Full text: Fuldaer Zeitung (1915)

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Ihr. 156. Crftes Blatt. Samstag de» 10. ZuU 1015. 
42. Zal^rgang. 
Fortschritte der deutschen Offensive im Priesterwalde. 
Heftige ruffische Angriffe bei Krasnik abgewiesen. 
Dtt ikHtfdit TageSderichj. 
vtb. Großes Hauptquartier,». Juli 
1915. (Amtliches Telegramm.) 
Westlicher Kriegsschauplatz: 
Nördlich der Zuckerfabrik von Sau¬ 
ch ez wurde ein französischer Angriff 
abgefchlagen. Kleine in unfere Stellung 
eingedrungeneAdteilungen wurden nieder¬ 
gemacht. Es gelang unS bisher nicht, das 
vorgestern verlorene Grabenstück westlich 
von So uchez vom Feinde zu säubern. Die 
von der franzöfischen Heeresleitung ge¬ 
brachte Nachricht über Eroberung eines 
deutschen Geschützes ist unrichtig. 
Oestlich von Ailly ergebnislose fran- 
zöstscheEinzelangriffe. Oestlich anschließend 
an unsere neugewonnenen Stellungen im 
Priesterwalde stürmten wir meh¬ 
rere französische Grabenlinien in 
einerBreite von35VMeter,machten 
dabei 250 Gefangene und erbeu¬ 
teten 4 Maschinengewehre. Nachts 
fanden auf der Front von Aillh bis zur 
Mosel nur unbedeutende Patrouillen¬ 
gefechte statt. Nach starker Artillerievor- 
Bereitung griff ver Feind die von uns 
am 22. Juni erstürmte Höhe 631 bei Ban 
de Sapt an. Wir mutzten die voll¬ 
kommen verschütteten Gräben auf der 
Kuppe räumen. 
Oestl. und südöftl. Kriegsschauplatz. 
Die Lage ist unverändert« 
Oesterreichisch-ungarischer Tagesbericht. 
vtd Wie», 9. Juli 1915. Amtlich wird ge¬ 
meldet: 
Russischer Kriegsschauplatz; 
Die allgemeine Lage im Nordoste« ist un¬ 
verändert. In Russisch-Polen wird auf 
den Höhen nördlich Krasnik weiter gekämpft. 
Wie i» den vorhergehenden Tagen wurden auch 
gestern an mehreren Stellen der Front äußerst 
heftige russische Angriffe zurückgeschlagen. 
Westlich der Weichsel wurden alle ge¬ 
nommenen russischen Vorstellungen behauptet. 
Italienischer Kriegsschauplatz: 
An der küstenländische« Front herrschte 
gestern verhältnismäßig Ruhe. Ein italieniischer 
Flieger war bei Gore, zu einer Rotlandung gezwun¬ 
gen. Im Kärnter und Tiroler Grenz¬ 
gebiete Geschützkümpfe und Scharmützel. Em An¬ 
griffsversuch zweier feindlicher Bataillone auf dem 
Col di Lana (bei Buchenstein) wurde abgewiesen. 
i Der Stellvertreter des Chefs des Generalstabes: 
v. Hoefer, Zeldmarfchalleutnant. 
Die heutige Kriegführung rechnet mit ungeheuren 
Mensch.manfgeboten, und in der langen Friedens¬ 
zeit haben die militärischen Fachleute oft die Frage 
erwogen, wie die Führung für die dauernde, genü¬ 
gende und rechtzeitige Verpflegung der Hunderttau¬ 
sende sorgen könne. Ans differ Sorge heraus ist die 
„Gulaschkanone" entstanden. Aber die Feldküche 
allein ist nicht imstande, die Verpflegung sicherzu¬ 
stellen, fte hat Lebensmittel nötig, und je schneller 
sich die Operationen vollziehen, desto schwieriger wird 
es, den Pedarf herbeiznschaffen. Die hoch gesteigerte 
Entwicklung der Technik und des Verkehrwesens gibt 
das Mittel, auch diese Hindernisse zu bezwingen, die 
besoubrrs fühlbar werden, wenn der Kampfraunl 
schon durch den Aufenthalt größerer Trnppenmassen 
ansgesogen war. Die Notwendigkeit, den Nachschub 
für das Heer an Bedürfnissen aller Art in geregelte 
Bahnen zu leiten, zwingt dann die Führung, in den 
Bewegungen eine Paus: eintreten zu lassen, bis der 
regelmäßige Zufluß von rückwärts zur Front zur 
Zufriedenheit arbeitet. Ein weichender Gegner wird 
durch Zerstörung der Kunstbauten an Straßen und 
Bahnen, durch Vernichtung oder Fortschaffen der 
vorhandenen Vorräte suchen, die Lösung dieser Auf¬ 
gabe möglichst zu erschweren. So können Tage, ja 
manchmal auch Wochen vergehen, bis eine vormar¬ 
schierende Armee nach schweren Kämpfen wieder im 
Besitz der notwendigen Bedürfnisse ist und die aufer¬ 
legte Ruhepause abzubrechen vermag. Man wird gut 
ttm, diesen Gesichtspunkt bei der Betrachtung der Er¬ 
eignisse in P o l e n und Galizien nicht außer acht 
zu lassen. Er spricht ein entscheidendes Wort. 
Schlecht 'ernährte Truppen zeigen bald einen Ausfall 
an Gefechtsstärke, wie ihn ein erbitterter Kampf nicht 
mit sich bringt. So wird die Magenstage ein Blei¬ 
gewicht, dessen Last nur ein Heer zu ttagen vermag, 
in dem der Generalstab der Verpflegung und dem 
Nachschub dieselbe pflegliche Aufmerksamkeit widulet 
wie den strategischen und taktischen Anforderungen. 
Die Meldung der Obersten Heeresleitung: „Die Lage 
ist unverändert' hat also nichts Auffallendes. An- 
abhängig davon wirkt das Auftreten neuer starker 
.Kräfte der Russen östlich der Weichsel gegen die 
Truppen unserer Verbündeten, die bis zu den nörd¬ 
lich von Krasnik gelegenen Höhen vorgedrungen 
waren. Ihre Angriffe konnten im allgemeinen ab¬ 
gewiesen werden, nur beiderseits der Chaussee nörd¬ 
lich von Krasnik wurden ans taktischen Gründen die 
am wettesten vorgeschobenen österreichisch-ugarischen 
Truppen wieder auf die Höhe bei Krasnik zurück¬ 
genommen. Das Auftreten der russischen Verstär¬ 
kungen bildet das wichtigste Moment in der Entwick¬ 
lung der Kriegslage. Es läßt sich noch nicht erken¬ 
nen, woher diese frischen Kräfte gekommen sind. Es 
können dies noch Truppen sein, die bisher im In¬ 
nern des Landes zurückgehalten waren und die jetzt 
schleunigst nach dem gefährlichsten und am meisten 
bedrohten Punkte geworfen wurden. Es kann dies 
aber auch den Anfang der Nmgruppierung bezeich¬ 
nen, von der in russischen Blättern so vielfach die 
Rede war. Man muß auch damit rechnen, daß die 
in Ostgalizien geschlagenen und zurückgeworfenen 
Truppen inzwischen das wolhynische Festungsdreieck 
Rowno, Dubno, Lugk erreicht haben und von dort 
unter dem Schutze der Werke mit der Bahn abbesör- 
dert worden sind. Von diesen Festungen führen stra¬ 
tegisch leistungsfähige Bahnen nach Brest, Litowsk. 
Lublin und Jwangorod. Dir dort ausgeschifften 
Truppen können sehr Wohl schon das Schlachtfeld 
von Krasnik erreicht haben. Der Vorteil, den ein 
strategisches Eisenbahnnetz bietet, ist in dem Gelände¬ 
abschnitt, auf welchem tue Kämpfe sich jetzt abspie¬ 
len, auf der Seite unserer Feinde. Jwangorod, Lub¬ 
lin und Cholm bilden Knotenpunkte verschiedener 
Strecken, die nach Nordpolen und nach Rußland füh¬ 
ren, an Bedeutung werden sie noch durch den Haupt¬ 
knotenpunkt Brest-Liwwsk übertroffen. Unseren 
Truppen steht zum Nachschub nur die Linie Lem- 
berg-Zamose zur Verfügung, ferner die Linie» über 
Tarnow und entlang dem San, die aber an der rus¬ 
sischen Grenze bei Sandomir und Rozwado endet. Ein 
großer Teil unseres Nachschubes ist somit auf die 
Landstraße angewiesen; auch diese Umstände machen 
es erklärlich, wenn unsere Bvrwärtsbewegungen an 
geeigneter Stelle halt machen, um ein Aufschli'ßcn 
zu ermöglichen. Es muß damit gerechnet werden, 
daß die Russen in den nächsten Tagen ihre Angriffe 
fortsetzen werden. Ob jetzt schon alle verfügbaren 
Reserven eingesetzt sind, oder ob die russische Heeres¬ 
leitung in der Lage ist, noch weitere Verstärkungen 
heranzuzichen, läßt sich von hier aus nicht beurteilen. 
An der Westfront äußern sich die fortgesetzten 
Niederlagen, die sich die französischen Angriffe geholt 
haben, in einem krampfhaften Versuch an allen 
Ecken und Enden kleinere Offensivstöße zu unter¬ 
nehmen, denen die einheitliche Geschlossenheit fehlt 
und die hier und da zwar zu einem lokalen Erfolg 
zu führen vermögen, jedoch durch die großen Opfer, 
die sie den Angreifer kosten, in gar keinem Verhält¬ 
nis zu den errungenen Vorteilen steht. Ver¬ 
zweifelt« Angriffe der Franzosen im Walde von 
Ailly endeten ergebnislos, während es den 
deutschen Truppen gelang, weiter anschließend im 
Priesterwald ihre Offensive mit dem größten 
Erfolg durchzuführen. Die Franzosen erweisen sich 
stets unfähig, gewonnene Stellungen für längere 
Zeit zu behalten, während die deuffchen Truppen 
in der Lage sind, die einmal eroberten Geländestücke 
nicht nur siegreich zu behaupten, sondern auch weiter 
auszudehnen. Auch nördlich von Souchez brachen 
die französischen Angriffe genau so zusammen, wie 
stets in der Umgegend von Arras, trotzdem Joffre 
es sich in den Kopf gesetzt zu haben scheint, dort, wo 
die französische und englische Front anei^anderstoßen, 
die verwundbare Stelle der deutschen Linie gefunden 
zu haben. Die Ströme von Blut, mit denen die 
deutsche Heeresleitung seine fortgesetzten Fehler in 
diesem Exempel rot angestrichen hat, scheinen ihn noch 
immer nicht bekehrt zu haben. 
Die deutsche Antwort an Amerika. 
wtt> Berlin, 9. Juli 1915. Die deutsche Antwort 
auf die amerikanische Note vom 10. Juni ist dem 
amerikanischen Bot'chosier in Berlin gestern über¬ 
reicht worden. Sie hat folgenden Wortlaut: 
Di: Kaiserliche Regierung hat mit Genugtuung 
aus der Note (der Vereinigten Staaten) entnommen, 
wie sehr es der Regierung der Vereinigten Staaten 
am Herzen liegt, die Grundsätze derMcnsch- 
l i ch k e i t auch im gegenwärtigen Kriege verwirklicht 
zu sehen. Dieser Appell findet in Deutschland vollen 
Widerhall; und die Kaiserliche Regierung ist durch¬ 
aus gewillt, ihre Darlegungen und Enffchließungen 
auch im vorliegenden Falle ebenso von den Prinzi¬ 
pien der Humanität bestimmen zu lasien, wie sie dies 
fett tat. Dankbar begrüßt es die Kaiserliche Regie¬ 
rung, daß die Amerikanische Regierung in ihrer Note 
vom 15. Juni 1915 selost daran erinnerte, wie sich 
Deutschland in der Behandlung des Seekri:gsrechrs 
stets von den Grundsätzen des Fortschritts und der 
Menschlichkeit leiten ließ. In der Tat haben seit der 
Zeit, wo Friedrich der Große mit John Adams, Ben¬ 
jamin Franklin und Thomas Jefferson den Freund¬ 
schaft- und Handelsvertrag vom 10. Sept. 1785 
zwischen Preußen und der Republik des Westens ver¬ 
einbare, deuffche und amerikanische Staatsmänner 
in dem Kampfe für die Frecheit der Meere und für 
den Schutz des friedlichen Handels immer zusammen¬ 
gestanden. Bei den internattonalen Verhandlungen, 
die später zur Regelung des Sekriegsrechts gepflogen 
wurden, sind Deutschland und Amerika für fortschritt¬ 
liche Grundsätze, insbesondere fiir die Abschaffung des 
Seebeuterecytes, sowie für die Wahrung der nmtra- 
len Interessen eingetreten. 
'Noch bei Beginn des gegenwärtigen Krieges hat 
sich die deutsche Regierung auf Vorschlag der 
amerikan. Regierung sofort bereit erklärt, dre Lon¬ 
doner Seekriegsrechtserklärung zu rati¬ 
fizieren und sich dadurch bei der Verwendung ihrer 
Seestreitkräfte allen dort vorgeschriebenen Be¬ 
schränkungen zu Gunsten der Neutralen zu 
unterwerfen. Ebenso hielt Deutschland stets an dem 
Grundsatz fest, daß der Krieg mit der bewaffneten 
und organisierten Macht der feindlichen Staaten zu 
führen ist, daß dagegen die feindliche Zivilbevölkerung 
nach Möglichkeit von kriegerischen Maßnahmen ver¬ 
schont bleiben muß. Die Kafferliche Regierung hegt 
die besttnimte Hoffnung, daß es beim Eintritt des 
Friedens oder sogar schon früher gelingen wird, das 
Seekriegsrechts in einer Weise zu ordnen, die die 
Frecheit der Meere verbürgt, und sie wird es mit 
Dank und Freude begrüßen, wenn sie dabei Hand in 
Hand mit der amerikanffchen Regierung «beiten 
kann. 
Wenn in dem gegenwärttgen Kriege je länger je 
mehr die Grundsätze durchbrochen wurden, die das 
Ziel der Zukunft sein sollten, trägt die deutsche Re¬ 
gierung kerne Schuld daran. Der amerikanischen Re¬ 
gierung ist bekannt, wie von vornherein und in stei¬ 
gender Rücksichtlosigkeit Deuts chlands Geg¬ 
ner darauf ausgingen, unter Lossagung von 
allen Regeln des Völkerrechts und unter 
Mißachtung aller Rechte dev Neutra¬ 
len durch die völlige Lahmlegung des ftiedlichen 
Verkehrs zwischen Deuffchland und den neutralen 
Ländern nicht sowohl die Kriegführung, als vielmehr 
das Leben der deuffchen Nation vernichtend zu tref¬ 
fen. 
Am 3. November 1914 erklärte England die 
Nordsee zum Kriegsgebiet und gefährdete 
und erschwerte der neutralen Schiffahrt die Turch- 
farht durch Legung schlecht verankerter Minen, sowie 
durch Anhalten und Ausbringung der Schiffe aufs 
äußerste, so daß tatsächlich neutrale Küsten und 
Häfen gegen alles Völkerrecht blockiert wurden. 
Lange vor Beginn des Unterseebootskrieges unter¬ 
band England auch di: legittme neutrale Schiffahrt 
nach Deuffchland so gut wie völlig. So wurde 
Deutschland zu einem Handelskrieg mit 
Unterseebooten gezwungen. Bereits am 
16. November 1914 erklärte der englische Premier¬ 
minister im Unterhaus, daß es eine der Hauptauf¬ 
gaben Englands sei, zu verhindern, daß Nah¬ 
rungsmittel für die deutsche Bevöl¬ 
kerung über neuttale Häfen nach Deuffchland ge¬ 
langten. Seit 1. März 1915 nimmt England von 
den neutralen Schiffen alle nach Deuffchland gehen¬ 
den, sowie alle von Deuffchland kommenden Waren, 
auch wenn sie neutrales Cigeucum sind, ohne wei¬ 
teres weg.. Wie seinerzeit die Buren, so soll jetzt das 
deuffche Volk vor die Wahl gestellt werden, ob es mtt 
seinen Frauen und Kindern dem H ungertode r- 
liegen oder ob es seine Selbständigkeit auf¬ 
geben wolle. Während uns so unsere Feinde laut und 
offen den Krieg ohne Gnade bis zur völligen Vernich¬ 
tung ansagten, führen wir den K r i e g i n d e r N o t- 
wehr für unsere naffonale Existenz und um eines 
dauernd gesicherten Friedens willen. Den erklärten 
Absichten unfern: Feinde und der von ihnen ange¬ 
wandten völkerrechtswidrigen Kriegführung mußten 
wir den Unterseebootskrieg anpassen. 
Bei all:n grundsätzlichen Bemühungen, neutrales 
Leben und Eigentum nach Möglichkeit vor einer 
Schädigung zu bewahren, hat die deutsche Regierung 
schon in der Denffchrist vom 4. Februar rückhaltlos 
anerkannt, daß durch den Unterseebootskrieg die I n - 
teressen der Neutralen in Mitleiden¬ 
schaft gezogen werden könnten. Aber ebenso 
wird auch die amerikanische Regierung zu würdigen 
wissen, daß die Kaiserliche Regierung in dem Da¬ 
seinskampf, der Deuffchland von den Gegnern aus¬ 
gezwungen und angekündigt ist, die heilige 
Pflicht hat, alles, was irgend in ihrer Macht steht, 
zu tun, um dasLebenderdeutschenUnter- 
tanen zu schützen und zu wetten. Wollte 
die Kaiserliche Regierung diese ihre Pflichten ver¬ 
säumen, würde sie sich vor Gott und der Geschichte 
einer Verletzung derjenigen Prinzi¬ 
pien höchster Humanität schuldig ma¬ 
chen, welche die Grundlage jedes Staatslebens sind. 
Mit erschreckender Deutlichkeit zeigt der Fall 
der „Lusitania", zu welcher Gefährdung von 
Menschenleben die Art der Kriegführung unserer 
Gegner führt. Durch die unter Verheißung von 
Prämien erfolgte Anweisung an die briüschen 
Handelsschiffe, sich zu armieren und die 
Unterseeboote! zu rammen, ist, in fchärf- 
stem Widerspruch mit allen Grundsätzen des Völker¬ 
rechts, jede Grenze zwischen Handels- und 
Kriegsschiffenverwischt und sind die Neu- 
tralen, die ihre Handelsschiffe als Reffende benutzm, 
ollen Gefahren in erhöhtem Maße ausgesetzt wor¬ 
den. Hätte der Kommandant des deutschen Unter¬ 
seebootes, welches die „Lusitania" vernichtete,Mann¬ 
schaften und Reisende vor der Torpedierung ausboo¬ 
ten lasten, so hätte dies die sichere Vernichtung 
seines eigenen Bootes bedeutet. Nach 
allen bei der Versenkung viel kleinerer und weniger 
seetüchffger Schiffe gemachten Erfahrungen, war zu 
erwarten, daß ein so mächtiges Schiff wie die „Lusi¬ 
tania" auch nach der Torpedierung lange genug über 
Wasser bleiben würde, um die Passagiere in die 
Schiffsboot: gehen zu lassen. Umstände ganz beson¬ 
derer Art, insonderheit das Vorhandensein 
großer Mengen hochexplosiver Stoffe 
an Bord, täuschten diese Erwartung. Außerdem 
darf noch darauf hingewiesen werden, daß bei der 
Schonung der „Lusitania" ta u s e n d e K i ft e n m i t 
Munition den Feinden Deutschlands 
zugefühvt und dadurch Tausende deutscher Müt¬ 
ter und Kinder ihrer Ernährer beraubt worden 
wären. 
In dem Geiste der Freundschaft, von dein das 
deuffche Volk gegenüber der Union und ihren Be¬ 
wohnern fett den efftcn Tagen ihres Bestehens be¬ 
seelt ist, wird die Kaiserliche Regierung immer be- 
rett sein, auch während des gegenwärtigen Krieges 
alles ihr mögliche zu tun, um einer Ge- 
fährdung dos Lebens amerikanische? 
Bürger vorzubeugen. Die Kaiserliche Re¬ 
gierung wiederholt daher ihre Zusicherung, daß 
amerikanische Schiffe in Ausübung der legi r i m c n 
Schiffahrt nicht gehindert, das Leben amerika¬ 
nischer Bürger auf neutralen Schiffen nicht ge¬ 
fährdet werden sollen. 
Um vorherzusehende, bei der Seekriegführung der 
Gegner Deutschlands mögliche Gefährdungen ameri¬ 
kanischer Paffagierdainpfer auszuschließen, werden 
die deuffchen Unterseeboote angewiesen werden, solche 
durch besondere Abzeichen kenntlich 
gemachte und in angemessener Zeit 
vorher angesagtc Passagierdampfcr 
frei und sicher passieren zu lasien. Dabei gibt sich 
die Kaiserliche Regierung allerdings der zuversicht¬ 
lichen Hoffnung hin, daß die amerikanische Regierung 
die Gewähr übernimmt, daß diese Schiffe keine 
Konterbandean Bord haben. 
Tie näheren Vereinbarungen für eine unbehel¬ 
ligte Fahrt dieser Schiffe würden von den beidersei¬ 
tigen Marinebehörden zu treffen sein. Zur Schaffung 
ausreichender Reisegelegenheit für amerikanische Bür¬ 
ger über den Atlantischen Ozean stellt die deuffche 
Regierung zur Erwägung, die Zahl der verfügbaren 
Dampfer dadurch zu vermehren, daß eine angemessene 
und einer genaueren Vereinbarung unterliegende 
Zahl neutraler Dampfer unter ameri¬ 
kanischer Flagge in d^n Passagierdienst unter 
den gleichen Bedingungen wie die vorge¬ 
nannten amerikanischen Dampfer eingestellt wird. 
Die Kaiserliche Regierung glaubt annehmen zu 
dürfen, daß auf diese Weise ausreichende Ge - 
lcgenheiten fiir amerikanische Bürger zur 
Reise über den Atlantischen Ozean zu schaffen sind. 
Eine zwingende Notwendigkeit für amerikanische 
Bürger, in Kriegszetten auf Schiffen unter feind¬ 
licher Flagge nach Europa zu reisen, dürfte dem¬ 
nach nicht vorliegen. Insbesondere vermag die Kai¬ 
serliche Regierung nicht zuzugeben, daß ameri¬ 
kanische Bürger ein feindliches Schiff 
durch die bloße Tatsache ihrer An¬ 
wesenheit an Bord zu schützen vermögen. 
Deutschland folgte lediglich dem Beispiele Eng¬ 
lands, als es einen Teil der See zum Kriegsgebiet 
erklärte. Unfälle, die in diesem Kriegsgebiet "'Neu¬ 
tralen auf feindlichen Schiffen zustoßen sollten, 
könnten daher nicht wohl anders beurteilt 
werden, als Unfälle, denen Neutrale auf dem 
Kriegsschauplatz zu Lande jederzeit aus¬ 
gesetzt sind, wenn sie sich trotz vorheriger Warnung 
in Gefahr begeben. Sollte sich jedoch die Erwer¬ 
bung neutraler Passagierdampfer für die amerika¬ 
nische Regierung nicht in ausreichendem Umfange 
ermöglichen lassen, ist die Kaiserliche Regierung be¬ 
reit, keine Einwendungen zu erheben, daß die ame¬ 
rikanische Regierung vier Passagierdamp¬ 
fer feindlicher Flagge für den Passagierverkehr von 
Nordamerika nach England unter amerika¬ 
nische Flagge bringt. Die Zusagen für freie 
und sichere Fahrt amerikanischer Passagierdampser 
würde dann unter den gleichen Vorbedingungen ' 
auch auf diese feindlichen Passagierdamjefer ausge¬ 
dehnt werden. 
Der Präsident der Vereinigten Staaten erklärte 
sich in dankenswetter Weise zur Uebermittlung und 
Anregung von Vorschlägen an die großbritannische 
Regierung, insonderheit wegen einer Aenderung des 
Seekrieges, bereit. Die Kaiserliche Regierung wird 
stets von den guten Dienste» des Präsidenten gern 
Gebrauch machen, und sie gibt sich der Hoffnung 
hin, daß seine Bemühungen sowohl im vorliegenden 
Falle wie auch für das große Ziel der Freiheit der 
Meere zu einer Verständigung führen werden. 
Gez. von Jagow.. 
s- 
Die amerikanische Note, auf die die obige Note die 
Antwort gibt, fuhr unter der schonen Flagge der 
„Rechte der Menschlichkeit". Sie wollte diesen Rech¬ 
en bei uns Anerkennung verschaffen, nachdem wir 
sie ihrer Meinung nach bei der Versenkung der 
.Lusitania" wie in anderen Fällen mißachtet hätten. 
Nun, die Rechte der Menschlichkeit sind uns minde¬ 
stens so heilig wie dem anlerikanischen Volk, und der 
Deuttcbe bat kick aus seiner langen Geschichte eher 
den Ruf erworben, z u menschlich gegen seine Feinde, 
r» trenberna «wen angebliche Freunde, z u aefühls- 
selig und mitleidig gegen fremde Klagen zu sein als 
umgekehrt. Aber das deutsche Volk ist jetzt von einem 
Ring von Raubgesellen umstellt, die sein sauer Er¬ 
worbenes untereinander teilen wollen, es kämpft den 
schwefften, den wichtigsten Kampf in seiner Geschichte, 
und es muß zunächst einmal an sein e Rechte, an 
die deutschen Menschheitsrechte denke:', so gnr 
wie Präsident Wilson, wenn er von den Rechten der 
Menschheit spricht, zunächst an die amerikanffchen 
Menschenrechte denkt. Das deutsche Volk hat das 
Menschenrecht, sich nicht durch Gewaltmaß regeln, 
die allem Völlerrecht Hohn sprechen, die Lebcnsmit- 
telzufuhr abschneiden zu lassen, und es hat das Recht, 
wenn die Neutralen ohnmächtig sind, ihm dieses 
Recht zu sichern, sich selber zu helfen, mögen 
keine Mitt-l den Zentralen aekaffen ad->r nicht. Es hat 
die, schneidige Waffe seiner Unterseeboote gewählt, 
um gegen den englischen Aushungerungskrieg eine 
Revresstrli? anmwenden und es wird dies- Waffe so 
lange anwenden, wie Anlaß zu dieser Repressalie 
vorliegt. 
Das ist cs, was die neue deutsche Note in ent¬ 
schiedenster Sprache sagt. Tic Lebensnotwendig- 
kciten des überfallenen deutschen Volkes stehen an 
erster Stelle, sie zu schützen ist Pflicht der deuffchen 
Reglern«», vor Gott und der Geschichte." Aber auch
	        
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