Full text: Fuldaer Zeitung (1915)

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«rmvsch. -LN 28. 3uN 19X5^ 
Die Gtaatsrentner 
Anleihen über Anleihen! In allen kriegführen¬ 
den Staaten und auch in vielen neutralen Staaten. 
Es gibt Anleihen mit kolossalem Erfolg, wie in 
Deutschland, und Anlechen mit tüchtigem Erfolg, wie 
in Oesterreich-Ungarn; daneben Anleihen mit ver¬ 
wickelten Kunstgriffen, wie in England, und schwind¬ 
süchtige Anleihen, wi: rn Italien. Gemeinsam ist 
allen diesen Borgansprüchen die Steigung des Zins¬ 
fuß e s. Je größer die Nachfrage nach flüssigem 
Kapital, desto höher wird dessen Marktpreis, die 
ausbedungene Rente. Am schärfsten ist die Zinser¬ 
höhung in England zutage getreten. War dort 
früher der Sah von 2y2 Prozent die Regel, so reicht 
jetzt ein Angebot von 4% Prozent für sich allein 
noch nicht aus, um die Geldgeber willig zu machen; 
man hat noch das Angebot der Umwandlung der 
alten Anleihen hinzufügen müssen. Damit ist dann 
die starke Erhöhung des Zinsfußes allgemein 
geworden. 
Die Staatsausgaben für den Schulden¬ 
dienst wachsen im Verhältnis zu den aufgenomme¬ 
nen Anleih ebeträgen und obendrein im Ver¬ 
hältnis zu der Zinserhöhung. In Deutschland 
sind bisher 13^ Milliarden Kriegsanleihe mit 5 
Prozent jährlich'zu verzinsen; glücklicherweise blei¬ 
ben aber die alten Anleihen des Deutschen Rei¬ 
ches und der Bundesstaaten auf der bisherigen Höhe 
des Linsbedarfes stehen. In England dagegen steigt 
der Zinsaufwand auch für die umgewandelten alten 
Anleihen. Im dortigen Oberhanse wurde ja be¬ 
reits eine Kriegsschuldenlast von 26 Milliarden für 
März 1916 und ein Jahresdefizit von mi n d e - 
st e n § 280 Millionen ausgerechnet. JTet Fehlbe¬ 
trag wird gewiß noch größer werden, da die ver¬ 
bündeten Staaten und die Kolonien nicht sämtlich 
ihre Geldverpflichtungen einlösen werden. Für 
Italien ist es sozusagen ein Glück im Unglück, wenn 
die Anleihe nur zu einem Bruchteil gezeichnet wird; 
denn bei Vollziehung des Kriegsbedarfs würde der 
Staat künftig die Z'Ns- und Tilgungskosten nicht 
tragen können. 
Das Ende vom Anleiheliede ist eine entsprechende 
Steuererhöhung. Falls die Steuerschraube 
versagt, muß die Staatskasse ihren Bankerott 
anmelden, d. h.dieStaatsgläubiger werden um einen 
Teil der versprochenen Bezüge „gesetzlich" betrogen. 
Die Gefahr eines Staatsbankerottes ist besonders 
groß für die unterliegenden Staaten, die 
außer ihrer bisherigen Anleihelast beim Kriegs¬ 
schluß \ noch die Kriegskostenentschädi- 
g u n g auf den Rücken bekommen. 
Deutschland steht in finanzpolitischer Hinsicht am 
günstigsten da. Wir werden siegen und haben also 
eine Kriegskostenentschädigung nicht zu zahlen, son¬ 
dern zu beanspruchen. Trotzdem werden wir neue 
Steuern einführen müssen, da der Tribut der unter¬ 
liegenden Feinde schwerlich so hoch sein und schwer¬ 
lich so prompt eingehen wird, daß wir daraus allein 
unsere Mehrausgaben decken könnten. Die Gesamt¬ 
heit der Steuerzahler wird in der einen oder 
anderen Form herangezogen werden müssen, um 
die Renten zu decken, die das Reich seinen Geld¬ 
gebern schuldig geworden ist. 
Ist dem Reichs- oder StaatsrentNer diese Ein¬ 
nahme zu mißgönnen? Durchaus nicht! Denn sie 
haben sich um das Vaterland verdient gemacht, als 
sie in der krifischen Zeit willig das Kapital heiga- 
Len, das zur Verteidigung des Landes und zur Er¬ 
ringung des Sieges unbedingt notwendig tvar. Die 
goü>enen und silbernen Kugeln waren ebenso un¬ 
entbehrlich, wie die Kugeln von Blei und Stahl. 
Die Zahl der Rentcnbezieher wird sehr groß sein, 
aber das ist kein Nachtcll, sondern ein wesentlicher 
Vorteil, und zwar gerade für Deutschland. Aus un¬ 
sere Kriegsanleihen haben Millionen von Mit¬ 
bürgern gezeichnet und gezahlt. Der Zinsertrag 
fließt also nicht in die großen Taschen von wenigen 
Milionären oder Banken, sondern komt auch dem 
Mittelstände zugute, ja sogar zahlreichen kleinen 
Leuten, die von ihren Ersparnissen sich den einen 
oder anderen Schuldschein erworben haben. Das 
für Verzinsung und Tilgung aufzuwendende Reichs¬ 
geld stießt also in die breiten Schichten des Volkes 
und dient infolgedessen weniger der Kapitalanhäu¬ 
fung, als vielmehr der Verbesserung der 
Lebenshaltung. Das Geld wird nicht auf¬ 
gestaut, sondern fließt weiter, befruchtet den ganzen 
Handel und Wandel, schafft guten Verdienst für die 
arbeitenden Klassen, hebt die allgemeine Wohlfahrt. 
Der wohltätige Kreislauf des Geldes, den wir 
schon in der Kriegszeit angenehm empfunden haben, 
Fuldaer Zeitung 
,2. Blatt 
^ *rwJ der JklUirttwfmt t, 8»N>a 
Auf den Schlachtfeldern am Dnjestr 
m. 
' Während die bei Bukaczowce fechtende Division in 
chrem Vorwärtsdrängen durch die Rücksicht auf die 
östlich anschließenden verbündeten Truppen aufgehal¬ 
ten wurde, konnte die weiter westlich vorrückende 
Division des * . . Reservekorps ihren bei der Er- 
Eingung des Dnjestr-Uebergangs erzielten Erfolg 
ier ausnutzen. Unterstützt wurde sie hierbei durch 
, gewcllfige Wucht, mit der die noch weiter westlich 
bei Zurowno und Zydaczow über den Dnjestr ge¬ 
gangenen Teile der deutschen Südarmee gegen den 
auf die Lipa-Stellung zurückweichenden Gegner drück¬ 
ten; eine Wucht, die es möglich machte, daß die bis¬ 
her nach Norden gewandte Front der Südarmee 
innerhalb weniger Tage eine östliche Richtung und 
damit den Anschluß an die weiter nördlich über Lem¬ 
berg hinaus vorgchendc 2. österreichische Armee er¬ 
halten konnte. 
Hier an der Gefechtsfiont der Ost- und Westpreu¬ 
ßischen und Württembergischm Truppen sind di- süd¬ 
lichen Uferberge kilometerweit mit Hochwald bedeckt — 
herrliche, hundertjährige Buchen. Hierhin fuhren wir 
jetzt. Wieder ging es in wilder Fahrt durch tiefe 
Schluchten und Bachbettcn, steil bergauf und bergab, 
zwischen Trupps Verwundeter und Gesang mer hin¬ 
durch unter dem Donner der Geschütze hinauf auf die 
letzte Höhe. Hinter dem Hochwald auf den Lichtungen 
unsere Artillerie. Links unseres Weges eine Feld¬ 
batterie. Rechts nine dem Feinde abgenommene und 
bei Krupp umgearbeitete Batterie russffcher 12,5 
Ztm.-Geschütze, die als Kanonen und als Mörser ver¬ 
wendet werden können und in den heutigen Kämpfen 
vortreffliche Dienste geleistet hatten. 
Am Rande des Waldes, in dem die Protzen der 
Batterien und einiger Maschinengewehr-Abteilungen 
stehen, die jetzt längst jenseits des Stromes kämpften, 
müssen wir den Wagen verlassen. Zeichen an den 
mächtigen Baunfftämmen weisen uns den Weg, der, 
wie der ganze Wald, mit Granatlöchern gespeckt ist. 
Sie zeigen, daß die feindliche Artillerie sich tüchtig ge» 
'wehrt, aber um mehrere hundert Meter zu kurz ge- 
wird sich auch noch Friedensschluß fortfetzen. Da» 
Bol? wrrd durchgehend« gute Einnahme« ha¬ 
ben und infolgedeffen auch die Ausgaben leisten 
können, die unter der Nachwirkung des Kriegsauf, 
wandes- nötig sind. Die Aussicht auf die „Staats- 
rentner oraucht uns nicht zu verstimme« oder gar 
zu, erschrecken denn wir wissen uns alle solida¬ 
risch mst ihnen. Deutschland ist das Land, das 
finanziell und wirtschaftlich am bestenden Krieg 
aushalten kann, wenn er auch lange dauert. Ange¬ 
sichts der Werte, die der Krieg zerstört oder ver¬ 
braucht. sagen wir zuversichtlich: Nerzes Lxhen 
blüht aus den Ruinen! '' 
Sin Brief des Papstes an Kardinal Sttttit. 
& wtb Der Erzbischof von Paris, Kardinal Amette, 
hatte wegen des bekannten Lapatie-Fnterviews an 
Papst BenĻikt ein Schreiben gerichtet, in welchem 
er zum Ansdruck brachte, daß die Unterredung bei 
den französischen Katholiken fiese Trauer erregt habe. 
Der Kardinal erbat zum Schlüsse den apostolischen 
Segen. Die Antwort des Papstes ist vom 11. Juli 
dafiert und hat französischen Blättern zufolge nach¬ 
stehenden Wortlaut: 
Herr Kardinal! Wir haben den Brief, den Sie, 
Herr Kardinal, unter dem 25. Juli hinsichtlich des be¬ 
kannten Artikels von M. Latapie in der Liberte an 
uns gerichtet haben, erhalten. Sie wissen, daß wir M. 
Latapie, der in seinem Artikel weder unsere Gedanken 
noch unsere Worte wiedergab und der die Vervffentli- 
chung ohne jede Revision oder Ermächtigung unserer¬ 
seits trotz des gemachten Versprechens vornahm, jede 
Autorität absprechen. Uebrigens konnte Ihrem Scharf¬ 
blick sicherlich nicht entgehen, daß unsere wirklichen Ge¬ 
danken den öffentlicken und offiziellen Akten des apo¬ 
stolischen Stuhles entnommen werden müssen und nicht 
aus Erzählungen oder Privatunterhaltungen mit uns. 
Die politische Leidenschaft oder persönliche Voreinge¬ 
nommenheit läßt oft verstandene Worte so übersetzen, 
daß sie, wenn sie von Mund zu Mund gegangen sind, 
fantastische Formen annehmen. 
Unsere Erklärung, die eine bündige Antwort auf 
Ihren Brief wie aus die ungenauen Zeitungs-Kom¬ 
mentare darstellt, können Sie, Herr Kardinal, wenn 
Sie es für opportun halten, veröffentlichen, und wenn 
Sie es für zweckdienlich halten in der Weise ergänzen, 
wie Sie es in der „Semaine religieuse de Paris" ja 
schon getan haben. 
Um Sie über verschiedene Punkte im Artikel Latapie 
noch bester auszuklären, haben wir angeordnet, daß un¬ 
serem Briese, die von Herrn Kardinal Staatssekretär 
dem Redakteur des „Corriere d'Jtalia" gemachten Er¬ 
klärungen und auch die durch denselben Kardinal cm den 
englischen und an den belgischen Gesandten vom 1. bezw. 
6. Juli gerichteten Brief beizulegen. 
Mit der Gewißheit, daß diese unsere Erklärung ge¬ 
eignet ist. Unsere vielgeliebten Söhne Frankreichs von 
der besonderen Besorgnis unseres Herzens zu versichern 
und in der Hoffnung, voll Ihre Wünsche befriedigt zu 
haben, gewähren wir Ihnen, Herr Kardinal, wie auch 
Ihren Gläubigen von ganzem Herzen dm apostolischen 
Segen. 
" • ' ' Benedikt X V.. Papst. 
Vatikan, 11. Juli 1915. 
Die Sprache Benedikt XV. an Kardinal Amette 
ist sehr kühl. Man findet weder den üblichen Aus¬ 
druck „Vielgeliebter Bruder", „Vielgeliebter Sohn", 
noch den Titel „Eminenz". Der Brief bewegt sich 
in kühlen, geschäftsmäßigen Formen. Mm kann es 
dem PaPst lebhaft nmhfühlen. daß «r an dieser Muß- 
Anttvo-rt keine besondere Freude hatte. 
Kur Kirche und Schule. 
* Paderborn, 25. Juli 1915. Zu der diesjährigen 
Liboriuswallfahrt war nicht nur die Bevölkerung der 
Umgebung in Scharen herangekommen, aus der gan¬ 
zen weiten Diözese hatten sich unerwartet große Men¬ 
gen von Pilgern eingestellt Noch in den letzten Ta¬ 
gen hatte sich die Eisenbahnbehörde zur Emlegung 
einer Anzahl Sonderzüge außer den verstärkten fahr¬ 
planmäßigen und den Vor- und Nachzügen entschlos¬ 
sen, und alle waren stark besetzt. Am Samstag war 
Kardinal und Erzbischof von Hartmann aus 
Köln eingetroffen und bei Bischof Dr. Schulte abgg- 
stiegen. Auch Udttore Dr. Heiner aus Rvm, der 
aus der Paderborner Gegend flammt, war erschienen. 
Heute stüh hielt Kardinal von Hartmann im über¬ 
füllten Dome, in dein zugleich das vierzigstündige 
Gebet abgehalten wurde, das Pontifikalamt; darauf 
ordnete sich die Festprozession durch die Alfitadt mit 
den Reliquien des hl Liborius imd dem Allerheilig- 
slen, die sich geradezu überwältigend großartig ge¬ 
staltete. Bor der Jesuitenkirche hielt Bischof Dr. 
Schulte von einer für diesen Zweck aufgebauten 
Kanzel aus eine herrliche Predigt an die Pilgerschar. 
Der erste Sieg in dem jetzigen Weltkrieg sei der 
schossen hat. Eine selffame Sttmnrung umfängt uns, 
Wie die Säulen eines gigantischen Domes ragen 
rings um uns die grauen Buchenstämme auf, durch 
deren grünes Blätterdach die Sonnenblitze des Ewi¬ 
gen Ehre rühmen. Und während unser Herz an der 
Schönheit und am Frieden des Waldes sich erbauen 
möchte, schreitet der Fuß über die schrecklichen Spuren 
menschlicher Zerstörungswut, und über unsere Köpfe 
hinweg sausen die todbringenden Geschosse. 
Plötzlich stehen wir am Abhang. Jäh fällt der 
Wqldberg hier in den Strom ab, der sich einige hun¬ 
dert Meter fieser in zahlreichen Windungen an der 
telswand hinschlängelt. Nur durch eine dicht mit 
nterholz verwachsene Schlucht, rechts settwärts, kann 
man hinuntergelangen. Hier oben hat der Arfillerie- 
stab sich seinen unübertrefflichen Beobachlungsstand 
eingerichtet. Selbst unsichtbar, übersieht man von 
hier aus in weitem Umkreise das Gelände. Unten 
der Strom, auf dem eben unsere Pioniere eine Brücke 
bauen. Tann etwa 1% Kilometer breit die Wiese, 
die von den Unfern schon genommen ist und in der 
jetzt nur noch einzelne Gruppen Verwundeter oder 
Gefangener sichtbar sind. Dahinter aber die dicht¬ 
bewaldeten Höhen, auf denen dev Feind znm Teil 
noch verzweifelten Widerstand leistet. 
Die Artillerie freilich ist von dev unsrigen meist 
schon zum Schwelgen gebracht. Nur gegenüber von 
derfl zweiten Höhenrücken sieht man zuweilen noch 
die Mündungsfeuer aufblitzen. Doch nicht lange 
mehr, dann verschwinden auch sie. Auch das Ge¬ 
knatter des Maschinengewehrfeuers aus dem bren¬ 
nenden Dorf drüben rechts im Tale wird schwächer 
und schwacher. Dagegen wird es davor in der Wiese 
lebendig. Unsere Sturmkolo ttuctt erheben sich zum 
letzten eittschridenden Sprung. Sie verschwinden im 
Gebüsch. Noch einmal lebhaftes Jnfanteviefeucr, dann 
wird es fast plötzlich still. In atemloser Spannung, 
das Glas am Auge, blicken wir hinüber. Aber nichts 
iss «lchtvzrr sehen— nichts zu sehen und zu hören. 
LWlder^Wucht unseres Angriffs hatten, wie wir spä- 
ter.erfuhren, die feindlichen Truppen, soweit sie sich 
nicht' gefangen gaben, die vorderen Höheustcllungen 
nach erbitterten Nahkämpfen geräumt undwaren, von 
&eq über den Unglauben gewesen, der sich mit dem 
Be gm ne des Krieges habe verkriechen müssen, als 
alles Volk iw die Kirchen eilte und zu Gott flüchtete. 
Wir hätten jetzt ein Geschlecht nötig, das fest stehe 
im katholischen Glauben, dann werde sich an diesem 
auch die Verheißung Christi erfüllen. Der Oberhirte 
gedachte sodann des Heiligen Vaters, der sälbst unter 
dem Kriege leide und unablässig sstr den Frieden der 
Welt benmht lei, und erteilte den päpstlichen Segen. 
Lokales. 
Fulda, 28.Hpli J91|. 
(*) Soldsammlung. Goldstücke «fit dem Bild¬ 
nis Kaiser Friedrichs weichen aus begreiflichen, 
wenn auch nicht zu billigenden Gründen zurückbehal¬ 
ten. Auf eine Anfrage an die Reichsbank, ob sölche 
Goldstücke auf besonderen Wunsch nach dem Kriege 
zurückgegeben werden könnten, erfolgte folgende Ant¬ 
wort: „Die Reichsbankl-Anstalten sind angewiesen, 
Goldmünzen seltener Prägung (es werden vornehm¬ 
lich mit der Jahreszahl 1888 geprägte Stücke in 
Frage kommen) unter Verpflichtung der Rückgabe 
gleichartiger Stücke in Umtausch gegen Papiergeld 
innerhalb 12 Monaten nach Friedensschluß gegen 
Empfangsbescheinigung anzunehmen." 
„i" Gedankenlose Verschwendung. Man schreibt 
uns: Eine Arbeiterfamilie verbraucht im Jahre 
etwa 100 Stter (oft auch noch mehr) Petroleum. 
Bei Verwendung der üblichen Zweiliterkannen niuß 
also die auch sonst nicht gerade unbeschäftigte Haus¬ 
frau jährlich mindestens 50mal Petroleum vom 
Händler holen. Da nun der Behälter der Lampe 
nur etwa vierzehntel Petroleum faßt, so muß die 
Lampe mindestens 250mal im Jahre aufgefüllt wer¬ 
den. Da ferner in jeder Familie meist täglich zwei 
Lampen gebvannt werden, so müssen sie 2 X 365 
— 750ntal geputzt werden. Diese Arbeit des Ein- 
kaufens, Füllens und Reinigens in Stunden und 
diese Stunden in Geldwert umgerechnet, ergeben ein 
ganz nettes Sümmchen. Da jetzt während des Welt¬ 
krieges das ausländische Petroleum auch nur schwer 
und teuer erhältlich ist, gilt es nicht nur Arbeit und 
Zett, sondern auch Bargeld zu sparen. Durch die 
Verwendung des billigen elektrischen Lichtes 
fit jeder Frau die Möglichkeit geboten, ihre Zeit und 
Kraft frerzumachen für ändere Zwecke, denn es be¬ 
darf nur des Drehens eines Schaltknopfes, um die 
stoßfeste, Helle elektrische Lampe aufleuchten oder 
verlöschen zu lassen. Außerdem war das elektrische 
Licht schon in Friedenszeiten um die Hälfte billiger 
bei gleicher Heiligkett oder man erhielt bei Anlegung 
des gleichen Betrages die doppelte Lichtfülle. Jetzt 
im Kriege kostet Petroleum das vier- bis fünffache 
der elektrischen Beleuchtung, ganz abgesehen davon, 
daß letzteres vollständig ungefährlich ist und die Lust 
rein hält. Mit der Einführung der elefirischen Be¬ 
leuchtung erleichtert sich die Frau nicht nur ihr Le¬ 
ben, sondern spart Geld und fördert deutsche Inter¬ 
essen im Kampfe gegen das Ausländertum. 
«f Schöffengericht. Der schon oft vorbestrafte Ge¬ 
legenheitsarbeiter A. Klug, zuletzt in Kassel wohnhaft, 
wrrd wegen Bettelns in Fulda zu 14 Tagen Gefäng¬ 
nis verurteilt. — Die 22jährige L. Sch. hier hatte 
sich in gereiztem Zustande des Hausfriedensbruches 
in 2 FÄlen und etner, Bedrohung schuldig gemacht. 
Sie echielt eine Geldstrafe von 9 Mark. Ihr sieb¬ 
zehnjähriger Bruder A. hatte sich auch wegen einer 
Bedrohung zu verantworten, die ihm einen Ver¬ 
weis einbrachte. — Der Land- und Gastwirt C. B. 
in St. (Kr. Fulda) hatte einen Strafbefehl in Höhe 
von 10 Mark erhalten, weil er junge Leute unter 17 
Jahren, ohne Begleitung von Eltern in seinem Lokale 
geduldet. Gegen den Strafbefehl beantragte B. ge- 
richttiche Entscheidung. Das Gericht erkannte auf 
eine Geldstrafe von 5 Mark und Tragung der Kosten. 
— Die Ehefrau des Hüttners P. Kl. von D. bei M. 
hatte auf dem Buttevmarkte mehrere Butterwecke mit 
Mindergewicht bis zu 6 0 G r a m m feilgeboten. Ein 
Butterweck wurde von der Käuferin alsbald in zwei 
verschiedenen Geschäften nachgewogm. Tie von der 
Angeklagten gemachten Einwendungen in der gestri¬ 
gen Schoffengerichtsverhandlung waren hinfällig und 
verurteilte das Gericht die Bauersfrau dem Anträge 
des Amtsanwalts gemäß zu einer Geldstrafe von 20 
Mark. — Auch die Ehefrau des Hüttnws A. B. aus 
den; gleichen Orte hatte durch eine Frau von dort 
ein'angeblich ein Pfund schweres Stück Butter auf 
dem hiesigen Wochenmarkt verkaufen lassen, das ein 
Mindergewicht von 50 Gramm aufwies. Ihr wur¬ 
den mildernde Umstande zugebilligt. Das Gericht er¬ 
kannte auf dne Geldstrafe von 6 Mark. — Ter Ar¬ 
beiter I. C. von H. hatte einen Fabrikarbeiter ge¬ 
treten, mit einer Holzwasserkanne auf den Kopf ge¬ 
ben Unsrigen hart verfolgt, nach Nordosten hinter die 
nächste chrer zahlreichen vorbereiteten Stellungen ab¬ 
gezogen. 
Wir kehren durch den Wald zu unserem Wagen 
zurück. Russische Gefangene mit Material für den 
Brückenbau kommen uns entgegen. Aber die Leute 
sind erschöpft. Dev Leine gelbe Mann dort mit dem 
Kalmückengesicht scheint fast zusammenzubrechen unter 
seiner Last. Doch schon tritt der begleitende Land¬ 
wehrmann zu ihm: „Bist du schlapp, Wudfi? — Na, 
gib her!" Hängt sein Gewehr über die Schulter, 
schiebt die schwere Rolle Draht dazu und läßt den 
Gelhen ledig nebenher laufen, der''deutsche Barbar 
der! 
Auf der Rückfahrt kommen wir durch Ortschaften 
mit deutschen Namen. Deutsch ist hier die Bauart 
der meist halbzerschossenen oder ausgebrannten Häu¬ 
ser. Trotz der Verwüstungen erkennt man sofort, 
daß deuttche Ordnung und deutsche Sauberkeit hier 
zu herrschen pflegten. Und blonde deutsche Mädchen 
tränken die vorüberziehendcn Feldgrauen, die freu- 
digen Staunens aufblicken, wenn sie hier im Lande 
der russischen Schrfftzeichen, die wie Hieroglyphen für 
sie sind, und der polnischen unaussprechlichen hei¬ 
mische Laute erklingen hören. Aber eine fiese Trauer 
liegt über diesen schwer heimgesuchten Siedelungen. 
Wahrend die Ruthenen fast überall geschont, oft so¬ 
gar von obenher unterstützt und eifngst umworben 
wurden, suchte der Russe sich an den paar Deutschen 
zehnfach schadlos zu halten. Vielleicht fällt bei der 
Fürsorge für die Heimgesuchten auchffur diese un 
glücklichen Landsleute ein Scherflein ab; sic könr 
wirklich gut gebrauchen. Hk. & 
In etner fast ganz zerstörten Leigen^tadt wird 
kurte Rast gemacht. Auf dem Marktplatz, wo an einem 
seltsamen Radbrunnen Kolonnen ihre Pferde tränken, 
stehen noch ein paar zerschossene Häuser. In einem 
hat eine Berpflegungsstation sich eingerichtet. Un¬ 
ten, wo in abgesperrtem Raum einige Reihen Tische 
und Bänke stehen und wo in einer Hofeck; eine Gu¬ 
laschkanone unausgesetzt in Tätigkeit ist, für durch¬ 
ziehende Mannschaften: oben im ersten Stock für Offi- 
-iere. — Das Kgjstw! — Das Haus muß einmal 
schlagen und durch Schiinpsworte beleidigt. C. wrrt 
dieserhälb zu einer Geldstrafe von 15 Mark verun 
teilt. — Am 1. Mai d. I. beschäftigte sich das Schos- 
fengericht Fulda mtt der Sttaffache grgen den Arber- 
ter I. D., gebürttg aus Wffselsrod, der sich des Haus¬ 
friedensbruches und der Bedrohung schuldig gemacht 
haben sollte. Damals beschloß das Gericht Einlei¬ 
tung eines Strafverfahrens . wegen wissentlichen 
Meineids gegen den Fabrikarbeiter P. Z-, dessen Ehe¬ 
frau und deren 18jährigen Sohn. Die «Staatsanwalt¬ 
schaft hat nun inzwischen das Verfahren gegen die 
Vorgenannten eingestellt, da rficht genügend Beweis« 
vorhanden seien, daß dieselben bewußt dre llnwahr- 
hett gesagt haben sollten. Gestern wurde erneut in 
dieser Sache verhandelt. Das Gericht gelangte zur 
Freisprechung des Arbeiters I. D. 
§§ Vollversammlung der Handwerkskammer. 2)tt 
Herbst - Vollversammlung der Kammer findet nach 
einem Beschlüsse des Vorstandes am 6. September 
in Kassel statt.__ 
aus -em Nachbargebiet. 
V Großenlüder, 27. Juli 1915. Der Gefreite An. 
dreas Brahler von hier hat für seine Tapferkeit 
vor dem Feinde am 18. Juli das Eiserne Kreuz er¬ 
halten. Es ist dies das siebente Ehrenzeichen fu, 
unfern Ort. 
88 Kassel, 26 Juli 1915. Der „Krieg und 
die Nerven", so lautete der Vo-rtvag, den heute 
abend Dr. med. Jansen in der Ausstellung für Ber- 
wujnheten- und Krankenfürsorge in Kriege hielt. Er 
gab an der Hand von Lichtbkldrn einen Ueberblick 
Uber die zahlreichen Zerstörungen und Verletzungen 
des Zentralnervenshsterns durch Kugelschüsse und er¬ 
läuterte, wodurch die Lähmungen im einzelnen be¬ 
dingt würden und welche Möglichkeiten für ihre Hei¬ 
lung vorhanden wären. Zahlreich seien die Fälle von 
Kriegspsychosen (Geistesstörungen) gewesen, die er- 
fteulicherweise aber fast immer gutarfige Ausheiungen 
ermöglichten. Im Vergleich zu den furchtbaren 
Strapazen, welche von unseren Truppen geleistet 
werden mußten, seien die Taten des Altertums doch 
verhältnismäßig kein; weder die Griechen noch die 
Römer hätten diese Leistungen zu vollbringen ver¬ 
mocht, die bisher schon von unseren Truppen geleistet 
worden sind. Wenn man daher das eherne Natur¬ 
gesetz vom Blühen, Werden und Vergehen aus unser 
Volk anwende, so müsse man sagen, daß es sich in 
ui stau <*mt öistoajyaq gp> 'jivss g)t> öuntpsizg; aaqal 
vollster Blüte stehend in diesem Kriege gezeigt habe; 
chm müsse daher die Zukunft gehören, denn bisher 
und wohl auch weiterhin waren eben doch die deut¬ 
schen Nerven die stärksten und besten 
& Langenselbold, 27. Juli 1915. Der Kriegs¬ 
freiwillige Oberlehrer Dr. Gustav Edel, ein Wey- 
herser Kind, Sohn des verstorbenen Postsekretärs 
Anton Edel aus Langendiebach, tpurde auf dem süd¬ 
östlichen Kriegsschauplätze zstm Vizefeldwebel beför¬ 
dert. Er hat sich bereits das Eiserne Kreuz erworben. 
Q Frankfurt, 26. Juli 1915. Der 31jährige 
Musketter Emil Klag aus Kirchheimbolanden wurde 
hier wegen Fahnenflucht, Bettugs und Unterschla¬ 
gung von mehr als 100 Fahrrä^rn verhaftet. Seit 
seiner Fahnenflucht im Oktober '1914 trieb er sich 
als Unteroffizier, mit dem Eisernen Kreuz geschmückt, 
in Kassel, Gießen, Hannover, Koblenz, Darmstadt, 
Wiesbaden, Herdelberg usw. unter stets wechselndem 
Namen herum und „lieh" sich'hier von Militärper¬ 
sonen Fahrräder, die er dann schleunigst verkaufte. 
Auch in vielen Fahrradgeschäften erschwindelte er 
sich zahlreiche Räder. Gestern abend wurde der 
Erzschwindler, drr hier im Bahnhofsviettel 
wohnte, von einem Betrogenen wieder erkannt und 
auf dessen Veranlassung verhaftet. — Kaufmann Nik. 
M a ns köpf hat der Stadt eine wertvolle Dirigen- 
ten-OrchesteL-Parfitnr von OpernauMhrungen im 
ehemaligen Schauspielhanse zum Geschenk gemacht. 
— Durch die Beschlagnahme der Salpetersäure für 
Heereszwecke erfuhren die photographischen 
Artikel eine' außerordentliche Preissteigerung, da 
salpetevsaurxs Silber aus Salpeter nicht mehr zur 
Erzeugung der lichtempfindlichen Halogenverbin- 
dungen des Silbers hergestellt werden kann. Das 
Präparat ist aber zur Hefttelltjng von Platzen, Films 
und Papieren unentbehrlich. * Infolgedessen konnten 
diese Artikel nur nock> in ganz beschränktem'Matze ge¬ 
liefert werden. Jetzt ist es nun der hiesigen Gold- 
und Silberscheideanstalt gelungen, das sonst außer¬ 
ordentlich schwer lösliche schwefelsaure Silber in einer 
ganz besonders für photographische Zwecke geeigneten 
Form herzustellen, sodaß bereits zahlreiche Fabriken 
photographischer Papiere das schweselsaure Silber an¬ 
standslos anstelle von salpetersaurem Silber verwen¬ 
den konnten. — Die Erfindung ist wieder ein Beleg 
wohlhabenden Leuten gehört haben. Demi in dem 
zerschossenen Eckzimmer hängt noch ein sehr schöner 
alter vergoldeter Louis XI V.-Tpieael. Auch ein paar 
reich geschnitzte alte Lehnsessel sind oa. Jrn stlrsauien 
Gegensatz stehen sie zu der übrigen'Ausstattung, die 
bunt zusammengewürfelt oder rasch aus-rahen Bret¬ 
tern hergerichlet ist. Fenster und Türen such nur 
noch andeutungsweise Vorhänden. Mtt ftischenPaPpel- 
zweigen und russischen ZelthahnM sind die Oeffnun- 
gen Verkleidet, lind'vor das Granattoch in her Ecke 
stellte mcui ein paar Bretter. Gläser Libt es nicht, 
Taffen müssenLasur herh-stten. AberK-r Wern Ist 
gm uprd achch Mineralwasser, daK'in Galizien oft so 
knapp undfo schwer vermißttvird?istvochanden, und 
cürf den Tischen stehen wundervolle Blumen, Lilien 
und Rosen rn Blumenvasen, die früher weniger fried, 
ltchem Zweck besfimmt waren — in russischen Aus¬ 
bläsergranaten. Eine bunte Gesellschaft findet sich hier 
flüchfig zusamznen. Offiziere aller möglichen Kvm- 
mandos, Führer durchziehender Kolonnen Herren 
von der Feldpost, die hier im fernen Südostcn trotz 
aller Schwierigkeiten so vortrefflich arbeitn, Leichtver¬ 
wundete, die von der Front konynen oder Wiederher- 
' gestellte, die wieder dorthin wollen. Diese haben .s 
meist besonders eilig. „Schon wieder fort, Herr Ka 
merad?^ — „Jawohl. Ich Howe 20 Mann bei mir, 
die, wie ich, in Frankreich verwundet waren und jetzt 
die Zeit nicht erwarten können, bis sie an die Russen 
kommen. Ich habe ihnen versvrochen, daß ich sie noch 
hinbringeu will, ehe der Feino aus Galizien vcttris- 
ben ist, und da müssen wir doch wohl eilen." — Und 
da steht auch schon dir Unteroffizier an der Türoff 
nung: „Herr Leutnant, es ist eine Kraftwagenkolonne 
da, die zur Front fährt und uns^mimshmen will. Tie 
Leute meinen, dag es danfit doch schneller ginge, bis 
wir an den Feind kämen, und bitten den Herrn Leut 
nant, miffahren zu dürfen." 
Wenig; Minuten später rattert die schwere Ko¬ 
lonne unten vorüber. Der junge Leutnant grüßt her¬ 
auf und seine Zwanzig singen oder rufen Hurra. Und 
allen blitzt der Jubel aus den Augen, daß es nu» 
endlich wieder himmsaeht zum Knnchf und Sieg. 
Richard Schott, Sonderberichter flotte':.
	        
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