Full text: Fuldaer Zeitung (1915)

er deutschen Front ist aber keine Rede und die 
'roße O'fensive Joffres hat nicht das geringste 
'a^u be getragen, die Lage der Russen zu 
erleichtern. Es ist nicht Joffres Schuld,^ wenn 
die deutsche Heeresleitung jetzt die große Schlacht 
in Galizien schlagen kann, ohne sich weder 
pon der französischen Offensive, noch von der Offen¬ 
sive der Italiener am Jsonzo, die mit auffälliger 
Langsamkeit geführt wird, und kaum genügende Er- 
'lärung in den schwierigen Terrainverhältnissen findet, 
beeinflussen zu lassen. Joffre hat trotz größter An¬ 
strengungen, trotz Anwendung starker Streitkräfte 
und trotz Nachahmung des deutschen Munitionsver- 
hrauches am Dunajec nichts ausrichten können. 
Tie deutsche Heeresleitung wird jetzt an der Ostfront 
«ine zum mindestens vorläufige Entscheidung herbei- 
juführcn suchen, ehe sie wieder ihre Hauptaufmerk¬ 
samkeit dem Westen zuwendet und ihre Westfront 
Erleichtert. (ctr. bln.) 
Die Zerstörung des Viadukts von Damuierkirch. 
Wie in dem amtlichen Bericht der Obersten 
Heeresleitung erwähnt wurde, ist am 30. Mai die 
große Eisenbahnüberführung westlich Dammerkirch 
von unserer'Artillerie zerstört worden. Dieser große 
Kunstbau war im August vorigen Jahres, als die 
Franzosen nach ihrer Niederlage bei Mülhausen auf 
Belfort zurückflutetcn, zerstört worden. Unmittelbar 
nach dieser Schlacht wurden die siegreichen deutschen 
Truppen nach einer anderen Stelle der Kampffront 
abtransportiert. So war es den Franzosen möglich, 
erneut in die Gegend von. Mülhausen vorzudringen, 
wo sie durch deutsche Landwehr zum Stehen gebracht 
wurden. In dem Stellungskampf, der nunmehr be¬ 
gann, war es für die Franzosen natürlich von 
großer Wichtigkeit, den von ihnen zerstörten Kunst¬ 
bau wiederherzustellen. Die Arbeiten hierzu wurden 
von den deutschen Fliegern mit Aufmerksamkeit ver¬ 
folgt. Ende Mai wurde durch eine Fliegerphotographie 
festgestellt, daß die Ueberbrückung der gesprengten 
Stelle beendet war. Auch wurde erkannt, daß eine 
Probebelastung der Brücke durch einen Eisenbahnzug 
stattfand. Nunmehr war es an der Zeit, die eigens 
zu diesem Zweck hinter die deutschen Linien heran¬ 
geführte 42-Zentimeter-Batterie in Tätigkeit 
treten zu lassen. Wenige Schuß am 30. Mai ge¬ 
nügten, um die Ueberführung auf einer Strecke von 
100 Meter erneut und nachhaltig in Schutt zu legen. 
Der Kunstbau liegt 71/* Kilometer vor unserer 
vordersten Jnfanterielinie. (ctr. bln.) 
Der neulich von Zeppelinen bombardierte englische Ort' 
ist nach dem Bericht der Mannschaft eines norwe¬ 
gischen Dampfers, die die Sache mit angesehen hat, 
South Shields. In der Stadt selbst wurde 
niemand getötet oder verwundet. Tie Zeppeline 
hatten aber kurz vorher den Armstrongwerken 
ein Besuch abgestattet, wo 14 Bomben die 
M a r i n e w e r k st a t t und das Arsenal ge¬ 
troffen hatten. Hier wurden 17 Personen getötet 
und 40 verwundet. Bom Schiff aus konnte man 
sehen, daß in Shields die Nacht hindurch mehrere 
Gebäude in Flammen standen und in Asche 
gelegt wurden. Der angerichtete Schaden bei 
Armstrong i st u n g e h e'u e r g r o ß und die Arbeit 
mußte deswegen sehr eingeschränkt werden, (ctr. bl.) 
Der tlMelÄlrler seren Ensinnd. 
Keine schwächliche Haltung im Q-Bootkrieg. 
Tie „Norddeutsche Allgemeine Zeitung" schreibt: 
In der „T-eutschen Tageszeitung" wird seit einiger 
Zeit fast täglich eine leidenschaftliche Kampagne geführt, 
in der mehr oder minder offen in dem Tone der Einge- 
weihtheit den Lesern die Augen über die a n g e b l i ch e n 
Gefahren geöffnet werden sollen, die dem deutschen 
Ansehen im allgemeinen und der energischen 
Kriegführung gegen England im besonderen durch 
eine schlappe Haltung der Regierung in den bekannten 
Differenzen mit Amerika wegen des U.-Bootkrieges 
drohen sollen. Auf der einen Seite wird der Anschein er¬ 
weckt, als ob amtliche Kreise um des lieben Friedens 
mit Amerika willen daarn dächten, die Ueberlegen- 
heit der deutschen Tauchbootwaffe Preis¬ 
zug e b e n, aus der anderen Seite scheut man nicht vor 
der "Torheit der Behauptung zurück, daß die Vermehrung 
der Zahl unserer Feinde durch die Vereinigten Staaten 
eine ganz gleichgültige Sache wäre. In der Montags¬ 
nummer versteigt sich die „Deutsche Tageszeitung" zu 
*“■ kaum mehr verhüllter Verspottung des in den deut¬ 
schen Noten an Amerika eingenommenen Rechtsstand¬ 
punktes und zu einem persönlichen Angriff auf den lei¬ 
tenden Staatsmann. 
Die Männer, die die Verantwortung tragen, Gefah¬ 
ren und Vorteile gegen einander abzuwägen haben, wer¬ 
den nicht dadurch berührt, wenn ihnen direkt odr in 
allerlei Umschreibungen Kleinmut, Schlappheit oder Rü- 
ckenmärkertum vorgeworfen wird. Sie machen vollen 
Anspruch auf die Gefühle der nationalen Kraft ugd 
Würde, die der Marinemitarbeiter der „Deutschen Ta¬ 
geszeitung" allein zu vertreten glaubt. 
Ein solches Treiben ist lediglich geeignet, der Kaiser¬ 
lichen Regierung die Aufgabe zu erschweren, bei 
Erledigung des Streitpunktes mit Amerika nicht nur die 
Kampfkraft unserer Waffen zu erhalten, sondern auch 
schädigende Rückwirkungen auf die politische 
Gesamtsituation zu vermeiden. Im Interesse 
der Landesverteidigung wie der auswärtigen Politik 
mutz erwartet werden, daß diese mit leeren Gerüchten 
und unpolitischen Gefühlen dr Entrüstung arbeitende 
Propaganda ein Ende nimmt, (ctr. bln.) 
Die vorstehende Auslassung soll die bereits mit¬ 
geteilte zeitweilige Unterdrückung der »Deutschen 
Tageszeitung' begründen. Vor einigen Tagen hat 
de^^eite^ines^vie^gelesener^Berliner^iachrichten- 
- Vor Schawli. 
Von unserm zum Ostheer entsandten Kriegsbericht¬ 
erstatter. 
Zu ungefähr der gleichen Zeit, wo lebhafte Gefechte 
tri Mariampol sich entwickelten, stießen die Kräfte un¬ 
seres Nordflügels an der Dnbissa trotz der russi- 
scherseit- eingesetzten Verstärkungen vor. Im Anschluß 
an die heftigen Kämpfe, längs des Windawskikaanls und 
das Verrücken bis über die Eisenbahnlinie Schawli-, 
Marajewo gingen die deutschen Divisionen in fortschrei¬ 
tendem Angriff auf Schawli vor. Am 12. und 13. Juni 
wurden die hochgelegenen Dörfer Kuze und Danksze 
gestürmt. Die russischen Stellungen waren hier ffestungs- 
artig ausgebaut. Gegen Danksze. von dem wir nun die 
russische Linie bei Schawli beherrschen, setzten die Rus¬ 
sen einen Nachtangriff von drei bis vier Regimentern 
an. In die unter unserem vernichtenden Feuer zudück- 
flutenden Jnfanteriemasser: schoß die eigene rus¬ 
sisch« Artillerie, um sie am Zurückgehen 
zu verhindern. Sie vern.ehrte die furchtbaren 
russischen Verluste. Die Stellung blieb fest in 
unserer Hand. An einer Stelle wurden 500 Tete auf 
einem Fleck von etwa 200 Quadratmeter gezählt. Auf 
der großen Reichsstraße Tauroggen-Schawli 
war zur gleichen Zeit unsere Front mehrere Kilometer 
über den Dubiffa-Abschnitt vorgerückt) Me russischen 
Stellungen zogen sich hier auf einer Hügelkette, die dicht 
an der Straße eine kleine Kirche trug, etwa nahe dem 
Dörfchen Rejzgie hin. Unsere schwere Artillerie nahm 
diese Linie unter Feuer, die Wirkung unserer großen 
Kaliber war so erschü»«nv, daß die Russen die Hügel, 
hne den JnfcrnterieangSff ja ennarto. aufoahen. Ein 
rutsche» Flieger ffatto-dl, DHtsckeivrvz tzer Batterien . 
blattes einen Artikel veröffentlicht, der große 
Verwunderung erregte. Es war darin offen aus¬ 
gesprochen, der Vorwurf gegen Amerika, daß es 
Kriegsmaterial an unsere Gegner liefere, sei unge¬ 
recht, und es sei unzulässige Gefühlspolitik, den 
Aushungerungsversuch Englands gegen Deutschland 
gls eine große Gemeinheit hinzustellen. Die Re¬ 
gierung hat darauf verzichtet, hiergegen einzu¬ 
schreiten und hat es der Presse überlassen, diese auf¬ 
fälligen und gegenwärtig zum mindesten recht unan¬ 
gebrachten Behauptungen zu widerlegen, obwohl die 
»Germania' es als überaus befremdlich bezeichnet 
hatte, daß noch keine ausdrückliche offizielle Zurück¬ 
weisung des Artikels erfolgt sei. Umgekehrt wird 
sofort der offiziöse Apparat in Bewegung gesetzt 
gegen ein Organ, daß gerade mit besonderer Schärfe 
die Auffassung jenes Sensationsblattes zurück¬ 
gewiesen hatte. Wir wollen uns gewiß weder 
für den Ton noch für den Inhalt des ..inkriminierten" 
Artikels der »Deutsch. Tagesztg.' einsetzen, aber man 
muß doch feststellen, daß diese unterschiedliche Be¬ 
handlung der zwei Zeitungen auffällt. 
Abermals versuchte ein englischer Perso¬ 
nendampfer ein N-Boot zu rammen. 
„Daily. Chronicle" meldet, daß der Dampfer 
„Cameronia" der Anchorlinie am Sonntag 
aus Neuyork in Liverpool eintraf. Die Bemannung 
berichtete, daß die „Cameronia" versucht habe, 
ein Tauchboot zu rammen, das sie ver¬ 
folgte. Das Boot tauchte schließlich unter und 
wurde nicht mehr gesichtet. An Bord des Dampfers 
befanden sich zahlreiche bekannte Amerika¬ 
ner. Die „Cameronia" ist ein 11000-Tonnen- 
Dampfer aus dem Jahre 1911 und läuft 17 
Knoten, (ctr bln.) 
Was sagt Wilson dazu? 
Der Kries gegen Moni 
Die Eroberung Lembergs. 
wtb Berlin, 22. Juni 1915. (Amtlich.) Lemberg 
ist heute nachmittag nach schwerem Kampfe 
von österreichisch-ungarischen Truppen 
genommen worden. Das österreichische 34. In¬ 
fanterieregiment, dessen Chef der Deutsche 
Kaiser ist, hat sich bei der Erstürmung des Werkes 
Lysa Gora ausgezeichnet. 
wtb Berlin, 22. Juni 1915. Die amtliche Nach¬ 
richt über die Wegnahme Lembergs wurde in Berlin 
kurz nach 8 Uhr abends bekannt. Obwohl die Mel¬ 
dung den ganzen Tag hindurch stündlich erwartet 
wurde, machte doch die Bekanntgabe auf das gesamte 
Straßenleben den freudigsten Eindruck. Die 
Geschäfte und Kaufhäuser waren zwar geschlossen, 
aber auf vielen Privatgebäuden wurden alsbald die 
Flaggen hochgezogen. Unter den Linden kam es zu 
großen Ansammlungen, die in gehobener Stimmung 
das freudige Ereignis besprachen. Ueberall erfolgten 
Kundgebungen begeisterter Teilnahme der Bevölkerung 
an den neuen Fortschritten der verbündeten Truppen 
in Galizien. 
Rußlands letzte Hoffnung. 
Lugano, 22. Juni 1915. Der Petersburger 
Korrespondent des Mailänder „Secolo" meldet aus 
Bukarest: Die Hoffnung ist jetzt auf die i t a l i e n i s ch e n 
Waffenerfolge gerichtet. Man wünscht, daß 
Italien auf die deutsche nnd österreichische Offensive 
in Galizien mit der Besetzung von Triest antwortet. 
Der Zar empfing den italienischen Botschafter 
Carlotli, dem er sagte, die Zusammenkunft von 
Rocconigi sei ein Vorspiel zu dem Bündnis Rußlands 
mit Italien gewesen und er lege dem Eintritt Italiens 
in den Krieg die größte Wichtigkeit hei. Die Russe» 
hoffen, sich im Juli neu ausrüsten zu können, da 
die Waffen- und Munitionsfabriken fieberhaft arbeiten 
sollen. In der Voraussicht, daß Lemberg geräumt 
werden muß, werden die Verwundeten von dort 
nach Kiew befördert. Ter Mangel an Munition 
habe die Russen an der Gegenoffensive in Galizien 
verhindert, trotzdem sie ihre Sewastopol-Armee, 
die aus 200000 Mann besteht und eigentlich für den 
Bosporus bestimmt war, in Galizien haben auf¬ 
marschieren lassen. Durch unglückliche Zwischenfälle 
versagten auch die Dreadnoughts, die im 
Schwarzen Meer die russische Herr ch st sichern sollten 
und durch Oeffnung der Tardamll n Rußland mit 
Waffen und Munition versehen härten. Der Schlüssel 
zu Konstantinopel liege jetzt in Sofia. General 
Radko Dimitriew ist, wie es heißt, wegen der 
Vorkommnisse in Galizien in Ungnade gefallen. 
Großfürst Nikolai habe ihn abgesetzt und dem Ge¬ 
neral. Loetsch das Kommando übergeben. In Mi- 
litärrreijen spricht man davon, daß General Kuro- 
patkin vom Generalstab demnächst an die Stelle des 
Kriegsministers Suchomlinow treten werde, (ctr. bln.) 
Der Krieg mit Italien. 
Die Kämpfe am Jsonzo. 
Graz, 22. Juni 1915. Nach einem der Grazer 
Tagespost vom italienischen Kriegsschauplatz zuee- 
gangenen Bericht halten die österreichisch-ungarischen 
Truppen in der Kampflinic am Jsonzo die höchsten 
Punkte, etwa 1200 Nieter besetzt. Eine Kampfgruppe 
der Italiener nach der andern greift die Schwarm- 
lienien und Schützengräben an, aber die österreichisch¬ 
ungarischen Maschinengewehre machen die Angreifer 
unbarmherzig nieder. Sechsmal stürmten die 
dabei in glänzender Weise unterstüttz. Ein russischer 
gefangener Hauptmann sagte aus, „die Hölle wäre nicht 
mehr zu ertragen gewesen." Die Granaten waren denn 
auch ge,rau Schuß bei Schuß in die Stellungen geschla¬ 
gen. Als ich von unserer Batteriestellung nach vor¬ 
wärts gign, sah ich die Wirkung: Die Drahthindernisse 
waren an vielen Stellen zerschlagen und zerfetzt. Ge¬ 
rade in den Gräben saßen die mächtigen Trichter. Die 
kleine Kirche war ein Trümmerhaufen und Steine, 
Balken, Eisenteile waren in die ruffischen Gräben hin¬ 
eingehagelt. 
Von der Höhe der verlassenen Russenstellung konnte 
ich Schawli auf sieben bis acht Kilometer vor mir liegen 
sehen. Der hohe weiße Kirchturm leuchtete herüber. 
L e p a r h, der kleine Ort dicht vor Schawli, brannte; 
die dicken Schwaden zogen langsam gegen Schawli hin. 
In einer der Batterien hinter mir, die jetzt nach 
Schawli hineinlangt und den Durchgangsverkehr für 
russische Truppen unmöglich macht, war festliche Stim¬ 
mung. Der Hauptmann hatte eben vom Kommandieren¬ 
den General persönlich für seine Leistungen das Eiserne 
Kreuz erster Klaffe erhalten. Weiter rückwärts außer¬ 
halb der Granatzoize wurden die in diesem letzten 
Kampfe erbeuteten Gewehre geordnet, beinahe 8008 
Stück, über eine Million Patronen. Den ruffischen Ge- 
samwerlust einschließlich der Gefangenen schätzt der 
Kommandierende General 'auf 30 000 in diesem seinem 
Abschnitt. Ein Teil der Kräfte gehört, wie mir d«c 
General, der in den schweren Kämpfen in Südpolen sei¬ 
nerzeit an der heißesten Stelle geführt hat, erklärt«, den 
besten russischen Truppen an, denen er begegnet sei. Aber 
auch dieser blutige Einsatz hat nichts geholfen. Wir 
stehen dicht vor Schawli. Unsere Geschütze beherrschen 
dch.St<M, Shyrbe.uuü Bahn, R-Mandt-LffegHeriMM. 
Italiener vergeblich an, mutzten sich aber mit 
gewaltigen Vertu st en zurückziehen. Was die 
Zivilbevölkerung betrifft, so ist namentlich die mutige 
Haltung der Frauen und Mädchen, die den österrei¬ 
chisch-ungarischen Kämpfern in die Kampflinie Wasser, 
Milch und sonstige Lebensmittel tragen, über alles 
Lob erhaben, (ctr. bln.) 
Die italienischen „Luftsiege". 
wtb Wien, 22. Juni 1915. Der Kriegsbericht¬ 
erstatter der „Zeit" hat sich persönlich von der 
Wirkung des am 17. Juni nach Mitternacht von 
italienischen Luftschiffen gegen die Südbahnstation 
Divaca gerichteten Luftbombardements überzeugt. 
Ein Luftschiff verfolgte einen einlaufenden Eisen¬ 
bahnzug, der sofort anhielt und die Lichter löschte. 
Das Luftschiff warf fünf Geschosse, entfernte sich 
aber, als dis Bahnwache feuerte. Tie Bomben 
richteten im Waldgestrüpp eine erhebliche Verwüstung 
an, aber kein menschliches Wesen, kein Haus und 
kein Acker wurde beschädigt. Trotzdbm berichten die 
Italiener von großen Erfolgen, Zerstörung der 
Eisenbahnverbindung usw. 
'Italiens Schweigepolitik. 
Nach französischem Muster treibt Italien Vogel¬ 
straußpolitik. Verlustlisten werden nicht ver¬ 
öffentlicht und die in die Heimat zurücktransportierten 
Verwundeten werden von der Außenwelt in 
ihren Lazaretten abgeschlossen. Nicht einmal die 
nächsten Verwandten erfahren ihre Namen. In 
Italien herrscht darüber begreifliche Erregung. Auch 
sickert immer mehr durch, daß die Kämpfe an der 
Grenze beiweitem nicht den Ausgang hatten, wie der 
italienische Generalstab behauptet, dessen Berichte in 
ihrer Abfassung oft geradezu den Ernst verleugnen, 
den unsere Zeit verlangt. Aber es kommen doch ab 
und zu Nachrichten an die Oeffentlichkeit, aus denen 
hervorgeht, daß die Italiener jetzt schon Blutopfer 
haben bringen müssen, die in gar keinem Verhältnis 
stehen zu den „Erfolgen", die die italienische Gro߬ 
macht, die bald ein Jahr Zeit-hatte zur Mobilmachung, 
gegen Splitter der Oesterrcicher hatte, die sich ihnen 
entgegenstellten. Vervollständigt man sich z. B. solche 
durch Zufall an die Oeffentlichkeit gelangten Offiziers¬ 
verluste wie in der gestrigen Baseler Nachricht 
(vergl. Letzte Nachr.) mitgeteilte'n, so kann man es 
Wohl verstehen, daß Italien keine Lust hat, seinem 
Volke die Wahrheit über seine Opfer einzugestehen. 
Die Regierung weiß sehr wohl, daß sie das Volk 
gar nicht in der Hand hat, daß es ihr nur wider¬ 
willig in diesen wahnwitzigen Krieg gefolgt ist. Jetzt 
hält es das Volk noch in leidlicher Laune durch Ver¬ 
heimlichung der Wahrheit und durch Erzählen von 
allerhand Anekdoten über das heldenhafte Auftreten 
des Königs inmitten seiner Soldaten — kommt aber 
die Wahrheit an den Tag, wird Italien seine erste 
nicht mehr zu verheimlichende Niederlage erfahren 
haben, dann wird ein Sturm durch die italienischen 
Lande wehen, der alles hinwegfegt, was das Volk 
in diesen nutzlosesten und verbrecherischsten aller 
Kriege getrieben hat. 
Gemeine italienische Verdächtigung«». 
inb. Die italienischen Blätter bringen aus Rom 
eine „offizielle" Mitteilung, die österreichische Regie¬ 
rung unterhalte in den von den Italienern besetzten 
Grenzorten Sendlinge, denen die systematische Räu¬ 
berei, der Meuchelmorde an Soldaten und Offiziere, 
die Tötung von Aerztzn und Verwundeten obliege. 
Der Zweck^dieser Taten seien, „schmerzhafte Akte" 
von Vergeltung gegen die Bevölkerung hervorzurufen 
und um die italienischen Operationen zu stören. 
Italien zeigt sich immer mehr als gelehriger 
Schüler Frankreichs, auch in dem, was Verleum¬ 
dungen des Gegners anbelangt. Man kann nur 
sagen: „Niedriger hängen." 
Dem See- und UeDerseeKries. 
Die Verluste in Südwestafrika. 
wtb. Pretoria, 22. Juni 1915. Amtlich wird 
gemeldet: Die Gesamtverluste der Uniontruppen 
"betrugen bis zum 14. Juni bei den Operationen 
gegen die Aufständischen 414, gegen Deutsch-Südwest¬ 
afrika 1045 Mann. Ferner starben 153 Mann an 
Krankheiten und Unfällen. Die Aufständischen ver¬ 
loren vermutlich 190 Tote und 300—350 Verwundete. 
Die in der Union internierten Deutschen beziffern 
sich auf 39 Offiziere und 859 Mann. 
Das Urteil im Prozeß Dewet. 
wtb. Bloemfontein, 22. Juni 1915. Dewet ist 
zu sechs Jahren Gefängnis und 200 Pfund 
Sterling Geldstrafe verurteilt worden. 
Der TfjrRenKriei. 
Verstärkungen für die Dardanellen. 
Köln, 22. Juni 1915. Einer Athener Meldung 
der „Köln. Volksztg." zufolge erklärt „Neon Asty", 
auf zwei englischen Riesendampfern seien 12000 
Mann Verstärkungen, bestehend in farbigen 
Truppen, für die Dardanellenoperationen in Tene- 
dos eingetroffen, (ctr. fft,) 
Italienische Kriegsschiffe vor de» Dardanellen. 
Aus Genf meldet die „Voss. Ztg.": Die aktive 
Beteiligung Italiens an den Tardanellenkämpfen 
dürfte, nach rumänischen Meldungen, nunmehr Tat- 
— Ein Meisterstück der Orthopädie. In der Wie¬ 
ner Gesellschaft der Aerzte führte kürzlich der bekannte 
Chirurg, Heirat Prof. A. v. Eiselsberg einen Patien- 
ten vor, dem alle vier Gliedmafsen amputiert wur¬ 
den, und der trotzdem arbeitsfähig ist. Wie die „Ber¬ 
liner Klinische Wochenschrift'' berichtet, ist der 38jähr. 
Mann vor acht Jahren in Amerika in einen Stark¬ 
strom von 68 000 Volt geraten, wobei ihm Arnie und 
Beine so verbrannt wurden, daß sie in der Mitte des 
Oberarmes und der Unterschenkel abgenommen wer¬ 
den mutzten. Bald nachher begann der Patient Uebun- 
gen mit den Gliedorstummeln vorzunehmen, nach 
einem halben Jahre verfertigte ihm ein amerikani¬ 
scher Bandagist künstliche Verlängerungen, die er noch 
trägt, und die nur wenig Reparaturen erfordert ha¬ 
ben. In ihnen sind die Unterschenkelstummel befe- 
sttgt. Bei den Verlängerungen der oberen Gied- 
maßen find die vier Finger miteinander vereint und 
unbeweglich, der Daumen ist beweglich und wird 
durch ein Band in Bewegung gefetzt, das durch Be¬ 
wegungen der gegenseittgen Achsel dirigiert wird. Der 
Verletzte kann sich allein an- und ausziehen, essen, 
kleiden und alle möglichenVerrichtungen vornemhen, 
ferner kann er tadellos ohne Stock gehen und macht 
Märsche bis zu 18 Kilometer im Tag. Er wurde in 
die Klinik ausgenommen, wo er den amputierten 
Soldaten durch sein eigenes Beispiel zeigt, bis zu wel¬ 
cher Vollkommenheit die Funktion amputterter Glied¬ 
maßen ausgebildet werden, kann, was für die Kriegs¬ 
verletzten sicher einen Trost bedeutet. Es wird ge¬ 
plant, den vorgestellten Mann auch an anderen 
Kriegsspitälern zu gleichem Zwecke zu zeigen. __ 
Kreuzer und verschiedene kleinere Einheiten den Hafen 
von Tarant verlassen und sind nach Tenedos in 
Sec gegangen. Das Geschwader soll sich dort der 
englisch-französischen Flotte von der Dardanellen an¬ 
schließen. - (ctr. bln.) 
Die anderen Mine. 
Eine Kundgebung des Papstes. 
wtb Paris, 22. Juni 1915. Tie Pariser „Li- 
b;rtö" veröffentlicht eine Unterredung des P a p st e s 
mit ihrem Mitarbeiter Latapie. Der" Papst erinnerte 
zunächst an seine verschiedenen Bemichungen zu Gun¬ 
sten des Friedens und bedauerte, nichts tun zu kön¬ 
nen, um das Ende des Krieges zu beschleunigen. Cr 
mißbillige je'de Ungerechtigkeit, wo immer sie be¬ 
gangen werde, aber es wäre weder angebracht noch 
nützlich, die Autorität des Papstes in den Streit der 
Kriegsparteien zu ziehen. Der Papst könne im Vatt- 
kan keine ständigen Verhandlungen und Untersuch¬ 
ungen ausfühven lassen. 
Auf die Frage Latapies, ob es notwendig sei, 
eine Untersuchung durchzuführen, um zu wissen, ob 
die Neutralität Belgiens verletzt worden 
sei, erwiderte der Papst: „Dies war untrr dem Pon 
tifikate Pius X" Der Papst fügte hinzu: ,^Tie 
Deuffchen und Oesterreicher b e st r e i t e n alle gegen 
sie erhobenen Anschuldigungen und erheben ihrer¬ 
seits Anklage. Der Bischof von Creniona versichert, 
daß die italienische Armee 18 österreichische Priester 
als Geiseln mitgenommen hat. Die österreichischen 
Bischöfe versichern, die russische Armee habe katho¬ 
lische Priester mitgenommen. Auch die Deutschen er¬ 
klären, daß die Bevölkerung von Löwen auf ihre 
Truppen geschossen habe. Sie erklären auch, daß die 
Franzosen Beobachtungsposten auf den Türmen der 
Kachedrale in Reims hatten. Andererseits haben 
die Vertreter von sieben Kongregationen Belgiens 
dem Kardinalstaatssekretär erklärt, daß sie in "ihrer 
Kongregatton keinen einzigenFallVon Ge¬ 
walttätigkeit zu verzeichnen hätten." ' - 
Ter Papst fuhr fort: „Wir werden die Bibliothek 
in Löwen wiederherstellen und zum Wiederaufbau 
der Kathedrale in Reims beitragen. Jeder Schuß 
auf die Kathedrale von Reims hallt in meinem Her¬ 
zen wieder, aber die Stunde ist noch nicht gekomnren, 
um die Wahrheit aus allen widersprechenden Be¬ 
hauptungen herauszuschälen. Der Vatikan ist kein 
Gericht, wir fällen keine Urteile. Der Richter ist 
dort oben." ... 
Latapie sprach sodann von der Verhaftung des 
Kardinals Mercier und der Torpedierung der 
„Lufitania". Der Papst entgegnete: „Bezüg¬ 
lich des Kardinals M e r c i e r werde ich Sie in Er¬ 
staunen versetzen. Er war niemals verhaf¬ 
tet! Er kann ganz nach seinem Belieben in der 
Diözese herumgehen. Ich habe von dem General¬ 
gouverneur von Belgien, dem Generalobersten von 
Bissing, einen Brief erhalten, in dem er mir ver¬ 
sichert, er werde künftig mit der größten Energie alle 
Gewaltakte gegen die Kirchen und Gotlesdiener unter¬ 
drücken und verfolgen." Der Papst erklärte unter 
ttefer Bewegung, er kenne keine furchtbarere Tat, 
als die Versenkung der „L u s i t a n i a". Aber, fuhr 
der Papst fort, glaub« Sie, daß die Blockade, welche 
MillionenunschuldigerGeschöpfezum 
Hunger! ridenverurteill, etwa von mensch¬ 
licheren Gefühlen eingegeben fft? 
Der Papst fügte schließlich hinzu, er werde nach 
dem Kriege vielleicht ein Syllabus herausgeben, in 
dem die Doktrinen der -Kirche iiber die Kriegsg’- 
bräuchs zusammengefaßt und die Rechte und Pflich¬ 
ten der Kriegführenden für die Zukunft geregelt wür¬ 
den. Man werde darin zweifellos eine Verurteilung 
aller während des Krieges begangenen Verbrechen 
finden. 
Die Montenegriner im Vormarsch auf Skutari. 
vvk. Zürich, 22. Juni 1915. »Giornale d'Jtalicck 
meldet unter dem 19. Juni aus Skutari: Die 
Montenegriner haben mit ihrem Bor stoß nach 
Albanien begonnen. Ihre Offensive wird mit drei 
Gruppen und aus drei Richtungen unternommen. 
Es verlautet bereits, daß sie einige Ortschaften be¬ 
setzt hätten, das eigentliche Ziel aber fei Skutari. 
Immer neue Kriegslieferungen aus Amerika. 
wtb Haag, 22. Juni 1915. Die hier vorliegende 
„New-Pork Times" vom 21. Mai meldet: Die Beth¬ 
lehem Steel Co. stellt jetzt für die britische Regierung 
35000 Geschosse täglich her. Die Gesamt¬ 
aufträge der britischen Regierung haben zur Zeit 
einen Wert von rund 600 Millionen Mark. Die 
American Locomotive Co. hat bei dem Stahltrust 
27 000 Tonnen Stabstahl zur Herstellung vov 
Schrapnells und Brisanzgeschossen bestellt. 
Die neue englische Kriegsanleihe in, 
Vergleich zu -er deutschen. 
wtb London, 23. Juni 1918. (Tel.) Das Unterhau¬ 
hat die neue Kriegsanleihe (vergl. Nr. 141, Letzte Nachr. . 
einstimmig angenommen. Der Schatzkanzlcr 
hatte die neue Anleihe begründet und erklärt, daß Groß, 
britannien hunderte Millionen brauche und daß jede 
Anstrengung, die jetzt gemacht würde, nicht nur zur 
Fortsetzung des Krieges, sondern auch zur Sicherune 
der späteren finanziellen Vorberrschaft Englands diene 
Der wesentliche Unterschied ist der: Deutschland 
konnte bei der zweiten Kriegsanleihe sei» Geld b i I- 
liger erhalten, als bei der ersten; England dagegen 
muß bei der zweiten Anleihe einen bedeutend 
höheren Zinssatz bewilligen. , 
Bei uns ist der Zinssatz (5 Prozent) bei beiden 
Anleihen unverändert geblieben; der Zeichnmigspreie 
für je 100 Ms. wurde aber von 97,50 auf 88,50 er¬ 
höht. Das bedeutet einen Mehrertrag für bi’ Reichs 
lasse von 90 Millionen Mark an Kapital oder eine 
Herabsetzung des Zinsfußes um einhundertstel Pro¬ 
zent. Die Verschärfung der Zeichnungsbedrngun-eu 
war verhältnismäßig nicht groß, aber ff: zeigt doch, 
daß unsere Regierung überzeugt war, in der Zwi- 
schenzeft zwischen den ocidcn Anleihen hätte das V e r- 
trauen und die Geld flüssig keit sich nicht 
vermindert, sondern vielmehr gehoben. Der Erfolg 
der Zeichnungen von 9 Milliarden und noch mehr 
die flotte (zun: großen Teil vorzeitige) Barzah¬ 
lung vechfferttgten diese Ansicht. . ■ 
In England geht es umgekehrt. Me erste Anleihe 
wurde zum Kurse von 95 bei 3'.4prozentiger Verzin¬ 
sung ausgegeben. Die neue Anleihe soll nach der 
Ankündigung des englischen Finanzministers zum 
Kurse von 100 bei 4'/- Prozent Zinsen ausgegeben 
werden. Eine sehr erhebliche Steigerung des 
Zinsfußes! Me erste Anleihe verzinst sich mft 3,68 
für 100, die zweite mit 4,50 für 100. Bei einem 
Vergleich muß man beachten, daß der Zinssatz in 
England von crttersher bfträchtlich niedriger war, 
als in Deutschland. Wenigstens 1 Prozent, häufig 
1V* bis 2 Prozent niedriger. Der deutsche Reichskre¬ 
dit und der englische Staatskredit würden auf dersel¬ 
ben Höhe stehen, wenn wir 5% bis 6 Prozent zablen 
müßten, während die englische Regierung 4i£ Pro¬ 
zent zahlt. Wir kommen aber aus mit 5 Prozent 
und dem kleinen Zuschlag von % Hundertstes 
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