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Montag den 22« IXTarz 1915.
42. Zahrgang.
Deutscher Reichstag.
Sitzung am 26. März 1915.
Der Antrag auf Vertagung des Reichstages bts zuni
18. Diai i*.trb angenommen.
Ein Auslieferungsvertrag mit Paraguay wurde
genehmigt und dann die -
zweite Lesung des Etats
bei dem Etat des Reichsamts des Innern fortgesetzt.
Abg. Stadthagcn (Soz.) brachte in einer langen
Rede zahlreiche Zensurbeschwerden des „Vorwärts' zur
Sprache und suchte die Ungesetzlichkeit einer politischen
Zensur sowie die Unzulässigkeit des Verbotes von Zei¬
tungen unter dem Belagerungszustand nachzuweisen.
Vor allem klagte er über die Ungleichartigkeit, mit der
die Zensur gehandhabt wird, die aber nach seiner Mei¬
nung immer nur zu ungunsten der sozialdemokratischen
Presse ausfalle.
Abg. Haußmann (Vp.): Es handelt sich nur um ver-
Ünzelte Mißgriffe der Pressezensur. Allgemein ist
Mugeben, daß die Presse, einschließlich der sozialdemo¬
kratischen, die ihr in der Jetztzeit obliegenden wichtigen
Aufgaben in einer Weise erfüllt hat, die Anerkennung
perdient. Es ist erklärlich, daß die Heranziehung von
Militärpersonen zur Ausübung der Zensur gewisse Un¬
stimmigkeiten zur Folge haben muß. Wir müssen die
Erfahrungen verwerten. Im Auslande besteht ein ge¬
wisser Zwang, die Unwahrheit zu sagen. Das zeigt
auch der letzte Tagesbefehl Joffres. Was in Frankreich
geschändet wird, ist die Wahrheit. Die Erörterung des
Kriegszweckes ist gegenwärtig nicht angebracht. Je grö¬
ßer die geistige Disziplin, umso größer ist auch der An¬
spruch auf Freiheit und Recht, den die Bevölkerung er¬
heben kann, wenn der Ausnahmezustand des Krieges
beseitigt ist, wenn der Feind geworfen ist durch Trup¬
pen, denen wir Stunde um Stunde unsere höchste Dank¬
barkeit schulden. (Lebh. Beifall).
Staatssekretär Dr. Delbrück: Den Wünschen, die
Presse-Verordnungen der einzelnen Bundesstaaten zu-
>ammenzustellen, wird gefolgt werden, aber erst später.
Abg. Ledebour (Soz.): Die Ansicht des Staatssckre-
r'irs, daß es Ausnahmegesetze bei uns nicht gibt, iit
v, llig irrig. Daß das Jesuitengesetz ein Ausnahmegesetz
:>a stelle, hat der Staatssekretär früher selbst zugege-
zer. Auch der Sprachenparagraph ist, wenn er sich auch
ticku mit klaren Worten gegen die Polen wendet, doch
,n de» Praxis ein reines Ausnahmegesetz. Das Ober-
(ommcn.do bemüht sich, alles zu reglementieren, selbst
ue Gorü sdienstordnung und die Geschäftsführung kaus-
nännische- Betriebe in zweisprachige»! Gebieten. Wer
ist der U'.üeber dieser ungeheuerlichen Anordnungen?
Das sind d'e schlimmsten Hochverräter, die auf diese
Weise die elsaß-lothringische Bevölkerung in die Arme
Frankreichs h. neintreiben (Zuruf rechts: Burgfriede).
Der Burgfriede ist nicht durch uns, sondern durch solche
Maßnahmen, tot» ich sie schilderte, gebrochen. Ich un-
rrschreibe alles, was über unsere unvergleichlichen
truppen gesagt worden ist. Leider zeigt sich aber un¬
sere Heeresleitung !n ihren politischen Taten absolut
nicht auf der Höhe. Ich war entsetzt, als ich las, daß
für jedes niedergebraante deutsche Dorf drei rus¬
sische Dörfer n'edergebrannt werden
sollen. (Zuruf: das 'st Barbarei!) Großer Lärm,
lebhafte Zurufe von allen bürgerlichen Parteien, Glocke
des Präsidenten, Zurufe: Wer hat es B a r b a r e i ge-
na n n t?)
Vizepräsident Dover Bekennen Sie sich zu diesem
Ausdruck?
Abg. Ledebour (Soz.) forifahrenid: Eine solche Ma߬
nahme ist an sich höchst bedauernswert, weil sie Un¬
schuldige trifft für das, was andere getan haben. Wenn
russische Kosaken deutsche Dörfer niederbrcnnen, so ist
das eine Barbarei, aber dies rechtfertigt nicht, daß von
unserer Seite für je ein niedergebranntes deutsches
Dorf drei russische eingeäschert werden.
Vizepräsident Dove: Ter Abg. Liebknecht teilt
mir mit, daß er da« Wort Barbarei zugerufen hat: ich
rufe ihn deshalb zur Ordnung.
Abg. Ledebour (Soz.) sortfahrend: Tatsächlich wer¬
den durch solche Maßnahmen Polen und Lithauer ge¬
troffen. Das sind Leute, auf deren Bundesgenossen¬
schaft wir rechnen müssen.
Vizepräsident Dove: Die weiteren Ausführungen,
die eine Kritik der Maßnahmen der Heeresleitung be¬
deuten, kann ich unter den obwaltenden Umständen
während des- Krieges nicht gestatten. (B-avo!)
Abg. Ledebour 'Soz.j fortfahrend: Wir sollten (Zu¬
rufe von den Sozialdemokraten Heine, Ebert und an¬
deren: Sagen Sie nur das, wozu Sie von der
Fraktion beauftragt sind. (Bravo! rechts.)
In uns sollen die Völker die Freiheit und ihre Befrei¬
ung sehen. Deshalb glaube ich als Sozialdemokrat und
deutscher Patriot (Lachen rechts) im Interesse Deutsch¬
lands, Europas und im Interesse der Menschlichkeit
diese Worte gesprochen zu haben. (Pfuirufe rechts.)
Staatssekretär Dr. Delbrück: Es würde nicht der
Situation entsprechen, wenn ich auf diese Rede ant¬
wortete. Ich halte mich aber für verpflichtet, folgendes
ti erklären: Der Abg. Ledebour hat sich vorhin mit
nordnungen beschäftigt, die unter der Herrschaft des
Kriegszustandes der Oberbefehlshaber tn den Reichs¬
landen getroffen hat. Er sagte dann weiter: „Sie
suchen immer nach Hochverrätern. Diejenigen sind die
lchlimmften Hochverräter, die sich derartiger Handlun-
grn schuldig "machen." iHört! Hört!) Es liegt mir
völlig fern, in die Rechte Ihres Präsidenten emzugrei-
ton, aber ich halte mich für verflichtet, die Verwaltung
von Elsaß-Lothringen gegen derartige Vorwürfe, gegen
oen^Vorwurf des Hochverrats mit aller Entschiedenheit
rn Schatz 3U nehmen. (Lebhafter Beifall.)
ubg. Graf Westarp (kons.): Ich habe namens mei¬
ner Fraktion das tiefste Bedauern auszusprechen über
Art und Weise, in der die Abgg. Ledebour und
ssch erlaubt haben. Maßnahmen der obersten
^eresleitung hier zu tritisicren. Ter Präsident har
- 's?, ^artige Kritik bereits für unzulässig erklärt. Ich
fjJLl die sozialdemokratische Fraktion den Mut
^„^-Ausführungen dieser beiden Parteigenossen
?tl1ctt- Die Abgeordneten Ledebour und Lieb-
bl dem Vaterlande in der schwersten stunde,
9fLie»*e6t hat und erleben wird. (Lebh. Bravo.)
aog. -»«„etrtnaittt (ntl.V Namens meiner politychen
LsUnde muß i» mein Bedauern aussprechen, daß in
diesen schweren Äriegszeitcn ein Redner namens seiner
Fraktion (Widerspruch bei den Soz.) — ich höre wreder-
yoü. vag er nicht namens seiner Fraktion gesprochen
hat, eine offiz,ew> Erklärung wäre erwünscht (Bravo!)
In die!er Zeit derartige Ausführungen hören zu müssen,
erweckt ein betrübendes Gefühl für jeden Patrioten,
auch wir bedauern solche Maßnahmen wenn sie notwen¬
dig pnd, aber wenn mm, gesehen hat, wie von den Rus-
>en gemordet und geschändet worden ist, so mutz man
von unterer Heeresleitung vollste Energie verlangen.
. "h man eine solche unhuman« Kriegführung mit allen
Mitteln zuruckwcist. (Lebhafter Beifall)
Abg.Gröbcr (Ztr.): Die sozialdemokratische Fraktion
muß sich zu den Ausführungen ihrer Mitglieder Lede¬
bour und Dr. Liebknecht erklären. Das ,oeben hier in
der Oefsentlichkeit vor dem ganzen deutschen Volke Ge-
sagte muß geklärt werden, ab es nur die Ansrcbt eines
einzelnen Abgeordneten oder der ganzen Partei ist.
(Lebhaftes Sehr richtig!) Die Mitglieder der sozial-
dcmokratiscken Fraktion haben sich hier bereits mehrere
Male auf den Boden des gemeinsamen Vaterlandes
gestellt, was wir lebhaft anerkennen. (Lebhaftes Bravo!)
Mit dieser Stellung sind solche Aeußerungen. wie sie
heute hier gefallen sind, unvereinbar. Es handelt sich
um Maßnahmen, die von der Heeresleitung nicht aus
Uebermnt, sondern in bitterer Not zum Schutze des
deutschen Vaterlandes angeordnet sind. Wenn man
auch bei einzelnen Fragen anderer Ansicht sein könnte,
so ist es doch nicht unsere Aufgabe als Volksvertreter,
denen in den Arm zu fallen, die das Vaterland vor dem
schwersten Unheil zu schützen suchen. Möge die sczial-
dcmokratiscke Fraktion offen sagen, ob sie mit den
Aeußerungen Ledebours einverstanden ist oder nicht.
(Lebhaftes Bravo!)
Abg. Fischbeck (Fortschr. Vpt.): Ich kann mich nur
den Ausfiihrungen der vorherigen Redner anschließen
namens meiner Fraktion. (Bravo!) Auch bei uns sind,
wenn solche Maßnabmen getroffen werden, Gefühle des
Mitleides selbstverständlich, es gilt aber der russischen
Leitung zu zeigen, wohin die Konsequenzerl führen,
wenn sie ihre Horden in unserem Vaterlande morden
und brennen läßt. Tie deutsche Heeresleitung kann
unter Umständen auf solche Maßnahmen nicht verzich¬
ten. (Lebhaftes Sehr richtig!)
Abg. Schulö-Bromberg (Reichsp.): Wir schließen
uns den Vorrednern an. Erwünscht wäre eine Erklä¬
rung der sozialdemokratischen Fraktion.
Abg. Ledebour (Soz.): Der Zweck meiner Ausfüh¬
rung war, die Wiederholung solcher Maßnahmen zu
verhüten. Das kann nur erreicht werden durch öffent¬
liche Aussprache von der Parlamentstribüne. Alle De¬
duktionen der Herren, die jetzt hier gesprochen haben,
treffen vollkommen vorbei, wenn sie behaupten, diese
Maßnahmen, die die Heeresleitung getroffen habe, seien
eine Notwendigkeit gewesen. (Vizepräsident Dove: Ich
untersage Ihnen wiederholt, die Maßregeln der Heeres¬
leitung selber zu kritisieren.) Abg. Ledebour (fortsah-
rend): Ich habe die Ueberzeugung, daß bei ruhiger
Ileberlegung auch in Deutschland das Volk die Richtig¬
keit und Notwendigkeit meiner Ausfiihrungen anerken¬
nen wird. (Allseitiges Lachen.)
Abg. Scheidemann (Soz.): Im Aufträge des Vor¬
standes der sozialdeniokratischen Fraktion erkläre ich
folgendes:
Unsere Fraktion hat ihr Mitglied Ledebour beauf¬
tragt, nur über den Sprachenparagraphen
zu sprechen. Alles, was Ledebour darüber hinausgehend
gesagt hat, hat er für seine Person gesagt und
hat cs allein zu verantworten. (Lebhafter
Beifall im ganzen Hause.)
Abg. Haussen (Däne): Es ist von höchster Stelle
anerkannt worden, daß die Dänen Nordschleswigs voll
ihre Pflicht gegenüber dem Reiche tun. Wir erwarten,
daß die berufenen Stellen auch ihre Pflichten uns ge¬
genüber erfüllen.
Abg. Sepda (Pole): Große Teile des Volkes stehen
unter den Waffen. Es ist deshalb Zeit, die Ausnahme¬
bestimmungen des Sprachenparagraphen aufzuheben.
Abg. Schultz-Bromberg (Rpt.): Alles, was uns
trennt, soll jetzt zurückgestellt werden. Ueber diese hier
angeschnittenen ^Fragen wird später zu verhandeln sein.
Abg.Heine (Soz.): Das Reichs-Vereinsgesetz bedarf
dringend der Korrektur. Der Sprachenparagraph muß
aufgehoben werden. Ein entsprechender Gesetzentwurf
ist von meiner Fraktion eingebracht worden, "lind die
Gewerkschaften? Nach dem Kriege darf die alte Praris
nicht wieder platzgreisen. Deshalb fordern wir die ge¬
setzliche Regelung dieser Materie noch während des
Krieges. Ich bitte Sie, unseren Antrag vor eine Kom¬
mission zu verweisen. (Beifall bei den Soz.)
Abg. Liesching (Fortschr. Vpt.): Wir stimmen dem
Anträge zu, sind für Kommissionsberatung, glauben
aber, daß die weiteren Verhandlungen erst in der näch¬
sten Tagung stattfinden. Materiell sind wir m,t dem
Entwurf einverstanden.
Staatssekretär Dr. Delbrück: Nach den Erregun¬
gen der Stunde, die hinter uns liegt, ist es unmöglich,
alle Anregungen zu beantworten, die hier ürut wurden.
Diese Stunde wird für jeden, der sie miterlebt hat.
zu den bittersten Erinnerungen des Krieges führen
(Sehr richtig!), weil die Kritik, die der Abg. Ledebour
an der Armee und ihren Führern geübt hat. versa s°
sungswidrig tvar. In ihrer Form war sie in
hohem Maße verletzend. Es ist eine bittere Stunde,
weil die gefeierten Helden des deutschen Volkes, die
dieser Krieg uns gebracht hat. mit in die Kritik einbe¬
zogen wurden. (Lebhafte Zustimmung.) Trotzdem will
ich versuchen, den Anforderungen der Stunde gerecht
zu werden, in der Ueberzeugung, daß die Erinnerung
an den 4. August das Satirspiel, das sich eben vor un¬
seren Angen abspielte, überdauern wird. (Bravo!)
Es ist anerkannt worden, daß cs zu den Aufgaben des
Krieges gehören wird, das I e s u i t e n g e s e tz, dar¬
aus Zeiten des Kulturkampfes stammt, zu beseiti-
gen. Das Vereinsgesetz kann aber nicht als
Ausnahmegesetz angesprochen werden, wenn es auch
vou einzelnen Volks teilen als solches empfunden wird.
Jetzt kann noch nickt daraus geantwortet werden, in
' wlcher Form das Vereinsgesetz geändert werden muß
-der kann. Die scharfe Anwendung des Paragraphen
gegen Berussvereine begründet sich daraus, daß ange-
irommen werden mußte, daß diese Vereine sich nicht aus
die Aufgaben beschränkten, die ihnen zunächst gesteckt
waren. Wenn die Gewerkschaften glauben, sich bekla¬
gen zu sollen, daß sie zu Unrecht als politische Vereine
angesehen würden, so hängt das eng zusammen mit der
scharfen Kluft aus politischem Gebiete, die das ganze
Volk auseinandergerissen und getrennt hat. Ich habe
bereits wiederholt daraus hingewiesen, daß nach meiner
Auffassung die Gewerkschaften nicht den richtigen Platz
in unserem Reichsleben einnehmen. Man wird hier
Hand anlegen müssen. Die Vorbereitungen hierzu waren
bereits im Gange, als der Krieg ausbrach. Nach Schluß
des Krieges, der üns auch in dieser Beziehung manches
gelehrt hat, werden alle diese Fragen eingehend zu prü¬
fen sein.
Was die Frage des Belagerungszustandes, der Presse
und der Zensur betrifft, so haben die Reden der Herren
Stadthagen und Ledebour ein falsches Bild über die
Kommissionsverbandlungen gegeben, wo die Parteien
darüber einig waren, daß der Belagerungszustand nicht
entbehrt werden kann, und daß der Reichskanzler da¬
für verantwortlich ist, daß der Belagerungszustand ver¬
hängt wird, und daß er nur so lange bestehen bleibt.
als die verfassungsmäßigen Voraussetzungen noch vor¬
handen sind. Alles in allem, sind wir uns darüber
einig gewesen, daß die Art und Weise, wie die stellver¬
tretenden Kommandierenden Generale sich der ihnen
durch die Verhängung des Belagerungszustandes er¬
wachsenden schweren Aufgabe unterzogen haben, An¬
erkennung und Dank seitens der Bevölkerung gesunden
hat. Einig waren wir uns auch darüber, daß die Zen¬
sur nicht zu entbehren ist. Verschiedener Ansicht waren
wir nur über den Umfang, in welchem dies notwendig
oder zu gestatten sei. Auch wurde hier anerkannt, daß,
wenn auch manche Sonderlichkeiten hervorgetreten sind,
daß die Zensur im Großen und Ganzen den an sie
gestellten Anforderungen entsprochen hat. Ferner ist
eine Abänderung des Gesetzes betreffend Versorgung
der Hinterbliebenen der Gefallenen und
Invaliden gewünscht worden. Die Regierung hat
schon in der Kommission ihre grundsätzliche Bereitwil¬
ligkeit hierzu erklärt, aber erklärt, daß mangels an aus¬
reichenden Unterlagen, besonders bezüglich der sinan-
ziellen Tragweite, es zurzeit unmöglich ist, ein entspre¬
chendes Gesetz zu verabschieden. Wo Not ist, wird die
Regierung unterstützend eingreifen. Der Krieg hat uns
eine Lehre gegeben, die auch Abg. Ledebour und seine
Freunde nicht werden widerlegen können, daß die Liebe
zum deutschen Vaterlande ein unveräußerliches und
heiliges Gut ist, das jedem Deutschen ohne Rücksicht aus
Abstammung und Konfession eigen ist. (Bravo.) Was
un§ im Frieden getrennt hat, ist in den Hintergrund
getreten. Unsere in diesen Beratungen gezeigte Be¬
ratungsart mag unseren Feinden einen neuen Beweis
geben fiir die wirtschaftliche und moralische
Unüberwindlichkeit des deutschen Vol¬
kes. (Bravo!) Lassen Sie unvergessen bleiben, was
Abg. Scheidemann neulich hier gesagt hat. Niemand
von uns wird die warmen Töne vergessen, wie er von
der Zugehörigkeit und Liebe zu unserem gemeinschaft¬
lichen Vaterland sprach. (Bravo!) Sie können über¬
zeugt sein, daß wir nach dem Kriegsschlutz die Wege
finden werden, dieses gewonnene Ergebnis in die Tat
umzusetzen zum Segen des Vaterlandes. (Lebh. Beif.)
Damit war die Aussprache beendet. In der Ab¬
stimmung wurden die Anträge der Budgetkommission
mit unwesentlichen Aenderungen angenommen.
Herr Ledebour bekam noch nachträglich einen Ordnungs¬
ruf vom Vizepräsidenten Dove, der aus dem Steno¬
gramm eine vom Staatssekretär Delbrück zurückgewie¬
sene beleidigende Bemerkung gegen die elsaß-lothringi¬
sche Verwaltung festgestellt hatte.
Vor der Abstimmung über eine Resolution betref¬
fend Beseitigung von gesetzlichen Ausnahme¬
bestimmungen (Jesuitengesetz) erklären die Abgg.
Graf Westarp (Kons.), Bassermann (Natl.), Behrens
(Wirtsch. Vgg.) und Schultz-Bromberg (Rpt.), daß sich
ihre Fraktionen der Abstimmung enthalten werden.
Der Koloinaletat. und der Justizerat werden be¬
willigt.
Es folgt der
Marine-Etat.
Abg. Pfleger (Ztr.) berichtet über die Kommissions¬
beratungen: In der Kommission wurde mitgeteilt, daß
die Schiffsv erluste schon wieder ersetzt sind.
(Beifall.) Weiter wurde seftgestellt, daß die Intensi¬
tät des Unterseebootkrieges sich fortge¬
setzt steigern wird. (Lebhafter Beifall.)
Der Etat wird bewilligt, ebenso ohne Debatte der
Etat der Reichs-Justiz-Verwaltung.
Beim Etat des Reichs schatzamtes gibt der
Kommissionsberichterstatter Abg. Nacken (Z.) der Ueber¬
zeugung Ausdruck, daß wir finanziell gut durch¬
halten können. Wir haben gehört, daß die zweite
Kriegsanleihe einen noch günstigeren
Erfolg gehabt hat als die erste. (Beifall.)
Mit der Beratung dieses Etats werden verbunden
die Etats der Reichsschuld und der Reichsfinanzverwal¬
tung.
Reichsschatzsekretär Dr. Helfferich: Das Ergeb¬
nis der neuen Kriegsanleihe ist ein ausge¬
zeichnetes. (Beifall.) Die Zcichnungsstellen, die uns
bei der ersten Anleihe 2,206 Milliarden brachten, wei¬
sen diesmal schon 3,950 Milliarden aus. (Lebh. Beif.)
Dieses Teilresultat läßt erwarten, daß das Gesamt¬
ergebnis sieben M i l l i a r d e n, wahrscheinlich
noch mehr sein wird. (Erneuter Beifall.) Mit die¬
sem Ergebnis sind wir den Engländern gegenüber um
vier bis fünf Milliarden im Vorsprung.
(Beifall.) Wir alle betrachten diese Milliarden als eine
Bekundung der ungebrochenen und nicht zu brechenden
wirtschaftlichen und finanziellen Kraft Deutschlands,
als eine Bekundung des entschlossenen Willens unserer
ganzen Bevölkerung, den Krieg unter allen Umständen
durchzuhalten. (Lebh. Beifall.) Diese Bekundung wird
man überall hören, bei Freund und Feind, wenn unsere
Feinde auch Augen und Ohren noch so sehr verschließen
wollen. Größer als die Milliarden selbst ist der Geist,
aus dem heraus sie aufgebracht worden sind, der Gei st
der unbedingten Entschlossenheit des
deutschen Volkes, den Krieg durchzuhal-
ten und zum endgültigen Sieg zu kommen.
(Stürmischer Beifall.)
Die Etats werden bewilligt.
Nachdem der Etat des Rcichseisinbahnamtes und
der Reichspostverwaltung ohne Debatte bewilligt waren,
wurde die Sitzung aus zwei Stunden unter,
brachen, weil in dieser Zeit die Sozialdemokraten
und Konservative wegen deS Ztvischenfalles Ledebour
Fraktionssitzungen abhalten wollten.
Bei Wiedereröffnung -der Sitzung erwartete man
Erklärungen als Ergebnis dieser Besprechungen. Sie
blieben jedoch aus und in einer Viertelstunde wurde
der R e st des Et ats in der zweiten Lesung, das
Etatsgesetz auf Aufgabe von 16-Markscheinen angenom¬
men. Der Präsident schloß die Sitzung und beraumte
sofort eine neue zur dritten Lesung des Etats am,
die eine halbe Stunde später eröffnet wurde.
*
In dieser Sitzung wurde zunächst der Bericht der
Geschäftsordnungskommission betr. das Mandat
des Abg. Wetterle erstattet.
Abg. Müller-Meiningen bittet namens der Kommis¬
sion, das Mandat einmütig als erledigt zu erklären.
Das Haus beschließt einstimmig demgemäß.
Es folgte die
Dritte Lesung des Etats.
In der Generaldiskussion erhält das Wsvt
Abg. Tcheidcmann (Soz.) zu folgender Erklär:« !g:
Die Gründe, die für uns maßgebend waren, den
Kriegskrediten zuzustimmen, bestehen unvermindert
fort.. Wir haben nach den bewundernswerten Taten
unserer Truppen und ihrer Führer (Bravo!) 'das feste
Vertrauen, daß es ihnen gelingen wird, zu einem ehren¬
vollen dauernden Frieden zu kommen. (Pravo!) Zur
Bekräftigung dieses unseres festen Willens werden wir
diesem Etat unsere Zustimmung geben. Lebh.
Bravo!) ' ..
Abg. Graf Westarp (Kons.): Wir bedauern, daß in
der Erklärung der sozialdemokratischen Fraktion eine
ausdrückliche Mißbilligung der Vorgänge von
heute vormittag nicht enthalten gewesen ist, zu«
mal die Kritik gegen den hochverehrten Führer im
Osten, Generalfeldmarschall von Hindenburg gerichtet
war, dem das schwer geprüfte Ostpreußen zu rückhalt.
losem Dank verpflichtet ist. Die Zustimmung zum Etat
ist eine einfache Pflicht jedes Mitgliedes dieses Hauses.
Das deutsche Volk würde es nicht »erstehen, wenn iegend
jemand nn gegenwärtigen Augenblick dem Daterlanide
die Mittel versagen würde. (Bravo! rechts, Zischen
links und im Zentrum.)
Abg. Basscrmann (ntl.): Nachdem heute ein schwerer
Mißton in unsere Einmütigkeit gekommen ist durch den
Vorfall, den wir aus das tiefste beklagen, und den wir
ausdrücklich mißbilligen, sind wir erfreut, daß wir diese
Tagung mit einer einmütigen Kundgebung
bewundernswerten Leistungen unserer Truppen und
ihrer Führer und mit dem Ausdrucke festen Vertrauen-
schließen können. Die Bewilligung des Etats durch den
ganzen Reichstag halten wir für ein Ereignis, gegen
das die Bedeutung dieses Zwischenfalles zurücktret««
muß. (Bravo!)
Abg. Fischbeck (Fortschr. Vp.): Wir hakten es nicht
für notwendig, auf den Zwischenfall zurückzukommen,
um so weniger als uns in diesem Augenblick die Freude
über die Einmütigkeit des Deutschen Reichstages be*
sielt. (Lebhafter Beifall links und im Zentrum.)
Abg. Scheidemann (Soz.): Keine Fraktion kann für
den Zwischenruf eines einzelnen Abgeordneten verant¬
wortlich gemacht werden. Aber jede Fraktion mutz eS
ablehnen, sich von einer anderen Fraktion eine Zensur
erteilen zu lassen. Uebrigens geht aus dem Steno¬
gramm der Rede Ledebours hervor, daß er kein Wort
gegen den Generalfeldmarschall Hindenburg gesagt hat.
(S^r richtig! bei den Sozialdemokraten.) In der
Sache selbst habe ich bereits in meiner Rede von
vorgestern zum Ausdruck gebracht, daß wir den
Vorwurf der Barbarei gegen unsere Truppen,
von welcher Seite er auch kommen mag, mit aller
Entschiedenheit zurückweisen. (Lebhafter
Beifall.)
Staatssekretär Dr. Helfferich: Ueber das Ergebnis
der Kriegsanleihezeichnungen kann ich Mit¬
teilen, daß die 7. Milliarde überschritten
wird. Sie können mit dem beruhigenden Bewußtsein
von dieser Tagung nach Hause gehen, daß wir den un»
aufgezwungenen Handels- und Hungerkrieg Dank der
wohlgeordneten und festgefügten Finanzwirtschaft
ebenso wie unsere Heer« gegenüber den feindlichen Hee¬
ren Stand halten/siegreich bestehen werden im Ver¬
trauen auf Gott, unser reines Gewissen, unser gutes
Recht und aus die Unzerstörbarkeit der sittlichen Kraft
des deutschen Volkes. (Lebh. Beifall).
Abg. Dr. Spahn (Zent.): Wir haben gestern Dan»
und Anerkennung ausgesprochen unseren Truppe»
im Felde und unserer M a rin e. Nach den soeben
vom Schatzsekretär gemachten Mitteilungen würden wir
undankbar sein, wenn wir nicht auch Anerkennung auS«
sprechen würden den Zurückgebliebenen im
deutschen Reiche, die ihre Schuldigkeit gegen da?
Vaterland vollkommen getan haben. (Beifall.) Wir
werden durchhalten in? Kriege für Kaiser und Reich.
(Lehafter Beifall.)
In der Gesamtabstimmung erhebt sich das ganz«
Haus mit Ausnahme des Abg. Dr. Liebknecht'.
Als der Präsident die einstimmige Annahme deS Etat»
konstatieren will, wird unter Hinweis aus Dr. Lieb¬
knecht gerufen: »Nein, da sitzt er ja!" (Heiterkeit.)
Auch das Etatsgesetz wird von: ganzen Hause mit
dieser Ausnahme a n g e no m m c n. Einige Petitionen
werden gemäß den Kommissionsanträgen dem Reichs¬
kanzler als Material überwiesen.
Präsident Tr. Kaempf: Ich bitte um die Ermäch«
'igung, am 1. April einen Kranz am Denkmal de»
Fürsten Bismarck mederlegen zu dürfen. (Leb.
Hafter Beifall.) Den hundertsten Geburtstag Bismarck».
des Mitschöpsers des neuen deuffchen Reiches, könnet
wir nicht vorübergehen lassen, ohne daß ein Lorbeer«
kräng Zeugnis ablege für die Verehrung, die das gang»
Reich ihm schuldet. Namentlich heute, inmitten eine»
Weltkrieges, gedenken wir seiner Taten, und stark trete*
uns in die Erinnerung seine Person und seine Ver«
dienste (Bravo!) Der Präsident dankt darauf der ver¬
stärkten Dudgetkommission und deren Vorsitzenden für
ihre Arbeit, in der die Einmütgkeit des deutschen Volke»
zum Ausdruck gekommen ist, und fährt fort: Wir wer»
den nicht eher ruhen, als bis wir zu einem Ende
dieses gewaltigen Krieges gekommen sind,
das den Opsirn, di« das ganze deutsche Volk willig den«
Vaterland« bringt, entspricht. Die Kraft der deutsche*
Wehrmacht, verbunden mit unserer wirtschaftliche»
und finanziellen Stärke, wird uns in diesem riesen»
haften Kampf den siegreichen Frieden bringen, der de»
Nation von 70 Millionen Menschen dauernd die Stell
lung sichern soll, die ihr gebührt und die wir erkäm»
kämpfen und verteidigen werden gegen eine Welt vo»
Feinden. (Lebhafter Beifall.)
Staatssekretär Dr. Delbrück verliest darauf die Kai.
serliche Kabinettsvrdre auf Vertagung de»
Rei chstages bis zum 18. Mai.
Präsident Dr. Kaempf schließt die Tagung mtz
ei.«:m dreifachen Hoch aus Kaiser und Vaterland.
Ein unerhörter Erfolg
der Kriegsanleihe»
Neun Milliarden!
wtb Berlin, 21. März 1915. Das heute
grnde Ergebnis der Kriegsanleihezelch .
nungen erreicht neun Milliarden Mar?.
wtb Berlin, 21. Mär; 1915. Von den rund 9
Milliarden der neuen Kriegsanleihe entfal¬
len 1000 Mlftonen auf Schuldbuch-Eintraguugen
und 7500 Millionen auf Schätzen veisun ten
Tie zweite deutsche KriegsanUihe sollte nach der
Hoffnung unserer Feinde den „finanziellen ^tlsaln-
menbruch" des deutschen Volkes, von dem besindcrs
die eirgltschü Presse immer saselle, bestätigen. Aber
wie sich unsirp „lieben Vettern" ienserts des Kanal»