Full text: Fuldaer Zeitung (1915)

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lir. 62. erstes Blatt. Dienstag den 16. Hlörz 1915. 
42. Jahrgang. 
Preußischer Landtag. 
Herrenhaus. 
Das Herrenhaus trat nach längerer Pause am Mon¬ 
tag wieder zusammen, um den Etat zu verabschieden. 
Das Haus war außergewöhnlich gut besetzt. Unter den 
Mitgliedern des Hauses wurde vor allem der Gene¬ 
ralgouverneur von Belgien, General Frhr. v. Bis¬ 
sing, allseitig begrüßt. Auch der Eroberer Antwer¬ 
pens General v. B e s e l e r war erschienen, und nicht 
minder der Gegenstand allgemeiner Aufmerksamkeit. 
Zunächst wurde einer Reihe von Verordnun¬ 
gen, die durch den Krieg bedingt sind, die Zustimmung 
erteilt. 
Ueber die Verhandlungen der Finanzkommission des 
Herrenhauses berichtete GrafSe Y dlitz-Sandretzky, 
der in kurzen Worten die bewundernswerte Tapferkeit 
unserer Truppen zu Wasser und zu Lande, die unver¬ 
gleichliche Anpassungsfähigkeit der deutschen Landwirt¬ 
schaft an die neuen Verhältnisse hervorhob und den Or- 
ren der Selbstverwaltung hohe Anerkennung zollte. 
schloß mit der Versicherung: „Lieb Vaterland, mußt 
sparsam, kannst aber dann ruhig sein". 
Fürst Hatzfeld beantragte die cn bloc Annahme des 
Etats, worauf Staatssekretär Dr. Delbrück in kurzen 
Ausführungen betonte, daß das deutsche Wirtschafts¬ 
leben nicht, wie der französische Ministerpräsident Vi- 
viani gesagt habe, deroutiert, sondern auch für einen 
langen Krieg vollkommen organisiert sei. 
Der Etat wurde en bloc angenommen. 
Ohne Debatte wurden die 110-Millionen- 
Vorlage ftir Kriegsfürsorgebeibilfen an die Gemein¬ 
den und das Knappschafts -Kriegsgesctz angenom¬ 
men, ebenso der Antrag der Regierung auf Ver¬ 
tagung des Landtags bis zum^27. Mai. 
Tann hielt Präsident v. Wedel die Schlußrede, in der 
er vor allem gegen den englischen Aushungerungs¬ 
plan scharfe Worte fand und mit patriotischem 
Schwung der festen Zuversicht auf siegreiche Beendi¬ 
gung dieses Krieges Ausdruck gab. Nach den unge¬ 
heuerlichen Opfern dieses Krieges könne Deutschland 
das Schwert aber erst in die Scheide stecken, wenn es 
gegen zukünftige Ueberfälle gesichert sei. Eine Aus¬ 
einandersetzung über die Art dieser Sicherung und' 
damit der deutschen F ri e d en s b e d i n g u n g e n 
lehnte aber Präsident v. Wedel unter lebhafter Zu¬ 
stimmung und mit der Erklärung, von zahlreichen Mit¬ 
gliedern des Hauses dazu ermächtigt zu sein, als den 
deutschen Interessen nicht förderlich, ab. Mit der Ver¬ 
lesung der Vertagungsorder schloß die Sitzung.^ 
Keine Zerrüttung, 
sondern frische Entfaltung! 
So möchten wir ohne Fremdwörter das ausdrücken, 
was der Vizepräsident des Staatsministcriums am 
Montag im Herrenhause durchschlagend feststellte 
gegenüber dem Gerede oes französischen Ministers 
Viviani von der „völligen wirtschaftlichen und finanzi¬ 
ellen Deroute" Deutschlands: 
„Wir sind nicht deroutiert, sondern organisiert, 
vom ersten bis zum letzter! durchglüht uns zusammen¬ 
gehalten von dem Gedanken, daß der Krieg, den wir zu 
Hause zu führen haben, mit demselben Erfolg geführt 
werden muß, wie der Krieg unserer Truppen an der 
Grenze, erfüllt von der Ueberzeugung, daß es uns ge¬ 
lingen wird, auch an unsere Fahnen den Sieg zu heften, 
wie er unseren Truppen bisher beschieden gewesen >it 
und weiter beschieden sein wird." 
Die bodenlosen Auslassungen der Franzosen gaben 
einen erwünschten Anlaß, auch im Herrenhause noch 
vor Schluß der Landlagstagung die wirtschaft¬ 
liche Wehrtüchtigkeit Deutschlands zu betonen, 
die vorige Woche im Re ichstage durch die umfassende 
Rede des Schatzsekretärs im einzelnen beleuchtet wurde. 
Unsere Feinde wünschen nichts sehnlicher, als un¬ 
sere wirtsckaftliche Zerrüttung. Sie haben sich ein¬ 
gebildet, daß sie durch die Handelssperre gegen 
Deutschland dieses Ziel erreichen könnten. Die Tat¬ 
sachen beweisen handgreiflich die Erfolglosigkeit dieser 
Taktik. Aber was kümmert sich ein phantastischer 
Franzose oder ein verbissener Engländer um Tat¬ 
sachen der Wirklichkeit? Sie lügen das Blaue vom 
deutschen Himmel herunter und rechnen darauf, daß 
ihre Landsleute ja doch den wahren Stand der Dinge 
in Deutschland nicht erfahren. Von dem, was die 
deutschen Zeitungen berichten, glaubt das verhetzte 
Volk immer das gerade Gegenteil, und wenn einmal 
kin neutraler Beobachter Zeugnis ablegt von dem 
guten Stand des Handels und Wandels in Deutsch¬ 
land, dann wird das sorgsam den Lesern vorenthalten 
oder doch in einer Flut von neuen Verleumdungen 
ertränkt. Die feindliche Welt will betrogen sein und 
wird also mit einer bisher unerhörten Ausgiebigkeit 
betrogen. Wortgefechte gegen die Lügen helfen nicht. 
Wir müssen den Hexensabbat des Irrtums und 
Hasses sich austoben lassen, bis unsere durchschlagen¬ 
den Erfolge wie ein ausräumendes und aufklärendes 
Donnerwetter über die Stätte und die Opfer der 
Lüge hereinbrechen. .. 
Inzwischen können wir den Ernuchterungsprozetz 
verarbeiten durch die Bekundung unserer wirt¬ 
schaftlichen Gesundheit und Kraft bei einer geeig¬ 
neten Gelegenheit, wie z. B. jetzt ber der Zeichnung 
auf die zweite Kriegsanleihe. Wir wollen 
unser Licht nicht unter den Scheffel stellen. Keine 
Re ist amezseichn ungen, aber angemes¬ 
sene Zeichnungen, die der Leistungsfähigkeit des 
Volkes entsprechen. 
Auch aus dieser finanziellen Probe soll das Aus¬ 
land, das noch offene Augen hat, die Erkenntnis 
schöpfen, daß wir uns wirklich nicht in der angeb¬ 
lichen Zerrüttung befinden, sondern in frischer 
Kraftentfaltung. Dieser Eindruck kann aber nur 
erzielt werden, wenn das ganze Volk, auch in 
seinen breiten Schichten, sich an der Sacke beteiligt. 
Täglich werden Millionen oder Hunderttausend« 
von dieser oder jener Gesellschaft oder Persönlichkeit 
gezeichnet. Das ist schön und erbaulich. Rur darf 
daraus nicht etwa der Eindruck geschöpft werden: 
„Die reichen Leute werden es schon machen, auf 
meinen kleinen Beitrag kommt es nicht an!" 
Rein, auch die kleinen Zeichnungen sind notwen¬ 
dig. Erstens um die Summe recht hoch zu mache». 
da auch die Masse von Hunderten und Tausenden 
zu Milliarden anwächst, und zweitens um den Be¬ 
weis zu liefern, daß das deutsche Volk auch in fernen 
mittleren nd brettern Schichten sich wirt¬ 
schaftlich wohl befindet und im zweiten Halbjahr 
des „Hunqerkrieges" noch Geld zum Ausleihen hat. 
Jetzt ist es noch Zeit, durch kleine Zeichnungen 
SU dem großen finanziellen und moralischen Erfolge 
beizutragen. Tue jeder in der letzten Stunde das 
seinige, damit die Welt erkenne, daß Deutschland 
sich nicht in Zerrüttung, sondern in frischer Krast- 
fülle befindet. 
Die Kriegslage. 
Nachdem es den Engländern nicht gelungen ist, 
weiter als bis Neuve Chapelle vorzudringen, 
verhalten sie sich augenblicklich wieder einmal ruhig. 
Daß sie bald wieder neue Vorstöße zu machen be¬ 
absichtigen, ist nicht zu erwarten, da ein Frenchscher 
Bericht betont, daß die Deutschen große Verstärkun- 
gen erhalten hätterr und däß sehr starkes Artillerie- 
feuer eingesetzt hätte. Wenn man diesen Bericht 
näher unters Licht zieht, hätte es wohl heißen müs¬ 
sen, daß die Engländer gegen unsere Truppen nicht 
vorwärts kommen und daß unsere Artillerie der 
ihrigen überlegen ist, trotz des prachtvollen Haig- 
schen Armeebefehls, den wir gestern veröffentlichten. 
Man hört jetzt wieder viel von Borwürfen, die in 
England den Führern gemacht werden. Eine große 
Rolle spielen darin wiedcruni unausgebildete Trup¬ 
pen, die an den Feind herangeschickt worden sind- 
Auch wird viel davon gesprochen, daß sehr viele 
Mannschaften — von 1000 etwa 400 — desertierten 
wollen- Wenn solche Zustände tatsächlich im eng¬ 
lischen Heere herrschen, dann muß allerdings der 
Oberkmmandierende zu solchen großsprecherischen 
Lügen greifen, um seine Leute überhaupt an den 
Feind heran zu bekommen. Inzwischen haben un¬ 
sere Truppeir zu einem Angriff auf eine von Eng¬ 
ländern besetzte Höhe südlich von D p e r n angesetzz, 
der gute Fortschritte macht. Auch in der C h a m - 
P a g n e flackerten wieder Teilangriffe auf, die 
mühelos abgewiesen wurden. In den B o g e s e n 
wurden die Kämpfe, nachdem besseres Wetter ein¬ 
getreten war, wieder ausgenommen, die noch fort¬ 
gesetzt werden, ohne daß eine Entscheidung bereits 
erzielt ist. 
Der Besitz der Stadt Prasznysz muß den 
Russen außerordentlich wichtig erscheinen. Kaum 
daß unsere Trulppen wieder näher heran gekommen 
sind, ziehen sie von allen Seiten Verstärkungen her¬ 
an, mit denen sie Angriffe unternehmen. Aber auch 
die starken Kräfte nützten ihnen nichts; unter schwe¬ 
ren Verlusten wurden sie zurückgeschlagen. Die 
Zahl der Gefangenen in dem neuerlichen Karnpf 
von Augustow hat sich auch wieder bedeutend 
erhöht. Im ganzen sind hier jetzt 5400 Gefangene 
gemacht worden. 
Aus dem großen Hauptquartier fft ein Bericht 
über den neuerlichen R ückzug der neugebil- 
d e t e n 10. Armee herausgegeben, der wie alle 
Bericht.' aus dem- großen .Hauptquartier sehr inter¬ 
essant ist. Besonders bemerkenswert ist darin die 
auch von uns bisher vertretene Auffassung, daß 
unsere Führung keinerlei Interessen an dem Besitz 
der nördlichen Provinzen Rußlands hatte und daß 
sie auch nicht beabsichtigte, sich vor der mit Beton 
ansgebauten Bobrlinie und den Forts der Festung 
Groono festzulegen. Deshalb wutde auch nach Ber¬ 
gung der großen Beute ein Rückzug zur Verwendung 
an anderer Stelle anaetreten. Als Folge dieses 
Rückzuges und als Folge der Beschießung verlasse¬ 
ner Stellungen wurden von dem neu ernannten 
General — General Sievers ist abgesetzt — groß: 
Siege ausposcumt. Ein weiteres sehr interessantes 
Moment, das die Größe der vorherigen Mederlage 
und die Furcht vor der deutschen Strategie bezeich¬ 
net, ist, daß nicht nur der bedrohte Flügel der Rus¬ 
sen, sondern eine ganze feindliche Armee, die sich auf 
einer Frontlinie von fast 50 Kilometer zum Angriff 
ausgebaut hatte, zum schleunigsten Rückzutz Vervn- 
laßte. 
Der Krieg im besten. 
Die französischen Kriegsberichte. 
wtd Paris, 14. März 1915. Am Sonntag wurden 
folgende amtlichen Berichte veröffentlicht: Nachmittags. 
Die belgischen Truppen fahren fort, am Knie der 
Äser Fortschritte zu erzielen. Ihre Artillerie, unter¬ 
stützt durch unsere schwere Artillerie, hat einen von den 
Deuffchen auf dem Friedhöfe von Dixmuiden her¬ 
gerichteten Stützpunkt zerstört. Der Feind hat Apern 
beschaffen, wobei es unter der Zivilbevölkerung mehrere 
Opfer gab. Die Deutschen haben auch die Kathedrale 
von So is so ns und das angrenzende Viertel beschos¬ 
sen. Nördlich von Reims gegenüber dem Walde von 
Luxemburg hat der Feind versucht, sich eines unserer 
vorgeschobenen Schützengräben zu bemächtigen, wurde 
aber zurückgeschlagen. Daraus wurde Rei.ns bombar¬ 
diert. In der Champagne haben wir gegen Ende 
des 13. März zwei Gegenangriffe zurückgeschlagen und 
bei der Verfolgung des Feindes mehrere Schützengrä¬ 
ben genommen. In einem von ihnen haben wir etwa 
100 Tote und Kriegsmaterial gefunden. In den Ar¬ 
gon n e n versuchte der Feind beim Four-de-Paris ge¬ 
gen unsere Linien vorzugehen, wurde ledow glatt auf- 
gehalten. In Lothringen haben unse.e Vorposten 
Embermenil (etwa 13 Kilometer östlich von Lunevillel 
besetzt. In den Vogesen nur Artillerrekawpfe. — 
Abends: Ein englisches Geschwader hat Westende 
bombardiert und Erfolge erzielt. Der von der englischen 
Armee bei Neuve Chapelle davongetragene Erfolg 
ist so gut wie vollständig. Sie ist auf ein-r Front 
von ungefähr 3 Kilometer ungefähr 1200 bis 1500 Meter 
vorgerückt und hat nacheinander drer Schützengräben- 
linien und eine starke Erdbefestigung genommen. Südlich 
von Neuve Chapelle wurde ein von den Deutfcken mit 
großer Heftigkeit ausgesührter Gegenangriff zurückge¬ 
worfen. Der Feind hat Verluste erlitten. Die englische 
Artillerie» die Feldartillerie wie die schwere Artillerie, 
baden die kräftige Aktion der Infanterie sehr rrurksam 
vorbereitet und unterstützt. In der Champagne 
haben wir unsere neue Front durch einen Fortschritt cm 
verschiedenen Punkten befestigt und haben sicheren Fuß 
gefaßt auf den von uns dem Feinde entriffenen Käm¬ 
men. In den Argon nen haben wir uns zwischen 
Four-de-Paris und Bois Bolante 300 Meter Schützen¬ 
gräben bemächtigt und dabei Gefangene gemacht, dar¬ 
unter mehrere Offiziere. Der Feind hat tagsüber zwei 
Gegenangriffe ausgeführt, wurde jedoch zurückgeschlagen. 
Aus den Maashöhen bei Chamois haben die Deut¬ 
schen einen Angriff ausgesührt, der glatt durch unser 
Feuer aufgehalten wurde. Das gleiche ist der Fall ber 
Chamois, nördlich von Badonviller. 
Ein englischer Kriegsbericht. 
wtb London. 15. März 1915. Das Kriegsamt 
teilt mit, daß der Feind am Samstag nachmittag 
einige Gegenangriffe machte, die jedoch alle 
abgeschlagen worden sind. Am Sonntag morgen sei 
ein Zug an der Station Don durch englische Flie¬ 
ger zerstört worden. Die Zahl der in englische Ge¬ 
fangenschaft Geratenen sei jetzt auf 1720 gestiegen. 
Ei« Beispiel für die französischen Berlustzifsern. 
Gelegentlich einer Feierlichkeit in der „Ecole 
normale" (eine Art akademisches Stift) sagte, wie 
der „Temps" mftteilt, deren Direktor Ernest La- 
visse. Von 200 Schülern, die wir an der Front hat¬ 
ten, fast alles Offiziere, sind 45 tot, 12 vermißt, 74 
verwundet und 25 gefangen. Von 200 Menschen 
sind also 156 ausgeschieden! 
Wie Rotre Dame de Lorette genommen wurde. 
London, 14. .März 1915. Der „Daily Chronicle" 
erzählt über die Kämpfe bei Notre Dame de Lorette 
nach den Berichten eines Augenzeugen folgendes: 
Die Kapelle Notre Dame de Lorette lag auf der 
Spitze eines Hügels bn Ablain-Saint-Nazare 
nördlich von Arras. Diese kleine Kapelle ist seit vier 
Monaten der Schauplatz verzweifelter, immer wieder 
erneuter Kämpfe. Ich war ungefähr 2 Kilometer 
von der Höhe enffernt stationiert. Lilles war ruhig 
und die Truppen hatten in ihren Erdhöhlen Zuflucht 
gesunden, Plötzlich schwärzten dichte Rauchwolken den 
Himmel. Im selben Augenblick brach eine Reihe 
heftiger Explosionen aus, und die Erde 
bebte, als ob plötzlich ein Vulkan wenige Schritte 
von uns enffernt sich geöffnet hätte. Erde, Steine, 
.Holzstücke wurden nach aw'n Seiten, geschleudert und 
n auf ungeheure Enffernimgen nieder. Die 
Deuffchen hatten m der Rahe unserer ersten Lauf- 
gräben-Linie Minen gelegt und enorme Stollen 
m die Erde getrieben, durch die sie bis nah: an 
unsere Linien hevangekommen waren. Ms sich der 
Rauch vnzogen hatte, sahen wir, daß große Bre¬ 
schen in unsere Drahtsperre gerissen wor¬ 
den waren. Kaum war die Explosion verhallt, als 
die d e u t s ch e I n f a n t e r i e, die nur auf das An¬ 
griffssignal gewartet hatte, bereits ans der Höhe 
unserer Laufgräben erschien. Die Deuffchen stürzten 
in Massm aus ihren ersten Quergräben hervor, 
gegen die Stollen, die die Grenze unserer ersten 
Linien bildeten. Die Leute stürmten vorwärts und 
erreichten unter einem Hagel von fianzösischen Ge¬ 
schossen die Stollen, wo sie Schutz fanden. In dieser 
Zeit fielen unsere Truppen durch die engen Verbin¬ 
dungsgänge auf die zwette Linie der Laufgräben 
zurück. Die Deutschen erkämpften sich 
Schritt für Schritt. Es war ein furchtba¬ 
res Handgemenge, das die in unsere Vertei¬ 
digungslinie gerissenen Breschen in ein S ch l a ch t- 
h a u s verwandelte. Das ganz: Drama dauerte je¬ 
doch nur einige Minuten. Die Deutschen gaben sich 
nicht einmal die Mühe, die Stollen zu befestigen, und 
verfolgten unsere Leute in die engen Gänge. Es ge¬ 
lang ihnen, in unseren Gräben festen Fast zu fasten. 
Wieder kam es zum Handgemenge. Die .Kugeln flo¬ 
gen nach allen Richtungen; plötzlich warfen sie jedoch 
die Deutschen zur Erde, und zwei Maschinen¬ 
gewehre, die hinter ihnen verborgen waren, er¬ 
schienen auf der Bildfläche, die durch ihr hefttges 
Feuern die Franzosen auch zur Aufgabe der 
zweiten Verteidigungslinie zwangen. 
Zoll fiir Zoll wurde in den engen Gräben gefochten. 
Die französische Artillerie konnte nicht eingreifen, da 
sie sonst ebenso die Franzosen wie die Deuffchen nie- 
dergemacht hätte. Die Maschinengewehre wurden 
von den Deutschen bei ihrem Vordringen mit¬ 
geführt und halfen den deuffchen Angriff 
siegreich beenden. Infolge deS stürmischen Angriffs 
der Deuffchen und der beträchtlichen Stärke ihrer 
Streitmacht gaben die Franzosen die Position auf und 
fielen ans einen nahegelegenen Wald zurück, der leicht 
zu! verteidigen war. Die Nacht brach an. Tie Deut¬ 
schen eroberten die französischen Gräben und richte¬ 
ten sie zur Verteidigung ein. (ctr. bln.) 
Die Lage in Termonde. 
Der „Franff. Zig." zuwlge meldet die „Thd" 
aus Sluis: Die Verhältnisse in Termonde zeigen 
eine Besserung, und die höchste Not kann nun als 
behoben bezeichnet werden. Es sind nun wieder 
etwa 6000 Einwohner in der Stadt- Der Sitz des 
Gerichtes ist wieder nach Termonde zurückverleit 
worden' und im Militärhospital untergebracht, da 
das Justirvalais abgebrannt ist. Es wurde ein Aus¬ 
schuß gebildet, um den Wiederaufbau der zerstörten 
Häuser zu fördern. Den Einwohnern ist also vor¬ 
läufig geholfen und es.ist nur nötig, mit kleinen 
Hilfsmitteln zu arbeiten, (ctr. fft.) 
Der Kriee seien Basslnn! 
Der Rückzug der neuen russischen 10. Armee. 
wtb Aus dem Großen Hauptquartier wird uns 
über den Rückzug der neuen russischen 10. Armee das 
Folgende geschrieben: 
Rach dem Zusammenbruch der ruffischen 10. 
Armee in der „Winterschlacht von Masuren" und der 
Kapitulation im Fofft von Augustowo sammelten sich 
die Resje des russischen 3. Armeekorps unter den Be- 
festtgnnen von Olita, jene des 26. und 3. stbrische» 
Korps waren auf die Fesmng Grodno und hinter die 
Bobrlinie zurückgegangen, General Sievers, sei» 
Generalstabschcf sowie der kommandierende General 
des 3. Armeeorps wurden abgesetzt, drei neue Armee- 
korps, das 2., 3. und 15., nach Grodno herangezogen 
und die gelichteten Rechen der übrigen Korps mit 
Rekruten aufgefiillt. So enfftand neuerdings eine 
russische 10. Armee, die Ende Februar vergebliche 
Anstrengungen machte, die deutschen Truppen, die 
bis an die Bobrlinie und bis dicht an die Festung 
Grodno vorgerückt waren, zu vertreiben. 
Bei diesen Angriffen erlitten die Truppen des 
bei Tannenberg vernichteten, inzwischen neu anfge- 
füllten 15. Armeekorps, die in unbeholfenen dicken 
Angrifsskolonnen vorgingen, die schwersten 
Verluste. Es lag nicht in der Absicht, der deutschen 
Führung, dicht vor der mit Beton ausgebauten Bobr¬ 
linie und den Grodnoer Forts sich festzulegen und 
eine Anfftellung beizubehalten, die dem Feinde eine 
offene linke Flanke bot; es war vielmehr in Aussicht 
genommen, sobald wie irgend möglich, Operations¬ 
freiheit wiederzugewinnen. Vorher galt es jedoch! 
noch, die ungeheuere Beute zu bergen, die allenthalben 
in dem Fofft von Auguswwo zerstreut lag. Sobald 
diese Arbeiten einigermaßen beendet waren, leiteten 
die deutschen Truppen jene Bewegungen ein, die zu 
der beabsichtigten neuen Gruppierung führten. 
Der rechte Flügel nahm in der Richtung von 
Augustowo inzwischen vorbereitete Stellungen ein, 
andere Kräfte wurden an geeigneten Punkten ver¬ 
sammelt. Planmäßig wurden zunächst alle deuffchen 
Verwundeten einschließlich der Schwerverwundeten 
zurückgeschafft, auch wurden Kolonnen und Trains 
sowie Fahrzeuge aller Art usw. rechtzeittg zurückge- 
sandt, sodaß sich der Rückmaffch der Truppen trotz 
vereister Wege glatt vollzog. Dem Feinde blieben 
die deutschen Bewegungen völlig ver¬ 
borgen, ja, er belegte am Vormittag des auf un¬ 
seren Abzug folgenden Tages die ehemaligen deut¬ 
schen Stellungen mit Artilleriefeuer, genau wie an 
den früheren Tagen. Die deutschen Truppen hatten 
die geplanten Aufftellungen bereits eingenommen, 
als der russische Armeeführer, wie ans Aussagen ge- 
fangener Stabsoffiziere hervorgeht, einen Sieg 
atmenden Befehl erließ, in dem von großen Erfolgen 
auf der ganzen Linie die Rede war und durch den 
die Unterführer zu den „energischsten Verfolgungs¬ 
operationen" bis in den „Rücken des Feindes", den 
man bei Kalvaffa anzunehmen schien, angespornt 
wurden. 
In großer räumlicher Trennung setzten sich das 
3. russische Armeekorps von Simno aut 
das 2. Armeekorps von Grodno über Kopiowo-Sejny 
auf Krasnopol in Bewegung, die übrigen russischen 
Korps gingen durch den Fofft von Augustow vor, 
stießen hier aber sehr bald auf starken deuffchen Wi¬ 
derstand, den zu brechen den Russen nicht gelang, 
obwohl sie mit zwei- und dreifacher Ueberlegenheit 
an mehreren Tagen hintereinander die deutschen 
Stellungen angriffen. 
Am 9. März begann de deutsche Offen¬ 
sive gegen das aus dem russischen rechten Flügel 
Umgehende 3. Armeekorps. Als dieses sich plötzlich 
bei Lozdsieje und Swiento-Fezitory von Norden her 
in der Flanke bedroht und umfaßt sah, trat eS eiligst 
den Rückzug in östlicher und südöstlicher Richtung 
an, mehrere Hundert Gefangene und einige Ma¬ 
schinengewehre in unserer Hand lasiend. Durch die¬ 
sen Ruckzug gab der ruffische Führer die Flanke des 
benachbarten 2. Armeekorps frei, besten Kolonnen am 
9. März, wie unsere wackeren Flieger meldeten, Berz- 
niki und Giby erreicht hatten. Gegen dieses Armee¬ 
korps richtete sich jetzt die Fortsetzung der deutschen 
Offensive. Diese ouvchzuführen war wahrhaftig 
keine Kleinigkeü, denn es herrschten 11 und mehr 
Grad Kälte, und die Wege waren so glatt, daß 
Dutzende von Pferden aus Erschöpfung umstellen und 
die Infanterie nur 2—3 Kilometer in der Stunde 
zurückzulegen vermochte. Am 9. und 10. März kam 
es bei Sciny und Berzniki zum Kampf gegen den 
überraschten Gegner, besten Vorhut sich bereits zum 
Angriff in westlicher Richtung bei Krasnopol ent¬ 
wickelt hatte, und der sich jetzt gezwungen sah, nach 
Norden Front zu machen. Sciny und Berznin wur¬ 
den noch in der Nacht vom 9. zum 10. erstürmt, bet 
Berzniki zwei ganz junge Regimenter 
völlig aufgerieben, die beiden Regi¬ 
mentskommandeure gefangen genom¬ 
men. 
Der ruffische Armeeführer, der wohl eine Wieder¬ 
holung der Umsassungsschlacht von Masuren kom¬ 
men sah, gab am 10. März, die Aussichtslosigkeit 
weiteren Widefftandes einsehend, seiner gesam¬ 
ten Armee den Befehl zum Rückzüge. 
Bald konnten unsere Flieger die langen Marsch¬ 
kolonnen oes Feindes wahrnehmen, die sich auf der 
ganzen Linie von Gibh bis Sztatia durch den Fofft 
von Auguswwo in vollem Rückzuge auf 
Grodno befanden. Am 11. März besetzten unsere 
Truppen in der Berfolgungshcmolung Makarze, 
Froncki und Gibh; eine deutsche Kavalleriedivision 
nahm noch in der Nacht Kopziowo im Sturm, sie 
zählte dort allein 300 tote R uss en und üb e r 
5000 Gefangene, 12 Maschinengewehre 
und 3 Geschütze blieben in unserer Hand. 
Größere ernstliche Kämpfe hatten nicht statige- 
fiinden. Allein die Drohung mit 'einer kräftigen 
deutschen Umfassung hatte genügt, um nicht nur den 
bedrohten Flügel, sondern eine ganze feindliche Ar¬ 
mee, die sich ans einer Frontbreite von nickt weniger 
als 50 Kilometern zum Angriff ausgebant hatte, zum 
schleunigsten Rückzüge zu veranlaffen. 
Die Tragweite einer derarttgen Bewegung, ihre 
moralische Wirkung und die Einbuße an liegen¬ 
gebliebenem Mateffal aller Art, das nun zum 
zweitenmale den weiten Augustowocr 
Forst erfüllt, läßt sich zurzeit nicht übeff'ehen. 
Tie Räumung Warschaus vorbereitet. 
Aus Wien beffchtet die „Deutsche Tageszeitung«,: ' 
Bon den ans Warschau cruZgewi-nenxo Neffonerl^
	        
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