein halbgefülltes Glas
mit einer milchigen Flüssigkeit. Es war dies der
Trunk, der dem 'Kranken vom Arzte vorgeschrieben
war.
Und bei dem Marten dächte Klara von Hasien-
feld nur an Hans.
Das mochte er mit dem Vater noch besprochen
haben?
Oder war er nur vor dem Toten gcffohcn?
Nein! Das war doch nicht möglich!
Da traf schließlich der Arzt ein, der den Kran¬
ken schon immer behandelt hatte.
Er begrüßte Fritz und Klara von Hasienfeld;
dann fügte er sogleich hinzu:
„Mir ist dieser plötzliche Top ein Rä scl. Ich
kannte doch da» Leiden des Kranken genau, dess n
Herz wohl etwas schwächlich war. Aber jo sch, eil
konnte der Tod nicht kommen."
Ter Arzt untersuchte die Leiche, wobei Fritz und
Klara von Heffenseld schwci end zuschautcn.
„Ein Herzschla-i!" er'lärte dann der Arzt, der
nun den noch im Glase zurückgebliebenen Trunk mit
der Zunge Prüfte. Aber kaum hatte er dies get'N,
als er sofort fragte: „Wer bat diese Stärkung sür
den Kranken immer bereitet?"
„Ter Kranke besorgte dies immer selbst."
„Auch diesnial?"
„Tann muß er von den Tropfen, die ich ver-
schricb.'n hatte, und die er in den Trank mischen
sollte, zu viele genommen haben. Das mußte für
den Kranken zu stark sein; er soll» nie mehr al<
sechs Tropsen nehmen."
„Sie glauben, daß der Tod darauf zurückzu-
füyrcn sein müßte?"
„Ja! Er bereitete sich also die Mischung immer
selbst?" t
,',Tann wurde er dar Opfer seines eigenen Irr-
<UMS. Ei« UnglückSjall war e' demnach. Ter zu
fierte jugendliche, etwa 15 Jahre alte A u -reiß er
entdeckt. Tem Transportführer vorgesuhrt erklärten
sie daß sie aus den Kriegsschauplatz wollten um
sürS Vaterland zu kämpfen, der Osfiz'.er aber lieh sie
nicht weitersahren, und so mußten sie wieder beim-
wärts nach S. ziehen. Beide Bengel hatten sich mrt
Lebensmitteln reichlich versehen, einer von ihnen
trug noch kurze Hosen: sie hinlerließen den Eindruck,
daß sie den nun mißglückten Versuch wiederholen
werden.
* Carlshafen, 9. Mär, 1915- Ter Militär-
pflichtige Sohn einer Mutter in Karlsruhe
erbat und erhielt von seiner Mutter bereitwilligst
die Erlaubnis, seine etwa 500 Mark bchaqenbe
Ersparnisse zur Zeichnung von Kriegsanleihe
verwenden zu dürfen. Auf einen solchen braven
deutschen Jungen kann das Vaterland stolz sein.
» Klein-Auheim, 8. März 1915. Daß Grund¬
stückseigentümer bei einer Enteignung mehr
erhalten, als sie selbst gefordert haben, kommt
auch nicht oft vor. Wie die Verhandlung einer
Klage deS Fabrikanten Jllert von Groß-Steinheim
vor dem Provinzialausschuß zu Darmstadt am
SamStag zeigte, ist das aber bei der hiesigen Ent-
eignung zur Eröffnung von OrlSstraßen der Fall
gewesen. Wie Jllert, hatten auch audere Grund¬
eigentümer in Klein-Auheim im Jahre 1911 de«
Quadratmeter zu 2 Mk. an die Gemeinde verkauft.
Tie Sache geriet aber in Vergessenheit und als im
vorigen Jahre enteignet wurde, sprach dieses Ver¬
fahren den Klein-Auheimer Grundbesitzern eine Ent-
schädigung von 3 Mark zu.. Nur Jllert war da-
mals nicht anwesend und erhielt so lediglich die von
der Gemeinde gebotenen 64 Pfennig pro Quadrat¬
meter. Inzwischen stellte sich auch heraus, daß der
in 1911 mit Jllert abgeschlossene Kaufvertrag un-
gültig war; er ist indessen nie von der Gemeinde
mit Jllert darüber verhandelt worden. Der Pro-
vinzialauSschuß gab darum auch der Klage des
Jllert auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
des Enteignungsverfahrens statt unter Verurteilung
der Gemeinde Klein-Auheim in die Kosten deS
Verfahrens.
* Offenbach a. M-, 9 Mär; 1915. Am vergan-
genen Freitag wurden einem hiesigen Sackhäudler
6 Zentner Weizenmehl zum Kaufe angeboicn. Ter
Unbekannte stellte dar Mehl dort ab, entfernte sich
und kam nicht wieder. Tie angestellten Ermittclun-
gen ergaben, daß das Mehl von dem Bäckerge-
seilen Michael Rackl und dem 17jäbrigen Lehrling
Heinrich Rosenberger bei einem hiesigen Bäckccmei-
ster gestohlen worden war. Beide Spitzbuben
wurden verhaftet.
lt. Frankfurt a. M., 9. März 1915. Der vom
Magistrat der heute abgebaltenen Stadtverordneten-
Versammlung vorgelegte Haushaltsplan für das
Geschäftsjahr 1915 steht in jeder Beziehung unter
den Wirkungen des Krieges. Verminderte Einnahmen,
große Steuer-Ausfälle, äußerste Sparsamkeit in^ allen
Betrieben und doch vielfach Verluste und schließlich
eine Erhöhnug der Steuern um zehn Prozent deS
bisherigen SaheS; unter diesen Zeichen ist der Plan
aufgestellt und wird voraussichtlich auch die Genehmi¬
gung der Plenums glatt erhalten. Das Ordinarium
der allgemeinen Verwaltung fordert 58976190 Mk.
(im Vorjahr 62312020 Mk.), das der Betriebsver¬
waltungen 76106570 Mk. (78082100 Mk.). Das
Extra-Ordinarium der Allg. Verwaltung erheischt
4 567 600 Tsik. (9 034 970 Mk.). Die Mindereinnahmen
an Steuern nach den atten Sätzen, sowie der Aus¬
fall an BetriebSüberschüssen betragen rund 5,1 M i l l.
Mk. Es müssen 2950000 Mk. gedeckt werden. Ein
Teil dieses Betrages ist durch Erhöhung des Zuschlags
zur Einkommensteuer von 136 auf 150 Prozent auf¬
zubringen. Die Kriegsteilnehmer Frankfurts mit
einem Einkommen von weniger als 3000 Mk. werden
von der Gemeindesteuer befreit. Alle Ausgaben, die
sich als besondere Kriegsmaßnahmen darstellen, wer¬
den zunächst außeretatsmäßig geführt und sollen durch
die Aufnahme einer besonderen Kriegsanleihe gedeckt
werden. Alle Ausgaben werden auf das Allernot¬
wendigste beschränkt. Geheimrat Dr. Friedleben er¬
klärte, daß die Stadt nach wie vor alles daransetzen
werde, um jegliche Not während des Krieges von den
unbemitrelten Bürgern fernzuhalten, und daß sie wie
immer bei der Erfüllung ihrer sozialen Pflichten an
der Spitze der deutschen Stadt marschieren werde.
* Herborn, 8. März 1915. Nach einer Anord¬
nung der Kre.sverwaltung dürfen b:s aus Welteies
Niehl, Brot und Backwaren im Tillkrerse nur auf
grund eine» Brot buch es gekauft und verlaust
starke Trunk hatte an da« Her, zu große AnfoOe-
rungen gestellt, weshalb ein Heczschlag die Filge
war. Aber ich sehe eben, daß die Tropfen d-rt
drüben stehen, am Schreibtische- Tor, waren sie
doch sür den Kranken, der den Stuhl nicht verlassen
konnte, gar nicht erreichbar."
Für ein paar Sekunden herrschte ein tiefes
Schweigen; dann erklärte Fritz von Haffenseld
in seiner gewohnten Ruhe, die er Frentden gegen¬
über sie:§ zu zeigen verstand:
Als ich zum Toten herangetreten war und seine
kalte Hand suhlte, da batte ich dann das Fläschchen
dorchrn gestellt, denn es stand so nahe au° der Kante
des Cervierbrcttes, daß es leicht heruntergestoßen
werden konnte."
„Tonn ist der Fall sehr leicht erklärlich. Ich
werde in der Todesanzeige als Ursache einen Herz¬
schlag angeben. Daß der Kranke sich selbst den
Trunk aus einem Versehen zu stark zubercitete,
bleibt ja ohne Bedeutung"
Fritz von Hassenseid nickte zustimmcnd während
der Arzt au4 seiner Briejtasche bereits den Toten¬
schein hcrausnahm.
4- Kapitel.
„Weder daz Telegramm noch der Brief konnte
Hans v. Hasienfeld zugestellt werden; an dem glei¬
chen Abende, an dem er in seine Garnison zurück¬
gekehrt war, hatte er ein Abschiedsgesuch eingereicht
und in der nämlichen Nacht noch die Stadt verlas¬
sen- Aus den Aussagen seiner Vermieterin ging
hervor, daß er seine Reisetasche in höchster Eile ver¬
packte. Er gab weder ein Ziel noch eine Absicht
dieser überstürzten Abreie an. Sein Abschiedsgesuch
wurde genehmigt, „das nunmehr Ihnen nebst dem
unbestellbaren Telegramm und Brief zugesandt
wird, da Sie von dem Verschollenen wohl eher ir¬
gend eine Botschaft erhalten werden."
Soweit hatte Klara von Hasseuseld den Brief
des Regimentskommandeurs gelesen, den ihr Fritz
von Hassenfeld übergeben hatte, an den er gerichtet
worden war.
Daz sonst noch zu lesen war, waren höfliche Re¬
densarten. die aber selbst bedeutungslos waren
(Fortsetzung folgt.)