Full text: Fuldaer Zeitung (1915)

M. 66. 
zamrtaa. den 29. Mär; 1915. 
+> 
Fuldaer 
5. Blatt. 
Vrvck »« I»r»«er Lettendnxkrrel k» tznlbs. 
k 
Felvprevigt für die 
Deutschen zu Hanse. 
Ter katholische Feld-Tivisionspfarrer Dr. Metz, 
aer veröffentlicht in der „Ä- Vztg." eme „Feld- 
predig! für die Teutschen zu Haufe", tue eine rn 
Form und An geradezu vorbildliche Mahnung an 
die Kleinmütigen daheim richtet. Tie „jfclbprebtgt , 
die sicherlich die weiteste Verbreitung verdient, 
einer Nummer des Pariser -Matm"vo, 
Anfang Januar fand ich unter der Ueberschrist. 
„Ganz Deutschland ist niedergeschlagen^ ein paar 
Briefe aus Deutschland abgedruckl, as,cnbar von 
wehleidigen hysterischen Frauen an ihre kriegsge- 
fcmaencn Männer geschrieben. Mit vergnüglichem 
Behagen veröffcntlichle sie der „Matin". um seinen 
of enärr sehr leichtgläubigen Lesern zu beweisen, wie 
schlimm es in Deutschland aussehe, und wie die 
Niederlage Deutschlands nicht lange mehr aus sich 
warten lasten könne. 
Da ich die Briese las, überkam mich ein rechter 
Zorn über diese, um mit Alban Stolz zu reden, 
„einfältigen Weibsbilder", die durch ihre Klagen mit. 
helfen dem Feinde Mute zu machen. 9iun haben 
wir monatelang Krieg mit der halben Welt, über- 
fallen von Zivilisierten, Halb- und Ganzwilden in 
großer zahlenmäßiger Uebermacht - Und trotzdem 
haben wir unser heimisches Land fast ganz vom 
Feinde ftei halten können, ja wir stehen mitten drin 
tn Feindesland mit einer gewaltigen eisern « 
Mauer. Und zu Haufe leben wir im tiefsten Frie¬ 
den, haben, was wir brauchen, vieles fast im U.b:r- 
flutz. Das ganze wirtfchaflliche Leben geht mehr 
oder minder ruhig weiter; die Lebensmittel sind 
Verhältnismäßig wenig im Preise gestiegen. Und 
da kommen nun diese weiblichen Jammerlappen und 
heulen ihren Männern von dem „Elend" zu Haule, 
daß daS Petroleum rar ist und daß sie sonst noch 
ein paar kleine Unannehmlichkeiten zu tragen Hab.». 
Ist das nm,t wirklich eine Schande? 
Dieses Jammerlappentum ist leider keine ganz 
vereinzelte Erscheinung. Das kann nicht genug 
Zetern, wenn es einmal eine Leckerei nicht mehr fö 
eicht bekommen kann wie im Frieden, oder wenn 
es gar die Frühstücksbrötchen nicht wie bisher er¬ 
hält. Schämt ihr euch nicht, weinerlich zu klagen, 
weil euch nicht alle Bequemlichkeiten wie im Frieden 
zu Gebote stehen, zu klagen, indes eure Stammes, 
brüder draußen im Feld, oft alles vermissen, was 
das Leben angenehm macht und im fürchterlichsten 
Wetter in Regen und Sturm im Freien stehen müs. 
sen» der Lebensgefahr ständig ausgesetzt? Schämt 
ihr euch nicht, daß ihr gar keinen Opferst-n habt 
und alle Not des Vaterlandes allein die .Krieger 
draußen tragen lasten wollt? Nein, solches Gebren 
ist unwürdig und entehrend. Es gibt, Go t Da k, 
auch viele, sehr viele starke, tapfere heldenmü ige 
Frauen — ihr Schwachen, nehmt euch ein Beispiel 
an ihnen, und könnt ihr cs nicht ganz, so laßt euch 
wenigstens nicht gehen in gedankenlosen Klagen. 
Jemerlappen! Das sind weiter manche, "leider 
gewöhnlich wiederum weibliche Angehörige der Krie¬ 
ger im Felde, die Tag und Nacht tn Sorgen sind 
und klagen um ihre Männer und Söhne die drau¬ 
ßen stehen. Gewiß, es wäre unmenschlich, wen 
man verlangen wollte, die zu Hause sollten ganz 
ohne Sorgen sein um ihre Lieben im Felde- Aber 
jammern und klagen ist undeutsch und unchristlich. 
Undeutsch: die Liebe zum Baterlande verlangt die 
Bereitschaft zu jedem Opfer. Sind die Männer be¬ 
reit, ihr eigenes Leben dem Baterlande zu opfern, 
Jo müssen auch die Frauen bereit sein, das Leben 
threr Angehörigen, wenn es sein muß, der großen 
Sache zu opfern. Sonst sind sie chrer Männer und 
Söhne, ihres großen Vaterlandes nicht wert. Un¬ 
christlich ist klagen und jammern. Denn die Reli¬ 
gion fordert Starkmut und Geduld, Gottvertrauen 
und Gorterqebenhcit. Das Schicksal unserer Lieben 
im Felde ist in Gottes Hand. Das muß uns ge¬ 
nügen. 
Jammerlappen! Das Wort gilt auch euch un¬ 
männlichen Männern, die ihr kein Vertrauen und 
keine Zuversicht habt und darum in weibischer Zag¬ 
haftigkeit euch ängstigt. „Ez geht aber doch auch 
gar nicht voran." Das ist der Kehrreim bei den 
täglichen Klageliedern am Biertisch- Es peht nicht 
mehr im Sturmschritt voran, das ist gewiß. Aber 
als eine unüberwindliche Mauer trotzt unser Heer 
in Feindesland jedem Angriff. Ist das nicht vor- 
läufig genug? Laßt doch ruhig die Franzosen unsre 
starken Stellungen angreifen und sich daran die 
Köpfe blutig rennen! Sie verbluten sich noch daran! 
Wir können es ja ganz ruhig abwarte»; die Fran¬ 
zosen müffen angreisen, weil sie uns doch nicht im 
eigenen Lande stehen lasten können. Und nach 
einem wahren Wort Napoleons gibt es keine schlim¬ 
mere Lage für ein Heer, als die: angreife» müssen. 
Warum also klagen und jammern! 
Nein, wir habe« wirklich keinen Grund zum 
Jamern. Unsre militärische Lage ist gut. das wirt- 
schaftliche Leben ist weit bester, al- man es über¬ 
haupt hoffen konnte. Opfer im Verhältnis zu der 
Größe des Ringens hat uns der Krieg noch gar 
nicht gekostet. Renn Zehntel des Volkes haben vom 
Krieg und seinen Schrecken noch nichts spüren müs. 
sen. Und da wollen wir klagen? 
Und hätten wir Grund zum Jammern, wir hür. 
sen es nicht. Das deutsche Volk Hai den Fehdehand¬ 
schuh. den die halbe Welt ihm vor die Füße warf, 
ausgenommen mit heiliger Entschlossenheit und dem 
felsenfesten Vertrauen aus den Schirmherrn der Ge¬ 
rechtigkeit im Himmel. Das schloß den Willen in 
sich, alle Opfer aus sich zu nehmen, die der furcht¬ 
bare Krieg von einzelnen wie der Gesamtheit for¬ 
dert, um das teure Vaterland zu erhalten, dessen 
Ehre, besten Dasein bedroht war und ist. Ein 
Schauspiel für die ganze Welt war dieser einmütige 
kraftvolle Wille, den das deutsche Volk in jenen 
großen Augustlagen des ewig denkwürdigen Jahres 
1914 bekundete. Entehrende Würdelosigkeit wäre 
es, wenn dieser Geist uns jetzt schon verloren ginge. 
Das soll und darf nicht sein! 
Klagen und Jammern ist die Rattenfalle des 
Willens. Darf es aufkommcn, ja sich öffentlich hö¬ 
ren lasten so ist es bald um nufere Kraft geschehen. 
Und wir brauchen noch unsere Kraft. Di» Opfer, 
die bisher gebracht werden mußten, har die Allgc. 
meinheil noch kaum gespürt — man schaue nur ein¬ 
mal in eine unserer Großstädte und ihre Bergnü- 
gungslokale. Wir misten aber nicht, ob es nichi noch 
große Opfer zu tragen gilt, denn der Krieg ist «och 
nicht zu Ende. Das deutsche Volk muß seine Kraft 
erhalten, entschlosten sein, bis zum äußersten dnrch- 
zutzolten. so entschlossen wie in den Augusttaoen. 
Dann ist in der Tat Deutschland nicht zu über¬ 
winden. 
Ter Kaiser hat vor einigen Jahren eininal ge¬ 
sagt: „Dex nächste Krieg wird durch die Nerven 
entschieden." Ganz gewiß, bei diesem Weltkrieg 
wird es aus die Nerven vor allem ankommen, auf 
die Kraft des Willens, durchzuhallen trotz aller 
Opfer. Ein Nervengift, ein Willensgift wäre für 
unser Volk auch das Jammerlappentum. wenn wir 
e§ au stammen ließen. Darum muß es heißen: 
Deutsches Voll, werde hart, selsenhari in deinem 
Willen, dann bist du unbesieglich! 
18. Februar — 18. März. 
Von Vizeadmiral z. D. Kirchhofs. 
Ein Monat ist nun seit der Einleitung des 
scharfen Vorgehens gegen unseren schlimmsten Feind 
vergangen. Wir können nach allem zufrieden fern 
nirt den inzwischen erreichten Erfolgen! Trotz aller 
vorher und nachher getroffenen „Maßnahmen" haben 
die Engländer überall erhebliche Verluste zur See 
77 Zn Ganzen nach den neuesten Angaben der Ver¬ 
bündeten seit Kriegs beginn rund 200 Schiffe — zu 
verzeichnen gehabt, so des sie selbst nicht mehr vom 
„deutschen Bluff" zu r wagen. Aus dem von 
uns festgesetzten neue, und größeren „Kricgsqe- 
bret" haben unsere Unterseeboote wacker zu arbeiten 
verstanden und an einem einzigen Morgen z. B an 
den Hauptpunkten, d. i. an der Ostküste, im Kanal 
und m der Irischen See erfolgreich zu wirken ver¬ 
mocht. Wrr haben von vielen Verlusten unserer 
Gegner gchört, dahingegen nur von dem Bezwingen 
von zweien unserer tapferen U-Boote. Unablässig sind 
sie an Albions .Küsten tätig, die Schiffahrt stockt 
stellenweise, viele Tampsergesellschasten — auch viele 
neutrale — haben ihre Fahrten eingestellt, kurz und 
gut, unsere Drohung des verschärften .Kriegszustan¬ 
des „mit allen zu Gebote stehenden Kriegsmitteln" 
ist voll in Erfüllung gegangen. 
Auch die „ffiedliche Schiffahrt" hat sich's gemerkt 
und sich nach unseren Weisungen gerichtet. Die amt¬ 
lichen Einsprüche Neutraler sind wirkunqskos ver¬ 
hallt. man hat uns in aller Welt schon Recht gegeben, 
die Schiffahrtskreise der neutralen Staaten halten sich 
vielfach ganz zurück. Die leeren Drohungen, die von 
jenseits des Kanals zu »ns herübertönen, daß die 
gefangenen Besatzungen von Unterseebooten anders 
als die übrigen Kriegsoefangenen. ja einfach als Pira¬ 
ten und Seeräuber behandelt werden sollten, gehören 
zum heuchlerischen Wesen Großbitanniens. Geht 
Großbritannien demenffprechend bot, st, werden wir 
wissen, was wir zu tun haben! 
Unseren „U- Booten" haben deutsche und wohl 
auch englische Minen geholfen, unter der englischen 
Handels- und Kriegsflotte fernerhin aufzuraume». 
Biele, seit langer Zeit vorher gewarnte Handelsdam¬ 
pfer haben dran glauben müssen und mii ihnen oft 
ein großer Teil ihrer Bemannung: „ohne jede War¬ 
nung". wie unser Gegner sich zu äußern beliebt. 
* Alle Berteidigungsmaßregeln, ja was noch weit 
ill, alle feigen Täuschungs-Versuche 
mehr sagen wil 
und glorreichen „Kriegslisten" und sogar alle Mühen, 
derlei Nachrichten von deutschen Erfolgen zu ver¬ 
tuschen und trenn möglich ganz und gar zurückzu- 
halten, alle djese Bestrebungen haben nichts gefruch¬ 
tet. Unsere Erfolge übertresfen die gehegten Er¬ 
wartungen um so bester. 
Die Welt, zu der jetzt Alt-England nicht mehr 
ganz zu gehören scheint — denn der Engländer wird 
alles nicht gleich erfahren haben — das ganze Erden¬ 
rund sonst hat mjt Schrecken gchört, daß die deutsche 
Ankündigung des neuen Vorgehens zu See denn doch 
kein Hirngespinst, sondern Taffache und kräftig 
wirkend« Wahrheit ist. Wer weiß, wie viele Un¬ 
fälle und Erfolge außer den bekannt gewordenen 
etwa sonst noch eingetrcten sind. Bon einer größeren 
Zahl überälliger Dampfer berichten die fremden 
Blätter. Von Uebersee erhielten wir gleichzeitig 
günstige Nachrichten über das Versenken feindlicher 
Schiffe. 
Das Beste ist aber die Nachricht, daß es unsere» 
Unterseebooten geglückt ist, zwei englische Hilfskreu¬ 
zer und vielleicht auch einen oder stvei größere engli¬ 
sche Transportdampfer mit einigen tausend Mann an 
Bord zu versenken, natürlich ebenfalls «ach bar¬ 
barischer Hunnenart, „ohne vorherige Warnung und 
Ankündigung". Um so besser gelang der Angriff 
auch hier! 
Recht so, djese setzte Kunde hat uns Alle mit aller¬ 
größter Genugtuung erfüllt. Diese unsere neueste 
Kriegführung, sie ist „wahrhaft human" in allererster 
Linie: sie führt schneller zum Ziele als alles andere, 
sie bringt uns Allen eher den Frieden, als die leeren 
papiernen Proteste und Schreie über Vergewaltigung 
von Völkerrecht, Seereckt und Menschenrecht dies m 
tun vermögen. Im Inselstaat stteikt schon- Mancher, 
warum soll nicht gar der Rekrut streiken, dem auch 
die Wahrheit einzuleuchten beginnt, daß das Wost'er 
keine Balken bat. Da wäre denn twch ein Drauf- 
aeben rm Schützengraben bester, als so vor Beginn 
iedes kriegerischen Austrctens sein Leben in den 
heimischen Gewöstern hineeben zu muffen, ohne vom 
Gegner das geringste gesehen zu staben. 
Nächstens werden wir Wehl einmal Nachricht er¬ 
halten, daß auch dse neuesten Kolibri- und Chmue- 
keon-Schiffe. so fein bnntkcheckia bemalten, sowie 
mit falschen ^langen und Abteichen versehen sein 
festenden feindlichen Schiffe haben dran glauben 
müsten. 
Je mehr Geaner den Unfern vor den Bug kom¬ 
men und versenkt werden, um so besser! herunter 
domit aus den MeereZarund, das allein bilst! Hof¬ 
fentlich erhalten wir bald noch mehr derlei erfreuliche 
Nachrichten. 
Rstuberfleschickten. 
In der Wochenschrift „Der Turner aus Sach¬ 
sen', .Kreisblatt für den 14. deutschen Turnkre's 
Sachsen, schildert ein Landsturmmana seine Fabrt 
in Feindesland. Ueber den Aufenthalt im Bc.hu, 
hos Gießen berichtet deffelbe: 
„In Gießen batten wir längeren Aufenthalt, dort 
standen gleich zwei Züae. In dem einen befand sich 
in einem Wagen gereffelt der belgische Pfasse, 
der von feinem Kirchturm aus mit einem Maschinen, 
gewebr über 50 Mann erschossen hat. Der wurde mit 
Taschenlampen angeleuchtet und gemustert, bis ihm 
einer ein paar staustbiebe ins Gesicht versetzt hatte, 
dann wurde die Besichtigung etwa» eingel^räntt " 
Zu dem Bericht bemerkt das Kriegsministerium 
an die „Par-Informationen": 
Nach den angfftellten Ermittlungen hat der Brief, 
schreiber lediglich Gerüchte wiederaeaeben, deren 
Nachprüfung bei der Unbestimmtheit der Angaben über 
die Vorgänoe in Belgien nicht möglich ist. Ausgeschlos¬ 
sen ist eZ. da? sich die angeblichen Dorsälke auf dem 
Bahnhofe in Gieße» in der geschilderten Weise abge¬ 
spielt haben. Im Aufträge: gez. Bauer. Wagner." 
Wenn der Pfarrer das getan hätte. was der 
Briesschreiber ihm andichtet, wäre er sicher nicht 
lebend nach Gießen gekommen, sondern schon an Ort 
und Stelle abqeurteilt' worden sein. 
Die Dildburghausener „Dorf-Zeitung" brachte in 
Nr. 233 vom 4. Oktober 1914 einen Feldpostbrief, 
worin es heißt: 
.Nit einem Transport französischer Gefangener t'4G8 
Mann) marschierten wir 50 Kilometer rückwärts Auch 
l di 4 a i ^ n f i t <4% 0 Ai # f (4 f i rft » /-V ff I « t i o rt m 
wei katholische Geistliche (Jesuiten) und eine 
~—--• -- mtt Di« Jesuiten sind 
eine batte durch Licht- 
„leihe Franktireurs führten wir--— 
eint gefährliche Bande. Der eine hatte durch 
und Gtockensignale die Stellung vom Kirchturm aus 
verraten, der andere soll an ge blich Verwundete ge¬ 
schändet haben, DaS find Diener Christi. Ra. für all-, 
zuliebende Behandlung brauchen sie keine Sorge :u 
haben." 
Das Kriegsministerium teilt dazu unter dem 
1. Februar den „Pax-Jnsormarionen" mit: 
.In der Angelegenheit hat sich nichts ermitteln 
lasten. Im Aufträge: gez. Zauer. Wagner" 
Daraus geht hervor, daß der Brieffchrriber seine 
Angaben nicht beweisen kann, und wir dürfen den 
Bericht als erfunden bezeichnen. 
Die Kölnische Zeitung" berichtet i» Nr- 909 1914 
nach dem holländischen Blatte „Telegraas" und auch 
die „Rhein. Zeitung", Köln, bringt i« Nr. 166 1911 
die Mitteilung: 
..„Der Geistliche von Berneau, der auf hollän¬ 
disches Gebiet geflüchtet, aber wieder zurückgekehrt war, 
ist heute abend unter der Beschuldigung, aus dem Kirch¬ 
turm auf die Truppen gefeuert zu haben, erschossen 
worden." 
Das Kriegsministerium teilt den „Pax-Jusor- 
mationen" unter dem 13. Februar 1915 mst: 
.Die angeitellten Ermittlungen haben ergeoen: Der 
Pfarrer der Gemeinde Berncau ist nicht erschossen 
worden, er versieht noch jetzt sein Amt. 
Im Aufträge: gez. Bauer. Wagner." 
Die „Tägliche Rundschau" brachte in Nr. 228 
vom 29. September 1914, Unterhaltungsbeilage, 
einen FeldjWstbriei unter dem Titel „Bor Autwer- 
pen", den der „Weilburger Anzeiger", Kreisblatt 
für den Oberlahnkreis, in Nr. 229 1914 im Aus- 
Zuge wiedergibt. Darin heißt es: 
„Als ich dann nachmittags oorritt. um eine Meldung 
holen, kam ich mit unseren Jägern an das Dorf 
oen Hier wurde eine vorausmarschierende Sanitäts¬ 
truppe von den Einwohnern unter Feuer genommen, 
die wohl nicht ahnten, daß die Jäger so dicht folgten. 
Das Hauptseuer kam aus der Kirche, wo unter dem 
Dache wohl 40 bis 50 Leute herunterfunkten. Man schoß 
eine Zeitlang mit den Burschen herum, dann kam eine 
Abteilung Artillerie und warf ein paar Granaten. Der 
Kirchturm brannte, prasselte zusammen, ein vielstimmiges 
Geschrei der darin versteckten Franktireurs mischte sich 
in das Gebrüll des Feuers. Wir ritten dann Vh Stunde 
durch die engen Gassen der lichterloh brennenden Häuser 
Reben der zusammengestürzte» Kirche log der Pfarrei 
mit zerklaffter Brust, der mit dem Gewehr in der 
Hand angetroffen war." 
Den „Par-Informationen" wird dazu unter dem 
13. Februar 1915 vom Kriegsmülisterium mitge- 
terlt: 
„Ein Dorf Loen bei Antwerpen ist nicht bclcrmi 
Im Aufträge: gez. Bauer, Wagner." 
Also das Dorf existiert nicht einmal! 
& 
Ein Gedenkblatt, 
Präsident Poincarß in seinem Aufruf au das 
Volk vom 3. September 1914: 
„öle russischen Armeenrücken weiter vor 
um den entscheidenden Stotz in daS Herz des Deutsche-, 
Reiches zu führen." 
Lord Curzo« i» einer Rede zu Glasgow am 
12. September 1914: 
..Ich hoffe, es zu erleben, daß die Lanzen henga- 
Iischer Reiter auf den Straßen Berlins fun¬ 
keln und dunkelhäutige Gurkhas er sich in den Pots¬ 
damer Parks bequem machen." 
Präsident Paine arg i» einer späteren Kund- 
aebung: 
^ „Dre Russen marschieren entschlossen«, 
Schrittes aui die Hauptstadt deS Deutschen Reiches." 
Ministerpräsident Goremyki» in der Duma- 
rede vom 9. Februar 1915: 
»Die Taten unserer Truppen und dis wertvollen 
Dienste unserer Verbündeten bringen uns jeden Tag 
dem ersehnten Ziele näher" 
Minister Basonow in der Dumarede vom 
9t Februar J915: 
„Die russischen Heers marschieren fest auf ihr 
Ziel zu und sichern den glücklichen Augenblick des 
schließ!,chen Triumphes über den Feind" 
Oberst Schumski in der Petersburger „Brr- 
schewiia Wedonosti" nach der Nasurerffchlacht: 
. .Marsch nach Berlin, von dem die Toren 
raieJten, stellt sich als das heraus, was jeder veruünftv 
Denkende wußte, als ei« Unsinn." 
Jas Schicksal Lerer m HaiieilselL. 
10] Kriegsroman von Matthias Blank. 
Und deshalb lehnte sie sich au die Fensterbrüstung, 
um auszuruhen, um mit ihren Gedanken einmal 
mit sich allein zu sein. 
Sie fühlte sich ja so müde! Als Gesellschafterin 
war sie angestellt worden; aber sie mußte jede Arbeit 
verrichten, die es in der Wohnung der Madame 
Someron gab. Und sie hatte sich darein gefügt; sie 
hatte schweigen und dulden gelernt, denn sie hatte es 
in den Jahren oft genug empfunden, wie deutsche 
Frauen und Mädchen i m Auslande behandelt 
wurden. 
Sie hatte verstehen gelernt, wie schwer es war, 
sich im Auslande eine neue Heimat begründen zu 
wollen. 
Sie hatte einmal zu einem andern Fenster hin- 
ausgesehen aus einen Park, wo Kastanien ihre 
mächtigen Kronen weiteten, wo sie auf bewaldete, 
steile Höhenzüge hatte blicken können. 
Wie ferne lag ihr diese Zeit zurück! Sie hatte 
unterdessen kennen gelernt, wie schwer es zu tragen 
!var, heimatlos zu sein, wie bitter das Brot 
schmeckte, das einem im Auslande gereicht wurde. 
Sie hatte cs wohl später gefühlt, daß ihr Ver¬ 
dacht gegen Fritz von Hassenfeld zu ungerechtfertigt 
gewesen war daß sie nur den einen zu schützen ver¬ 
sucht hatte und lieber alle Schuld dem andern hatte 
aufgehäuft wissen wollen- Sie war mit jenem 
gegen Fritz von Hassenseld geschleuderten Verdacht 
ungerecht gewesen. 
Sie war darin so ungerecht, wie Fritz gegen Hans 
ungerecht gewesen sein mochte. 
Aber Fritz von Hassenfeld hatte für seinen Un¬ 
willen gegen den Bruder Gründe, denn dieser schien 
damals der überall vom Schicksal Begünstigte ge 
wesen zu sein. Das mußte den Hatz gegen den Bru¬ 
der begreiflich machen. 
>Bei 
S ÄHofaipo?h6>kä>-'Olt-'sä , m 
irrovan ille 
t'krr.-wA «WM» 
Sei»* rasch u. varritzl. wirkend, ln ailsa Apotheke«. 
Aber warum hatte sie jenen Verdacht ausge¬ 
sprochen. der Fritz von Hassenfeld auf das tiefste 
verwunden mußte? 
Nur um Hans von Hassenseld rein zu wasche«. 
Nur für den Verschwundenen, um diesen vor sich 
selbst zu rechffertigen. 
Sie hatte ihn auch geliebt! Drei Jahre waren 
nun verstrichen, drei Jahre, in denen sie viel erlebt 
und auch erlitten harte. Wie weit — weit zurück 
lag alles! Und deshalb konnte sie gerechter sein. 
Ja. sie hatte ihn geliebt, ttotzdem zwischen ihnen 
nie ein Wort von Liebe gesprochen worden war- sie 
hatte dessen Jugend, dessen Sorglosigkeit, dessen 
Frohsinn gesiebt, seine schlanke Gestalt und sein 
offenes, rotwangiges Gesicht. Und HanS von Has- 
senfelv hatte nichts davon gewußt, und wohl auch 
nichts davon geahnt. 
Wie ein törichter Traum war jene Liebe gewesen. 
Und deshalb war sie auch zu stolz gewesen, um 
das von Fritz von Hassenseld angebotene Geld zu 
nehmen; sie hatte es nich't nehmen wollen weil er 
Hans anzuklagen versucht hatte, mit einem Verdacht, 
an den sie auch in diesen Tagen immer noch nicht 
^ zu glauben vermochte. Nein! Was sie damals ge¬ 
sagt, blieb auch setzt noch ihre Meinung: Leichtsinnig 
war Hans gewesen, aber niemals schlecht. 
Ihr Stolz, als sie damals mit eigenem, trotzigem 
Willen gleich einer Bettlerin von Hassenseld forr- 
gegangen war, war gebeugt worden. 
Sie hatte sich draußen noch oft demütigen müssen: 
sie dachte an die Tage in Paris und in Antwerpen' 
Sie w^r ja auch zu stol; gewesen, um mit dem 
Nomen Klara von Hassenfeld in Deutschland bei 
Fremden verdienen zu wollen. Sie hatte nicht ge¬ 
ahnt, was deutsche Frauen und Mädchen im Aus¬ 
lande lernen mußten. 
Eine Heimat? 
Ein Gedanke an eine solch» Möglichkeit lag un¬ 
endlich fern. — 
„So! Sie stehen da herum und lassen sich von 
mir für das Nichtstun bezahlen. So sind die Deut¬ 
schen! Das wollen sie rauhen, was der Fleiß anderes 
erworben hatte." 
„Verzeihung!" 
„Das ist ein kurzes Wort, leicht gesagt, als wenn 
dies etwas geschehenes ungeschehen machen könnte. 
Ich dulde das Nichtsttm nicht." 
„Es war ein kurzer Augenblick. Ich habe des¬ 
halb gewiß keine Arbeit vernachlässigt", entschuldigte 
sich Klara von Hassenseld nochmals. 
„Mit Enffchuldigunqeu sind alle Teutschen nie 
verlegen. Alle Teutschen sind falsch wie Kqtzeu, 
grob wie Bären und blutgierig wie Tiger." 
Madame Someron war mit schleichenden Schrit¬ 
ten in das Zimmer gekommctt. daß selbst das Oeff- 
nen der Türe von Klara von Hassenseld nicht gehört 
worden war; sie war eine große, schlanke, "mehr 
hagere Gestalt mit dünnem, blondern Haar, das 
durch Einlagen gt einer eleganten Frisur aufgesteckt 
war. Da das Gesicht etwas eingefallen war, erschien 
der Mund mit den dünnen, gekniffenen Lippen tu 
was zu breit. Tie feinen Faltchen in den Mund¬ 
winkeln und um die Augen ließen das Alter von 
Madaine Someron mit etwa vrerzig Jahren ver¬ 
muten, Ihre Stimme klang schrill und überraschend. 
Klara von Hassenseld hatte gerade in Antwerpen 
und in Lüttich wiederholt hören müssen, wie man 
dort das Deutschtum haßte und alles Französishe 
bevorrate. Nur die deutsche Arbeit und Gründlich¬ 
keit nahm man an, aber über die Menschen selbst 
sprach man verächtlich. 
Mit so scharfen Worten aber hatte diez Madame 
Someron nie gesagt. 
Und da wallte in Klara von Hassenseld das heut 
sche Blut auf; ttotzdem sie in diesen Jahren das 
Schweigen gelernt hatte die Not aller Deutsche« ftn 
Ausland«, so war jetzt di« Empörung doch größer 
als die Besonnenheit. 
„Warum beschimpfen Sie uns so? Nimmt man 
die deutsche Arbeit nicht überall bereitwillig an, und 
dennoch wagt man sie dann zu lästern?" 
„Wie reden Sie denn mir mir? Sie glauben 
wohl, daß dies« Sauerkrauffresser, die der Hunger 
aus Deutschland tteibt, sich schon in Belgien breit 
gemacht habe«? Räuber sind sie. Um zu stehlen 
und zu brennen haben die Drrltschen den Krieg ge, 
sucht." . 9 
„Ten Krieg?" 
Klara von Hassenseld ahnte nichts von den Er¬ 
eignissen dieser Tage. Run glaubte sie die Ursachen 
für die Erregung aus den Straßen erkannt zu habeu 
Krieg! 
Aber sie hatte nicht erst fragen müssen, dem- 
Madame Someron erzählte bereits etwas mehr: 
„Nur hatten sich die Deutschen geirrt. Die Rus¬ 
sen werden von Osten hereindrücke» und die Frau- 
zofen überschwemmen Elsaß und Lothringen. Auch 
die Engländer werden nicht Zusehen, so baß das lqn- 
dergierige Temschland von drei Seiten zermalmt 
werde» wird." 
„Das ist nicht möglich! Also wirklich Krieg?" 
»Ja! Und i« allen Zeitungen können Sie es 
lesen daß die Kosaken schon um Breslau und Stettin 
schwärme», daß Elsaß und Lothringen bereits die 
Trikolore hissen — —" 
Der deutsche Stolz, bas deutsch« Machtbewußt¬ 
sein lehnte sich dagegen auf. 
„Wollen Sie niich eine Lügnerin nennen? In 
allen belgischen itnd französischen Zeitungen ist es 
zu lesen. Zu belgischem Schutze werden' die Eng¬ 
änder eine halbe Million Soldmen landen- 
Deuffchland in Not! 
2tur bas empfand Klara von Hassenseld. 
Sie wußte, daß Hassenseld aus dem Grenzboden 
Lochrmgens stand- 
Und sie war eine Deuffche! Gehörten in dieser 
Stunde nicht alle, di« deutsch fühlten, die Deutsche 
waren, ^irück in die Heimat, wo alle mit allen 
Kräften oer Not helfen konnten? 
Deuffchland in Not! Bon drei Seiten sollte es 
der Feind bedrohen. 
Da hatte Klara von Hassenseld nur ei» Ber- 
augen: 
„So möchte ich darum bitten, sofort noch Deuffch- 
'anfe pkrürffehren «i dürfen." 
(Fortsetzung folgt
	        
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