Full text: Fuldaer Zeitung (1915)

FuldaerZeitun 
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TU. 127. 
€rftes Blatt. 
Samstag Vor» 5. Zun» 1915. 
Stürmung von Hooghe bei Ypern. 
Fortsetzung der Rnssenversolgnng in Galizien. 
Iw leMe Tuzksberichl. 
vtd. Großes Hauptquartier, 4. Juni 
1915. (Amtliches Telegramm.) 
Westlicher Kriegsschauplatz: 
Schloß u^rtHooghe (östlichYpern) 
ist bis auf we. ige Häuser am Westrande 
von uns gestürmt. Englische Gegen¬ 
angriffe wurden blutig abgewiesen. 
Oestlich Givenchp gelang es gestern 
abend englischen Truppen, in unsere Diel¬ 
ung einzudringen. Ein Gegenangriff 
i^-rf den Feind unter schweren Verlusten 
a der hinaus. Drei englische Maschinen- 
Y rwehre blieben in unserer Hand. Die 
- lung ist lückenlos in unserem Besitz. 
- ^ieZuckerfabrik Souchez ist nach hin 
herwogendem Kampfe von uns be- 
r An der Bahn westlich von Souchez 
er Kampf noch im Gange. 
M ,iu starker feindlicher Angriff auf 
r.« ve Gräben bei und nördlich Neu¬ 
ville brach im Artilleriefeuer zusammen. 
Südlich Neuville sind seit heute nacht 
Nahkämpfe im Gange. 
Im Priesterwalde ist der Kampf 
abgeschlossen. Es ist uns gelungen, den 
größten Teil der verlorenen Gräben 
wieder zu gewinnen. 
Oestlicher Kriegsschauplatz: 
Russisch' Abteilungen wurden durch 
unsere Kavallerie aus den Ortschaften 
Lenne und Schrunden, 60 und 70 
Kilometer östlich Libau, vertrieben. 
In Gegend Rawdijany, westlich 
Kurscharly und bei Sawdyniki an der 
Dubiffa, scheiterten feindliche Angriffe. 
Südöstlicher Kriegsschauplatz: 
Unsere Truppen haben nach Kampf 
die Orte östlich von Przemysl und nach 
Nordosten anschließend die Linie Bolest- 
traszhee - Torki - P-dziaes - Star- 
zawa erreicht. Die Beute aus dem Fall 
von Przemhsl ist noch ni cht festgestellt. 
Es ergibt sich aus Aussagen Gefangener 
verfchiedensterTruppenteile, daß die Russen 
in der Nacht vom 2. zum 3. Juni, in der 
Przemhsl gestürmt wurde, gegen die ganze 
Front der Armee des Generalobersten 
von Mackensen einen allgemeinen Angriff 
eingeleitet hatten. Diese Offensive ist 
schon in ihren Anfängen vollkommen 
gescheitert. 
22 Kilometer östlich von Przemhsl 
stürmten deutsche Truppen unter General 
von der Marwitz die Höhen beiderseits 
Mhslatheze. 
Die Armee des Generals v. Linstngen 
ist im Begriff, den Unterlauf des Strhj, 
nordöstlich des Ortes gleichen Namens, 
zu überschreiten. 
Oberste Heeresleitung. 
Oesterreichisch-ungarischer Tagesbericht. 
wtb Wien, 4. Juni 1915. Amtlich wird ge¬ 
meldet: 
Russischer Kriegsschauplatz: 
Im Laufe des Tages wurde Przemhsl vom 
Feinde g es ö v * e r t, der in östlicher Richtung 
zurückging und auf den Höhen südwestlich Mcdyka 
durch Nachhuten Widerstand zu leisten versucht. Dort 
greifen jetzt die verbündeten Truppen an. 
Unterdessen ist es der Armee Böhm-Ermolli ge¬ 
lungen, von Süden her die russische Ver¬ 
leid igu» gsstellung zu durchbrechen und 
in der Richtung auf Moseiska vorzustotzen, von 
welchem Orte unsere Truppen nunmehr wenige Kilo¬ 
meter entfernt stehen. Bei diesen Kämpfen fielen 
zahlreiche Gefangene in die Hände der Sieger. 
Auch der Angriff der Armee Linsin gen hatte 
neue Erfolge. Die Russen find seit heute früh vor 
dieser Armee in vollem Rückzug. 
An der P r u t h l i n i e haben sich in Rückwirkung 
der Ereignisse am San und obern Dnjestr neue 
Kämpfe entwickelt. Wo der Gegner Angriffe ber> 
suchte, wurde erunterstarkenVerlustenab 
gewiesen. 900 Mann wurden zu Gefangenen ge¬ 
macht. Die sonstige Lage am untern San und in 
Polen ist unverändert. 
Italienischer Kriegsschauplatz 
Im TirolerGrenzraum sind keine wesent¬ 
lichen Ereignisse z« verzeichn-n. Oestlich des Kreuz- 
bcrgsattels nahmen unsere Truppen zwei Gipfel, die 
die Italiener vorübergehend stark besetzt hatten. 
AnderKärntnerGrenze hielt der Geschützt 
kampf stellenweise an. 
Im Küstenlande wird im Raum von Kar 
freit gekämpft. 
Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabs: 
von Hoefer, Feldmarschalleutnaut. 
In Galizien haben sich unsere Truppen in 
der neu eroberten Festung nicht lange aufgchalten, 
sndern setzten dem Feinde, der den Rückzug nach 
Osten angetreten hatte, unermüdlich nach Open 
und Nordosten nach. Wie sich jetzt aus den Aussa¬ 
gen Gefangener ergibt, beabsichtigte die rriff. Heeres¬ 
leitung gerade in der für die Festung entscheiden¬ 
den Nacht noch einen letzten Versuch zur Rettung 
des bedrohten Ortes zu unternehmen, indem gegen 
die ganze Front der Armee Mackensens ein Angriff 
unternommen werden sollte. Doch die Truppen 
scheinen nicht mehr so zäh zu sein wie zu Anfang. 
Kaum daß diese Offensive begonnen hatte, wurde 
sie durch unsere tapferen und aufmerksamen Trup¬ 
pen im Keime erstickt, so datz sie vollkommen schei¬ 
terte. Oestlich der Festung errangen deutsche Trup¬ 
pen neue Erfolge, die sehr viel zur weiteren Aus¬ 
nutzung des grotzen Sieges beitragen. Unter den 
Kommando des Generals v. d. Marwitz wurden die 
Höhen beiderseits Mhslatheze gestürmt. Da¬ 
durch wird eine weitere Entlastung sowohl der 
Truppen bei Przemhsl, als auch der des Generals 
v. Linsingen bei Strhj herbeigeführt. Von Osten 
wie von Südosten werden somit die russ. Streit- 
kräste an der Lahn Przemhsl—Lemberg zurückge¬ 
drängt, und schon verkünden die Russen, ihre Ar¬ 
meen würden erst bei Grodek standhaften. Bei Gro- 
dek zieht sich eine Reihe von Seen oder Teicheni hin, 
die den russischen Streitkräften eine gute Verteidi¬ 
gungslinie abgebcn würde. Aber zugleich geht gegen 
diese Verteidigungslinie vom Süden her die Armee 
von Linsingen unaufhaltsam vor. Dadurch gerät 
aber der linke Flügel der russischen Karparhenfront 
m Gefahr, von Lemberg abgetrennt zu werden. Die¬ 
ser Gefahr sucht er sich dadurch zu entziehen, indem 
er seinerseits Ossensivstöße nach Süden hin versucht, 
um den äuhersten rechten Flügel der österreichischen 
Truppen zu . zertrümmern. Diese Versuche sind 
ausschlietzlich mihglückt. 
In Kurland versuchen russische.Abteilungen, 
wieder gegen Libau vorzurückcn, deren Besatzung 
dwrch deutsche Truppen ihnen sehr unbequem ist. 
Unsere Kavallerie, die hier wenigstens ab und an 
zur Geltung kommen kann, vertrieb einzelne Abtei¬ 
lungen aus den Orten Schrunden und Lenen, 60 
und 70 Kilometer östlich Libau. An der Tubissa 
scheiterten neue Angriffe der Russen. Die Russen 
haben hier starke Kräfte zusammengezogen, so datz 
neue Kämpfe zu erwarten sind. 
Im W e st e n sind der Ort uird das Schloß 
Hooghe bei Ypern, um die gestern gekämpft 
wurde, von den deutschen Truppen erobert worden. 
Angriffe sowohl der Franzosen wie der Engländer 
konnten sämtlich abgewiesen werden. Der Feind 
ist auch am Donnerstag seiner Durchbrnchsabsicht 
um keinen Schritt näher gekommen. 
Der Kries ins Serien. 
Die französischen Kriegsberichte. 
vtd Paris, 3. Juni ISIS. Der französische Kriegs¬ 
bericht vom Donnerstag lautet: Nachmittags: In der 
Gegend nördlich von A r r a s wurde der Artilleriekampf 
fortgesetzt. In der Nacht entwickelten sich einige sehr 
heftige Jnfanterieaktionen östlich von Notre Dame de 
L o r e tte, wo die Stellungen nicht verändert sind, und 
in der Gegend des „Labyrinths", wo wir einige Fort¬ 
schritte erzielt haben. Die Gesamtsumme der seit dem 
31. Mai im „Labyrinth" gemachten Gefangenen beträgt 
80V, darunter 9 Offiziere und etwa 50 Unteroffiziere. 
.Wir haben zwei Maschinengewehre erbeutet. Auf dem 
Rest der Front nichts zu melden. — Der Abendbericht 
lautet- Auster neuen Fortschritten unserer Truppen im 
Labyrinth" südöstlich Neuville-St. «aast ist nichts zu 
melden. 29 französische Flugzeuge belegten morgens 
zwischen 4 und 5 Uhr das Hauptquartier des 
Kronprinzen mit 173 Bomben, von denen viele ihr 
Fiel erreichten, sowie mit mehreren Tausend Flieger¬ 
pfeilen. Die Flugzeuge wurden heftig-4 beschossen, 
kehrten aber alle zurück. Erreicht haben die französi¬ 
schen Flieger offenbar nichts, sonst würde der deutsche 
Tagesbericht des Vorfalls wohl Erwähnung getan haben.) 
Bei den deutschen Truppe» in St. Mihiel. 
DD?. Basel, 4. Juni 1915. Oberst Müller 
schildert in der .Neuen Züricher Zeitung' u. a. 
seine Reiseeindrücke auf der Fahrt nach St. Mihiel. 
Auf dieser Fahrt hatte ich zu meiner Hellen Freude 
die höchste Bewunderung für die glänzende Haltung 
l und stramme Manneszucht der hier stehenden 
, deutschen Truppen, welche nun schon seit sieben 
1 Monaten in unaufhörlichem Kampfe unter feind- 
I lichem Feuer liegen. Es herrscht eine strenae. Zucht 
und unerbittliche Ordnung. Der letzte Mann weiß, 
daß nur so Erfolge errungen werden. In den 
Hohlgängen des Forts Camp des Romains übten, 
während die Granaten über sie hinwegflogen, dte 
deutschen Soldaten Drill und Einzelausbildung. 
Eine Jnfanterieabteilung hielt auf dem Schießplatz 
eine Uebung im Scharfschießen ab unter dem Feuer 
der Granaten, wie sie die Franzosen fast täglich 
ohne ersichtlichen Grund nach St. Mihiel hmem- 
schießen, wodurch die Bevölkerung, dre nnt der 
deutschen Besatzung in guten Verhältnissen lebt, auch 
stark gefährdet wird. Es ist erstaunlich, wie gleich- 
zültig die Soldaten gegenüber der Todesgefahr smd. 
Eine so geschulte und erprobte Truppe ist uner¬ 
schütterlich in allen Gefechtslagen, im Angriff wie 
in der Verteidigung, im Sturm wie im Schützen¬ 
graben, im Granathagel wie in dem Gewehr- und 
Schrapnellfeuer. 
Viviani will keinen zweiten Winterfeldzug. 
Genf, 3. Juni 1915. Der Pariser ,Matin' 
teilt zensiert mit, Viviani sagte in der Kaminer- 
kommission auf eine Anfrage von sozialistischer everte, 
für Frankreich besteht noch keine Veranlassung, 
sich für einen zweiten Winterfeldzug einzu¬ 
richten, denn das französische Bestreben sei, den 
Krieg mit allem Kraftausgebot zu einem baldigen 
Ende zu führen, jctr. bin.) 
Wie man in Frankreich mit den Hoffnungen 
der Bevölkerung spielt. 
wtb. Berlin, 2. Juni 1915. Bekanntlich werden 
in Frankreich keine Verlustlisten ansgegeben. Um 
die Bevölkerung gleichwohl zu beschwichtigen und 
die Sorgen der Angehörigen um das Schicksal ihrer 
Söhne, Brüder und Väter, von denen keine Nach¬ 
richt mehr eintrifft, möglichst herabzumindern, 
scheut man selbst vor öffentlichen Täuschungen nicht 
zurück. Ein französischer Privat-Bries vom 4. Mai 
1915, der in deutsche Hände fiel, liefert dafür den 
Beweis. In dem Briefe heißt es: 
„In der Zeitung war neulich darauf hingewiesem 
daß es 60000 Gefangene gebe, die vermißt wurden 
und die aus Kriegsrücksichten während "der ganzen 
Dauer des Krieges kein Lebenszeichen geben 
dürften, und daß man die Freude haben werde, sie 
wiedcrzusehen. Ich bete alle Tage, daß unser lieber 
Roger darunter sei." 
Mit gewiffenlosen Lügen also suchen^ sich in 
Frankreich die Regierenden gegen die^ Schmerz¬ 
ausbrüche der Bevölkerung zu sichern. Sie wissen 
nur zu gut, daß das Volk Wider sie aufstünde, 
wenn es Kenntnis davon hätte, was hinter all den 
Siegesnachrichten steckt, wenn es auch nur einen 
ungefähren Einblick in die ungeheuren Opfer ge¬ 
wänne, die das Land gebracht hat und vergeblich 
weiter bringt. Wie lange, fragt man sich, wird sich 
die Wahrheit so verbergen lassen, und wie wird es 
in Frankreich aussehen, tvenn das Volk begriffen 
haben wird, wie schändlich es hinler's Licht geführt 
und zu einer Politik mißbraucht worden ist, aus 
der nur England den Nutzen zieht! 
Die Engländer schießen mit Kanonen aus ihre 
Deserteure. 
wtb. Berlin, 3. Juni 1915. Aus dem Großen 
Hauptquartier wird uns geschrieben: In einem in- 
teressanren Zusammenhänge mit den kürzlich ver¬ 
öffentlichten erlogenen Behauptungen eines eng¬ 
lischen „Augenzeugen", wonach deutsche Ariillerie 
auf eigene Infanterie geschossen habe, steht folgen¬ 
der Befehl einer englischen Division, der unter den 
Papieren des Kommandeurs der 3. kanadischen Jn- 
fanteriebrigade. Oberst Turner gefunden wurde: 
4. Division. Es ist zur Kenntnis des Divisions¬ 
kommandos gekommen, daß sich während der letzten 
Kämpfe einige ,J»ute der Division dem Feinde er¬ 
geben haben, und weiter, datz diese Handlung von 
Offizieren und Mannschaften anderer Einheiten be¬ 
merkt wurde, die in einigen Fällen nicht einschritten. 
Der Divisionskommandeur befiehlt, die Aufmerksamkeit 
aller Offiziere und Mannschaften auf diese Tatsache 
zu lenken und allen Graden cinzuprägen, daß es ihre 
erste und dringendste Pflicht ist, jeden Mann zu er¬ 
schießen, der sich zu ergeben versucht, wer es 
auch sei. Wenn die Abteilung groß genug ist, um Er¬ 
folg zu versprechen,muß sofort das Artilleriefeuer 
in die Gegend gelenkt werden. 
gez. Taylor, Oberstleutnant, Adjut., 4. Division. 
Das genügt für unbefangene Beurteiler. 
Ueber 220 000 Mann englische Gesamtverluste. 
Berlin, 4. Juni 1915. Eine Zusammenstellung 
der bisher erschienenen 42 .englischen Verlustlisten er¬ 
gibt, wie verschiedenen Blättern aus Genf gemeldet 
wird, einen englischen Gesamtverlust von 
über 220000 Mann seit Beginn des Krieges, (c. b.) 
Grey zieht sich von den Staatsgeschäften zurück. 
wtb London, 1. Juni 1015. (Meid, des Reuter- 
schen Bureaus.). Amtlich wird bekannt gegeben, 
daß Grey auf den Rat der Aerzte die Arbeit sür 
kurze Zeit aufgeben wird, um seinen Augen Ruhe 
zu gönnen. Inzwischen wird Lord Crewe die 
Angelegenheiten der äußeren Politik übernehmen 
und Lord Lansdowne ihm, wenn nötig, beistehen. 
Die Tatsache, daß Grey in augenärztlicher Behand¬ 
lung steht, ist seit längerer Zeit bekannt. Er zog sich 
auS diesem Grunde schon Anfang April auf drei Wochen 
von den Geschäften zurück. Man braucht nicht daran 
zu zweifeln, daß auch diesmal fein Augenübel die un¬ 
mittelbare Ursache feines Ruhebedürfnisfes ist, doch hat 
sich zwischen Anfang April und Anfang Juni manches 
in England geändert, so daß die körperliche Krankheit 
Greys diesmal von seiner politischen schwer zu trennen 
ist. Sir Edward Grey ist nicht mehr der in auswärti¬ 
gen Fragen allein maßgebende Minister der selbständig 
regierenden liberalen Partei. Ihn und seine Partei 
haben die Konservativen durch den Eintritt ihrer führen¬ 
den Männer in das Kabinet in Zügel genommen. Zwar 
ist Lord Crewe. dem die Vertretung Greys zugefallen 
ist ein Liberaler, aber er schaltet nicht allein im Aus¬ 
wärtigen Amte; beigegeben ist ihm der Führer der Kon¬ 
servativen, Lord Lansdowne, der ihm, „wenn nötig", 
beistehen soll. Die liberal-konservative Dovpelbesetzung 
42. Zahrqang. 
des Auswärtigen Amtes ist sicher nicht nach Sir Edwards 
Geschmack, der seit 10 Jahren der uneingeschränkte Herr 
im Auswärtigen Amte war. Was er durch seine Eigen¬ 
mächtigkeiten seinem Vaterlande angetan hat, wird voll 
Ingrimm von seinen Landsleuten von Tag zu -tag 
deutlich erkannt. Die Frage ist daher berechtigt, ob der 
Urlaub, den er jetzt nimmt, nicht ausmünden wird in 
einen völligen Rücktritt von den Amtsgeschaften. 
Der lHuMkries sm Einum! 
Der N Bool Krieg. 
wtb. Stavanger, 4. Juni 1915. Der Kapitän 
und achtzehn Mann des Dampfers „C h r u s" aus 
Kopenhagen sind gestern nachmittag mit dem hier 
beheimateten Dampfer „Jotun" eingetroffen. 
„Cyrus", der mit Kohle von Burnisland n<^ 
Kopenhafen unterwegs war, ist vorgestern nach¬ 
mittag torpediert worden. (?) Der Kapttan sah 
bex Schaumstreifen des Torpedos und machte den 
Steuermann darauf aufmerksam. Auch der Aus- 
guckmann sah den Torpedo. Gleich darauf erfolgte 
eine furchtbare Explosion. Menschen wurden nicht 
verletzt. Tie Mannschaft verließ unter Mitnahme 
des Schiffsjournals den Dampfer. Die Boote trafen 
einen holländischen Fischkutter, welcher die Mann- 
schaft aufnahm. Sie wurde spater von dem Dampfer 
Jotun" übernommen und nach Stavanger gebracht 
Der Kapitän ist überzeugt, daß der Dampfer torpe¬ 
diert worden ist. Er sah das Unterseeboot jedoch 
nicht. An Bord des „Jotun" wurde kurz vorher 
ein Unterseeboot gesichtet. ..... 
wtb. London, 2. Juni 1915. Der, britische 
Dampfer „Saidieh" von der Chedttual Mail 
Companie, 3300 Tonnen groß, wurde in der Nord¬ 
see t 0 r p e d i e r t. Ter Dampfer befand sich auf der 
Reise von Alexandria nach Hüll. Sieben Mann der 
Besatzung und ein Stewardeß ertranken. Die an¬ 
deren Mitfahrenden wurden gerettet. 
- - Berlin, 3. Juni 1915. Nach einer Rotter- 
damer Meldung soll sich das deutsche Unterseeboots 
das die „Dixiania" torpedierte, dem Dampfer ge¬ 
nähert haben, indem es Segel gesetzt halte 
Dadurch schöpfte die „Dixiania"-Besatzung keinen 
Argwohn, bevor es zu spät war. 
Tetra-Chlorid auf der „Lusitania". 
Die ,New - York Times' meldet'aus Pittsburg: 
„Der Chemiker John Braun hat erklärt, daß die 
Lusitania" 250,000 Pfund Tetra-Chlorid an 
Bord führte, das in Pittsburg hergestellt und für 
die französische Regierung bestellt worden war. Tie 
deutsche Regierung müsse das gewußt haben. Tie 
Ueberlebenden der „Lusitania" hatten über er¬ 
st ickendeGasdämPfe geklagt. Braun ist der An¬ 
sicht, daß dieie Dämpfe von dem sich verflüchtigenden 
Tetra-Chlorid herrührten, das eine teilweise Er¬ 
stickung verursache und von den Franzosen zur 
Herstellung von Gasbomben benutzt werden 
^ Tetra - Chlorid, eine chemische Verbindung, die 
große Chlormengen enthält, ist namentlich, wenn es 
von einer feindlichen Regierung Hur Herstellung von 
ländlich unbedingte 
sant, daß jetzt aus 
Gasbomben bestellt ist, selbstver 
Kontrebande: Es ist sehr intere u 
Amerika immer mehr Beweise dafür hergebracht wer 
den, wie berechtigt der Angriff auf die „Lusitania" war. 
Der Kries Segen Rasstoni 
Der Fall von Przemysl. 
Von unserem auf den Kriegsschauplatz in Galizien 
entsandten Kriegsberichterstatter erhalten wir folgendes' 
vom Kriegspressequartier genehmigtes Telegramm: 
Kricgspresscquartier, 
4. Juni 1915. 
So bedeutsam dieser unsre Sieg ist, bildet er nur 
einen allerdings g l ä n z e n z e n d e n Teile r- 
solo in der großen ostgalizischen Schlacht, die noch 
keineswegs beendet ist. Während von Norden her 
durch die in den Befestigunasgürtel gerissene Lucke 
dre braven Bayern in die Stadt einzogen und von 
Süden und Südwesten her die österreichisch-ungari¬ 
schen Truppen über Olszany hinaus das Fort Pral- 
kowce und die anderen auf dieser Seite gelegenen 
Befesügungen kampflos besetzten, suchte die russi¬ 
sche Festungsbesatzung auf den nach Osten führen¬ 
den Straßen abzuziehen,, behindert von dem Jener 
unserer schweren Artillerie. ^ „ 
Die Bewohner Przemysls wurden durch 
den Einzug der Sieger aus ihrem Morgenschlaf ge¬ 
rissen, und begrüßten freudig ihre Bruder und 
Gatten. Tenn die ersten österreichisch-ungarischen 
Truppen, die herannahten, waren geborene Prze- 
mysler Soldaten des 10. Korps. 
An beiden Fronten haben die Russen B e r - 
st ä r k ff n g e n erhalten und greifen stürmisch an. 
Daher dürfte die Schlacht noch einige Zeit an- 
danern. Welcher Teil der ruffischen Garnison rccht- 
1 zeitig abziehen konnte, welcher gefangen wurde,, laßt 
sich noch nicht feststellen. Soviel ist gewiß, daß die 
Russen in Przemysl große Mengen von 
Proviant und Kriegsmaterial ange- 
häuft hatten. Es scheint ganz unmöglich, daß sie 
all das -n einer Nacht auf elenden und fortwährend 
von Sa, apnells und Granaten getroffenen Straßen 
fottschassen konnten, (ctr. bln.) 
. Dr. Arnold Hollrregel, 
Kriegsberichterstatter 
Wie Przemysl fiel. 
Ueber den Fall von Przemhsl wird der „Voss. 
Jtq." aus dem österreichischen Kriegspressequartier 
qemeldet: Der Fall von Przemhsl ist schneller ge¬ 
kommen, als die russische Armceleitung es wob. 
vorausgcsehen hatte. Alle Anstalten, die sie traf, 
liefern daraus schließen, daß die Festung möglichst
	        
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