er deutschen Front ist aber keine Rede und die
'roße O'fensive Joffres hat nicht das geringste
'a^u be getragen, die Lage der Russen zu
erleichtern. Es ist nicht Joffres Schuld,^ wenn
die deutsche Heeresleitung jetzt die große Schlacht
in Galizien schlagen kann, ohne sich weder
pon der französischen Offensive, noch von der Offen¬
sive der Italiener am Jsonzo, die mit auffälliger
Langsamkeit geführt wird, und kaum genügende Er-
'lärung in den schwierigen Terrainverhältnissen findet,
beeinflussen zu lassen. Joffre hat trotz größter An¬
strengungen, trotz Anwendung starker Streitkräfte
und trotz Nachahmung des deutschen Munitionsver-
hrauches am Dunajec nichts ausrichten können.
Tie deutsche Heeresleitung wird jetzt an der Ostfront
«ine zum mindestens vorläufige Entscheidung herbei-
juführcn suchen, ehe sie wieder ihre Hauptaufmerk¬
samkeit dem Westen zuwendet und ihre Westfront
Erleichtert. (ctr. bln.)
Die Zerstörung des Viadukts von Damuierkirch.
Wie in dem amtlichen Bericht der Obersten
Heeresleitung erwähnt wurde, ist am 30. Mai die
große Eisenbahnüberführung westlich Dammerkirch
von unserer'Artillerie zerstört worden. Dieser große
Kunstbau war im August vorigen Jahres, als die
Franzosen nach ihrer Niederlage bei Mülhausen auf
Belfort zurückflutetcn, zerstört worden. Unmittelbar
nach dieser Schlacht wurden die siegreichen deutschen
Truppen nach einer anderen Stelle der Kampffront
abtransportiert. So war es den Franzosen möglich,
erneut in die Gegend von. Mülhausen vorzudringen,
wo sie durch deutsche Landwehr zum Stehen gebracht
wurden. In dem Stellungskampf, der nunmehr be¬
gann, war es für die Franzosen natürlich von
großer Wichtigkeit, den von ihnen zerstörten Kunst¬
bau wiederherzustellen. Die Arbeiten hierzu wurden
von den deutschen Fliegern mit Aufmerksamkeit ver¬
folgt. Ende Mai wurde durch eine Fliegerphotographie
festgestellt, daß die Ueberbrückung der gesprengten
Stelle beendet war. Auch wurde erkannt, daß eine
Probebelastung der Brücke durch einen Eisenbahnzug
stattfand. Nunmehr war es an der Zeit, die eigens
zu diesem Zweck hinter die deutschen Linien heran¬
geführte 42-Zentimeter-Batterie in Tätigkeit
treten zu lassen. Wenige Schuß am 30. Mai ge¬
nügten, um die Ueberführung auf einer Strecke von
100 Meter erneut und nachhaltig in Schutt zu legen.
Der Kunstbau liegt 71/* Kilometer vor unserer
vordersten Jnfanterielinie. (ctr. bln.)
Der neulich von Zeppelinen bombardierte englische Ort'
ist nach dem Bericht der Mannschaft eines norwe¬
gischen Dampfers, die die Sache mit angesehen hat,
South Shields. In der Stadt selbst wurde
niemand getötet oder verwundet. Tie Zeppeline
hatten aber kurz vorher den Armstrongwerken
ein Besuch abgestattet, wo 14 Bomben die
M a r i n e w e r k st a t t und das Arsenal ge¬
troffen hatten. Hier wurden 17 Personen getötet
und 40 verwundet. Bom Schiff aus konnte man
sehen, daß in Shields die Nacht hindurch mehrere
Gebäude in Flammen standen und in Asche
gelegt wurden. Der angerichtete Schaden bei
Armstrong i st u n g e h e'u e r g r o ß und die Arbeit
mußte deswegen sehr eingeschränkt werden, (ctr. bl.)
Der tlMelÄlrler seren Ensinnd.
Keine schwächliche Haltung im Q-Bootkrieg.
Tie „Norddeutsche Allgemeine Zeitung" schreibt:
In der „T-eutschen Tageszeitung" wird seit einiger
Zeit fast täglich eine leidenschaftliche Kampagne geführt,
in der mehr oder minder offen in dem Tone der Einge-
weihtheit den Lesern die Augen über die a n g e b l i ch e n
Gefahren geöffnet werden sollen, die dem deutschen
Ansehen im allgemeinen und der energischen
Kriegführung gegen England im besonderen durch
eine schlappe Haltung der Regierung in den bekannten
Differenzen mit Amerika wegen des U.-Bootkrieges
drohen sollen. Auf der einen Seite wird der Anschein er¬
weckt, als ob amtliche Kreise um des lieben Friedens
mit Amerika willen daarn dächten, die Ueberlegen-
heit der deutschen Tauchbootwaffe Preis¬
zug e b e n, aus der anderen Seite scheut man nicht vor
der "Torheit der Behauptung zurück, daß die Vermehrung
der Zahl unserer Feinde durch die Vereinigten Staaten
eine ganz gleichgültige Sache wäre. In der Montags¬
nummer versteigt sich die „Deutsche Tageszeitung" zu
*“■ kaum mehr verhüllter Verspottung des in den deut¬
schen Noten an Amerika eingenommenen Rechtsstand¬
punktes und zu einem persönlichen Angriff auf den lei¬
tenden Staatsmann.
Die Männer, die die Verantwortung tragen, Gefah¬
ren und Vorteile gegen einander abzuwägen haben, wer¬
den nicht dadurch berührt, wenn ihnen direkt odr in
allerlei Umschreibungen Kleinmut, Schlappheit oder Rü-
ckenmärkertum vorgeworfen wird. Sie machen vollen
Anspruch auf die Gefühle der nationalen Kraft ugd
Würde, die der Marinemitarbeiter der „Deutschen Ta¬
geszeitung" allein zu vertreten glaubt.
Ein solches Treiben ist lediglich geeignet, der Kaiser¬
lichen Regierung die Aufgabe zu erschweren, bei
Erledigung des Streitpunktes mit Amerika nicht nur die
Kampfkraft unserer Waffen zu erhalten, sondern auch
schädigende Rückwirkungen auf die politische
Gesamtsituation zu vermeiden. Im Interesse
der Landesverteidigung wie der auswärtigen Politik
mutz erwartet werden, daß diese mit leeren Gerüchten
und unpolitischen Gefühlen dr Entrüstung arbeitende
Propaganda ein Ende nimmt, (ctr. bln.)
Die vorstehende Auslassung soll die bereits mit¬
geteilte zeitweilige Unterdrückung der »Deutschen
Tageszeitung' begründen. Vor einigen Tagen hat
de^^eite^ines^vie^gelesener^Berliner^iachrichten-
- Vor Schawli.
Von unserm zum Ostheer entsandten Kriegsbericht¬
erstatter.
Zu ungefähr der gleichen Zeit, wo lebhafte Gefechte
tri Mariampol sich entwickelten, stießen die Kräfte un¬
seres Nordflügels an der Dnbissa trotz der russi-
scherseit- eingesetzten Verstärkungen vor. Im Anschluß
an die heftigen Kämpfe, längs des Windawskikaanls und
das Verrücken bis über die Eisenbahnlinie Schawli-,
Marajewo gingen die deutschen Divisionen in fortschrei¬
tendem Angriff auf Schawli vor. Am 12. und 13. Juni
wurden die hochgelegenen Dörfer Kuze und Danksze
gestürmt. Die russischen Stellungen waren hier ffestungs-
artig ausgebaut. Gegen Danksze. von dem wir nun die
russische Linie bei Schawli beherrschen, setzten die Rus¬
sen einen Nachtangriff von drei bis vier Regimentern
an. In die unter unserem vernichtenden Feuer zudück-
flutenden Jnfanteriemasser: schoß die eigene rus¬
sisch« Artillerie, um sie am Zurückgehen
zu verhindern. Sie vern.ehrte die furchtbaren
russischen Verluste. Die Stellung blieb fest in
unserer Hand. An einer Stelle wurden 500 Tete auf
einem Fleck von etwa 200 Quadratmeter gezählt. Auf
der großen Reichsstraße Tauroggen-Schawli
war zur gleichen Zeit unsere Front mehrere Kilometer
über den Dubiffa-Abschnitt vorgerückt) Me russischen
Stellungen zogen sich hier auf einer Hügelkette, die dicht
an der Straße eine kleine Kirche trug, etwa nahe dem
Dörfchen Rejzgie hin. Unsere schwere Artillerie nahm
diese Linie unter Feuer, die Wirkung unserer großen
Kaliber war so erschü»«nv, daß die Russen die Hügel,
hne den JnfcrnterieangSff ja ennarto. aufoahen. Ein
rutsche» Flieger ffatto-dl, DHtsckeivrvz tzer Batterien .
blattes einen Artikel veröffentlicht, der große
Verwunderung erregte. Es war darin offen aus¬
gesprochen, der Vorwurf gegen Amerika, daß es
Kriegsmaterial an unsere Gegner liefere, sei unge¬
recht, und es sei unzulässige Gefühlspolitik, den
Aushungerungsversuch Englands gegen Deutschland
gls eine große Gemeinheit hinzustellen. Die Re¬
gierung hat darauf verzichtet, hiergegen einzu¬
schreiten und hat es der Presse überlassen, diese auf¬
fälligen und gegenwärtig zum mindesten recht unan¬
gebrachten Behauptungen zu widerlegen, obwohl die
»Germania' es als überaus befremdlich bezeichnet
hatte, daß noch keine ausdrückliche offizielle Zurück¬
weisung des Artikels erfolgt sei. Umgekehrt wird
sofort der offiziöse Apparat in Bewegung gesetzt
gegen ein Organ, daß gerade mit besonderer Schärfe
die Auffassung jenes Sensationsblattes zurück¬
gewiesen hatte. Wir wollen uns gewiß weder
für den Ton noch für den Inhalt des ..inkriminierten"
Artikels der »Deutsch. Tagesztg.' einsetzen, aber man
muß doch feststellen, daß diese unterschiedliche Be¬
handlung der zwei Zeitungen auffällt.
Abermals versuchte ein englischer Perso¬
nendampfer ein N-Boot zu rammen.
„Daily. Chronicle" meldet, daß der Dampfer
„Cameronia" der Anchorlinie am Sonntag
aus Neuyork in Liverpool eintraf. Die Bemannung
berichtete, daß die „Cameronia" versucht habe,
ein Tauchboot zu rammen, das sie ver¬
folgte. Das Boot tauchte schließlich unter und
wurde nicht mehr gesichtet. An Bord des Dampfers
befanden sich zahlreiche bekannte Amerika¬
ner. Die „Cameronia" ist ein 11000-Tonnen-
Dampfer aus dem Jahre 1911 und läuft 17
Knoten, (ctr bln.)
Was sagt Wilson dazu?
Der Kries gegen Moni
Die Eroberung Lembergs.
wtb Berlin, 22. Juni 1915. (Amtlich.) Lemberg
ist heute nachmittag nach schwerem Kampfe
von österreichisch-ungarischen Truppen
genommen worden. Das österreichische 34. In¬
fanterieregiment, dessen Chef der Deutsche
Kaiser ist, hat sich bei der Erstürmung des Werkes
Lysa Gora ausgezeichnet.
wtb Berlin, 22. Juni 1915. Die amtliche Nach¬
richt über die Wegnahme Lembergs wurde in Berlin
kurz nach 8 Uhr abends bekannt. Obwohl die Mel¬
dung den ganzen Tag hindurch stündlich erwartet
wurde, machte doch die Bekanntgabe auf das gesamte
Straßenleben den freudigsten Eindruck. Die
Geschäfte und Kaufhäuser waren zwar geschlossen,
aber auf vielen Privatgebäuden wurden alsbald die
Flaggen hochgezogen. Unter den Linden kam es zu
großen Ansammlungen, die in gehobener Stimmung
das freudige Ereignis besprachen. Ueberall erfolgten
Kundgebungen begeisterter Teilnahme der Bevölkerung
an den neuen Fortschritten der verbündeten Truppen
in Galizien.
Rußlands letzte Hoffnung.
Lugano, 22. Juni 1915. Der Petersburger
Korrespondent des Mailänder „Secolo" meldet aus
Bukarest: Die Hoffnung ist jetzt auf die i t a l i e n i s ch e n
Waffenerfolge gerichtet. Man wünscht, daß
Italien auf die deutsche nnd österreichische Offensive
in Galizien mit der Besetzung von Triest antwortet.
Der Zar empfing den italienischen Botschafter
Carlotli, dem er sagte, die Zusammenkunft von
Rocconigi sei ein Vorspiel zu dem Bündnis Rußlands
mit Italien gewesen und er lege dem Eintritt Italiens
in den Krieg die größte Wichtigkeit hei. Die Russe»
hoffen, sich im Juli neu ausrüsten zu können, da
die Waffen- und Munitionsfabriken fieberhaft arbeiten
sollen. In der Voraussicht, daß Lemberg geräumt
werden muß, werden die Verwundeten von dort
nach Kiew befördert. Ter Mangel an Munition
habe die Russen an der Gegenoffensive in Galizien
verhindert, trotzdem sie ihre Sewastopol-Armee,
die aus 200000 Mann besteht und eigentlich für den
Bosporus bestimmt war, in Galizien haben auf¬
marschieren lassen. Durch unglückliche Zwischenfälle
versagten auch die Dreadnoughts, die im
Schwarzen Meer die russische Herr ch st sichern sollten
und durch Oeffnung der Tardamll n Rußland mit
Waffen und Munition versehen härten. Der Schlüssel
zu Konstantinopel liege jetzt in Sofia. General
Radko Dimitriew ist, wie es heißt, wegen der
Vorkommnisse in Galizien in Ungnade gefallen.
Großfürst Nikolai habe ihn abgesetzt und dem Ge¬
neral. Loetsch das Kommando übergeben. In Mi-
litärrreijen spricht man davon, daß General Kuro-
patkin vom Generalstab demnächst an die Stelle des
Kriegsministers Suchomlinow treten werde, (ctr. bln.)
Der Krieg mit Italien.
Die Kämpfe am Jsonzo.
Graz, 22. Juni 1915. Nach einem der Grazer
Tagespost vom italienischen Kriegsschauplatz zuee-
gangenen Bericht halten die österreichisch-ungarischen
Truppen in der Kampflinic am Jsonzo die höchsten
Punkte, etwa 1200 Nieter besetzt. Eine Kampfgruppe
der Italiener nach der andern greift die Schwarm-
lienien und Schützengräben an, aber die österreichisch¬
ungarischen Maschinengewehre machen die Angreifer
unbarmherzig nieder. Sechsmal stürmten die
dabei in glänzender Weise unterstüttz. Ein russischer
gefangener Hauptmann sagte aus, „die Hölle wäre nicht
mehr zu ertragen gewesen." Die Granaten waren denn
auch ge,rau Schuß bei Schuß in die Stellungen geschla¬
gen. Als ich von unserer Batteriestellung nach vor¬
wärts gign, sah ich die Wirkung: Die Drahthindernisse
waren an vielen Stellen zerschlagen und zerfetzt. Ge¬
rade in den Gräben saßen die mächtigen Trichter. Die
kleine Kirche war ein Trümmerhaufen und Steine,
Balken, Eisenteile waren in die ruffischen Gräben hin¬
eingehagelt.
Von der Höhe der verlassenen Russenstellung konnte
ich Schawli auf sieben bis acht Kilometer vor mir liegen
sehen. Der hohe weiße Kirchturm leuchtete herüber.
L e p a r h, der kleine Ort dicht vor Schawli, brannte;
die dicken Schwaden zogen langsam gegen Schawli hin.
In einer der Batterien hinter mir, die jetzt nach
Schawli hineinlangt und den Durchgangsverkehr für
russische Truppen unmöglich macht, war festliche Stim¬
mung. Der Hauptmann hatte eben vom Kommandieren¬
den General persönlich für seine Leistungen das Eiserne
Kreuz erster Klaffe erhalten. Weiter rückwärts außer¬
halb der Granatzoize wurden die in diesem letzten
Kampfe erbeuteten Gewehre geordnet, beinahe 8008
Stück, über eine Million Patronen. Den ruffischen Ge-
samwerlust einschließlich der Gefangenen schätzt der
Kommandierende General 'auf 30 000 in diesem seinem
Abschnitt. Ein Teil der Kräfte gehört, wie mir d«c
General, der in den schweren Kämpfen in Südpolen sei¬
nerzeit an der heißesten Stelle geführt hat, erklärt«, den
besten russischen Truppen an, denen er begegnet sei. Aber
auch dieser blutige Einsatz hat nichts geholfen. Wir
stehen dicht vor Schawli. Unsere Geschütze beherrschen
dch.St<M, Shyrbe.uuü Bahn, R-Mandt-LffegHeriMM.
Italiener vergeblich an, mutzten sich aber mit
gewaltigen Vertu st en zurückziehen. Was die
Zivilbevölkerung betrifft, so ist namentlich die mutige
Haltung der Frauen und Mädchen, die den österrei¬
chisch-ungarischen Kämpfern in die Kampflinie Wasser,
Milch und sonstige Lebensmittel tragen, über alles
Lob erhaben, (ctr. bln.)
Die italienischen „Luftsiege".
wtb Wien, 22. Juni 1915. Der Kriegsbericht¬
erstatter der „Zeit" hat sich persönlich von der
Wirkung des am 17. Juni nach Mitternacht von
italienischen Luftschiffen gegen die Südbahnstation
Divaca gerichteten Luftbombardements überzeugt.
Ein Luftschiff verfolgte einen einlaufenden Eisen¬
bahnzug, der sofort anhielt und die Lichter löschte.
Das Luftschiff warf fünf Geschosse, entfernte sich
aber, als dis Bahnwache feuerte. Tie Bomben
richteten im Waldgestrüpp eine erhebliche Verwüstung
an, aber kein menschliches Wesen, kein Haus und
kein Acker wurde beschädigt. Trotzdbm berichten die
Italiener von großen Erfolgen, Zerstörung der
Eisenbahnverbindung usw.
'Italiens Schweigepolitik.
Nach französischem Muster treibt Italien Vogel¬
straußpolitik. Verlustlisten werden nicht ver¬
öffentlicht und die in die Heimat zurücktransportierten
Verwundeten werden von der Außenwelt in
ihren Lazaretten abgeschlossen. Nicht einmal die
nächsten Verwandten erfahren ihre Namen. In
Italien herrscht darüber begreifliche Erregung. Auch
sickert immer mehr durch, daß die Kämpfe an der
Grenze beiweitem nicht den Ausgang hatten, wie der
italienische Generalstab behauptet, dessen Berichte in
ihrer Abfassung oft geradezu den Ernst verleugnen,
den unsere Zeit verlangt. Aber es kommen doch ab
und zu Nachrichten an die Oeffentlichkeit, aus denen
hervorgeht, daß die Italiener jetzt schon Blutopfer
haben bringen müssen, die in gar keinem Verhältnis
stehen zu den „Erfolgen", die die italienische Gro߬
macht, die bald ein Jahr Zeit-hatte zur Mobilmachung,
gegen Splitter der Oesterrcicher hatte, die sich ihnen
entgegenstellten. Vervollständigt man sich z. B. solche
durch Zufall an die Oeffentlichkeit gelangten Offiziers¬
verluste wie in der gestrigen Baseler Nachricht
(vergl. Letzte Nachr.) mitgeteilte'n, so kann man es
Wohl verstehen, daß Italien keine Lust hat, seinem
Volke die Wahrheit über seine Opfer einzugestehen.
Die Regierung weiß sehr wohl, daß sie das Volk
gar nicht in der Hand hat, daß es ihr nur wider¬
willig in diesen wahnwitzigen Krieg gefolgt ist. Jetzt
hält es das Volk noch in leidlicher Laune durch Ver¬
heimlichung der Wahrheit und durch Erzählen von
allerhand Anekdoten über das heldenhafte Auftreten
des Königs inmitten seiner Soldaten — kommt aber
die Wahrheit an den Tag, wird Italien seine erste
nicht mehr zu verheimlichende Niederlage erfahren
haben, dann wird ein Sturm durch die italienischen
Lande wehen, der alles hinwegfegt, was das Volk
in diesen nutzlosesten und verbrecherischsten aller
Kriege getrieben hat.
Gemeine italienische Verdächtigung«».
inb. Die italienischen Blätter bringen aus Rom
eine „offizielle" Mitteilung, die österreichische Regie¬
rung unterhalte in den von den Italienern besetzten
Grenzorten Sendlinge, denen die systematische Räu¬
berei, der Meuchelmorde an Soldaten und Offiziere,
die Tötung von Aerztzn und Verwundeten obliege.
Der Zweck^dieser Taten seien, „schmerzhafte Akte"
von Vergeltung gegen die Bevölkerung hervorzurufen
und um die italienischen Operationen zu stören.
Italien zeigt sich immer mehr als gelehriger
Schüler Frankreichs, auch in dem, was Verleum¬
dungen des Gegners anbelangt. Man kann nur
sagen: „Niedriger hängen."
Dem See- und UeDerseeKries.
Die Verluste in Südwestafrika.
wtb. Pretoria, 22. Juni 1915. Amtlich wird
gemeldet: Die Gesamtverluste der Uniontruppen
"betrugen bis zum 14. Juni bei den Operationen
gegen die Aufständischen 414, gegen Deutsch-Südwest¬
afrika 1045 Mann. Ferner starben 153 Mann an
Krankheiten und Unfällen. Die Aufständischen ver¬
loren vermutlich 190 Tote und 300—350 Verwundete.
Die in der Union internierten Deutschen beziffern
sich auf 39 Offiziere und 859 Mann.
Das Urteil im Prozeß Dewet.
wtb. Bloemfontein, 22. Juni 1915. Dewet ist
zu sechs Jahren Gefängnis und 200 Pfund
Sterling Geldstrafe verurteilt worden.
Der TfjrRenKriei.
Verstärkungen für die Dardanellen.
Köln, 22. Juni 1915. Einer Athener Meldung
der „Köln. Volksztg." zufolge erklärt „Neon Asty",
auf zwei englischen Riesendampfern seien 12000
Mann Verstärkungen, bestehend in farbigen
Truppen, für die Dardanellenoperationen in Tene-
dos eingetroffen, (ctr. fft,)
Italienische Kriegsschiffe vor de» Dardanellen.
Aus Genf meldet die „Voss. Ztg.": Die aktive
Beteiligung Italiens an den Tardanellenkämpfen
dürfte, nach rumänischen Meldungen, nunmehr Tat-
— Ein Meisterstück der Orthopädie. In der Wie¬
ner Gesellschaft der Aerzte führte kürzlich der bekannte
Chirurg, Heirat Prof. A. v. Eiselsberg einen Patien-
ten vor, dem alle vier Gliedmafsen amputiert wur¬
den, und der trotzdem arbeitsfähig ist. Wie die „Ber¬
liner Klinische Wochenschrift'' berichtet, ist der 38jähr.
Mann vor acht Jahren in Amerika in einen Stark¬
strom von 68 000 Volt geraten, wobei ihm Arnie und
Beine so verbrannt wurden, daß sie in der Mitte des
Oberarmes und der Unterschenkel abgenommen wer¬
den mutzten. Bald nachher begann der Patient Uebun-
gen mit den Gliedorstummeln vorzunehmen, nach
einem halben Jahre verfertigte ihm ein amerikani¬
scher Bandagist künstliche Verlängerungen, die er noch
trägt, und die nur wenig Reparaturen erfordert ha¬
ben. In ihnen sind die Unterschenkelstummel befe-
sttgt. Bei den Verlängerungen der oberen Gied-
maßen find die vier Finger miteinander vereint und
unbeweglich, der Daumen ist beweglich und wird
durch ein Band in Bewegung gefetzt, das durch Be¬
wegungen der gegenseittgen Achsel dirigiert wird. Der
Verletzte kann sich allein an- und ausziehen, essen,
kleiden und alle möglichenVerrichtungen vornemhen,
ferner kann er tadellos ohne Stock gehen und macht
Märsche bis zu 18 Kilometer im Tag. Er wurde in
die Klinik ausgenommen, wo er den amputierten
Soldaten durch sein eigenes Beispiel zeigt, bis zu wel¬
cher Vollkommenheit die Funktion amputterter Glied¬
maßen ausgebildet werden, kann, was für die Kriegs¬
verletzten sicher einen Trost bedeutet. Es wird ge¬
plant, den vorgestellten Mann auch an anderen
Kriegsspitälern zu gleichem Zwecke zu zeigen. __
Kreuzer und verschiedene kleinere Einheiten den Hafen
von Tarant verlassen und sind nach Tenedos in
Sec gegangen. Das Geschwader soll sich dort der
englisch-französischen Flotte von der Dardanellen an¬
schließen. - (ctr. bln.)
Die anderen Mine.
Eine Kundgebung des Papstes.
wtb Paris, 22. Juni 1915. Tie Pariser „Li-
b;rtö" veröffentlicht eine Unterredung des P a p st e s
mit ihrem Mitarbeiter Latapie. Der" Papst erinnerte
zunächst an seine verschiedenen Bemichungen zu Gun¬
sten des Friedens und bedauerte, nichts tun zu kön¬
nen, um das Ende des Krieges zu beschleunigen. Cr
mißbillige je'de Ungerechtigkeit, wo immer sie be¬
gangen werde, aber es wäre weder angebracht noch
nützlich, die Autorität des Papstes in den Streit der
Kriegsparteien zu ziehen. Der Papst könne im Vatt-
kan keine ständigen Verhandlungen und Untersuch¬
ungen ausfühven lassen.
Auf die Frage Latapies, ob es notwendig sei,
eine Untersuchung durchzuführen, um zu wissen, ob
die Neutralität Belgiens verletzt worden
sei, erwiderte der Papst: „Dies war untrr dem Pon
tifikate Pius X" Der Papst fügte hinzu: ,^Tie
Deuffchen und Oesterreicher b e st r e i t e n alle gegen
sie erhobenen Anschuldigungen und erheben ihrer¬
seits Anklage. Der Bischof von Creniona versichert,
daß die italienische Armee 18 österreichische Priester
als Geiseln mitgenommen hat. Die österreichischen
Bischöfe versichern, die russische Armee habe katho¬
lische Priester mitgenommen. Auch die Deutschen er¬
klären, daß die Bevölkerung von Löwen auf ihre
Truppen geschossen habe. Sie erklären auch, daß die
Franzosen Beobachtungsposten auf den Türmen der
Kachedrale in Reims hatten. Andererseits haben
die Vertreter von sieben Kongregationen Belgiens
dem Kardinalstaatssekretär erklärt, daß sie in "ihrer
Kongregatton keinen einzigenFallVon Ge¬
walttätigkeit zu verzeichnen hätten." ' -
Ter Papst fuhr fort: „Wir werden die Bibliothek
in Löwen wiederherstellen und zum Wiederaufbau
der Kathedrale in Reims beitragen. Jeder Schuß
auf die Kathedrale von Reims hallt in meinem Her¬
zen wieder, aber die Stunde ist noch nicht gekomnren,
um die Wahrheit aus allen widersprechenden Be¬
hauptungen herauszuschälen. Der Vatikan ist kein
Gericht, wir fällen keine Urteile. Der Richter ist
dort oben." ...
Latapie sprach sodann von der Verhaftung des
Kardinals Mercier und der Torpedierung der
„Lufitania". Der Papst entgegnete: „Bezüg¬
lich des Kardinals M e r c i e r werde ich Sie in Er¬
staunen versetzen. Er war niemals verhaf¬
tet! Er kann ganz nach seinem Belieben in der
Diözese herumgehen. Ich habe von dem General¬
gouverneur von Belgien, dem Generalobersten von
Bissing, einen Brief erhalten, in dem er mir ver¬
sichert, er werde künftig mit der größten Energie alle
Gewaltakte gegen die Kirchen und Gotlesdiener unter¬
drücken und verfolgen." Der Papst erklärte unter
ttefer Bewegung, er kenne keine furchtbarere Tat,
als die Versenkung der „L u s i t a n i a". Aber, fuhr
der Papst fort, glaub« Sie, daß die Blockade, welche
MillionenunschuldigerGeschöpfezum
Hunger! ridenverurteill, etwa von mensch¬
licheren Gefühlen eingegeben fft?
Der Papst fügte schließlich hinzu, er werde nach
dem Kriege vielleicht ein Syllabus herausgeben, in
dem die Doktrinen der -Kirche iiber die Kriegsg’-
bräuchs zusammengefaßt und die Rechte und Pflich¬
ten der Kriegführenden für die Zukunft geregelt wür¬
den. Man werde darin zweifellos eine Verurteilung
aller während des Krieges begangenen Verbrechen
finden.
Die Montenegriner im Vormarsch auf Skutari.
vvk. Zürich, 22. Juni 1915. »Giornale d'Jtalicck
meldet unter dem 19. Juni aus Skutari: Die
Montenegriner haben mit ihrem Bor stoß nach
Albanien begonnen. Ihre Offensive wird mit drei
Gruppen und aus drei Richtungen unternommen.
Es verlautet bereits, daß sie einige Ortschaften be¬
setzt hätten, das eigentliche Ziel aber fei Skutari.
Immer neue Kriegslieferungen aus Amerika.
wtb Haag, 22. Juni 1915. Die hier vorliegende
„New-Pork Times" vom 21. Mai meldet: Die Beth¬
lehem Steel Co. stellt jetzt für die britische Regierung
35000 Geschosse täglich her. Die Gesamt¬
aufträge der britischen Regierung haben zur Zeit
einen Wert von rund 600 Millionen Mark. Die
American Locomotive Co. hat bei dem Stahltrust
27 000 Tonnen Stabstahl zur Herstellung vov
Schrapnells und Brisanzgeschossen bestellt.
Die neue englische Kriegsanleihe in,
Vergleich zu -er deutschen.
wtb London, 23. Juni 1918. (Tel.) Das Unterhau¬
hat die neue Kriegsanleihe (vergl. Nr. 141, Letzte Nachr. .
einstimmig angenommen. Der Schatzkanzlcr
hatte die neue Anleihe begründet und erklärt, daß Groß,
britannien hunderte Millionen brauche und daß jede
Anstrengung, die jetzt gemacht würde, nicht nur zur
Fortsetzung des Krieges, sondern auch zur Sicherune
der späteren finanziellen Vorberrschaft Englands diene
Der wesentliche Unterschied ist der: Deutschland
konnte bei der zweiten Kriegsanleihe sei» Geld b i I-
liger erhalten, als bei der ersten; England dagegen
muß bei der zweiten Anleihe einen bedeutend
höheren Zinssatz bewilligen. ,
Bei uns ist der Zinssatz (5 Prozent) bei beiden
Anleihen unverändert geblieben; der Zeichnmigspreie
für je 100 Ms. wurde aber von 97,50 auf 88,50 er¬
höht. Das bedeutet einen Mehrertrag für bi’ Reichs
lasse von 90 Millionen Mark an Kapital oder eine
Herabsetzung des Zinsfußes um einhundertstel Pro¬
zent. Die Verschärfung der Zeichnungsbedrngun-eu
war verhältnismäßig nicht groß, aber ff: zeigt doch,
daß unsere Regierung überzeugt war, in der Zwi-
schenzeft zwischen den ocidcn Anleihen hätte das V e r-
trauen und die Geld flüssig keit sich nicht
vermindert, sondern vielmehr gehoben. Der Erfolg
der Zeichnungen von 9 Milliarden und noch mehr
die flotte (zun: großen Teil vorzeitige) Barzah¬
lung vechfferttgten diese Ansicht. . ■
In England geht es umgekehrt. Me erste Anleihe
wurde zum Kurse von 95 bei 3'.4prozentiger Verzin¬
sung ausgegeben. Die neue Anleihe soll nach der
Ankündigung des englischen Finanzministers zum
Kurse von 100 bei 4'/- Prozent Zinsen ausgegeben
werden. Eine sehr erhebliche Steigerung des
Zinsfußes! Me erste Anleihe verzinst sich mft 3,68
für 100, die zweite mit 4,50 für 100. Bei einem
Vergleich muß man beachten, daß der Zinssatz in
England von crttersher bfträchtlich niedriger war,
als in Deutschland. Wenigstens 1 Prozent, häufig
1V* bis 2 Prozent niedriger. Der deutsche Reichskre¬
dit und der englische Staatskredit würden auf dersel¬
ben Höhe stehen, wenn wir 5% bis 6 Prozent zablen
müßten, während die englische Regierung 4i£ Pro¬
zent zahlt. Wir kommen aber aus mit 5 Prozent
und dem kleinen Zuschlag von % Hundertstes
ZMrftpKe M chirsxWäßiMg Ä"1-1