Full text: Fuldaer Zeitung (1918)

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Nr. 26. 
Donnerrtag den 3). Januar 1918. 
45. Zahrgang. 
Erfolgreiche Angriffe auf Snglarld u»rv die französische Nordküste 
Zer ilevtsche Tagesbericht. 
/ »rtb Trotzes Hauptquartier, 30. Jan. 
Westlicher KriegSlchauvlatz. 
L« verschiedenen Stellen der Front Artille¬ 
rie« und MinenwerferkSmpfe. 
Die Jnfanterictätigkeit blieb auf ErkundnugSge. 
fechte beschränkt. 
Unsere Flieger führten erfolgreiche Angriffe aus 
England und die französische Nordküst« durch. 
London und Southend, sowie Dünkir« 
che«, Gravelines und Calais wurden mit 
Bomben beworfen. 
Im Luftkampf wurden gestern 8 feindliche Flug¬ 
zeuge und 2 Fesselballone abgeschossen. 
Oestlick> er Kriegsschauplatz 
Nichts Neues. 
Mazedonische Front. 
Der Dorstotz feindlicher Kompagnien gegen bul¬ 
garische Feldwachstellungen nordöstlich vom Doiran- 
See wurde abgewiesen. 
Italienische Front 
Auf der Hochfläche von «s i a g o haben die Jta. 
liener mit starken Kräften ihr« Angriffe fort,esetzt. 
Im Gebiete de» Monte Sisemol find sie unter schwe. 
reu Verlusten gescheitert. Der Monte di Val 
Bella und Col del Rosio blieben nach hartem Kamps 
in Händen de» Feindes. 
Der Erste Meneraloua-tiermeister: Ludendorss. 
«tb Berlin, 80. Jan., abends. (Amlkich.) 
Von den Kriegsschauplätzen nicht» Neues. 
£e)'(t,re’,dtt!4: „„«rischer Tagesbericht, 
wtb Wien, 30. Jan. 
Die schweren Kämpfe auf der H o ch s l 8 che v o n 
Asiago dauern an. Südwestlich von Asiago und 
im Gebiete de» Monte Sffemel scheiterten alle ita¬ 
lienischen Angriff« unter großen blutigen Verlusten. 
Der Mont« di Val Bella und der Col del 
Rosse mutzten nach heldenmütiger Verteidigung 
und zähem Ringen den an Zahl immer stärker her- 
angesührten feindlichen Kräften überlasten werden. 
Der Chef dcS GencralstadS. 
Trotzt! als -eS Friedens. 
Ms der rustische Volkskommissar nach Spren¬ 
gung der Volksvertretung die Rückfahrt nach Brest 
antrat, hat er der Welt sein „verbessertes" Pro¬ 
gramm verkündet, das recht lehrreich ist. Erstens 
will er keinen Sonderfrieden, sondern all¬ 
gemeine Friedensverhandlungen. Zweitens bekennt 
ex sich offen zu dem Plan, durch das europäische 
Proletariat die bestehenden bürgerlichen Regierun. 
gen unterminieren und stürzen, zu lasten, d. h.: Re¬ 
volutionen a n z u st i f t e n, wo es nur möglich 
ist, dqmit die Welt an der „Glückseligkeit" teilnimmt, 
die ieht in Rußland herrscht. 
Wenn der allgemeine Frieden vorgeschoben wird, 
so läuft das auf nichts anderes hinaus, als auf die 
Vereitelung des begonnenen Friedenswerk.'s. 
Die russischen Vertreter fingen an mit klangvol¬ 
len Vorschlägen für den allgemeinen Frieden. Hn* 
fere Vertreter sagten: Schön, wir wollen ehrlich 
den Frieden und beschreiten jeden Weg, der zu die¬ 
sem Ziele führen kann. Also macht den Versuch, eure 
bisherigen Verbündeten zu den Verhandlungen zu. 
zuzieben. Wir wollen zehn Tage lang auf ihren An¬ 
schluß warten! 
Die zehn Tage verstreichen, und es wurden so¬ 
gar zwölf daraus. Die bisherigen Verbündeten 
kommen nicht. Es blieb also den Russen nichts an. 
deres übrig, als das Friedensbedürfnis ihres eige¬ 
nen Landes zu befriedigen, also über den Sonderfrie¬ 
den zu verbandeln. 
Das paßte aber Herrn Trotzki nicht, und so ver¬ 
suchte er ein neues Hemmnis zu schaffen durch den 
willkürlichen Antrag, den Sitz der Verbandlungen 
z u v e r l eg e n. Als der iVerbund diese Finte ent¬ 
schieden abwehrte, setzte sich Trotzki an den Verband, 
lungstisch und erkannte ausdrücklich an, daß es sich 
nunmehr um einen Sonderfrieden handele. 
Dann aber redete er und redete er so ins Blaue und 
Endlose hinein, daß tatsächlich der Sonderfriede 
nicht vorwärts kommen konnte. Der Zusam¬ 
mentritt der Nationalversammlung gab einen neuen 
Anlaß zur Unterbrechung der Verhandlungen. Nach¬ 
dem nun die Nationalversammlung aesprengt und 
das Selbstbestimmungsrecht des russischen Volkes 
durch Schiffsgeschütze und Maschinengewehre ersetzt 
worden ist, glaubt Herr Trotzki die Maske fallen las. 
sen zu können und sagt offen, er wolle überhaupt 
keinen Sonderfrieden. 
Also den gangbaren Weg zum Frieden lehnt 
er ab und will wieder den Irrweg bcschreiten, 
* Liefe. 
Die Geschichte eines Stiefkindes. 
7) Bon Maria Köck. 
Beim Schlafengehen verlangte Liest heftig nach 
ihrer „Muata". 
„Aber schau, ich bin ja Deine Mutter," sagte 
Grete und streichelte das wirre Haar der Kleinen. 
Diese schüttelte energisch den Kopf. 
„Gefall' ich Dir denn gar nicht?" fragte Grete. 
I „Na." 
„Warum denn nicht?" 
„Muatta Kopftüchl — Du nit." 
„Na also, jetzt weißt's." lachte Raimund, „ein 
Kopftuch mußt Du umbinden, wenn's Dir die Huld 
Deiner Tochter erwerben willst." 
„Soll ich mir vielleicht die Zuneigung von dem 
Kind mit allerhand Mitteln erschleichen?" rief Gre!e 
bissig. „Wenn s mich nicht gern haben will, soll 
fie'S bleiben lasten." 
Und sie wendete sich ab. 
Herr Raimund nahm jetzt die Wickelkindpuppe, 
kegle sie in das Bettchen der kleinen Liese und sagte: 
„Schau, wer heut' aber bei Dir schlaft! Die liebe 
Puppe liegt schon drin'» in Tein' Bctterl. Sie 
wart't schon, bis sich ihre Mutier zu ihr legt. Ge¬ 
schwind, laß Dich auszieh'n, sonst fängt's zu tvei- 
nen an." . , _ , 
Das Kind begriff und ließ sich gutwillig aus» 
kleiden. Bald lag es, die Puppe im Arm, im 
ruhigen Schlummer. 
Nach einigen Wochen hatte sich die Kleine an die 
«eue Umgebung gewöhnt. Sie fragte nie mebr nach 
ihrer „Muatta": zuerst hatte sie es Unterlasten da 
ihr jede solche Frage ein böses, zorniges Wort aus 
dem Munde der Frau, die nun ihre Mutter war, 
eintrug; später war die Erinnerung an dre Land¬ 
frau in ihrem kleinen Gehirn verblaßt. 
Trotzdem Klein-Liese nun aber im Elternhause 
heimisch war, verging doch fast kein Tag. an dem es 
Nicht irgend etwas „gab", denn sie stellte bald dies. 
der sich bereits als ungangbar erwiesen hat. Wes¬ 
halb? Um Zeit zu gewinnen für die Revo¬ 
lution, auf die er spekuliert! 
Wie wenig Verlaß auf Herrn TrotzkiS jeweilige 
Erklärungen und Handlungen ist, hoben auch die 
Ukrainer erfahren. Erst nahm Trotzki die Ab¬ 
geordneten der ukrainischen Rada an seine grüne 
Seite und behandelte sie als Träger der Selbstbe¬ 
stimmung ibres Landes. Als er aber sah, daß diese 
Leute selbständige Absichten hatten,^ entfachte er eine 
Spaltung in der Ukraine und erklärte jetzt. die bis. 
herigen Tischgenossen aus Kiew seien überhaupt 
nickt berechtigt. sondern müßten durch eine bolsche¬ 
wistische Abordnung aus Charkow ersetzt werden. 
Die Herren aus Kiew waren nämlich bereit. Frle- 
den zu schließen, und das will Herr Trotzki nicht. 
Warum muß man auf diese Windungen und 
Widersvrüch« von neuem Hinweisen? Weil e» in 
Deutschland noch kurzsichtige Leute gibt, die Trotzki 
und seine Bolschewik! für Friedens, und Bolks- 
freunde holten. Ja sogar Leute, die zu Ehren die- 
ser hinterlistigen Friedensvermiitler sich an einem 
sinnlosen Demonstratio n s st r e i k bewiliaeu. 
Sinnlos deshalb, west die Verführten nach Frieden 
rufen und durch ibr Getue das Friedenswerk stören, 
ja zu vereiteln drohen. 
Trotzki hält die Drähte, an denen diese Puppen 
tanzen. Derselbe Trotzki. der die Friedensverband- 
lungen zielbcwußt mifbält. Mitleidslos, wie er den 
Büroerkrieg in Rustlnnd betreibt, wünscht er auch 
die Fortsetzung des Krieges im Westen, weil er hofft' 
die Völker würden durch das wachsende Elend reif 
zu Revolutionen. Er will die Welt nach der 
Metbode von Dr. Eisenbart kurieren. 
Zu diesem Verfahren paßt es auch, daß die Pe¬ 
tersburoer Wübler gerade in Oesterreich »nd 
Deutschland Unruhen zu stiften sucken. Eng. 
lcmd und Frankreich, wo die Arbeitersckast größ'en- 
tcils noch am Stranae des Eroberungskrieges zieht, 
lasten ste vorläufig ungeschoren: aber auf die beiden 
Kaisermächte, die auf dem Boden des Verständi- 
gungsfriedens steten und stch den angeblichen Wün- 
schen der Rüsten sehr genähert haben, lasten ste ihre 
reitenden Aufrufe los. Das sieht zweideutig aus, 
wenn man an da« russische „Programm" glaubt. 
Mer man merkt die Absicht, wenn man die Hal- 
tnna Trotzki« durchschaut. Er will Deutschland und 
Oesterreich schwächen, damit sie ibren ^Friedenswil¬ 
len nicht d"r^-e^en kennen. Jede Störung in un¬ 
sren Werkstätten verlängert den Krieg, und das 
wünscht Herr Trotzki, damit sein Bolschewikismus 
von dem Völkerelend profitieren kann. 
Unsere Vertreter in Brest-Litowsk werden nun 
Wohl durch ein entschiedenes Entweder 
— Oder dieser hinterlistigen Taktik ein Ende de- 
reiten. Wollen die Petersburger keinen Sonderfrie¬ 
den. so schließen wir mit den einzelnen Stücken des 
russischen Reiches Teil frieden, soweit cs mög¬ 
lich ist, und kommen auch aus diesem Wege dem er- 
strebten Ziele des Gesamtfriedens näher. 
Es gilt nun, daß das deutsche Volk in allen 
seinen Teilen sich über den Zusammenhang der 
Ding? klar bleibt. Wer sich von Trotzki hat blen. 
den und verführen lasten, der mag sich den Mann 
und seine Ziele im Lickte der neuen Tatsachen etwas 
genauer ansehen und sich dann für die russische Be¬ 
scherung bedanken. ... ,. 
So dumm sind wir Deutschen doch nicht, wre dre 
Petersburger Volksverhetzer glauben. 
Der Krieg im fliesten. 
Die Fliegerangriffe auf London. 
London. 30 Jan. Gestern abend fand eio 
Luftangriff statt, der länger als alle bis jetzt anSge- 
führien war. Er dauerte ununterbrotzeu fünf 
Stunden. DaS Geschützfeuer war kräfliger, das 
Knastern der Maschinengewehre deutlicher als ge¬ 
wöhnlich, und nur die iortdauernde Tätigkeit der 
englischen Flieger, die mit den Angreifern kämpften, 
veranlagten Pansen von wechselnder Dauer. Dann 
brach daS Feuer wieder von neuem ans, wenn wie- 
der eine neue Gruppe Maschinen erschien. 
«ab London, 30. Jan. lRenier.) Amtlich wird 
gemeldet: Die Verluste bei dem Luftangriff 
gestern nackt betniaen 14 Männer, 17 Frauen, 
16 Kinder tot, 93 Männer, 59 Frauen und 17 K »der 
verwundet. Mit Ausnahme eines Toren und sieben 
Verwundeten kam eS zu keinem De, Inst in London 
selbst. Der Schaden ist nicht bedenlend. 
*tb Haag, 30 Jan. Hollondsch NieuwSlmreau meldet 
aus London: Die Londoner Presse beschäftigt sich immer 
noch mit dem vorletzten Luftangriff «uf London, da 
dieser eine ungeheuer große Zahl von Opfern 
erfordert habe, besonder» im östlichen teile der Stadt. 
An einer Stelle sind 17 Personen getötet worden, wäh. 
rcnd sie versuchten, einen sicheren Unterstand zu er¬ 
reichen. Die Meng« kam von beiden Seiten zugleich 
und versperrte sich durch da» Aedränge den Eingang. 
Mitten in diesen Menichenknäuel hinein fiel eine Bombe. 
Die meisten der getöteten Personen waren Ausländer 
(?), die sich sehr aufgeregt benahmen. In einem o".- 
deren stall fiel eine Bombe auf ein Hau», in dessen 
Keller über 200 Personen, meist Frauen und Kinder, 
Sicherheit gesucht hatten. Die Äoinbe schlug quer durch 
da» Gebäude bi» rn da» Kellergeschoß. E« entstand 
sofort ein Brand. Durch die Explosion der Bombe 
waren große Mauerstucke lo» criffen, die den AuSgang 
fast völlig vcriperrten. viele Leute verbrannten 
bei lebendigem Leibe. Die so'vrt herbcigeholte Feuer¬ 
wehr konnte nicht» tun, o!S da» Kellergeschoß unter 
Wasser setzen, um den Brand zu löschen - 
Tie »Morning Post" versucht diesen Ei druck abzu- 
Ichwäckcn, indem sie daranf hinweist, daß die jüngsten 
Angriffe britUchcr Flieger auf Diedenhosen und auf 
die Eisenbahnknotenpunkte von BernSdorf und südlich 
von Metz gute militärische Erfol e gehabt hätten. 
Der französische Rentner im Schraubstock. 
Dem französischen Rentnerstande geht es bitter» 
bös, und das hat ssir Frankreich etwas Besonderes 
zu bedeuten, denn kein Land hat so viele Rentner 
wie Frankreich, in keinem Lande spielt dieser Stand 
daher eine solche Rolle. Es sind nicht die schwerrei¬ 
chen Leute, die hier in Betracht kommen, sondern 
die sogenannien „Sechsdreier-Rentners", denn jeder 
Franzose sieht e« als sein Lebensziel an, sich zum 
fünfzigsten Lebensjahr m.it einer bescheidenen Rente 
zur Ruhe zu setzen. Ter Rentnerstand ist also in 
k 
bald ienes an. verschleppte nach kleiner Kinder Art 
der Mutter Näbzeug oder krabbelte in der Küche 
herum und räumte da« Geschirr aus de» Kästen 
oder fing an zu „kochen", wozu sie der Köchin oller- 
lei Biktnalien, Mehl, Salz. Zucker abbettelte. DaS 
aber waren in den mütterlichen Augen lauter Ver¬ 
brechen und Fran Raimund rang dir Hände und 
schrie Zeter und Mordio über das gräßliche Kind. 
Dieses war aber keineswegs bereit, sein Verbrechen 
einzusehen, sondern schrie seinerseits auch, was eS 
konnte, und antwortete ans die mütterlichen Sreiche 
mit beftigem Stampfen seiner steinen Beine. 
Wiederbolt kam es vor. daß Herrn Raimund 
schon im Stieornbaus solch ein Lärm entgegen, 
schall'?. daß er lieber die Flucht ergriffen hätte, wäre 
er nicht solch ein Mann pünktlicher Gewohnheit ge- 
wesen. 
„Gott sei Dank, daß Du da bist." ries ibm dann 
seine Frau entgeaen. „denk Dir, was dos Mädel 
wieder anaestellt bat." und er mußte nun die weit¬ 
läufige Erwbluna der neuesten Missetat Lieses an- 
hören. Meist fand er gar nicktS daran. 
„Mein Gott, sie ist balt ein stemes Kind! Was 
willst Du baden von einem dreijährigen Kinderl? 
Sei gut. Liese, wein' nicht, komm zu wir und gib 
mir Dein .Handerl!" 
Das wirkte bei dem Kinde sofort besänftigend, 
bei der Mutter iedoch goß es Oel ins^Feucr. 
„Was, Du nimmst den Fratzen in Sckutz. als ob 
ich ihm unrecht tät'? Das ist eine schöne Erziehung! 
Na, aut. daß Tu so wenia da bist, das würd' ein 
Früchterl unter Deiner Leitung. Von dem red'tst 
Du aber nichts, daß'ick mich zu Tod äraere, statt 
mir eine Hilf' aufzunebmen, aber ich erspar' das 
Geld lieber, Hab' so mit Dienstboten, solch' Spitzeln, 
im Haus genug und vlag' mich lieber selbst niit dem 
Ekel. Natürlich. Einseh'n bast Tu kein-S, aber die 
reine Affenlieb' für da« Mädel!" 
So ging's fort, ostne Ende, ein Schwall, eine 
Flut von groben, lieblosen Worten. 
Bis dem reizbaren. jähzorniaen Mann einma 
die Geduld riß und er auch seiners-its der Frau 
allerlei unschöne. böle Dinge ins Gesicht sagte. _ 
Und bis er einmal — blaurot im Gesicht und 
mit funkelnden Augen wie damals — die plötzlich 
zitternde Frau packte und seine schwere, fleischige 
Rechte auf ihre Wange niedersausen ließ. . . . 
Die Ursache des Streites, der kleine Zankapfel, 
hat sich irgendwo in einem Winkel des Zimmers 
verkrochen. 
Am anderen Tage geht die Mutter mit ringe- 
bundenem Gesicht herum und erzählt den Dienst, 
boten, daß sie eine Zahngeschwulst habe. 
Liese aber wundert sich und sagt in Gegenwart 
der Dtadchen: 
„Ich werd' dem Vater sagen, daß er Dich nim- 
wer schlagen soll . . ." 
Cie kann nicht vollenden, wütend schlendert sie 
Frau Raimund ins Zimmer hinein, daß sie an eine 
Tischccke stiegt und sich ein Loch in die Stirne schlägt. 
Und der Hatz im Herzen, wo Liebe wohnen sollte, 
wächst, wächst.... 
Liese wuchs zum Schulkind« heran. Sie war eine 
ebenso schwache Schülerin, wie ihre Muster kinst 
gewesen war. Nur daß sie das nicht wußte. Des¬ 
halb steckte sie die endlosen Mahn- und Tadelworte 
ihrer Mutter halb zerknirscht, halb trotzig ein. 
Trotzdem sie viele Strafen bekam, ging sie jedoch 
sehr gern in die Schule. Tenn da war sie unter 
ihresgleichen. Mit den schlimmsten und ausgelassen¬ 
sten Mädcken hielt sie zusammen, unterstützte sie bei 
der Ausführung loser Streiche, nahm mit Begeiste¬ 
rung all ibre Untaten an und log für sie, um sie 
vor Bestrafung zu schützen. Was half cs, daß ibre 
Mutter immer wieder zur Lehrerin kam und die¬ 
selbe mit großem Wortschwall ersuchte, ja recht streng 
zu sein mit dem. wilden Kinde, keine Strafe unver- 
sucht zu lassen. 
„Ach," schloß sie dann mit einem Seufzer, „was 
ür Sorgen macht mir dieses Kind! Tag und Nacht 
inne ich, was aus ihr noch werden niag, wenn sie 
"ich nicht bessert. Jedes Gassenkuld ist, glaube ich, 
dichter zu erziehen." —- 
Frankreich auf das engste mit dem Handwerker-, 
Kleinbürger- und Arbeiterstand verknüpft, er bildet 
die beste Stütze der Staatsform, denn er lebt von 
den Zinsen der Staatspapiere. Seit dem Bündnis 
mit Rußland vor 25 Jahren sind auch Milliardeit 
'ffiick^r Anleihen dem französischen Klemkapita. 
listen zugewälzt, und mit Heulen und Zahneklap. 
zern hat dieser die Meldungen über den unvermerd- 
lichcn Staatsbankerott des ehemaliocn Bundesbru- 
ders verfolgt, für dessen Schulden Frankreich selb,t 
schon die letzten fälligen Zinsesraien bezahlte, ^etzst 
ist es ater damit vorbei. Und Nacht wird es auch 
am Himmel der eigenen französ^en Staatsfinan¬ 
zen. Frankreich bat in diesem Kriege bisher etwa 
90 Milliarden aufgewcndet. für die keine Deckung 
vorhanden ist. Das ftanzösische Nationalvermögen 
ist zum Kriegsanfang auf etwa 225 Milliarden nach 
amtlichen AÜfstellun-en be-iffert, so daß also nicht 
mehr viel davon fehlt, daß die Hälfte dessen, was 
Frankreic'jan Merten besitzt, vom Kriege bald auf¬ 
gefressen sein Wird. Was das bedeutet, braucht nicht 
weiter gesagt zu werden, es braucht auch nicht gcsaat 
" werden, daß der Fran^enffirs dadurch auf das 
unheilvollste beeinflußt werden muß. denn die ge¬ 
genwärtige künstliche Hochhaltung wird von selbst 
ibr Ende baden. Und wo bleibt dann der Rentner- 
stand? Die monarchistischen Umtriebe in Frank- 
reich, von dencn jetzt viel die Rede ist. müssen einen 
guten Nährboden finden, die Republik ist in ihrer 
Bevölkerung wie in ihren Finanzen kaput. 
Russloiuf. 
Nit fr che Abrüstung. 
Paris. 29. Jan. Nach den Petersburger, Blät- 
tern beschloß die marimalistischc Regierung, die De- 
mobilisa'ion der russischen Armee noch vor dem 
Frühling durchzuführen. 
Eine Armee der Kadetten. 
Bern, 30. Jan. Der Schw izer Preßtelegroph 
meldet aus Peieisburg: Der Miliiärra, der Ka¬ 
detten da» den General Alex e j ew, der zeitwestig 
Oberbefehlshaber der oonze» A,mee war, erniäch- 
lrgt, eine Armee zur Verteidigung der Nationaivec- 
iammlung zu bilden. 
D e Revolution in Finland. 
lieber die Entwickluna der sozialen Revolution 
in Finland liegt eine Reihe widerspiechender Nach- 
richten vor. Nach einer Meldung ist der Senat 
(die Regierung» gestürzt woiden, nach einer anderen 
Meldung ist sie noch im Amr, nach einer diitien 
Metdung hat sie Helsingfors verlasse». Ueberein- 
stimmend »vird bericht« t, daß in Nordfintand die 
Bürgergarde üb«r die revolu ionäre Rote Gaide 
siegle. Ueber die Lage in an'«eien Landesleilen ist 
nichis zuverlässiges bekannr. Abo, Helsingfors sowie 
der größie Teil der Gegend bei Wiborg befinden 
sich in den Händen der Revolutionäre. Bleher 
wurden in Nordsinland 5000 Soldaien entlvassnet. 
Eine größere Zahl vou Ei'enbahnblücken wmde 
geiprengt, wodurch die Beibiudungen staik er!chwert 
werden. Der ichwediiche Regieruncsverirerer be- 
findet sich noch in Helsingfors, doch ist ein Extrozug 
mit jchwediichen Fl«'chtlincen zur Grenze abgegangen. 
Die Stockholmer sinische Gesandtschaft erhielt ein 
Telegramm, worin das Berbleiben der biirgerlichen 
Regierung mitgeteilt, sowie die Berbasiung des 
Präsidenten LvinhusvubdementierNvird. An mehre,en 
Orten wurden dre Aus,ühier nach e>bsttciten Kämpfen 
von der zahlenmäßig unteilegenen sinrjchen Büraer- 
garde geschlagen.- Tie büroerliche Regierung erließ 
eine Prollamalion, dag die Aufrechieihaliung der 
Oor nung die Vorbedingungen vou Finlands Selb¬ 
ständigkeit und leiner Zukunft iei._ 
Frau Grete war auch wirklich von der Schlech¬ 
tigkeit ihres Kindes überzeugt. Wer es hören wollte, 
konnte es hören» das Klagelied der Mutter. , 
„Schon als dreijähriges Kind hat sie mir den 
Gehorsam verweigert!" rief Grete mit Pathos. „Ach/ 
du lieber Gott, was Hab' ich nicht alles getan, dein 
Kinde Gesittung und Manier beizubringen, Strafen 
und Schläge, Ermahnungen und gutes Zureden — 
alles umsonst. Sie ist und bleckt ein Ausbund an 
Widersetzlichkeit. Trotz und Lügenhastigkcrt." 
Mit der Lügenhaftigkeit halte es aber seine gute 
Ursache. Welches Kind bricht oder zerstört nicht 
hier und da etwas? Sei es nun aus Ungeschicklich- 
keit oder Vorwitz, ein Ding auf seinen Inhalt zu 
prüfen. So machle es auch dre Lisl. 
Einmal hatte sie die Tür der Kredenz offen- 
stehend gefunden. Die hell blinkenden vlläser, die 
geblümten Schüsseln zogen ihre Aufmerksamkeit auf 
sich. Verlangend streckte sie das Händchen nach einem 
weiter rückwärts stehenden Pokal aus, faßte densel¬ 
ben und versuchte ihn hcrvorzuziehcn. Aber, o weh, 
da stieß Liese an die in schöner Reihe stehenden 
Likörglasä)en, zwei davon fielen um und klirr, waren 
di» dünnen, zarten Glasstielcken, welche die farbigen 
Kelche trugen, -'itzwei. Erschrocken ließ Liese den 
Pokal los, dieser lag nun umgeslürzt, doch glück- 
licherweise unverletzt an seinem Platz. Eben wollte 
das Kind angsterfüllt die Flucht ergreifen, da stand 
schon seine Mutter wie die strafende Nemesis in der 
Person an ifir Türschwelle. 
„Was bast Tu jetzt angestellt, Du nixnutziger, un¬ 
verbesserlicher Fratz!" silhr Grete die Kleine an. 
„Nichts, gar nichts!" log diese in ihrer Angst. 
Sie sah schon im. Geiste die erhobene Rute i» der 
Hand der unnachsichtigen Mutter. Diese hatte in¬ 
zwischen den Schaden entdeckt. 
„Das ist nichts?" schrie sie zornig und warf die 
Trümmer der zwei Gläschen zu Boden, daß ste in 
tausend kleine Splitter zci achcn. „Ich werd' Dir 
geben. Du Lügnerin!" Und schon saß ein Schwg 
auf der Wange des Kindes. 
„So. und'das ist sürs Zerbrechen!" Eine zwecke 
schallende Ohrfeige.
	        
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