M. 66.
zamrtaa. den 29. Mär; 1915.
+>
Fuldaer
5. Blatt.
Vrvck »« I»r»«er Lettendnxkrrel k» tznlbs.
k
Felvprevigt für die
Deutschen zu Hanse.
Ter katholische Feld-Tivisionspfarrer Dr. Metz,
aer veröffentlicht in der „Ä- Vztg." eme „Feld-
predig! für die Teutschen zu Haufe", tue eine rn
Form und An geradezu vorbildliche Mahnung an
die Kleinmütigen daheim richtet. Tie „jfclbprebtgt ,
die sicherlich die weiteste Verbreitung verdient,
einer Nummer des Pariser -Matm"vo,
Anfang Januar fand ich unter der Ueberschrist.
„Ganz Deutschland ist niedergeschlagen^ ein paar
Briefe aus Deutschland abgedruckl, as,cnbar von
wehleidigen hysterischen Frauen an ihre kriegsge-
fcmaencn Männer geschrieben. Mit vergnüglichem
Behagen veröffcntlichle sie der „Matin". um seinen
of enärr sehr leichtgläubigen Lesern zu beweisen, wie
schlimm es in Deutschland aussehe, und wie die
Niederlage Deutschlands nicht lange mehr aus sich
warten lasten könne.
Da ich die Briese las, überkam mich ein rechter
Zorn über diese, um mit Alban Stolz zu reden,
„einfältigen Weibsbilder", die durch ihre Klagen mit.
helfen dem Feinde Mute zu machen. 9iun haben
wir monatelang Krieg mit der halben Welt, über-
fallen von Zivilisierten, Halb- und Ganzwilden in
großer zahlenmäßiger Uebermacht - Und trotzdem
haben wir unser heimisches Land fast ganz vom
Feinde ftei halten können, ja wir stehen mitten drin
tn Feindesland mit einer gewaltigen eisern «
Mauer. Und zu Haufe leben wir im tiefsten Frie¬
den, haben, was wir brauchen, vieles fast im U.b:r-
flutz. Das ganze wirtfchaflliche Leben geht mehr
oder minder ruhig weiter; die Lebensmittel sind
Verhältnismäßig wenig im Preise gestiegen. Und
da kommen nun diese weiblichen Jammerlappen und
heulen ihren Männern von dem „Elend" zu Haule,
daß daS Petroleum rar ist und daß sie sonst noch
ein paar kleine Unannehmlichkeiten zu tragen Hab.».
Ist das nm,t wirklich eine Schande?
Dieses Jammerlappentum ist leider keine ganz
vereinzelte Erscheinung. Das kann nicht genug
Zetern, wenn es einmal eine Leckerei nicht mehr fö
eicht bekommen kann wie im Frieden, oder wenn
es gar die Frühstücksbrötchen nicht wie bisher er¬
hält. Schämt ihr euch nicht, weinerlich zu klagen,
weil euch nicht alle Bequemlichkeiten wie im Frieden
zu Gebote stehen, zu klagen, indes eure Stammes,
brüder draußen im Feld, oft alles vermissen, was
das Leben angenehm macht und im fürchterlichsten
Wetter in Regen und Sturm im Freien stehen müs.
sen» der Lebensgefahr ständig ausgesetzt? Schämt
ihr euch nicht, daß ihr gar keinen Opferst-n habt
und alle Not des Vaterlandes allein die .Krieger
draußen tragen lasten wollt? Nein, solches Gebren
ist unwürdig und entehrend. Es gibt, Go t Da k,
auch viele, sehr viele starke, tapfere heldenmü ige
Frauen — ihr Schwachen, nehmt euch ein Beispiel
an ihnen, und könnt ihr cs nicht ganz, so laßt euch
wenigstens nicht gehen in gedankenlosen Klagen.
Jemerlappen! Das sind weiter manche, "leider
gewöhnlich wiederum weibliche Angehörige der Krie¬
ger im Felde, die Tag und Nacht tn Sorgen sind
und klagen um ihre Männer und Söhne die drau¬
ßen stehen. Gewiß, es wäre unmenschlich, wen
man verlangen wollte, die zu Hause sollten ganz
ohne Sorgen sein um ihre Lieben im Felde- Aber
jammern und klagen ist undeutsch und unchristlich.
Undeutsch: die Liebe zum Baterlande verlangt die
Bereitschaft zu jedem Opfer. Sind die Männer be¬
reit, ihr eigenes Leben dem Baterlande zu opfern,
Jo müssen auch die Frauen bereit sein, das Leben
threr Angehörigen, wenn es sein muß, der großen
Sache zu opfern. Sonst sind sie chrer Männer und
Söhne, ihres großen Vaterlandes nicht wert. Un¬
christlich ist klagen und jammern. Denn die Reli¬
gion fordert Starkmut und Geduld, Gottvertrauen
und Gorterqebenhcit. Das Schicksal unserer Lieben
im Felde ist in Gottes Hand. Das muß uns ge¬
nügen.
Jammerlappen! Das Wort gilt auch euch un¬
männlichen Männern, die ihr kein Vertrauen und
keine Zuversicht habt und darum in weibischer Zag¬
haftigkeit euch ängstigt. „Ez geht aber doch auch
gar nicht voran." Das ist der Kehrreim bei den
täglichen Klageliedern am Biertisch- Es peht nicht
mehr im Sturmschritt voran, das ist gewiß. Aber
als eine unüberwindliche Mauer trotzt unser Heer
in Feindesland jedem Angriff. Ist das nicht vor-
läufig genug? Laßt doch ruhig die Franzosen unsre
starken Stellungen angreifen und sich daran die
Köpfe blutig rennen! Sie verbluten sich noch daran!
Wir können es ja ganz ruhig abwarte»; die Fran¬
zosen müffen angreisen, weil sie uns doch nicht im
eigenen Lande stehen lasten können. Und nach
einem wahren Wort Napoleons gibt es keine schlim¬
mere Lage für ein Heer, als die: angreife» müssen.
Warum also klagen und jammern!
Nein, wir habe« wirklich keinen Grund zum
Jamern. Unsre militärische Lage ist gut. das wirt-
schaftliche Leben ist weit bester, al- man es über¬
haupt hoffen konnte. Opfer im Verhältnis zu der
Größe des Ringens hat uns der Krieg noch gar
nicht gekostet. Renn Zehntel des Volkes haben vom
Krieg und seinen Schrecken noch nichts spüren müs.
sen. Und da wollen wir klagen?
Und hätten wir Grund zum Jammern, wir hür.
sen es nicht. Das deutsche Volk Hai den Fehdehand¬
schuh. den die halbe Welt ihm vor die Füße warf,
ausgenommen mit heiliger Entschlossenheit und dem
felsenfesten Vertrauen aus den Schirmherrn der Ge¬
rechtigkeit im Himmel. Das schloß den Willen in
sich, alle Opfer aus sich zu nehmen, die der furcht¬
bare Krieg von einzelnen wie der Gesamtheit for¬
dert, um das teure Vaterland zu erhalten, dessen
Ehre, besten Dasein bedroht war und ist. Ein
Schauspiel für die ganze Welt war dieser einmütige
kraftvolle Wille, den das deutsche Volk in jenen
großen Augustlagen des ewig denkwürdigen Jahres
1914 bekundete. Entehrende Würdelosigkeit wäre
es, wenn dieser Geist uns jetzt schon verloren ginge.
Das soll und darf nicht sein!
Klagen und Jammern ist die Rattenfalle des
Willens. Darf es aufkommcn, ja sich öffentlich hö¬
ren lasten so ist es bald um nufere Kraft geschehen.
Und wir brauchen noch unsere Kraft. Di» Opfer,
die bisher gebracht werden mußten, har die Allgc.
meinheil noch kaum gespürt — man schaue nur ein¬
mal in eine unserer Großstädte und ihre Bergnü-
gungslokale. Wir misten aber nicht, ob es nichi noch
große Opfer zu tragen gilt, denn der Krieg ist «och
nicht zu Ende. Das deutsche Volk muß seine Kraft
erhalten, entschlosten sein, bis zum äußersten dnrch-
zutzolten. so entschlossen wie in den Augusttaoen.
Dann ist in der Tat Deutschland nicht zu über¬
winden.
Ter Kaiser hat vor einigen Jahren eininal ge¬
sagt: „Dex nächste Krieg wird durch die Nerven
entschieden." Ganz gewiß, bei diesem Weltkrieg
wird es aus die Nerven vor allem ankommen, auf
die Kraft des Willens, durchzuhallen trotz aller
Opfer. Ein Nervengift, ein Willensgift wäre für
unser Volk auch das Jammerlappentum. wenn wir
e§ au stammen ließen. Darum muß es heißen:
Deutsches Voll, werde hart, selsenhari in deinem
Willen, dann bist du unbesieglich!
18. Februar — 18. März.
Von Vizeadmiral z. D. Kirchhofs.
Ein Monat ist nun seit der Einleitung des
scharfen Vorgehens gegen unseren schlimmsten Feind
vergangen. Wir können nach allem zufrieden fern
nirt den inzwischen erreichten Erfolgen! Trotz aller
vorher und nachher getroffenen „Maßnahmen" haben
die Engländer überall erhebliche Verluste zur See
77 Zn Ganzen nach den neuesten Angaben der Ver¬
bündeten seit Kriegs beginn rund 200 Schiffe — zu
verzeichnen gehabt, so des sie selbst nicht mehr vom
„deutschen Bluff" zu r wagen. Aus dem von
uns festgesetzten neue, und größeren „Kricgsqe-
bret" haben unsere Unterseeboote wacker zu arbeiten
verstanden und an einem einzigen Morgen z. B an
den Hauptpunkten, d. i. an der Ostküste, im Kanal
und m der Irischen See erfolgreich zu wirken ver¬
mocht. Wrr haben von vielen Verlusten unserer
Gegner gchört, dahingegen nur von dem Bezwingen
von zweien unserer tapferen U-Boote. Unablässig sind
sie an Albions .Küsten tätig, die Schiffahrt stockt
stellenweise, viele Tampsergesellschasten — auch viele
neutrale — haben ihre Fahrten eingestellt, kurz und
gut, unsere Drohung des verschärften .Kriegszustan¬
des „mit allen zu Gebote stehenden Kriegsmitteln"
ist voll in Erfüllung gegangen.
Auch die „ffiedliche Schiffahrt" hat sich's gemerkt
und sich nach unseren Weisungen gerichtet. Die amt¬
lichen Einsprüche Neutraler sind wirkunqskos ver¬
hallt. man hat uns in aller Welt schon Recht gegeben,
die Schiffahrtskreise der neutralen Staaten halten sich
vielfach ganz zurück. Die leeren Drohungen, die von
jenseits des Kanals zu »ns herübertönen, daß die
gefangenen Besatzungen von Unterseebooten anders
als die übrigen Kriegsoefangenen. ja einfach als Pira¬
ten und Seeräuber behandelt werden sollten, gehören
zum heuchlerischen Wesen Großbitanniens. Geht
Großbritannien demenffprechend bot, st, werden wir
wissen, was wir zu tun haben!
Unseren „U- Booten" haben deutsche und wohl
auch englische Minen geholfen, unter der englischen
Handels- und Kriegsflotte fernerhin aufzuraume».
Biele, seit langer Zeit vorher gewarnte Handelsdam¬
pfer haben dran glauben müssen und mii ihnen oft
ein großer Teil ihrer Bemannung: „ohne jede War¬
nung". wie unser Gegner sich zu äußern beliebt.
* Alle Berteidigungsmaßregeln, ja was noch weit
ill, alle feigen Täuschungs-Versuche
mehr sagen wil
und glorreichen „Kriegslisten" und sogar alle Mühen,
derlei Nachrichten von deutschen Erfolgen zu ver¬
tuschen und trenn möglich ganz und gar zurückzu-
halten, alle djese Bestrebungen haben nichts gefruch¬
tet. Unsere Erfolge übertresfen die gehegten Er¬
wartungen um so bester.
Die Welt, zu der jetzt Alt-England nicht mehr
ganz zu gehören scheint — denn der Engländer wird
alles nicht gleich erfahren haben — das ganze Erden¬
rund sonst hat mjt Schrecken gchört, daß die deutsche
Ankündigung des neuen Vorgehens zu See denn doch
kein Hirngespinst, sondern Taffache und kräftig
wirkend« Wahrheit ist. Wer weiß, wie viele Un¬
fälle und Erfolge außer den bekannt gewordenen
etwa sonst noch eingetrcten sind. Bon einer größeren
Zahl überälliger Dampfer berichten die fremden
Blätter. Von Uebersee erhielten wir gleichzeitig
günstige Nachrichten über das Versenken feindlicher
Schiffe.
Das Beste ist aber die Nachricht, daß es unsere»
Unterseebooten geglückt ist, zwei englische Hilfskreu¬
zer und vielleicht auch einen oder stvei größere engli¬
sche Transportdampfer mit einigen tausend Mann an
Bord zu versenken, natürlich ebenfalls «ach bar¬
barischer Hunnenart, „ohne vorherige Warnung und
Ankündigung". Um so besser gelang der Angriff
auch hier!
Recht so, djese setzte Kunde hat uns Alle mit aller¬
größter Genugtuung erfüllt. Diese unsere neueste
Kriegführung, sie ist „wahrhaft human" in allererster
Linie: sie führt schneller zum Ziele als alles andere,
sie bringt uns Allen eher den Frieden, als die leeren
papiernen Proteste und Schreie über Vergewaltigung
von Völkerrecht, Seereckt und Menschenrecht dies m
tun vermögen. Im Inselstaat stteikt schon- Mancher,
warum soll nicht gar der Rekrut streiken, dem auch
die Wahrheit einzuleuchten beginnt, daß das Wost'er
keine Balken bat. Da wäre denn twch ein Drauf-
aeben rm Schützengraben bester, als so vor Beginn
iedes kriegerischen Austrctens sein Leben in den
heimischen Gewöstern hineeben zu muffen, ohne vom
Gegner das geringste gesehen zu staben.
Nächstens werden wir Wehl einmal Nachricht er¬
halten, daß auch dse neuesten Kolibri- und Chmue-
keon-Schiffe. so fein bnntkcheckia bemalten, sowie
mit falschen ^langen und Abteichen versehen sein
festenden feindlichen Schiffe haben dran glauben
müsten.
Je mehr Geaner den Unfern vor den Bug kom¬
men und versenkt werden, um so besser! herunter
domit aus den MeereZarund, das allein bilst! Hof¬
fentlich erhalten wir bald noch mehr derlei erfreuliche
Nachrichten.
Rstuberfleschickten.
In der Wochenschrift „Der Turner aus Sach¬
sen', .Kreisblatt für den 14. deutschen Turnkre's
Sachsen, schildert ein Landsturmmana seine Fabrt
in Feindesland. Ueber den Aufenthalt im Bc.hu,
hos Gießen berichtet deffelbe:
„In Gießen batten wir längeren Aufenthalt, dort
standen gleich zwei Züae. In dem einen befand sich
in einem Wagen gereffelt der belgische Pfasse,
der von feinem Kirchturm aus mit einem Maschinen,
gewebr über 50 Mann erschossen hat. Der wurde mit
Taschenlampen angeleuchtet und gemustert, bis ihm
einer ein paar staustbiebe ins Gesicht versetzt hatte,
dann wurde die Besichtigung etwa» eingel^räntt "
Zu dem Bericht bemerkt das Kriegsministerium
an die „Par-Informationen":
Nach den angfftellten Ermittlungen hat der Brief,
schreiber lediglich Gerüchte wiederaeaeben, deren
Nachprüfung bei der Unbestimmtheit der Angaben über
die Vorgänoe in Belgien nicht möglich ist. Ausgeschlos¬
sen ist eZ. da? sich die angeblichen Dorsälke auf dem
Bahnhofe in Gieße» in der geschilderten Weise abge¬
spielt haben. Im Aufträge: gez. Bauer. Wagner."
Wenn der Pfarrer das getan hätte. was der
Briesschreiber ihm andichtet, wäre er sicher nicht
lebend nach Gießen gekommen, sondern schon an Ort
und Stelle abqeurteilt' worden sein.
Die Dildburghausener „Dorf-Zeitung" brachte in
Nr. 233 vom 4. Oktober 1914 einen Feldpostbrief,
worin es heißt:
.Nit einem Transport französischer Gefangener t'4G8
Mann) marschierten wir 50 Kilometer rückwärts Auch
l di 4 a i ^ n f i t <4% 0 Ai # f (4 f i rft » /-V ff I « t i o rt m
wei katholische Geistliche (Jesuiten) und eine
~—--• -- mtt Di« Jesuiten sind
eine batte durch Licht-
„leihe Franktireurs führten wir--—
eint gefährliche Bande. Der eine hatte durch
und Gtockensignale die Stellung vom Kirchturm aus
verraten, der andere soll an ge blich Verwundete ge¬
schändet haben, DaS find Diener Christi. Ra. für all-,
zuliebende Behandlung brauchen sie keine Sorge :u
haben."
Das Kriegsministerium teilt dazu unter dem
1. Februar den „Pax-Jnsormarionen" mit:
.In der Angelegenheit hat sich nichts ermitteln
lasten. Im Aufträge: gez. Zauer. Wagner"
Daraus geht hervor, daß der Brieffchrriber seine
Angaben nicht beweisen kann, und wir dürfen den
Bericht als erfunden bezeichnen.
Die Kölnische Zeitung" berichtet i» Nr- 909 1914
nach dem holländischen Blatte „Telegraas" und auch
die „Rhein. Zeitung", Köln, bringt i« Nr. 166 1911
die Mitteilung:
..„Der Geistliche von Berneau, der auf hollän¬
disches Gebiet geflüchtet, aber wieder zurückgekehrt war,
ist heute abend unter der Beschuldigung, aus dem Kirch¬
turm auf die Truppen gefeuert zu haben, erschossen
worden."
Das Kriegsministerium teilt den „Pax-Jusor-
mationen" unter dem 13. Februar 1915 mst:
.Die angeitellten Ermittlungen haben ergeoen: Der
Pfarrer der Gemeinde Berncau ist nicht erschossen
worden, er versieht noch jetzt sein Amt.
Im Aufträge: gez. Bauer. Wagner."
Die „Tägliche Rundschau" brachte in Nr. 228
vom 29. September 1914, Unterhaltungsbeilage,
einen FeldjWstbriei unter dem Titel „Bor Autwer-
pen", den der „Weilburger Anzeiger", Kreisblatt
für den Oberlahnkreis, in Nr. 229 1914 im Aus-
Zuge wiedergibt. Darin heißt es:
„Als ich dann nachmittags oorritt. um eine Meldung
holen, kam ich mit unseren Jägern an das Dorf
oen Hier wurde eine vorausmarschierende Sanitäts¬
truppe von den Einwohnern unter Feuer genommen,
die wohl nicht ahnten, daß die Jäger so dicht folgten.
Das Hauptseuer kam aus der Kirche, wo unter dem
Dache wohl 40 bis 50 Leute herunterfunkten. Man schoß
eine Zeitlang mit den Burschen herum, dann kam eine
Abteilung Artillerie und warf ein paar Granaten. Der
Kirchturm brannte, prasselte zusammen, ein vielstimmiges
Geschrei der darin versteckten Franktireurs mischte sich
in das Gebrüll des Feuers. Wir ritten dann Vh Stunde
durch die engen Gassen der lichterloh brennenden Häuser
Reben der zusammengestürzte» Kirche log der Pfarrei
mit zerklaffter Brust, der mit dem Gewehr in der
Hand angetroffen war."
Den „Par-Informationen" wird dazu unter dem
13. Februar 1915 vom Kriegsmülisterium mitge-
terlt:
„Ein Dorf Loen bei Antwerpen ist nicht bclcrmi
Im Aufträge: gez. Bauer, Wagner."
Also das Dorf existiert nicht einmal!
&
Ein Gedenkblatt,
Präsident Poincarß in seinem Aufruf au das
Volk vom 3. September 1914:
„öle russischen Armeenrücken weiter vor
um den entscheidenden Stotz in daS Herz des Deutsche-,
Reiches zu führen."
Lord Curzo« i» einer Rede zu Glasgow am
12. September 1914:
..Ich hoffe, es zu erleben, daß die Lanzen henga-
Iischer Reiter auf den Straßen Berlins fun¬
keln und dunkelhäutige Gurkhas er sich in den Pots¬
damer Parks bequem machen."
Präsident Paine arg i» einer späteren Kund-
aebung:
^ „Dre Russen marschieren entschlossen«,
Schrittes aui die Hauptstadt deS Deutschen Reiches."
Ministerpräsident Goremyki» in der Duma-
rede vom 9. Februar 1915:
»Die Taten unserer Truppen und dis wertvollen
Dienste unserer Verbündeten bringen uns jeden Tag
dem ersehnten Ziele näher"
Minister Basonow in der Dumarede vom
9t Februar J915:
„Die russischen Heers marschieren fest auf ihr
Ziel zu und sichern den glücklichen Augenblick des
schließ!,chen Triumphes über den Feind"
Oberst Schumski in der Petersburger „Brr-
schewiia Wedonosti" nach der Nasurerffchlacht:
. .Marsch nach Berlin, von dem die Toren
raieJten, stellt sich als das heraus, was jeder veruünftv
Denkende wußte, als ei« Unsinn."
Jas Schicksal Lerer m HaiieilselL.
10] Kriegsroman von Matthias Blank.
Und deshalb lehnte sie sich au die Fensterbrüstung,
um auszuruhen, um mit ihren Gedanken einmal
mit sich allein zu sein.
Sie fühlte sich ja so müde! Als Gesellschafterin
war sie angestellt worden; aber sie mußte jede Arbeit
verrichten, die es in der Wohnung der Madame
Someron gab. Und sie hatte sich darein gefügt; sie
hatte schweigen und dulden gelernt, denn sie hatte es
in den Jahren oft genug empfunden, wie deutsche
Frauen und Mädchen i m Auslande behandelt
wurden.
Sie hatte verstehen gelernt, wie schwer es war,
sich im Auslande eine neue Heimat begründen zu
wollen.
Sie hatte einmal zu einem andern Fenster hin-
ausgesehen aus einen Park, wo Kastanien ihre
mächtigen Kronen weiteten, wo sie auf bewaldete,
steile Höhenzüge hatte blicken können.
Wie ferne lag ihr diese Zeit zurück! Sie hatte
unterdessen kennen gelernt, wie schwer es zu tragen
!var, heimatlos zu sein, wie bitter das Brot
schmeckte, das einem im Auslande gereicht wurde.
Sie hatte cs wohl später gefühlt, daß ihr Ver¬
dacht gegen Fritz von Hassenfeld zu ungerechtfertigt
gewesen war daß sie nur den einen zu schützen ver¬
sucht hatte und lieber alle Schuld dem andern hatte
aufgehäuft wissen wollen- Sie war mit jenem
gegen Fritz von Hassenseld geschleuderten Verdacht
ungerecht gewesen.
Sie war darin so ungerecht, wie Fritz gegen Hans
ungerecht gewesen sein mochte.
Aber Fritz von Hassenfeld hatte für seinen Un¬
willen gegen den Bruder Gründe, denn dieser schien
damals der überall vom Schicksal Begünstigte ge
wesen zu sein. Das mußte den Hatz gegen den Bru¬
der begreiflich machen.
>Bei
S ÄHofaipo?h6>kä>-'Olt-'sä , m
irrovan ille
t'krr.-wA «WM»
Sei»* rasch u. varritzl. wirkend, ln ailsa Apotheke«.
Aber warum hatte sie jenen Verdacht ausge¬
sprochen. der Fritz von Hassenfeld auf das tiefste
verwunden mußte?
Nur um Hans von Hassenseld rein zu wasche«.
Nur für den Verschwundenen, um diesen vor sich
selbst zu rechffertigen.
Sie hatte ihn auch geliebt! Drei Jahre waren
nun verstrichen, drei Jahre, in denen sie viel erlebt
und auch erlitten harte. Wie weit — weit zurück
lag alles! Und deshalb konnte sie gerechter sein.
Ja. sie hatte ihn geliebt, ttotzdem zwischen ihnen
nie ein Wort von Liebe gesprochen worden war- sie
hatte dessen Jugend, dessen Sorglosigkeit, dessen
Frohsinn gesiebt, seine schlanke Gestalt und sein
offenes, rotwangiges Gesicht. Und HanS von Has-
senfelv hatte nichts davon gewußt, und wohl auch
nichts davon geahnt.
Wie ein törichter Traum war jene Liebe gewesen.
Und deshalb war sie auch zu stolz gewesen, um
das von Fritz von Hassenseld angebotene Geld zu
nehmen; sie hatte es nich't nehmen wollen weil er
Hans anzuklagen versucht hatte, mit einem Verdacht,
an den sie auch in diesen Tagen immer noch nicht
^ zu glauben vermochte. Nein! Was sie damals ge¬
sagt, blieb auch setzt noch ihre Meinung: Leichtsinnig
war Hans gewesen, aber niemals schlecht.
Ihr Stolz, als sie damals mit eigenem, trotzigem
Willen gleich einer Bettlerin von Hassenseld forr-
gegangen war, war gebeugt worden.
Sie hatte sich draußen noch oft demütigen müssen:
sie dachte an die Tage in Paris und in Antwerpen'
Sie w^r ja auch zu stol; gewesen, um mit dem
Nomen Klara von Hassenfeld in Deutschland bei
Fremden verdienen zu wollen. Sie hatte nicht ge¬
ahnt, was deutsche Frauen und Mädchen im Aus¬
lande lernen mußten.
Eine Heimat?
Ein Gedanke an eine solch» Möglichkeit lag un¬
endlich fern. —
„So! Sie stehen da herum und lassen sich von
mir für das Nichtstun bezahlen. So sind die Deut¬
schen! Das wollen sie rauhen, was der Fleiß anderes
erworben hatte."
„Verzeihung!"
„Das ist ein kurzes Wort, leicht gesagt, als wenn
dies etwas geschehenes ungeschehen machen könnte.
Ich dulde das Nichtsttm nicht."
„Es war ein kurzer Augenblick. Ich habe des¬
halb gewiß keine Arbeit vernachlässigt", entschuldigte
sich Klara von Hassenseld nochmals.
„Mit Enffchuldigunqeu sind alle Teutschen nie
verlegen. Alle Teutschen sind falsch wie Kqtzeu,
grob wie Bären und blutgierig wie Tiger."
Madame Someron war mit schleichenden Schrit¬
ten in das Zimmer gekommctt. daß selbst das Oeff-
nen der Türe von Klara von Hassenseld nicht gehört
worden war; sie war eine große, schlanke, "mehr
hagere Gestalt mit dünnem, blondern Haar, das
durch Einlagen gt einer eleganten Frisur aufgesteckt
war. Da das Gesicht etwas eingefallen war, erschien
der Mund mit den dünnen, gekniffenen Lippen tu
was zu breit. Tie feinen Faltchen in den Mund¬
winkeln und um die Augen ließen das Alter von
Madaine Someron mit etwa vrerzig Jahren ver¬
muten, Ihre Stimme klang schrill und überraschend.
Klara von Hassenseld hatte gerade in Antwerpen
und in Lüttich wiederholt hören müssen, wie man
dort das Deutschtum haßte und alles Französishe
bevorrate. Nur die deutsche Arbeit und Gründlich¬
keit nahm man an, aber über die Menschen selbst
sprach man verächtlich.
Mit so scharfen Worten aber hatte diez Madame
Someron nie gesagt.
Und da wallte in Klara von Hassenseld das heut
sche Blut auf; ttotzdem sie in diesen Jahren das
Schweigen gelernt hatte die Not aller Deutsche« ftn
Ausland«, so war jetzt di« Empörung doch größer
als die Besonnenheit.
„Warum beschimpfen Sie uns so? Nimmt man
die deutsche Arbeit nicht überall bereitwillig an, und
dennoch wagt man sie dann zu lästern?"
„Wie reden Sie denn mir mir? Sie glauben
wohl, daß dies« Sauerkrauffresser, die der Hunger
aus Deutschland tteibt, sich schon in Belgien breit
gemacht habe«? Räuber sind sie. Um zu stehlen
und zu brennen haben die Drrltschen den Krieg ge,
sucht." . 9
„Ten Krieg?"
Klara von Hassenseld ahnte nichts von den Er¬
eignissen dieser Tage. Run glaubte sie die Ursachen
für die Erregung aus den Straßen erkannt zu habeu
Krieg!
Aber sie hatte nicht erst fragen müssen, dem-
Madame Someron erzählte bereits etwas mehr:
„Nur hatten sich die Deutschen geirrt. Die Rus¬
sen werden von Osten hereindrücke» und die Frau-
zofen überschwemmen Elsaß und Lothringen. Auch
die Engländer werden nicht Zusehen, so baß das lqn-
dergierige Temschland von drei Seiten zermalmt
werde» wird."
„Das ist nicht möglich! Also wirklich Krieg?"
»Ja! Und i« allen Zeitungen können Sie es
lesen daß die Kosaken schon um Breslau und Stettin
schwärme», daß Elsaß und Lothringen bereits die
Trikolore hissen — —"
Der deutsche Stolz, bas deutsch« Machtbewußt¬
sein lehnte sich dagegen auf.
„Wollen Sie niich eine Lügnerin nennen? In
allen belgischen itnd französischen Zeitungen ist es
zu lesen. Zu belgischem Schutze werden' die Eng¬
änder eine halbe Million Soldmen landen-
Deuffchland in Not!
2tur bas empfand Klara von Hassenseld.
Sie wußte, daß Hassenseld aus dem Grenzboden
Lochrmgens stand-
Und sie war eine Deuffche! Gehörten in dieser
Stunde nicht alle, di« deutsch fühlten, die Deutsche
waren, ^irück in die Heimat, wo alle mit allen
Kräften oer Not helfen konnten?
Deuffchland in Not! Bon drei Seiten sollte es
der Feind bedrohen.
Da hatte Klara von Hassenseld nur ei» Ber-
augen:
„So möchte ich darum bitten, sofort noch Deuffch-
'anfe pkrürffehren «i dürfen."
(Fortsetzung folgt