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ramrla-, den s. Iuli l9lS.
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Fuldaer Zeitung
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2. Blatt.
vruck »er z»idaer AcliendrvSrrei in Zulda.
Die Kämpfe vor Lemberg.
vtd Aus dem Großen Hauptquartier er¬
halten wir über die Weiterentwicklung der Kämpfe
M Galizien die folgende Darstellung:
Die Armee Mackensen hatte sich bis zum
27. Mai abends auf dem östlichen Sanufer einen
großen Brückenkopf geschaffen, der sich in einer Aus¬
dehnung von etwa 70 Km. von Nacklo über Kalni-
kow—Zapatow—Radawa bis zur Lubaczowka-Mün-
dung erstreckte. Während der auf dem anderen
Sanufer verbliebene rechte Armeeflügel sich kämp¬
fend näher an die Nordfront der Festung Przemhsl
heranschob, versuchten die Russen die Brückekopfstcl-
lung von Norden her zu durchbrechen. In der Zeit
vom 27. Mai bis 3. Juni führte der Feind alle nur
irgendwie verfügbaren Reserven zu nächtlichen An¬
griffen gegen die deuffchen Truppen vor. Obwohl
er im Laufe Von 8 Tagen etwa 15, allerdings teil-
weffe schon stark geschwächte Divisionen in fortwäh¬
renden Nachtangriffen gegen die Linien von drei
deutschen Divisionen zum Sturme ansetzte, hatte er
kein Glück. Es gelang ihm an keiner einzigen Stelle,
gegen die deuffchen Linien auch nur den geringsten
Erfolg zu erzielen. Dagegen waren seine blutigen
Verluste außerordentlich schwer und die Truppe nach
dem Mißlingen der ersten Angriffe nur noch schwer
vorwärts zu bringen. Die russischen Offiziere blie¬
ben infolgedessen hinter der Fr nt zurück und suchten
durch Drohungen mit der Waffe die zögernd Vor¬
gehenden in den Kampf zu treiben. Eine Offensive
bei Tage wagte man aus Furcht vor der deuffchen
Artillerie überhaupt nicht mehr. Nur noch vom
Nachtgefecht versprach man sich Erfolg, weil bei die¬
ser Kampfesweise allein die zahlenmäßige Ueber-
legenheit zum Ausdruck kommen konnte. Die un¬
disziplinierten, nur wenige Wochen ausgebildeten
Ersatzmannschaften versagten aber bei den nächt¬
lichen Kämpfen in dem waldigen Gelände. Die
Zahl der Ueberläufer mehrte sich von Nacht zu
Nacht. Dazu fehlte es rnssischerseits an Offizieren,
um die schwierige Führung der Truppe in, Nacht¬
gefecht zu ermöglichen. Aus solchen Gründen mußte
der in der Nacht vom 2. zun, 3. Juni geplante Ge-
Unternehmen. Ganze Divisionen mußten in den
nevalcmgriff unterbleiben. So mißlang das
Unternehmen. Ganze Divisionen mußten in den letz¬
ten Tagen zurückgenommen werden, weil chre
Zuverlässigkeit stark effchüttert war. Die B e r -
lüfte waren so schwer gewesen, daß die Gefechts¬
stärke einzelner Divisionen nicht viel mehr als 3000
Bajonette betrug, statt einer normalen Kriegsstärke
Von 16000 Mann.
Am 12. Juni war der Augenblick gekommen, in
dem die deutsche Offensive, nachdem inzwischen die
Festung Przemhsl gefallen war, weiter geführt
wurde. Der Feind hatte sich vor der deuffchen Ar¬
mee und vor den beiden an diese anschließenden
österreichischen Armeen in starken Stellungen einge¬
baut, die durchbrochen werden mußten, bevor die Of¬
fensive vorwärts getragen werden konnte. Am 12.
Juni schritten unter dem Befehl des General-Ober¬
sten v. Mackensen der linke Flügel der deut¬
schen Armee und der daran anschließende rechte Flü¬
gel der Armee des Erzherzogs Joseph Ferdinand
S Angriff über Lubaczowka und San hinweg in
tung aus Sieniawa und die Höhen östlich davon.
Der Feind hatte sich jenseits der Lubaczowka auf ge¬
wohnte Weise in mehreren Schützengvabenrechen
eingerichtet. UM 8 Uhr vormittags mchm die deutsch:
Infanterie den Lubaczowkabach, Vertrieb den Feind
aus seiner ersten, bald darauf auch aus seiner zwei¬
ten Äellung und ging dann gegen den Kolowkawald
vor, während links davon deutsche und österreichische
Truppen die Höhen von Sieniawa in Besitz nah¬
men. Aus dem Kolowkawaldr mit großer Ueber-
macht herausbrechend, schritten die Russen zum
abendlichen Gegenangriffe. Obwohl sie diesen durch
heftiges Artillerie und Minenwerferfeuer unter¬
stützten und von drei Seiten zu gleicher Zeit an¬
stürmten, wurden chre sämtlichen Angriffe
abgeschlagen und in den Wald zurückgeworfen, wo¬
hin alsbald die Deuffchen folgten. In dem ausge-
dehMen Forste kam es in den nächsten Tagen zu
Unpolitische Zeitlaufe.
N. Berlin, 1. Juli 1915.
(Nachdruck verboten.)
Nun beginnen schon die Ferien.
Die Schul ferien. Auf die Kriegs fetten
müssen wir noch etwas warten. Für die Soldaten
fällt nur hier und da ein Einzelurlaub ab, wenn die
örtliche Lage es gestattet. In ftüheven Kriegen
brachte ein Waffensüllstand wohl einmal eine Er¬
holungspause für ein Heer. Wir haben es ja im
Herbste erlebt, daß die übereifrigen Franzosen nicht
ttnmal einen Waffenstillstand von einigen Stunden
eingehen wollten, obschon diese Pause zur Beerdi¬
gung der Gefallenen dringend notwendig war. Auch
die vom hl. Vater empfohlene Waffenruhe am Weih¬
nachtstage scheiterte an dem Eigensinn der Feinde.
Unsere Soldaten müsien rastlps weiterkämpfen, bis
der volle Sim errungen ist. Dann gibt es nicht
allein Kriegsferien, sondern Kriegs s ch l u ß. Sie
haben die Reifeprüfung als Sieger bestanden und
werden mit glänzendem Zeugnis in das Friedens¬
leben entlasten.
Me steht es denn mit dem Ferienrecht für uns
Hinterfrontleute? Ist in dieser schweren
Zeit eine Arbeitspause gestattet? Da halte ich an
dem allen Grundsatz fest: möglichst im alten Gleise
bleiben. Für den Handel und Wandel, fijr die Ge¬
sundheit der Körper und der Geister, für die ganze
Volkswohlfahrt ist das Beharren bei der alten Le-
bensweffe am vorteilhaftesten. Wer Zeit und Geld
hat, um auch in diesem Sommer sich seine gewohnte
Erholung zu gönnen,, der tue es. Viele müssen
sparen, viele müssen rastlos schwer arbeiten. Das
bringt schon Ausfall genug am Sommerverkehr.
Wenn auch diejenigen, die es nicht nötig haben, aus
Angst oder Geiz sich zurückziehen, dann geraten
Tau,ende von biederen Mitbürgern in Schaden und
Not. Sie haben schon voriges Jahr schwer gelitten,
als bei Ausbruch des Krieges alles Hals über Kopf
nach Hause zurückeilte. Leben und leben lassen!
Was nun die Schüler angeht, so sollen die in den
Ferien nicht Faultiere werden, sondern Lebensstu¬
denten. Die Schulbücher werden für so und so viele
Wochen zugeklappt, aber das Buck des Lebens wird
aufgeschlagen. Die Jungen und Mädchen gehen
doch deshalb in die Schule, damit sie nachher in die
Welt passen. Während der Ferien können und sol¬
len sie mit der wirklichen Welt in nähere Fühlung
kommen, die graue Theorie der Schulweisheit durch
die Praxis ergänzen. Die rechte Erholung besteht
nicht in dem Verzicht auf Tätigkeit, sondern in dem
schwierigen Waldkämpfen. Ten vordringenden Kom¬
pagnien traten überall kleine russische Trupps ent¬
gegen, die sich im Walde geschickt eingenistet hatten.
Auf Bäumen und hinter Astdcrhauen saßen russisch:
Schützen; auch Maschinengclvehre waren verschie¬
dentlich im Walde ausgestellt. Mitten im Forste
hatte der Feind Schanzen angelegt, die von Drahthin¬
dernissen umgeben und durch Schützengräben unter¬
einander verbunden waren. Der Angriff gegen diese
Stellungen war mit besonderen Schwierigkeiten ver¬
bunden. Im engsten Anschluß an österreichisch-
ungarische Truppen, die gleichfalls, in den Wald ein-
gedrungm waren, gelang cs, den Angriff vorwätts
zu tragen. Nachdem die feindliche Waldstellung
durch Mörser- und Minenwerferfeuer an einer
Stelle erschüttert und sturmreif gemacht war, wurde
sie durchbrochen und nach Ost und Nord auf¬
gerollt. Ter Fund trat nunmehr den Rückzug
aus dem Walde an.
Dies war am 16. Jnni. Inzwischen waren die
übrigen Teile der Armee des Generalobersten von
Mackensen nicht müßig geblieben.
Nachdem der linke Flügel der deutschen Armee
am 12. Juni die Offensive eröffnet hatte, traten
rechter Flügel und Mitte am l3. Juni
zum Angriff an. Es handelte sich durchweg unr
einen Angriff gegen stark befestigte russische Stel¬
lungen. Dieser begann nach entsprechender Artil¬
lerie-Borbereitung unr 5 Uhr morgens. Auf dem
rechten Flügel leisteten die Russen in den an der
Wißnia gelegenen Orffchaften zähen Widerstand, der
durch den deuffchen Angriff gebrochen wurde. Auch
die österreichisch-ungarischen Trupp:n des Generals
von Arz schritten durch die östlich anschließende
Waldzone vor. Preußische Garde-Regimenter fan¬
den in dem Häusergewirr südlich des Szklo in der
Umgebung von Mlyny anfänglich heftige Gegen¬
wehr. Als aber der Feind von hier Vertrieben und
auch Tuchla im Verein niit Nachbartruppen genom¬
men war, drangen Gardetruppen in einem Zuge
bis auf die Höhen westlich von Wielkie Oczy vor.
Tie nördlich davon fechtenden Truppen durchbrachen
gleichfalls die vordersten feindlichen Linien. TaS
Ergebnis des Tages war, daß die sehr starken feind¬
lichen Stellungen auf einer Breite von 50 Km.
durchbrochen wurden und daß ein Raumge¬
winn von 3 bis 9 .Km. nach Osten erzielt war. Aber
schon standen die Truppen vor einer weiteren wohl-
ausgebauten russischen Stellung, in der der Feind
am nächsten Tage erneuten Widerstand leistete. Auch
diese Stellung, in der die Russen mit nicht weniger
als 19 Divisionen unser Vordringen aufzuhaltcn
suchten, wurde am 14. Juni durchbrochen, worauf
der Feind in der Nacht vom 14. zum 15. Juni den
Rückzug in die sogenannte Grodekstellung
antrat.
Nur in der Gegend von Oleszhce leistete der Geg¬
ner noch nachhaltigen Widerstand. Diese Stadl
wurde am 15. Juni von den Truppen des Generals
von Emmich erstürmt.
In den Tagen vorn 12. bis 15. Juni hatte die
deutsche Armee 34 000 Gefangene gemacht und 70
Maschinengewehre erbeutet. Gesangenenaussagen
und erbeutete Papiere ergaben interessante Einblicke
in den Zustand des russischen Heeres. Es herrschte
großer Mangel an Artillerie- und Infanterie-Muni¬
tion; auch dre Knappheit an Gewehren war wieder
sehr groß geworden. Bei dem Mangel an Munition
und Waffm macht sich die demoralisierende Wirkung
der deuffchen schweren Artillerie ganz besonders be¬
merkbar.
Ein russischer Offizier schreibt: „Uns gegenüber
liegen achtmal soviel Deutsche als wir und haben
sehr viel: schwere Munition. Ein derarttges Höl¬
lenfeuer habe ich während der ganzen neun Monate
nicht mitgemacht. Wie geht es Wolidia? Ich
wünsche ihm nicht dasselbe durchzumachen. Besser
tot als derarttge Qualen."
Unter dem Eindruck der großen V: rluste
wächst die Unlust der russischen Truppen in der:
Kampf zu gehen. Auch der Offiziermangel
wird immer fühlbarer. Vielfach führen Fähnriche
Bataillone. Die Disziplin der Truppen ist im
Sinken. Ti: Kosaken werden zur Aufrechtcrhaltung
Wechsel der Betätigung. Darum ist cs ganz gut,
wenn die Schüler in den Ferien zu einer passenden
Arbeit herangezogen werden, im Haushalte oder in
dem Geschäftsbetrieb der Eltern oder von Verwand¬
ten oder Freunden. Angcpaßt muß freilich die Tä¬
tigkeit sein, sowohl den körperlichen als den geistigen
Kräften.
Vielfach wurde angeregt, daß man die Ferien
verlegen oder verlängern solle, um die Stadtjugend
bei den Erntearbeiten eingreifen zu lassen. Das
klingt schön, es kommt aber dabei nichts rechtes her¬
aus. Was sollen die Landwirte anfangeu mit den
Jungen aus der Großstadt, die weder mit dem Vieh
noch mit der Forke umzugehen wissen? Das gäbe
Unglücksfälle, aber keine Arbeitserleichten,ng. Zum
Helfen in der Landwittschaft sind nur diejenigen
Schüler geeignet, die auf dem Lande selbst aufwach-
sen oder doch bereits Erfahrung und Uebung mit¬
bringen. Daher halte ich es für ganz richtig, daß
die Schulbehörde die Berliner Fetten auf den, alten
Standpunkt gelassen hat. Sehe jeder, wie er's treibe.
Wer besonderen Beruf zur landwirtschaftlichen Tä-
tigkttt besitzt, der kann auch im Juli schon Gelegen¬
heit finden, sich agrarisch ein- und auszuleben.
Von Eltern habe ich oft den Seufzer gehört:
Ach, wenn die Schule doch wieder anfinge' Sehr
begreiflich! Während der Schulzeit nehmen die Leh¬
rer den Eltern einen sehr großen Teil ihrer Er¬
ziehungsarbeit ab. In den Fetten müssen dir El¬
tern selbst von früh bis spät den Nachwuchs be¬
treuen. Das macht Mühe und Sorge. Manchmal
nicht allein Kopfzerbrechen, sondern auch Handar¬
beit — mit oder ohne Rute. Dagegen läßt sick aber
nichts machen. Die Eltern müssen in den Ferien
vor den Riß treten. Dabei werden sie sich recht be¬
wußt, daß es ihre Kinder sind, ihre eigenen Leib¬
und Hauskmder, um die sich bisher die Schule so
sorgsam bemüht hat.
Die Lehrer haben auch ihre Ferien verdient. Wer
sie darob beneiden will, kennt nicht die saure Ar¬
beit, die ein gewissenhafter Lehrer zu leisten hat. So
eine Unterrichtsstunde sieht harmlos aus, aber sie
hat es in sich. Das Gemisch von attigen und un¬
artigen, klugen und dummen, achtsamen und zer¬
streuten Schülern zu fesseln, zu klären, Schritr für
Schritt vorwätts zu bttngen, das kostet viel Hirn¬
schmalz und Nervenkraft. Und erst im Kriegsiahr,
wo bei den Schülern oft die Ruhe fehlt und die Leh¬
rer durch Vertretung mehr belastet sind! — In
früheren Zeiten wurde den Lehrern der Dank der
Eltern manchmal in appetitlicher Fornr bekundet.
Jetzt werden die Liebesgaben nicht mrh in dje
dev Ordnung auf die ganze Front vetteilt und haben
den Auftrag, die Truppen am kleberlaufen zu ver¬
hindern und auf Zurückwcichende zu schießen. Das
Verhältnis zwischen Offizier und Mannschaft ist sehr
schlecht geworden. Vielfach werden Fälle bekannt,
daß Offiziere von ihren eigenen Leuten effchossen
wurden. Die sinkende Zuversicht der Truppen sucht
man durch religiöse Einwirkung und phantasttschc
Nachttchten zu Heden. Als solche gab man b:kannt,
daß Przemhsl zurückerobert sei und daß dorffelbst
45 000 Deutsche kapituliert, und daß die Italiener
große Fortschritte gemacht hätten. Fünf japanische
Hilfskorps seien unterwegs.
Um die Truppen am Ucberlaufni zu verhindern
und vor Gefangennahme zu warnen, werden angeb¬
liche Grcueltatcn deutscher Soldaten bekannt
gegeben. Ein derattigcr Befehl hat folgenden Wort¬
laut:
„Ter Jnfantettst.... des Jsborfischen Regi¬
ments wurde mit anderen Soldaten gefangen ge¬
nommen. Er gab an, daß sie zu einem deuffchen
Offizier geführt: worden seien, der eigenhändig fünf
von ihnen mit dem Revolver niedergeschossen hätte.
Der Jnfantettst habe sich ins Gebüsch geflüchtet und
sei dank der Dunkelheit entkommen. Er fügte hin¬
zu, daß die Deutschen die russischen Verwundeten in
den San werfen. Unterschrieben: Swgow, Ordon¬
nanzoffizier des Gcneralstabcs des 21. Armeekorps."
Zusatz des Stabskommandanten: „Das Gesagte
ließ der Korpskommandant allen Mannschaften be¬
kannt geben."_
Der neue Reichswirtschaftsplan.
Die Verhältnisse bringen es mit sich, daß Wohl
noch nie den Fragen der Volksernähpung ein solch
allgemeines Interesse bei uns eutgeaengebracht wor¬
den ist, wie in der gegenwärtigen K'^iegszeit, wo es
galt und iwch weiter gilt, die schändlichen Aushnn-
gcrungspläne Englands und seiner Verbündeten
zunichte zu machen und durch die Erzeugnisse un¬
seres Landes allein die Ernährung des deutschen
Volkes zu sichern. Für das Erntejahr 1915 ist nun
durch die a,u Montag vom Bundesrat gefaßten Be¬
schlüsse die Organisation der Lebensmit¬
tel f ü r s o r g e festgestellt worden. Es ist eine
Reichsgetrcidestelle errichtet worden mit zwei Un¬
terabteilung: 1. der Verwaltungsstelle und 2.
der Geschäftsabteilung, der bishettgen Kriegsge-
treidcgesellschaft. Diese hat sich in den verflossenen
Kttegsmonaten trotz aller Anfeindungen außeror¬
dentlich bewährt; sie wird am 15. August einen Ge¬
treidebestand von 600 000 Doppel-Zentnern besitzen.
Hiermit können wir bis Ende Ottober auskommen,
uird erst von da ab muß die neue Ernte in Angriff
genommen werden. Auch in Zukunft soll die
Kricgsgetreidegesellschaft bcibehalten werden, nur
ist ihre Organisation insofern geändert worden, als
ihr nach Art der Reichsbank eine Art amtlicher Eha-
rakter beigelegt worden ist. Die bishettge kauf¬
männische Beweglichkeit der Kttegsgetreide-Gesell-
schaft bleibt erhalten.
Im letzten Erntejahr ist das gesanüe Getreide
für ,die Kriegsgetreide - Gesellschaft beschlagnahmt
worden. Im neuen Erntejahr findet die Beschlag¬
nahme zugunsten des Kommunalverban¬
des statt, tn dem das Getreide lagett. Diese Aen-
derung hängt mit den wesentlich größeren Mengen
zusammen, die diesmal zur Verfügung stehen. Man
muß mit 12—15 Millionen Tonnen Brotgetreide
rechnen, während im letzten Jahre nur 4 Millionen
in Betracht kamen. Die Kommunalverbände haben
das Getreide, das sie nicht brauchen, all die Reichs¬
stelle abzuliefern. ’ j
Eine Selbstbewirtschaftung ist wie bis¬
her möglich; die Gemeinden, die hiervon Gebrauch
rnachen wollen, haben dies an zuständiger Stelle
bis zum 15. Juli mitzuteileu. Den Kreisen, die von
der Reichsstelle nicht versorgt werden, ist vorge-
schrieben, daß sie nicht mehr als für zwei Monate
Mehl vorrätig halten dürfen.
Während der Getreidegroßhandel kttn Betäti¬
gungsfeld findet, kann sich der Kleinhandel als
Kommissionär auf dem Lande und als Einkäufer
für den Kommunalverband betätigen. Mehr als
Schulen gebracht. Aber die dankbare Gesinnung
soll doch bleiben. Das Witten des braven Lehrers
muß mit Anerkennung und Liebe vergolten werden.
Vor 50 Jahren ging das Wort um: der Preußi¬
sche Schulmeister hat die Schlacht bei Königgrätz ge¬
wonnen. Auch heute ist es noch wahr, daß wir un¬
sere Erfolge auf dem Kampfplätze wesentlich dem
guten Schulunterricht verdanken. Heute erst recht.
Denn der Krieg wird immer kunstvoller, immer
mehr mit Technik durchsetzt, erfordert also immer
mehr geistige Gewandtheit auch bei den gemeinen
Soldaten. Wie hätten wir auch sonst den Kampf
gegen die llcbcrmacht so glänzend bestehen können,
wenn nicht unsere Truppen durchschnittlich auf
einer höheren Bildungsstufe ständen, als die eng¬
lischen und französischen Soldaten, von den russi¬
schen schon gar nicht zu reden! Es lebe die gute,
stramme deutschcSchule!
Es lebe auch die schöne Ferienzeit, die teils zur
Ergänzung der Erziehung und teils zur,Auffrischung
des Schulbetriebes notwendig ist. Dabei möchte ich
niir aber die Anmerkung erlauben, daß ich die schul¬
freien Tage, die während der Arbcitsmonate einge-
strcut werden, nicht lieb gewinnen kann. Gewiß,
jeder einzelne Sieg soll warm gefeiert werden, in
der Schule erst recht. Ob man aber jedesmal die
Unterrichtsstunde des ganzen Tages ausfallen las¬
sen muß, ist doch zweifelhaft. Die Schüler wissen
aus diesen, Geschenk "nichts Rechtes anzufangen,
und die Eltern auch nicht. Der freie Tag wird mei¬
stens nutzlos verbummelt. Man sagt, die Schüler
hätten unter dem Eindruck der Siegesnachttckt nicht
die gehörige Aufmerksamkeit und Lernfähigkeit.
Wenn das der Fall ist, so rührt cs wohl davon" her,
daß die schlaue Jugend sich von vornherein auf
einen freien Tag gespitzt hat. Wenn die Jungen
und Mädchen wissen, es wird nack der kurzen Feier
weiter gearbeitet, so werden sich die Wogen in ihrem
Gemüt schnell legen. Ich halte cs sogar für einen
erzieherischen Vorteil, wenn der Jugend bereits klar
gemacht wird: Du mußt auch bei lebhaften Gemüts¬
bewegungen deine Pflicht und Schuldigkeit weiter
tun! Im späteren Leben werden sie sich ja doch in
solche Selbstbeherrschung fügen müssen, denn die
Erwachsenen können nicht bei jeder Siegesnachricht
ihre Berufsarbeit liegen lassen, um sich einen freien
Freudentag zu leisten. Und wenn z. B. bei den
Truppen im Westen eine Siegesbotschaft aus dem
Osten eintttfft, so rufen sie freilich Hurra, aber sie
müssen ihren Dienst unweigerlich weiter versehen,
und sei es auch der lebensgefährliche Dienst im be¬
drohten Schützengraben.
bisher sollen kleinere Mühlen zur Ausmahlung des
Getrttdes herangezogen werden, während eine
dauernde Beschäftigung der großen Mühlen nicht
möglich sein wttd.
Wie eine offiziöse Korrespondenz mittcilt, wird
zum Vorsitzenden der Reichsgetreidestelle vom
Reichskanzler ernannt werden der Unterstaatssekre¬
tär im preußffchen Finanzministerium Michaelis,
zun, ersten Stellvertreter der Regierungspräsident
in Potsdam, Frttherr v. Falkenhausen, zun, zwei¬
ten Stellvertreter der Vortragende Rat im Reichs¬
amt des Innern, Geh. Oberregiernngsrat Wied-
feldt, und zum dritten Stellvettreter der Vortra¬
gende Rat im Reichsschatzamt, Geh. Regie,ungsrat
Cuno.
Für die Sicherung der Ernte sind um¬
fassende Maßnahmen getroffen worden. Auch wird
darauf Wert gelcDt, daß die Ernte so rechtzci-
t i g wie möglich erfolgt. Gute Hilfskräfte für die
Einbringung der Ernte geben die Gefangenen ab.
gd. Kriegsverschollenheit.
Immer häufiger werden die Fälle, in denen
Heeresangehörige oder Mttglieder der freiwilligen
Krankenpflege vermißt werden, ohne daß sich fest¬
stellen läßt, ob sie in Gefangenschaft geraten oder
gefallen sind. Daraus können sich für die bürger¬
lichen Rechtsverhältnisse des Vermißten oder seiner
Anverwandten eine Reihe von Schwierigkeiten er¬
geben. Man denke nur daran, daß in Bezug auf
das Vermögen des Vernnßten Rechtshandlungen
vorgcuommen werden müssen, die seine Mitwirkung
erfordern oder daß etwa die zurückgebliebene Ehe¬
frau über ihr eingebrachtes Gut verfügen oder ge¬
richtliche Feststellung erwirken will, zu denen im
Regelfälle die Zustimmung ihres Mannes notwen¬
dig ist. Für Fälle dieser Art hat nun das Bürger¬
liche Gesetzbuch zwei Einrichtungen getroffen, die
dazu dienen sollen, entweder für den einzelne» be¬
stimmten Fall helfend cinzugreifen oder darüber
hinaus eine cndgiltige und klare Regelung der
Vermögens- und Familienverhältnisse des Verschol¬
lenen zu schaffen: nämlich Abwescnheitspflcgschaft
und Todeserklärung.
Was zunächst die A b w es c n h e i t s p fl c g c-
schaft anbetttfft, so findet diese nach dem Wortlaut
des Gesetzes dann statt, wenn ein Volljähriger,
dessen Aufenthalt unbekannt ist, für seine Vermö-
gensangelcgenheiten der Fürsorge bedarf. Diese
Voraussetzungen werden bei einem vermißten Hee¬
resangehörigen imnier vorliegen, wenn irgend eine
Maßnahme in Bezug auf sein Vermögen getroffen
werden soll. Erweist es sich also z. B. als notwen¬
dig, daß eine dem Vermißten zustehende Hypothek
gekündigt werden muß, so muß ein entsprechender
Antrag auf Bestellung des Pflegers bei demjenigen
Amtsgericht zugestellt werden, in dessen Bezirk der
Vermißte zuletzt seinen Wohnsitz hatte. Ist dann
der Pfleger bestellt, so kann er bezüglich des in
Frage stehenden Geschäftes alle Rechtshandlungen
in demselben Umfange vornehmen, wie der Ver¬
mißte selbst, nur daß er zu gewissen Maßnahmen
ähnlich wie ein Vormund zur Sicherheit für den
Vermißten der Genehmigung des Vormundschafts-'
gerichtes bedarf.
Eine Todeserklärung endlich kann nach
dem Wortlaut des Gesetzes nur dann stattfinden,
wenn jemand als Angehöriger einer bewaffneten
Macht am Kriege teilgenommen hat, während des
Krieges vermißt worden und seitdem verschollen ist,
vorausgesetzt, daß seit dem Friedensschlüsse 3 Jahre
verstrichen sind. Daraus ersieht n,an schon, daß diese
Maßnahme für die Dauer des Krieges gar nicht in
Frage kommen kann. Es ist nun gerade in letzter
Zeit vielfach bezweifelt worden, ob die von, Gesetz
erforderte lange Fttst von 3 Jahren seit Friedens¬
schluß zweckmäßig und wünschenswert erscheint.
Das ist scheinbar mit Recht verneint worden. Da
es nämlich nicht möglich ist, dem Vernnßten allge¬
mein für alle Angelegenheiten einen Abwesenheits¬
pfleger zu bestellen, die Bestellung vielmehr immer
für jeden Einzelfall erneut beantragt und von, Ge¬
richt angcordnet werden nmß, ergibt sich in dem
Ausgiebige Ferien sind gut, verzettelte Feiertags
weniger.
* * *
Man sieht jetzt immer mehr Frauen in Stel¬
lungen, die sonst von Männern eingenonlmen wur¬
den. Frauen in Dienstmützen — auf der Eisen¬
bahn, auf der Straßenbahn, im Postbetriebe usw.
Schön, wenn die Frau tapfer und tatenfroh in die
Bresche springt. Aber wenn ich nun in den Zei¬
tungen lese, die Gleichwertigkeit und Gleichberechti¬
gung beider Geschlechter sei dadurch erwiesen, die
Frage der „Emanzipation des weiblichen Ge¬
schlechts" sei praktisch gelöst, so möchte ich doch die
Bremse anzichen. Im Kriege muß jedes Aus-
ttinftsmittel ergriffen werden; aus der Not macht
man eine Tugend. Aber wenn der Fttede wieder-
hergestellt ist, so möchten wir die Dinge doch wieder
in das alte Gleis bringen. Wo sollen denn die
heimkehrendcn Männer bleiben, wenn ihre bisheri¬
gen Brotstelleu dauernd von Frauen besetzt wären?
Das richtige ist doch, daß der Mann das Brot ver¬
dient und die Frau die Hauswirffchaft besorgt und
die Kinder betreut. Diese natürliche Arbeitsteilung
dürfen wir nicht aus den Augen verlieren. Das
Ideal der Weiblichkeit muß nicht die Dienstmütze
sein, sondern die Haube, lieber Frauentätigkeit
und Frauenrecht wollen wir uns nach Wiederkehr
des Friedens in Ruhe auseinandeffetzcn. Die ge¬
genwärtige Tättgkeit der Frauen kann aber
nicht als Norm für alle Zukunft gelten, da sie nur
außerordentlichen Verhältnissen entsprungen ist.
Ucberhaupt soll man in solchen schweren Kricgs-
zeiten nicht leichtfertige Zukunftsmusik ma¬
chen. Jetzt beißt es nur: Durchhalten! Alles wei-
tcre findet sich nachher. Auch über die Friedens-
bedingungen spricht man vernünftigerweise nicht
eher, als bis der Bär erlegt ist und das Fell vor--
l,egt. Einige Leute scheinen wirklich noch zu viel
freie Zeit und Neigung zum Fliegenfongen zu ha¬
ben. So lese ich einen tiefsinnigen Aufsatz über den
künftigen „Nationalfeiertag des neuen Deutschland".
Der Mann will durchaus den Johannistag mü
Sonnenwendfcuer zum Nationalfest uiachen. Aber
wer weiß denn heute, ob sich nicht noch ein Sieges¬
tag ergibt, der aus eigener Kraft zur Würde eines
verbesserten Sedanfestes sich auffchwingt. Erst wol¬
len wir das neue Deutschland Herstellen, dann wird
sich schon der ttchttge Geburtstag und die gehörige
Form der Feier finden. Eier ausbrüten ist eine
schöne Beschäftigung; aber mau soll sich doch nicht
e^r auf das Nest setzen, als bis die Eier gelegt
sind. - -
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