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Nr. 26.
Donnerrtag den 3). Januar 1918.
45. Zahrgang.
Erfolgreiche Angriffe auf Snglarld u»rv die französische Nordküste
Zer ilevtsche Tagesbericht.
/ »rtb Trotzes Hauptquartier, 30. Jan.
Westlicher KriegSlchauvlatz.
L« verschiedenen Stellen der Front Artille¬
rie« und MinenwerferkSmpfe.
Die Jnfanterictätigkeit blieb auf ErkundnugSge.
fechte beschränkt.
Unsere Flieger führten erfolgreiche Angriffe aus
England und die französische Nordküst« durch.
London und Southend, sowie Dünkir«
che«, Gravelines und Calais wurden mit
Bomben beworfen.
Im Luftkampf wurden gestern 8 feindliche Flug¬
zeuge und 2 Fesselballone abgeschossen.
Oestlick> er Kriegsschauplatz
Nichts Neues.
Mazedonische Front.
Der Dorstotz feindlicher Kompagnien gegen bul¬
garische Feldwachstellungen nordöstlich vom Doiran-
See wurde abgewiesen.
Italienische Front
Auf der Hochfläche von «s i a g o haben die Jta.
liener mit starken Kräften ihr« Angriffe fort,esetzt.
Im Gebiete de» Monte Sisemol find sie unter schwe.
reu Verlusten gescheitert. Der Monte di Val
Bella und Col del Rosio blieben nach hartem Kamps
in Händen de» Feindes.
Der Erste Meneraloua-tiermeister: Ludendorss.
«tb Berlin, 80. Jan., abends. (Amlkich.)
Von den Kriegsschauplätzen nicht» Neues.
£e)'(t,re’,dtt!4: „„«rischer Tagesbericht,
wtb Wien, 30. Jan.
Die schweren Kämpfe auf der H o ch s l 8 che v o n
Asiago dauern an. Südwestlich von Asiago und
im Gebiete de» Monte Sffemel scheiterten alle ita¬
lienischen Angriff« unter großen blutigen Verlusten.
Der Mont« di Val Bella und der Col del
Rosse mutzten nach heldenmütiger Verteidigung
und zähem Ringen den an Zahl immer stärker her-
angesührten feindlichen Kräften überlasten werden.
Der Chef dcS GencralstadS.
Trotzt! als -eS Friedens.
Ms der rustische Volkskommissar nach Spren¬
gung der Volksvertretung die Rückfahrt nach Brest
antrat, hat er der Welt sein „verbessertes" Pro¬
gramm verkündet, das recht lehrreich ist. Erstens
will er keinen Sonderfrieden, sondern all¬
gemeine Friedensverhandlungen. Zweitens bekennt
ex sich offen zu dem Plan, durch das europäische
Proletariat die bestehenden bürgerlichen Regierun.
gen unterminieren und stürzen, zu lasten, d. h.: Re¬
volutionen a n z u st i f t e n, wo es nur möglich
ist, dqmit die Welt an der „Glückseligkeit" teilnimmt,
die ieht in Rußland herrscht.
Wenn der allgemeine Frieden vorgeschoben wird,
so läuft das auf nichts anderes hinaus, als auf die
Vereitelung des begonnenen Friedenswerk.'s.
Die russischen Vertreter fingen an mit klangvol¬
len Vorschlägen für den allgemeinen Frieden. Hn*
fere Vertreter sagten: Schön, wir wollen ehrlich
den Frieden und beschreiten jeden Weg, der zu die¬
sem Ziele führen kann. Also macht den Versuch, eure
bisherigen Verbündeten zu den Verhandlungen zu.
zuzieben. Wir wollen zehn Tage lang auf ihren An¬
schluß warten!
Die zehn Tage verstreichen, und es wurden so¬
gar zwölf daraus. Die bisherigen Verbündeten
kommen nicht. Es blieb also den Russen nichts an.
deres übrig, als das Friedensbedürfnis ihres eige¬
nen Landes zu befriedigen, also über den Sonderfrie¬
den zu verbandeln.
Das paßte aber Herrn Trotzki nicht, und so ver¬
suchte er ein neues Hemmnis zu schaffen durch den
willkürlichen Antrag, den Sitz der Verbandlungen
z u v e r l eg e n. Als der iVerbund diese Finte ent¬
schieden abwehrte, setzte sich Trotzki an den Verband,
lungstisch und erkannte ausdrücklich an, daß es sich
nunmehr um einen Sonderfrieden handele.
Dann aber redete er und redete er so ins Blaue und
Endlose hinein, daß tatsächlich der Sonderfriede
nicht vorwärts kommen konnte. Der Zusam¬
mentritt der Nationalversammlung gab einen neuen
Anlaß zur Unterbrechung der Verhandlungen. Nach¬
dem nun die Nationalversammlung aesprengt und
das Selbstbestimmungsrecht des russischen Volkes
durch Schiffsgeschütze und Maschinengewehre ersetzt
worden ist, glaubt Herr Trotzki die Maske fallen las.
sen zu können und sagt offen, er wolle überhaupt
keinen Sonderfrieden.
Also den gangbaren Weg zum Frieden lehnt
er ab und will wieder den Irrweg bcschreiten,
* Liefe.
Die Geschichte eines Stiefkindes.
7) Bon Maria Köck.
Beim Schlafengehen verlangte Liest heftig nach
ihrer „Muata".
„Aber schau, ich bin ja Deine Mutter," sagte
Grete und streichelte das wirre Haar der Kleinen.
Diese schüttelte energisch den Kopf.
„Gefall' ich Dir denn gar nicht?" fragte Grete.
I „Na."
„Warum denn nicht?"
„Muatta Kopftüchl — Du nit."
„Na also, jetzt weißt's." lachte Raimund, „ein
Kopftuch mußt Du umbinden, wenn's Dir die Huld
Deiner Tochter erwerben willst."
„Soll ich mir vielleicht die Zuneigung von dem
Kind mit allerhand Mitteln erschleichen?" rief Gre!e
bissig. „Wenn s mich nicht gern haben will, soll
fie'S bleiben lasten."
Und sie wendete sich ab.
Herr Raimund nahm jetzt die Wickelkindpuppe,
kegle sie in das Bettchen der kleinen Liese und sagte:
„Schau, wer heut' aber bei Dir schlaft! Die liebe
Puppe liegt schon drin'» in Tein' Bctterl. Sie
wart't schon, bis sich ihre Mutier zu ihr legt. Ge¬
schwind, laß Dich auszieh'n, sonst fängt's zu tvei-
nen an." . , _ ,
Das Kind begriff und ließ sich gutwillig aus»
kleiden. Bald lag es, die Puppe im Arm, im
ruhigen Schlummer.
Nach einigen Wochen hatte sich die Kleine an die
«eue Umgebung gewöhnt. Sie fragte nie mebr nach
ihrer „Muatta": zuerst hatte sie es Unterlasten da
ihr jede solche Frage ein böses, zorniges Wort aus
dem Munde der Frau, die nun ihre Mutter war,
eintrug; später war die Erinnerung an dre Land¬
frau in ihrem kleinen Gehirn verblaßt.
Trotzdem Klein-Liese nun aber im Elternhause
heimisch war, verging doch fast kein Tag. an dem es
Nicht irgend etwas „gab", denn sie stellte bald dies.
der sich bereits als ungangbar erwiesen hat. Wes¬
halb? Um Zeit zu gewinnen für die Revo¬
lution, auf die er spekuliert!
Wie wenig Verlaß auf Herrn TrotzkiS jeweilige
Erklärungen und Handlungen ist, hoben auch die
Ukrainer erfahren. Erst nahm Trotzki die Ab¬
geordneten der ukrainischen Rada an seine grüne
Seite und behandelte sie als Träger der Selbstbe¬
stimmung ibres Landes. Als er aber sah, daß diese
Leute selbständige Absichten hatten,^ entfachte er eine
Spaltung in der Ukraine und erklärte jetzt. die bis.
herigen Tischgenossen aus Kiew seien überhaupt
nickt berechtigt. sondern müßten durch eine bolsche¬
wistische Abordnung aus Charkow ersetzt werden.
Die Herren aus Kiew waren nämlich bereit. Frle-
den zu schließen, und das will Herr Trotzki nicht.
Warum muß man auf diese Windungen und
Widersvrüch« von neuem Hinweisen? Weil e» in
Deutschland noch kurzsichtige Leute gibt, die Trotzki
und seine Bolschewik! für Friedens, und Bolks-
freunde holten. Ja sogar Leute, die zu Ehren die-
ser hinterlistigen Friedensvermiitler sich an einem
sinnlosen Demonstratio n s st r e i k bewiliaeu.
Sinnlos deshalb, west die Verführten nach Frieden
rufen und durch ibr Getue das Friedenswerk stören,
ja zu vereiteln drohen.
Trotzki hält die Drähte, an denen diese Puppen
tanzen. Derselbe Trotzki. der die Friedensverband-
lungen zielbcwußt mifbält. Mitleidslos, wie er den
Büroerkrieg in Rustlnnd betreibt, wünscht er auch
die Fortsetzung des Krieges im Westen, weil er hofft'
die Völker würden durch das wachsende Elend reif
zu Revolutionen. Er will die Welt nach der
Metbode von Dr. Eisenbart kurieren.
Zu diesem Verfahren paßt es auch, daß die Pe¬
tersburoer Wübler gerade in Oesterreich »nd
Deutschland Unruhen zu stiften sucken. Eng.
lcmd und Frankreich, wo die Arbeitersckast größ'en-
tcils noch am Stranae des Eroberungskrieges zieht,
lasten ste vorläufig ungeschoren: aber auf die beiden
Kaisermächte, die auf dem Boden des Verständi-
gungsfriedens steten und stch den angeblichen Wün-
schen der Rüsten sehr genähert haben, lasten ste ihre
reitenden Aufrufe los. Das sieht zweideutig aus,
wenn man an da« russische „Programm" glaubt.
Mer man merkt die Absicht, wenn man die Hal-
tnna Trotzki« durchschaut. Er will Deutschland und
Oesterreich schwächen, damit sie ibren ^Friedenswil¬
len nicht d"r^-e^en kennen. Jede Störung in un¬
sren Werkstätten verlängert den Krieg, und das
wünscht Herr Trotzki, damit sein Bolschewikismus
von dem Völkerelend profitieren kann.
Unsere Vertreter in Brest-Litowsk werden nun
Wohl durch ein entschiedenes Entweder
— Oder dieser hinterlistigen Taktik ein Ende de-
reiten. Wollen die Petersburger keinen Sonderfrie¬
den. so schließen wir mit den einzelnen Stücken des
russischen Reiches Teil frieden, soweit cs mög¬
lich ist, und kommen auch aus diesem Wege dem er-
strebten Ziele des Gesamtfriedens näher.
Es gilt nun, daß das deutsche Volk in allen
seinen Teilen sich über den Zusammenhang der
Ding? klar bleibt. Wer sich von Trotzki hat blen.
den und verführen lasten, der mag sich den Mann
und seine Ziele im Lickte der neuen Tatsachen etwas
genauer ansehen und sich dann für die russische Be¬
scherung bedanken. ... ,.
So dumm sind wir Deutschen doch nicht, wre dre
Petersburger Volksverhetzer glauben.
Der Krieg im fliesten.
Die Fliegerangriffe auf London.
London. 30 Jan. Gestern abend fand eio
Luftangriff statt, der länger als alle bis jetzt anSge-
führien war. Er dauerte ununterbrotzeu fünf
Stunden. DaS Geschützfeuer war kräfliger, das
Knastern der Maschinengewehre deutlicher als ge¬
wöhnlich, und nur die iortdauernde Tätigkeit der
englischen Flieger, die mit den Angreifern kämpften,
veranlagten Pansen von wechselnder Dauer. Dann
brach daS Feuer wieder von neuem ans, wenn wie-
der eine neue Gruppe Maschinen erschien.
«ab London, 30. Jan. lRenier.) Amtlich wird
gemeldet: Die Verluste bei dem Luftangriff
gestern nackt betniaen 14 Männer, 17 Frauen,
16 Kinder tot, 93 Männer, 59 Frauen und 17 K »der
verwundet. Mit Ausnahme eines Toren und sieben
Verwundeten kam eS zu keinem De, Inst in London
selbst. Der Schaden ist nicht bedenlend.
*tb Haag, 30 Jan. Hollondsch NieuwSlmreau meldet
aus London: Die Londoner Presse beschäftigt sich immer
noch mit dem vorletzten Luftangriff «uf London, da
dieser eine ungeheuer große Zahl von Opfern
erfordert habe, besonder» im östlichen teile der Stadt.
An einer Stelle sind 17 Personen getötet worden, wäh.
rcnd sie versuchten, einen sicheren Unterstand zu er¬
reichen. Die Meng« kam von beiden Seiten zugleich
und versperrte sich durch da» Aedränge den Eingang.
Mitten in diesen Menichenknäuel hinein fiel eine Bombe.
Die meisten der getöteten Personen waren Ausländer
(?), die sich sehr aufgeregt benahmen. In einem o".-
deren stall fiel eine Bombe auf ein Hau», in dessen
Keller über 200 Personen, meist Frauen und Kinder,
Sicherheit gesucht hatten. Die Äoinbe schlug quer durch
da» Gebäude bi» rn da» Kellergeschoß. E« entstand
sofort ein Brand. Durch die Explosion der Bombe
waren große Mauerstucke lo» criffen, die den AuSgang
fast völlig vcriperrten. viele Leute verbrannten
bei lebendigem Leibe. Die so'vrt herbcigeholte Feuer¬
wehr konnte nicht» tun, o!S da» Kellergeschoß unter
Wasser setzen, um den Brand zu löschen -
Tie »Morning Post" versucht diesen Ei druck abzu-
Ichwäckcn, indem sie daranf hinweist, daß die jüngsten
Angriffe britUchcr Flieger auf Diedenhosen und auf
die Eisenbahnknotenpunkte von BernSdorf und südlich
von Metz gute militärische Erfol e gehabt hätten.
Der französische Rentner im Schraubstock.
Dem französischen Rentnerstande geht es bitter»
bös, und das hat ssir Frankreich etwas Besonderes
zu bedeuten, denn kein Land hat so viele Rentner
wie Frankreich, in keinem Lande spielt dieser Stand
daher eine solche Rolle. Es sind nicht die schwerrei¬
chen Leute, die hier in Betracht kommen, sondern
die sogenannien „Sechsdreier-Rentners", denn jeder
Franzose sieht e« als sein Lebensziel an, sich zum
fünfzigsten Lebensjahr m.it einer bescheidenen Rente
zur Ruhe zu setzen. Ter Rentnerstand ist also in
k
bald ienes an. verschleppte nach kleiner Kinder Art
der Mutter Näbzeug oder krabbelte in der Küche
herum und räumte da« Geschirr aus de» Kästen
oder fing an zu „kochen", wozu sie der Köchin oller-
lei Biktnalien, Mehl, Salz. Zucker abbettelte. DaS
aber waren in den mütterlichen Augen lauter Ver¬
brechen und Fran Raimund rang dir Hände und
schrie Zeter und Mordio über das gräßliche Kind.
Dieses war aber keineswegs bereit, sein Verbrechen
einzusehen, sondern schrie seinerseits auch, was eS
konnte, und antwortete ans die mütterlichen Sreiche
mit beftigem Stampfen seiner steinen Beine.
Wiederbolt kam es vor. daß Herrn Raimund
schon im Stieornbaus solch ein Lärm entgegen,
schall'?. daß er lieber die Flucht ergriffen hätte, wäre
er nicht solch ein Mann pünktlicher Gewohnheit ge-
wesen.
„Gott sei Dank, daß Du da bist." ries ibm dann
seine Frau entgeaen. „denk Dir, was dos Mädel
wieder anaestellt bat." und er mußte nun die weit¬
läufige Erwbluna der neuesten Missetat Lieses an-
hören. Meist fand er gar nicktS daran.
„Mein Gott, sie ist balt ein stemes Kind! Was
willst Du baden von einem dreijährigen Kinderl?
Sei gut. Liese, wein' nicht, komm zu wir und gib
mir Dein .Handerl!"
Das wirkte bei dem Kinde sofort besänftigend,
bei der Mutter iedoch goß es Oel ins^Feucr.
„Was, Du nimmst den Fratzen in Sckutz. als ob
ich ihm unrecht tät'? Das ist eine schöne Erziehung!
Na, aut. daß Tu so wenia da bist, das würd' ein
Früchterl unter Deiner Leitung. Von dem red'tst
Du aber nichts, daß'ick mich zu Tod äraere, statt
mir eine Hilf' aufzunebmen, aber ich erspar' das
Geld lieber, Hab' so mit Dienstboten, solch' Spitzeln,
im Haus genug und vlag' mich lieber selbst niit dem
Ekel. Natürlich. Einseh'n bast Tu kein-S, aber die
reine Affenlieb' für da« Mädel!"
So ging's fort, ostne Ende, ein Schwall, eine
Flut von groben, lieblosen Worten.
Bis dem reizbaren. jähzorniaen Mann einma
die Geduld riß und er auch seiners-its der Frau
allerlei unschöne. böle Dinge ins Gesicht sagte. _
Und bis er einmal — blaurot im Gesicht und
mit funkelnden Augen wie damals — die plötzlich
zitternde Frau packte und seine schwere, fleischige
Rechte auf ihre Wange niedersausen ließ. . . .
Die Ursache des Streites, der kleine Zankapfel,
hat sich irgendwo in einem Winkel des Zimmers
verkrochen.
Am anderen Tage geht die Mutter mit ringe-
bundenem Gesicht herum und erzählt den Dienst,
boten, daß sie eine Zahngeschwulst habe.
Liese aber wundert sich und sagt in Gegenwart
der Dtadchen:
„Ich werd' dem Vater sagen, daß er Dich nim-
wer schlagen soll . . ."
Cie kann nicht vollenden, wütend schlendert sie
Frau Raimund ins Zimmer hinein, daß sie an eine
Tischccke stiegt und sich ein Loch in die Stirne schlägt.
Und der Hatz im Herzen, wo Liebe wohnen sollte,
wächst, wächst....
Liese wuchs zum Schulkind« heran. Sie war eine
ebenso schwache Schülerin, wie ihre Muster kinst
gewesen war. Nur daß sie das nicht wußte. Des¬
halb steckte sie die endlosen Mahn- und Tadelworte
ihrer Mutter halb zerknirscht, halb trotzig ein.
Trotzdem sie viele Strafen bekam, ging sie jedoch
sehr gern in die Schule. Tenn da war sie unter
ihresgleichen. Mit den schlimmsten und ausgelassen¬
sten Mädcken hielt sie zusammen, unterstützte sie bei
der Ausführung loser Streiche, nahm mit Begeiste¬
rung all ibre Untaten an und log für sie, um sie
vor Bestrafung zu schützen. Was half cs, daß ibre
Mutter immer wieder zur Lehrerin kam und die¬
selbe mit großem Wortschwall ersuchte, ja recht streng
zu sein mit dem. wilden Kinde, keine Strafe unver-
sucht zu lassen.
„Ach," schloß sie dann mit einem Seufzer, „was
ür Sorgen macht mir dieses Kind! Tag und Nacht
inne ich, was aus ihr noch werden niag, wenn sie
"ich nicht bessert. Jedes Gassenkuld ist, glaube ich,
dichter zu erziehen." —-
Frankreich auf das engste mit dem Handwerker-,
Kleinbürger- und Arbeiterstand verknüpft, er bildet
die beste Stütze der Staatsform, denn er lebt von
den Zinsen der Staatspapiere. Seit dem Bündnis
mit Rußland vor 25 Jahren sind auch Milliardeit
'ffiick^r Anleihen dem französischen Klemkapita.
listen zugewälzt, und mit Heulen und Zahneklap.
zern hat dieser die Meldungen über den unvermerd-
lichcn Staatsbankerott des ehemaliocn Bundesbru-
ders verfolgt, für dessen Schulden Frankreich selb,t
schon die letzten fälligen Zinsesraien bezahlte, ^etzst
ist es ater damit vorbei. Und Nacht wird es auch
am Himmel der eigenen französ^en Staatsfinan¬
zen. Frankreich bat in diesem Kriege bisher etwa
90 Milliarden aufgewcndet. für die keine Deckung
vorhanden ist. Das ftanzösische Nationalvermögen
ist zum Kriegsanfang auf etwa 225 Milliarden nach
amtlichen AÜfstellun-en be-iffert, so daß also nicht
mehr viel davon fehlt, daß die Hälfte dessen, was
Frankreic'jan Merten besitzt, vom Kriege bald auf¬
gefressen sein Wird. Was das bedeutet, braucht nicht
weiter gesagt zu werden, es braucht auch nicht gcsaat
" werden, daß der Fran^enffirs dadurch auf das
unheilvollste beeinflußt werden muß. denn die ge¬
genwärtige künstliche Hochhaltung wird von selbst
ibr Ende baden. Und wo bleibt dann der Rentner-
stand? Die monarchistischen Umtriebe in Frank-
reich, von dencn jetzt viel die Rede ist. müssen einen
guten Nährboden finden, die Republik ist in ihrer
Bevölkerung wie in ihren Finanzen kaput.
Russloiuf.
Nit fr che Abrüstung.
Paris. 29. Jan. Nach den Petersburger, Blät-
tern beschloß die marimalistischc Regierung, die De-
mobilisa'ion der russischen Armee noch vor dem
Frühling durchzuführen.
Eine Armee der Kadetten.
Bern, 30. Jan. Der Schw izer Preßtelegroph
meldet aus Peieisburg: Der Miliiärra, der Ka¬
detten da» den General Alex e j ew, der zeitwestig
Oberbefehlshaber der oonze» A,mee war, erniäch-
lrgt, eine Armee zur Verteidigung der Nationaivec-
iammlung zu bilden.
D e Revolution in Finland.
lieber die Entwickluna der sozialen Revolution
in Finland liegt eine Reihe widerspiechender Nach-
richten vor. Nach einer Meldung ist der Senat
(die Regierung» gestürzt woiden, nach einer anderen
Meldung ist sie noch im Amr, nach einer diitien
Metdung hat sie Helsingfors verlasse». Ueberein-
stimmend »vird bericht« t, daß in Nordfintand die
Bürgergarde üb«r die revolu ionäre Rote Gaide
siegle. Ueber die Lage in an'«eien Landesleilen ist
nichis zuverlässiges bekannr. Abo, Helsingfors sowie
der größie Teil der Gegend bei Wiborg befinden
sich in den Händen der Revolutionäre. Bleher
wurden in Nordsinland 5000 Soldaien entlvassnet.
Eine größere Zahl vou Ei'enbahnblücken wmde
geiprengt, wodurch die Beibiudungen staik er!chwert
werden. Der ichwediiche Regieruncsverirerer be-
findet sich noch in Helsingfors, doch ist ein Extrozug
mit jchwediichen Fl«'chtlincen zur Grenze abgegangen.
Die Stockholmer sinische Gesandtschaft erhielt ein
Telegramm, worin das Berbleiben der biirgerlichen
Regierung mitgeteilt, sowie die Berbasiung des
Präsidenten LvinhusvubdementierNvird. An mehre,en
Orten wurden dre Aus,ühier nach e>bsttciten Kämpfen
von der zahlenmäßig unteilegenen sinrjchen Büraer-
garde geschlagen.- Tie büroerliche Regierung erließ
eine Prollamalion, dag die Aufrechieihaliung der
Oor nung die Vorbedingungen vou Finlands Selb¬
ständigkeit und leiner Zukunft iei._
Frau Grete war auch wirklich von der Schlech¬
tigkeit ihres Kindes überzeugt. Wer es hören wollte,
konnte es hören» das Klagelied der Mutter. ,
„Schon als dreijähriges Kind hat sie mir den
Gehorsam verweigert!" rief Grete mit Pathos. „Ach/
du lieber Gott, was Hab' ich nicht alles getan, dein
Kinde Gesittung und Manier beizubringen, Strafen
und Schläge, Ermahnungen und gutes Zureden —
alles umsonst. Sie ist und bleckt ein Ausbund an
Widersetzlichkeit. Trotz und Lügenhastigkcrt."
Mit der Lügenhaftigkeit halte es aber seine gute
Ursache. Welches Kind bricht oder zerstört nicht
hier und da etwas? Sei es nun aus Ungeschicklich-
keit oder Vorwitz, ein Ding auf seinen Inhalt zu
prüfen. So machle es auch dre Lisl.
Einmal hatte sie die Tür der Kredenz offen-
stehend gefunden. Die hell blinkenden vlläser, die
geblümten Schüsseln zogen ihre Aufmerksamkeit auf
sich. Verlangend streckte sie das Händchen nach einem
weiter rückwärts stehenden Pokal aus, faßte densel¬
ben und versuchte ihn hcrvorzuziehcn. Aber, o weh,
da stieß Liese an die in schöner Reihe stehenden
Likörglasä)en, zwei davon fielen um und klirr, waren
di» dünnen, zarten Glasstielcken, welche die farbigen
Kelche trugen, -'itzwei. Erschrocken ließ Liese den
Pokal los, dieser lag nun umgeslürzt, doch glück-
licherweise unverletzt an seinem Platz. Eben wollte
das Kind angsterfüllt die Flucht ergreifen, da stand
schon seine Mutter wie die strafende Nemesis in der
Person an ifir Türschwelle.
„Was bast Tu jetzt angestellt, Du nixnutziger, un¬
verbesserlicher Fratz!" silhr Grete die Kleine an.
„Nichts, gar nichts!" log diese in ihrer Angst.
Sie sah schon im. Geiste die erhobene Rute i» der
Hand der unnachsichtigen Mutter. Diese hatte in¬
zwischen den Schaden entdeckt.
„Das ist nichts?" schrie sie zornig und warf die
Trümmer der zwei Gläschen zu Boden, daß ste in
tausend kleine Splitter zci achcn. „Ich werd' Dir
geben. Du Lügnerin!" Und schon saß ein Schwg
auf der Wange des Kindes.
„So. und'das ist sürs Zerbrechen!" Eine zwecke
schallende Ohrfeige.