Full text: Fuldaer Zeitung (1915)

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ramrla-, den s. Iuli l9lS. 
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Fuldaer Zeitung 
*r* 
2. Blatt. 
vruck »er z»idaer AcliendrvSrrei in Zulda. 
Die Kämpfe vor Lemberg. 
vtd Aus dem Großen Hauptquartier er¬ 
halten wir über die Weiterentwicklung der Kämpfe 
M Galizien die folgende Darstellung: 
Die Armee Mackensen hatte sich bis zum 
27. Mai abends auf dem östlichen Sanufer einen 
großen Brückenkopf geschaffen, der sich in einer Aus¬ 
dehnung von etwa 70 Km. von Nacklo über Kalni- 
kow—Zapatow—Radawa bis zur Lubaczowka-Mün- 
dung erstreckte. Während der auf dem anderen 
Sanufer verbliebene rechte Armeeflügel sich kämp¬ 
fend näher an die Nordfront der Festung Przemhsl 
heranschob, versuchten die Russen die Brückekopfstcl- 
lung von Norden her zu durchbrechen. In der Zeit 
vom 27. Mai bis 3. Juni führte der Feind alle nur 
irgendwie verfügbaren Reserven zu nächtlichen An¬ 
griffen gegen die deuffchen Truppen vor. Obwohl 
er im Laufe Von 8 Tagen etwa 15, allerdings teil- 
weffe schon stark geschwächte Divisionen in fortwäh¬ 
renden Nachtangriffen gegen die Linien von drei 
deutschen Divisionen zum Sturme ansetzte, hatte er 
kein Glück. Es gelang ihm an keiner einzigen Stelle, 
gegen die deuffchen Linien auch nur den geringsten 
Erfolg zu erzielen. Dagegen waren seine blutigen 
Verluste außerordentlich schwer und die Truppe nach 
dem Mißlingen der ersten Angriffe nur noch schwer 
vorwärts zu bringen. Die russischen Offiziere blie¬ 
ben infolgedessen hinter der Fr nt zurück und suchten 
durch Drohungen mit der Waffe die zögernd Vor¬ 
gehenden in den Kampf zu treiben. Eine Offensive 
bei Tage wagte man aus Furcht vor der deuffchen 
Artillerie überhaupt nicht mehr. Nur noch vom 
Nachtgefecht versprach man sich Erfolg, weil bei die¬ 
ser Kampfesweise allein die zahlenmäßige Ueber- 
legenheit zum Ausdruck kommen konnte. Die un¬ 
disziplinierten, nur wenige Wochen ausgebildeten 
Ersatzmannschaften versagten aber bei den nächt¬ 
lichen Kämpfen in dem waldigen Gelände. Die 
Zahl der Ueberläufer mehrte sich von Nacht zu 
Nacht. Dazu fehlte es rnssischerseits an Offizieren, 
um die schwierige Führung der Truppe in, Nacht¬ 
gefecht zu ermöglichen. Aus solchen Gründen mußte 
der in der Nacht vom 2. zun, 3. Juni geplante Ge- 
Unternehmen. Ganze Divisionen mußten in den 
nevalcmgriff unterbleiben. So mißlang das 
Unternehmen. Ganze Divisionen mußten in den letz¬ 
ten Tagen zurückgenommen werden, weil chre 
Zuverlässigkeit stark effchüttert war. Die B e r - 
lüfte waren so schwer gewesen, daß die Gefechts¬ 
stärke einzelner Divisionen nicht viel mehr als 3000 
Bajonette betrug, statt einer normalen Kriegsstärke 
Von 16000 Mann. 
Am 12. Juni war der Augenblick gekommen, in 
dem die deutsche Offensive, nachdem inzwischen die 
Festung Przemhsl gefallen war, weiter geführt 
wurde. Der Feind hatte sich vor der deuffchen Ar¬ 
mee und vor den beiden an diese anschließenden 
österreichischen Armeen in starken Stellungen einge¬ 
baut, die durchbrochen werden mußten, bevor die Of¬ 
fensive vorwärts getragen werden konnte. Am 12. 
Juni schritten unter dem Befehl des General-Ober¬ 
sten v. Mackensen der linke Flügel der deut¬ 
schen Armee und der daran anschließende rechte Flü¬ 
gel der Armee des Erzherzogs Joseph Ferdinand 
S Angriff über Lubaczowka und San hinweg in 
tung aus Sieniawa und die Höhen östlich davon. 
Der Feind hatte sich jenseits der Lubaczowka auf ge¬ 
wohnte Weise in mehreren Schützengvabenrechen 
eingerichtet. UM 8 Uhr vormittags mchm die deutsch: 
Infanterie den Lubaczowkabach, Vertrieb den Feind 
aus seiner ersten, bald darauf auch aus seiner zwei¬ 
ten Äellung und ging dann gegen den Kolowkawald 
vor, während links davon deutsche und österreichische 
Truppen die Höhen von Sieniawa in Besitz nah¬ 
men. Aus dem Kolowkawaldr mit großer Ueber- 
macht herausbrechend, schritten die Russen zum 
abendlichen Gegenangriffe. Obwohl sie diesen durch 
heftiges Artillerie und Minenwerferfeuer unter¬ 
stützten und von drei Seiten zu gleicher Zeit an¬ 
stürmten, wurden chre sämtlichen Angriffe 
abgeschlagen und in den Wald zurückgeworfen, wo¬ 
hin alsbald die Deuffchen folgten. In dem ausge- 
dehMen Forste kam es in den nächsten Tagen zu 
Unpolitische Zeitlaufe. 
N. Berlin, 1. Juli 1915. 
(Nachdruck verboten.) 
Nun beginnen schon die Ferien. 
Die Schul ferien. Auf die Kriegs fetten 
müssen wir noch etwas warten. Für die Soldaten 
fällt nur hier und da ein Einzelurlaub ab, wenn die 
örtliche Lage es gestattet. In ftüheven Kriegen 
brachte ein Waffensüllstand wohl einmal eine Er¬ 
holungspause für ein Heer. Wir haben es ja im 
Herbste erlebt, daß die übereifrigen Franzosen nicht 
ttnmal einen Waffenstillstand von einigen Stunden 
eingehen wollten, obschon diese Pause zur Beerdi¬ 
gung der Gefallenen dringend notwendig war. Auch 
die vom hl. Vater empfohlene Waffenruhe am Weih¬ 
nachtstage scheiterte an dem Eigensinn der Feinde. 
Unsere Soldaten müsien rastlps weiterkämpfen, bis 
der volle Sim errungen ist. Dann gibt es nicht 
allein Kriegsferien, sondern Kriegs s ch l u ß. Sie 
haben die Reifeprüfung als Sieger bestanden und 
werden mit glänzendem Zeugnis in das Friedens¬ 
leben entlasten. 
Me steht es denn mit dem Ferienrecht für uns 
Hinterfrontleute? Ist in dieser schweren 
Zeit eine Arbeitspause gestattet? Da halte ich an 
dem allen Grundsatz fest: möglichst im alten Gleise 
bleiben. Für den Handel und Wandel, fijr die Ge¬ 
sundheit der Körper und der Geister, für die ganze 
Volkswohlfahrt ist das Beharren bei der alten Le- 
bensweffe am vorteilhaftesten. Wer Zeit und Geld 
hat, um auch in diesem Sommer sich seine gewohnte 
Erholung zu gönnen,, der tue es. Viele müssen 
sparen, viele müssen rastlos schwer arbeiten. Das 
bringt schon Ausfall genug am Sommerverkehr. 
Wenn auch diejenigen, die es nicht nötig haben, aus 
Angst oder Geiz sich zurückziehen, dann geraten 
Tau,ende von biederen Mitbürgern in Schaden und 
Not. Sie haben schon voriges Jahr schwer gelitten, 
als bei Ausbruch des Krieges alles Hals über Kopf 
nach Hause zurückeilte. Leben und leben lassen! 
Was nun die Schüler angeht, so sollen die in den 
Ferien nicht Faultiere werden, sondern Lebensstu¬ 
denten. Die Schulbücher werden für so und so viele 
Wochen zugeklappt, aber das Buck des Lebens wird 
aufgeschlagen. Die Jungen und Mädchen gehen 
doch deshalb in die Schule, damit sie nachher in die 
Welt passen. Während der Ferien können und sol¬ 
len sie mit der wirklichen Welt in nähere Fühlung 
kommen, die graue Theorie der Schulweisheit durch 
die Praxis ergänzen. Die rechte Erholung besteht 
nicht in dem Verzicht auf Tätigkeit, sondern in dem 
schwierigen Waldkämpfen. Ten vordringenden Kom¬ 
pagnien traten überall kleine russische Trupps ent¬ 
gegen, die sich im Walde geschickt eingenistet hatten. 
Auf Bäumen und hinter Astdcrhauen saßen russisch: 
Schützen; auch Maschinengclvehre waren verschie¬ 
dentlich im Walde ausgestellt. Mitten im Forste 
hatte der Feind Schanzen angelegt, die von Drahthin¬ 
dernissen umgeben und durch Schützengräben unter¬ 
einander verbunden waren. Der Angriff gegen diese 
Stellungen war mit besonderen Schwierigkeiten ver¬ 
bunden. Im engsten Anschluß an österreichisch- 
ungarische Truppen, die gleichfalls, in den Wald ein- 
gedrungm waren, gelang cs, den Angriff vorwätts 
zu tragen. Nachdem die feindliche Waldstellung 
durch Mörser- und Minenwerferfeuer an einer 
Stelle erschüttert und sturmreif gemacht war, wurde 
sie durchbrochen und nach Ost und Nord auf¬ 
gerollt. Ter Fund trat nunmehr den Rückzug 
aus dem Walde an. 
Dies war am 16. Jnni. Inzwischen waren die 
übrigen Teile der Armee des Generalobersten von 
Mackensen nicht müßig geblieben. 
Nachdem der linke Flügel der deutschen Armee 
am 12. Juni die Offensive eröffnet hatte, traten 
rechter Flügel und Mitte am l3. Juni 
zum Angriff an. Es handelte sich durchweg unr 
einen Angriff gegen stark befestigte russische Stel¬ 
lungen. Dieser begann nach entsprechender Artil¬ 
lerie-Borbereitung unr 5 Uhr morgens. Auf dem 
rechten Flügel leisteten die Russen in den an der 
Wißnia gelegenen Orffchaften zähen Widerstand, der 
durch den deuffchen Angriff gebrochen wurde. Auch 
die österreichisch-ungarischen Trupp:n des Generals 
von Arz schritten durch die östlich anschließende 
Waldzone vor. Preußische Garde-Regimenter fan¬ 
den in dem Häusergewirr südlich des Szklo in der 
Umgebung von Mlyny anfänglich heftige Gegen¬ 
wehr. Als aber der Feind von hier Vertrieben und 
auch Tuchla im Verein niit Nachbartruppen genom¬ 
men war, drangen Gardetruppen in einem Zuge 
bis auf die Höhen westlich von Wielkie Oczy vor. 
Tie nördlich davon fechtenden Truppen durchbrachen 
gleichfalls die vordersten feindlichen Linien. TaS 
Ergebnis des Tages war, daß die sehr starken feind¬ 
lichen Stellungen auf einer Breite von 50 Km. 
durchbrochen wurden und daß ein Raumge¬ 
winn von 3 bis 9 .Km. nach Osten erzielt war. Aber 
schon standen die Truppen vor einer weiteren wohl- 
ausgebauten russischen Stellung, in der der Feind 
am nächsten Tage erneuten Widerstand leistete. Auch 
diese Stellung, in der die Russen mit nicht weniger 
als 19 Divisionen unser Vordringen aufzuhaltcn 
suchten, wurde am 14. Juni durchbrochen, worauf 
der Feind in der Nacht vom 14. zum 15. Juni den 
Rückzug in die sogenannte Grodekstellung 
antrat. 
Nur in der Gegend von Oleszhce leistete der Geg¬ 
ner noch nachhaltigen Widerstand. Diese Stadl 
wurde am 15. Juni von den Truppen des Generals 
von Emmich erstürmt. 
In den Tagen vorn 12. bis 15. Juni hatte die 
deutsche Armee 34 000 Gefangene gemacht und 70 
Maschinengewehre erbeutet. Gesangenenaussagen 
und erbeutete Papiere ergaben interessante Einblicke 
in den Zustand des russischen Heeres. Es herrschte 
großer Mangel an Artillerie- und Infanterie-Muni¬ 
tion; auch dre Knappheit an Gewehren war wieder 
sehr groß geworden. Bei dem Mangel an Munition 
und Waffm macht sich die demoralisierende Wirkung 
der deuffchen schweren Artillerie ganz besonders be¬ 
merkbar. 
Ein russischer Offizier schreibt: „Uns gegenüber 
liegen achtmal soviel Deutsche als wir und haben 
sehr viel: schwere Munition. Ein derarttges Höl¬ 
lenfeuer habe ich während der ganzen neun Monate 
nicht mitgemacht. Wie geht es Wolidia? Ich 
wünsche ihm nicht dasselbe durchzumachen. Besser 
tot als derarttge Qualen." 
Unter dem Eindruck der großen V: rluste 
wächst die Unlust der russischen Truppen in der: 
Kampf zu gehen. Auch der Offiziermangel 
wird immer fühlbarer. Vielfach führen Fähnriche 
Bataillone. Die Disziplin der Truppen ist im 
Sinken. Ti: Kosaken werden zur Aufrechtcrhaltung 
Wechsel der Betätigung. Darum ist cs ganz gut, 
wenn die Schüler in den Ferien zu einer passenden 
Arbeit herangezogen werden, im Haushalte oder in 
dem Geschäftsbetrieb der Eltern oder von Verwand¬ 
ten oder Freunden. Angcpaßt muß freilich die Tä¬ 
tigkeit sein, sowohl den körperlichen als den geistigen 
Kräften. 
Vielfach wurde angeregt, daß man die Ferien 
verlegen oder verlängern solle, um die Stadtjugend 
bei den Erntearbeiten eingreifen zu lassen. Das 
klingt schön, es kommt aber dabei nichts rechtes her¬ 
aus. Was sollen die Landwirte anfangeu mit den 
Jungen aus der Großstadt, die weder mit dem Vieh 
noch mit der Forke umzugehen wissen? Das gäbe 
Unglücksfälle, aber keine Arbeitserleichten,ng. Zum 
Helfen in der Landwittschaft sind nur diejenigen 
Schüler geeignet, die auf dem Lande selbst aufwach- 
sen oder doch bereits Erfahrung und Uebung mit¬ 
bringen. Daher halte ich es für ganz richtig, daß 
die Schulbehörde die Berliner Fetten auf den, alten 
Standpunkt gelassen hat. Sehe jeder, wie er's treibe. 
Wer besonderen Beruf zur landwirtschaftlichen Tä- 
tigkttt besitzt, der kann auch im Juli schon Gelegen¬ 
heit finden, sich agrarisch ein- und auszuleben. 
Von Eltern habe ich oft den Seufzer gehört: 
Ach, wenn die Schule doch wieder anfinge' Sehr 
begreiflich! Während der Schulzeit nehmen die Leh¬ 
rer den Eltern einen sehr großen Teil ihrer Er¬ 
ziehungsarbeit ab. In den Fetten müssen dir El¬ 
tern selbst von früh bis spät den Nachwuchs be¬ 
treuen. Das macht Mühe und Sorge. Manchmal 
nicht allein Kopfzerbrechen, sondern auch Handar¬ 
beit — mit oder ohne Rute. Dagegen läßt sick aber 
nichts machen. Die Eltern müssen in den Ferien 
vor den Riß treten. Dabei werden sie sich recht be¬ 
wußt, daß es ihre Kinder sind, ihre eigenen Leib¬ 
und Hauskmder, um die sich bisher die Schule so 
sorgsam bemüht hat. 
Die Lehrer haben auch ihre Ferien verdient. Wer 
sie darob beneiden will, kennt nicht die saure Ar¬ 
beit, die ein gewissenhafter Lehrer zu leisten hat. So 
eine Unterrichtsstunde sieht harmlos aus, aber sie 
hat es in sich. Das Gemisch von attigen und un¬ 
artigen, klugen und dummen, achtsamen und zer¬ 
streuten Schülern zu fesseln, zu klären, Schritr für 
Schritt vorwätts zu bttngen, das kostet viel Hirn¬ 
schmalz und Nervenkraft. Und erst im Kriegsiahr, 
wo bei den Schülern oft die Ruhe fehlt und die Leh¬ 
rer durch Vertretung mehr belastet sind! — In 
früheren Zeiten wurde den Lehrern der Dank der 
Eltern manchmal in appetitlicher Fornr bekundet. 
Jetzt werden die Liebesgaben nicht mrh in dje 
dev Ordnung auf die ganze Front vetteilt und haben 
den Auftrag, die Truppen am kleberlaufen zu ver¬ 
hindern und auf Zurückwcichende zu schießen. Das 
Verhältnis zwischen Offizier und Mannschaft ist sehr 
schlecht geworden. Vielfach werden Fälle bekannt, 
daß Offiziere von ihren eigenen Leuten effchossen 
wurden. Die sinkende Zuversicht der Truppen sucht 
man durch religiöse Einwirkung und phantasttschc 
Nachttchten zu Heden. Als solche gab man b:kannt, 
daß Przemhsl zurückerobert sei und daß dorffelbst 
45 000 Deutsche kapituliert, und daß die Italiener 
große Fortschritte gemacht hätten. Fünf japanische 
Hilfskorps seien unterwegs. 
Um die Truppen am Ucberlaufni zu verhindern 
und vor Gefangennahme zu warnen, werden angeb¬ 
liche Grcueltatcn deutscher Soldaten bekannt 
gegeben. Ein derattigcr Befehl hat folgenden Wort¬ 
laut: 
„Ter Jnfantettst.... des Jsborfischen Regi¬ 
ments wurde mit anderen Soldaten gefangen ge¬ 
nommen. Er gab an, daß sie zu einem deuffchen 
Offizier geführt: worden seien, der eigenhändig fünf 
von ihnen mit dem Revolver niedergeschossen hätte. 
Der Jnfantettst habe sich ins Gebüsch geflüchtet und 
sei dank der Dunkelheit entkommen. Er fügte hin¬ 
zu, daß die Deutschen die russischen Verwundeten in 
den San werfen. Unterschrieben: Swgow, Ordon¬ 
nanzoffizier des Gcneralstabcs des 21. Armeekorps." 
Zusatz des Stabskommandanten: „Das Gesagte 
ließ der Korpskommandant allen Mannschaften be¬ 
kannt geben."_ 
Der neue Reichswirtschaftsplan. 
Die Verhältnisse bringen es mit sich, daß Wohl 
noch nie den Fragen der Volksernähpung ein solch 
allgemeines Interesse bei uns eutgeaengebracht wor¬ 
den ist, wie in der gegenwärtigen K'^iegszeit, wo es 
galt und iwch weiter gilt, die schändlichen Aushnn- 
gcrungspläne Englands und seiner Verbündeten 
zunichte zu machen und durch die Erzeugnisse un¬ 
seres Landes allein die Ernährung des deutschen 
Volkes zu sichern. Für das Erntejahr 1915 ist nun 
durch die a,u Montag vom Bundesrat gefaßten Be¬ 
schlüsse die Organisation der Lebensmit¬ 
tel f ü r s o r g e festgestellt worden. Es ist eine 
Reichsgetrcidestelle errichtet worden mit zwei Un¬ 
terabteilung: 1. der Verwaltungsstelle und 2. 
der Geschäftsabteilung, der bishettgen Kriegsge- 
treidcgesellschaft. Diese hat sich in den verflossenen 
Kttegsmonaten trotz aller Anfeindungen außeror¬ 
dentlich bewährt; sie wird am 15. August einen Ge¬ 
treidebestand von 600 000 Doppel-Zentnern besitzen. 
Hiermit können wir bis Ende Ottober auskommen, 
uird erst von da ab muß die neue Ernte in Angriff 
genommen werden. Auch in Zukunft soll die 
Kricgsgetreidegesellschaft bcibehalten werden, nur 
ist ihre Organisation insofern geändert worden, als 
ihr nach Art der Reichsbank eine Art amtlicher Eha- 
rakter beigelegt worden ist. Die bishettge kauf¬ 
männische Beweglichkeit der Kttegsgetreide-Gesell- 
schaft bleibt erhalten. 
Im letzten Erntejahr ist das gesanüe Getreide 
für ,die Kriegsgetreide - Gesellschaft beschlagnahmt 
worden. Im neuen Erntejahr findet die Beschlag¬ 
nahme zugunsten des Kommunalverban¬ 
des statt, tn dem das Getreide lagett. Diese Aen- 
derung hängt mit den wesentlich größeren Mengen 
zusammen, die diesmal zur Verfügung stehen. Man 
muß mit 12—15 Millionen Tonnen Brotgetreide 
rechnen, während im letzten Jahre nur 4 Millionen 
in Betracht kamen. Die Kommunalverbände haben 
das Getreide, das sie nicht brauchen, all die Reichs¬ 
stelle abzuliefern. ’ j 
Eine Selbstbewirtschaftung ist wie bis¬ 
her möglich; die Gemeinden, die hiervon Gebrauch 
rnachen wollen, haben dies an zuständiger Stelle 
bis zum 15. Juli mitzuteileu. Den Kreisen, die von 
der Reichsstelle nicht versorgt werden, ist vorge- 
schrieben, daß sie nicht mehr als für zwei Monate 
Mehl vorrätig halten dürfen. 
Während der Getreidegroßhandel kttn Betäti¬ 
gungsfeld findet, kann sich der Kleinhandel als 
Kommissionär auf dem Lande und als Einkäufer 
für den Kommunalverband betätigen. Mehr als 
Schulen gebracht. Aber die dankbare Gesinnung 
soll doch bleiben. Das Witten des braven Lehrers 
muß mit Anerkennung und Liebe vergolten werden. 
Vor 50 Jahren ging das Wort um: der Preußi¬ 
sche Schulmeister hat die Schlacht bei Königgrätz ge¬ 
wonnen. Auch heute ist es noch wahr, daß wir un¬ 
sere Erfolge auf dem Kampfplätze wesentlich dem 
guten Schulunterricht verdanken. Heute erst recht. 
Denn der Krieg wird immer kunstvoller, immer 
mehr mit Technik durchsetzt, erfordert also immer 
mehr geistige Gewandtheit auch bei den gemeinen 
Soldaten. Wie hätten wir auch sonst den Kampf 
gegen die llcbcrmacht so glänzend bestehen können, 
wenn nicht unsere Truppen durchschnittlich auf 
einer höheren Bildungsstufe ständen, als die eng¬ 
lischen und französischen Soldaten, von den russi¬ 
schen schon gar nicht zu reden! Es lebe die gute, 
stramme deutschcSchule! 
Es lebe auch die schöne Ferienzeit, die teils zur 
Ergänzung der Erziehung und teils zur,Auffrischung 
des Schulbetriebes notwendig ist. Dabei möchte ich 
niir aber die Anmerkung erlauben, daß ich die schul¬ 
freien Tage, die während der Arbcitsmonate einge- 
strcut werden, nicht lieb gewinnen kann. Gewiß, 
jeder einzelne Sieg soll warm gefeiert werden, in 
der Schule erst recht. Ob man aber jedesmal die 
Unterrichtsstunde des ganzen Tages ausfallen las¬ 
sen muß, ist doch zweifelhaft. Die Schüler wissen 
aus diesen, Geschenk "nichts Rechtes anzufangen, 
und die Eltern auch nicht. Der freie Tag wird mei¬ 
stens nutzlos verbummelt. Man sagt, die Schüler 
hätten unter dem Eindruck der Siegesnachttckt nicht 
die gehörige Aufmerksamkeit und Lernfähigkeit. 
Wenn das der Fall ist, so rührt cs wohl davon" her, 
daß die schlaue Jugend sich von vornherein auf 
einen freien Tag gespitzt hat. Wenn die Jungen 
und Mädchen wissen, es wird nack der kurzen Feier 
weiter gearbeitet, so werden sich die Wogen in ihrem 
Gemüt schnell legen. Ich halte cs sogar für einen 
erzieherischen Vorteil, wenn der Jugend bereits klar 
gemacht wird: Du mußt auch bei lebhaften Gemüts¬ 
bewegungen deine Pflicht und Schuldigkeit weiter 
tun! Im späteren Leben werden sie sich ja doch in 
solche Selbstbeherrschung fügen müssen, denn die 
Erwachsenen können nicht bei jeder Siegesnachricht 
ihre Berufsarbeit liegen lassen, um sich einen freien 
Freudentag zu leisten. Und wenn z. B. bei den 
Truppen im Westen eine Siegesbotschaft aus dem 
Osten eintttfft, so rufen sie freilich Hurra, aber sie 
müssen ihren Dienst unweigerlich weiter versehen, 
und sei es auch der lebensgefährliche Dienst im be¬ 
drohten Schützengraben. 
bisher sollen kleinere Mühlen zur Ausmahlung des 
Getrttdes herangezogen werden, während eine 
dauernde Beschäftigung der großen Mühlen nicht 
möglich sein wttd. 
Wie eine offiziöse Korrespondenz mittcilt, wird 
zum Vorsitzenden der Reichsgetreidestelle vom 
Reichskanzler ernannt werden der Unterstaatssekre¬ 
tär im preußffchen Finanzministerium Michaelis, 
zun, ersten Stellvertreter der Regierungspräsident 
in Potsdam, Frttherr v. Falkenhausen, zun, zwei¬ 
ten Stellvertreter der Vortragende Rat im Reichs¬ 
amt des Innern, Geh. Oberregiernngsrat Wied- 
feldt, und zum dritten Stellvettreter der Vortra¬ 
gende Rat im Reichsschatzamt, Geh. Regie,ungsrat 
Cuno. 
Für die Sicherung der Ernte sind um¬ 
fassende Maßnahmen getroffen worden. Auch wird 
darauf Wert gelcDt, daß die Ernte so rechtzci- 
t i g wie möglich erfolgt. Gute Hilfskräfte für die 
Einbringung der Ernte geben die Gefangenen ab. 
gd. Kriegsverschollenheit. 
Immer häufiger werden die Fälle, in denen 
Heeresangehörige oder Mttglieder der freiwilligen 
Krankenpflege vermißt werden, ohne daß sich fest¬ 
stellen läßt, ob sie in Gefangenschaft geraten oder 
gefallen sind. Daraus können sich für die bürger¬ 
lichen Rechtsverhältnisse des Vermißten oder seiner 
Anverwandten eine Reihe von Schwierigkeiten er¬ 
geben. Man denke nur daran, daß in Bezug auf 
das Vermögen des Vernnßten Rechtshandlungen 
vorgcuommen werden müssen, die seine Mitwirkung 
erfordern oder daß etwa die zurückgebliebene Ehe¬ 
frau über ihr eingebrachtes Gut verfügen oder ge¬ 
richtliche Feststellung erwirken will, zu denen im 
Regelfälle die Zustimmung ihres Mannes notwen¬ 
dig ist. Für Fälle dieser Art hat nun das Bürger¬ 
liche Gesetzbuch zwei Einrichtungen getroffen, die 
dazu dienen sollen, entweder für den einzelne» be¬ 
stimmten Fall helfend cinzugreifen oder darüber 
hinaus eine cndgiltige und klare Regelung der 
Vermögens- und Familienverhältnisse des Verschol¬ 
lenen zu schaffen: nämlich Abwescnheitspflcgschaft 
und Todeserklärung. 
Was zunächst die A b w es c n h e i t s p fl c g c- 
schaft anbetttfft, so findet diese nach dem Wortlaut 
des Gesetzes dann statt, wenn ein Volljähriger, 
dessen Aufenthalt unbekannt ist, für seine Vermö- 
gensangelcgenheiten der Fürsorge bedarf. Diese 
Voraussetzungen werden bei einem vermißten Hee¬ 
resangehörigen imnier vorliegen, wenn irgend eine 
Maßnahme in Bezug auf sein Vermögen getroffen 
werden soll. Erweist es sich also z. B. als notwen¬ 
dig, daß eine dem Vermißten zustehende Hypothek 
gekündigt werden muß, so muß ein entsprechender 
Antrag auf Bestellung des Pflegers bei demjenigen 
Amtsgericht zugestellt werden, in dessen Bezirk der 
Vermißte zuletzt seinen Wohnsitz hatte. Ist dann 
der Pfleger bestellt, so kann er bezüglich des in 
Frage stehenden Geschäftes alle Rechtshandlungen 
in demselben Umfange vornehmen, wie der Ver¬ 
mißte selbst, nur daß er zu gewissen Maßnahmen 
ähnlich wie ein Vormund zur Sicherheit für den 
Vermißten der Genehmigung des Vormundschafts-' 
gerichtes bedarf. 
Eine Todeserklärung endlich kann nach 
dem Wortlaut des Gesetzes nur dann stattfinden, 
wenn jemand als Angehöriger einer bewaffneten 
Macht am Kriege teilgenommen hat, während des 
Krieges vermißt worden und seitdem verschollen ist, 
vorausgesetzt, daß seit dem Friedensschlüsse 3 Jahre 
verstrichen sind. Daraus ersieht n,an schon, daß diese 
Maßnahme für die Dauer des Krieges gar nicht in 
Frage kommen kann. Es ist nun gerade in letzter 
Zeit vielfach bezweifelt worden, ob die von, Gesetz 
erforderte lange Fttst von 3 Jahren seit Friedens¬ 
schluß zweckmäßig und wünschenswert erscheint. 
Das ist scheinbar mit Recht verneint worden. Da 
es nämlich nicht möglich ist, dem Vernnßten allge¬ 
mein für alle Angelegenheiten einen Abwesenheits¬ 
pfleger zu bestellen, die Bestellung vielmehr immer 
für jeden Einzelfall erneut beantragt und von, Ge¬ 
richt angcordnet werden nmß, ergibt sich in dem 
Ausgiebige Ferien sind gut, verzettelte Feiertags 
weniger. 
* * * 
Man sieht jetzt immer mehr Frauen in Stel¬ 
lungen, die sonst von Männern eingenonlmen wur¬ 
den. Frauen in Dienstmützen — auf der Eisen¬ 
bahn, auf der Straßenbahn, im Postbetriebe usw. 
Schön, wenn die Frau tapfer und tatenfroh in die 
Bresche springt. Aber wenn ich nun in den Zei¬ 
tungen lese, die Gleichwertigkeit und Gleichberechti¬ 
gung beider Geschlechter sei dadurch erwiesen, die 
Frage der „Emanzipation des weiblichen Ge¬ 
schlechts" sei praktisch gelöst, so möchte ich doch die 
Bremse anzichen. Im Kriege muß jedes Aus- 
ttinftsmittel ergriffen werden; aus der Not macht 
man eine Tugend. Aber wenn der Fttede wieder- 
hergestellt ist, so möchten wir die Dinge doch wieder 
in das alte Gleis bringen. Wo sollen denn die 
heimkehrendcn Männer bleiben, wenn ihre bisheri¬ 
gen Brotstelleu dauernd von Frauen besetzt wären? 
Das richtige ist doch, daß der Mann das Brot ver¬ 
dient und die Frau die Hauswirffchaft besorgt und 
die Kinder betreut. Diese natürliche Arbeitsteilung 
dürfen wir nicht aus den Augen verlieren. Das 
Ideal der Weiblichkeit muß nicht die Dienstmütze 
sein, sondern die Haube, lieber Frauentätigkeit 
und Frauenrecht wollen wir uns nach Wiederkehr 
des Friedens in Ruhe auseinandeffetzcn. Die ge¬ 
genwärtige Tättgkeit der Frauen kann aber 
nicht als Norm für alle Zukunft gelten, da sie nur 
außerordentlichen Verhältnissen entsprungen ist. 
Ucberhaupt soll man in solchen schweren Kricgs- 
zeiten nicht leichtfertige Zukunftsmusik ma¬ 
chen. Jetzt beißt es nur: Durchhalten! Alles wei- 
tcre findet sich nachher. Auch über die Friedens- 
bedingungen spricht man vernünftigerweise nicht 
eher, als bis der Bär erlegt ist und das Fell vor-- 
l,egt. Einige Leute scheinen wirklich noch zu viel 
freie Zeit und Neigung zum Fliegenfongen zu ha¬ 
ben. So lese ich einen tiefsinnigen Aufsatz über den 
künftigen „Nationalfeiertag des neuen Deutschland". 
Der Mann will durchaus den Johannistag mü 
Sonnenwendfcuer zum Nationalfest uiachen. Aber 
wer weiß denn heute, ob sich nicht noch ein Sieges¬ 
tag ergibt, der aus eigener Kraft zur Würde eines 
verbesserten Sedanfestes sich auffchwingt. Erst wol¬ 
len wir das neue Deutschland Herstellen, dann wird 
sich schon der ttchttge Geburtstag und die gehörige 
Form der Feier finden. Eier ausbrüten ist eine 
schöne Beschäftigung; aber mau soll sich doch nicht 
e^r auf das Nest setzen, als bis die Eier gelegt 
sind. - - 
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