Full text: Fuldaer Zeitung (1918)

uldaer Zeitung 
■— — - SSR*!SÄSSS5?jSSSSSÄ IÄfÄÄÄi 
Hättet* ohne Bestellgeld »iertcljätzrli« 2.40 Mark I >»°« •*»»« «eftellgeld »iertelftltzrU» 3.00 Mark. 
«erantwottlich für de« redaktionellen Teil: Katt Schütte, 
für de» Anzeigenteil: I. Parzell-r. Fulda - «»»attons. 
druck m,d Verlag de-. Fuldaer vctiendruckeret t» Fulda. - 
Kernsprecher Nr. «. Telegramm-Adreffe: Fuldaer Zeitung. 
Nr. 33. 
zkhmiMipn, fcet pmivia-liddnttiche» »I-ff-mL-tt-ri-. - HalbjihrU« r»Ichmk»h-»>0». 
Zreitog den S. Zebruar »9lS. 
««zeige» » Pfenntg die etnfpakttg« Kokanelzrile oder dere» 
Raum; KeNamen «0 Pfennt-. Vet Siederholunge» Rabatt. 
Kür «»gebot. « llluSkunftanzeig«» anher dem 20 Pfennig. —^ 
In «onkurSfälle» wir» »er bewilligte Rabatt hinfällig. —. 
»rfüllnnaSott Fulda. — Fernsprecher Nr. » und Nr. 
45. Jahrgang. 
Set deutsche Tagesbericht. 
wtb Großes Hauptquartier, 7. Febr. (Amtlich.) 
Westlicher Kriegsschauplatz. 
Rahe der Küste am Nachmittag Artilleriekampf. 
Don einem Vorstoß westlich von Zandvoorde 
Mtd aus Vorfeldkampfeu im Arwis brachten Infan- 
terieabteiluugen Gefangene ein. Tie englische Ar- 
tillerie war am Abend zu beiden Seiten der Scarpe 
und westlich von Cambrai wieder tätig. Ein fran¬ 
zösischer Vorstoß in der Champagne scheiterte. Im 
Maasaebiet hielt Artillerietätigkeit im Anschluß an 
eine südwestlich von OrneS erfolgreich dnrchgeführte 
Erkundung tagsüber an. 
Bizeseldwebel Esivein schoß in den letzten drei 
Tage» sechs feindliche Flugzeuge ab. 
Bo« de« andere» Kriegsschauplätzen «tchts Neues. 
Der Erste Generalauartiermeister: Ludendorff. 
vtl, Berlin, 7. ""ebr.. kAmtlich.) Bau 
de« Kriegsschauplätzen nichts Neues. 
Desterreichisch-tingarische Tagesoeruyle. 
wtb Wien. 7. Febr. 
Keine besonderen Ereignisse. 
Der Chei deS KrnrralsiabS. 
Die „weitere energische Kriegführung' 
wird in der neuesten englischen Thronrede 
feierlich verkündet. Wenn der schwächliche Schatten' 
könig von England sich so in Harnisch wirft, kommt 
ein komischer Zug in das blutrünstige Bild. Aber 
der „König" ist das Mundstück des Diktators Lloyd 
George., und die „Thronrede" bestätigt also, daß 
dieser hartnäckige Walliser nicht nur den Willen 
hat. den Krieg bis zum äußersten zu treiben, sondern 
daß er sich auch die Fähigkeit zutraut, seine 
VAker unh die Verbündeten zu weiteren schweren 
Opfern fortzureißen. 
Letzteres zeigt sich besonders darin, daß die Thron¬ 
rede von den Verständigungsvorschläaen der deut¬ 
schen und österreichischen Staatsleiter. überhaupt 
nicht spricht. Die feindliche Konferenz in Versail¬ 
les, .ltkt bekanntlich die Anregungen des Grafen 
Hertlmg und des Grafen Czernin als nichtssagend 
bei Seite geschoben. Die enali'che Thronrede gebt 
mit'Stillschweigen dittüber hinweg. Wenn unsere 
Staatsmänner noch friedlicher geredet. noch mehr 
Enfaegenkomyien bekundet hätten, so wäre auch das 
vbnL Eindruck auf die Herren Llovd George und 
Clemeneeau geblieben: denn , die haben nun einmal 
beschlossen, noch einmal das Waffenglück zu 
bersucken, um ibre unglückselige Kriegskarte in letz¬ 
ter Stunde .aufzubessern. Von diesem Entschluß 
lasse» sich die waghalsigen Spieler durch keine 
Engels- oder Menschenrnngen abbringen. 
England hat im vorigen Jahre 900 000 Mann 
verloren. Das rührt Herrn Lloyd George durch¬ 
aus nicht, und ebensowenig läßt sich der „Tiger" 
Elemenceau durch die offensichtliche Erschöpfung der 
stanzösischen Raffe erweichen. Sie wollen unter 
teilen Umständen neue Massenopfer an die 
Schlachtfront treiben, .und sie .sind überreugt, daß 
ihnen das gelingen wird. Nämlich das Herantrei. 
ben der Truppen. Ob sie wirklich den Sieg ffir 
wahrscheinlich halten, ist noch rweiseldoft. Aber diese 
Leute, die um ihr eioenes Dasein in. blinder> Leiden¬ 
schaft den letzten Einsatz wagen, was machen sich die 
aus der Wahrscheinlichkeitsrechnung. 
Es liegen zwar Berichte vor über französische 
Dreßäußerungen, die mit dem kriegswütigen Be. 
schlnß der Versailler Konferenz nicht zufrieden sind,' 
und aus England wird gemeldet, daß Lord H a l- 
ba n e eine Rede zu Gunsten einer Aussprache, unter 
den kämpfenden Mächten gehalten, also sich an die 
Seite von Lansdowne gestellt hat. Von diesen Re¬ 
gierungen darf man aber für den Augenblick noch 
keine greifbaren Erfolge erwarten. Wohl jedoch darf 
»an hoffen, daß nach dem Fehlschlag der an- 
«Mndigten Kraftprobe die Friedensbewegung sich 
durchsetzt. Um die „große Offensive von 1918" kom¬ 
men wir nicht herum. Der letzte Ansturm der 
feindlichen Genoffenschaft muß zu nichte gemacht 
werden.. Erst wenn die Ohnmacht klar zu Tage 
Legt, wird die Vernunft sich durchsetzen können. 
So lebhaft der Wunsch ist, daß weiteres Blut 
vergießen ersvart bliebe, darf man sich der Erkennte 
«iS nicht verschließen, daß die voreilige Eröff 
rmna von Frievensi'er^nhft'naen nicht so glatt und 
ftfmell zum Abschluß fübrt. Wie ungeheuer schwierig 
es ist, nntchäswissmen oder verble"^e'en Unterhänd¬ 
lern vorwärts zu kommen, das erfahren wir sa zur. 
zeit in Brest, oblchon doch im Osten die Verhält 
Wille viel klarer liefen als im Welten. Am Jah¬ 
restage des ersten FriedenSonoebotes vom Te'ew- 
ber 1916 haben wir uns mit Recht gesagt, daß die 
schroffe Ablehnung dieses Vorschläge« zur Güte für 
»ns kein Unolück gewesen ist, da wir nach den in¬ 
zwischen errungenen Erfolgen mit viel mehr Wucht 
und Aussicht in den Verbgndlunassaal eintre^en 
können. Wenn wir nun den letzten Ansturm der Geg¬ 
ner gründlich zuscbanden machen, so wird untere 
Stellung am Konferenztisch noch weiter anfaebes- 
kert. Dann können wir v'el le-chter und schneller 
durchsetze'' was wir fordern müssen. 
Die .Krieasverlängernna ist bedauerlich: aber 
hinter ibr stcht die Verkürzung der Friedensver¬ 
handlungen. 
Dem neuen Berha"dlnnst?abschnitt in 
Brest-L towsf 
widmet die ,Rordd. Allg. Ata/ einen Artikel, in dem 
sie einen letzten und eindringlichen Mahnruf an 
H>r,n Trotzki ricbter. 
Ilnkere Diplomaten so beißt eS darin, haben bis jetzt 
die äußerste Geduld und daS äußerste Maß von 
k«tg e gen ko mm e n Herr» Trotzki entgegenge- 
bracht. Sie wollten den Russen Gelegenbeit geben, 
durch einen Frieden der Versöhnung und der Verstau» 
digung im Wege des Kompromisses zu einer für berde 
Lander befriedigenden Lösung zu kommen. Die bis¬ 
herigen Verhandlungen in Bresl-Litowsk und der be¬ 
gleitende Chorus der russischen Funksprüche und der 
russischen Press? zeigen nicht, daß die Russen dieses 
Entgegenkommen und diese Geduld zu würdigen ver¬ 
standen hätten. Im Gegenteil, die öffentliche Meinung 
in Deutschland hat den Eindruck gehabt, daß Herr 
Trotzki durch dieses weite Entgegenkommen, vrellercht rn 
falscher Einschätzung der tatsächlichen Lage, noch in 
seinen Ideen der Hinschleppens der Verhandlungen 
znm Zwecke der Revolutioniernng von Westeuropa be¬ 
stärkt worden ist. Ein Gipfelpunkt der Entstellung ist 
es aber wenn Herr Trotzki letzt, wie ein offener russi¬ 
scher Fünkspruch angibt aus Drest-Litowsk nach Pe¬ 
tersburg telegraphiert hat. »daß die Deutschen die 
Verhandlungen verschleppen". Das Organ der Mchr- 
heitSpartcien der Sozialdemokraten in Leipzig schreibt 
im Anschluß an einen Artikel der „Prawda": „Die 
Bolschewisten sollten sich lieber ernsthaft um einen 
vernünftigen Arteten bemühen, als auf die internatio. 
nale Revolution zu lauern und zu spekulieren. Die 
Völker wollen der, Frieden, und niemand in Deutsch¬ 
land sehnt sich noch der Beglückung durch TrotzkiS Rote 
Garde." In diesen Worten sieht Herr Trotzki die 
Meinung der überwiegenden Mehrheit deS deutschen 
Volke», die vollkommen klar zum Ausdruck kommt. 
Keine gemachten Kundgebungen und keine weiteren 
Phrasen können die Mittelmächte bei ihrem festen und 
unabänderlichen Entschlüsse wankend machen, sich aus 
eine Räumung der West gebiete Rußlands 
in der von Herrn Trotzki gewünschten Art und Weise 
ni ch r einzulassen. In diesem Entschlüsse beftär. 
stärken d>e Mittelmächte die Gefahren, die von einem 
revo'utionierenden und von Hunger und Seuche durck. 
müteteten Rußland für diese Randgebiete und für 
Westeuropa droben, wenn ein fester Damm fehlen 
würde. In der Frage des Selbstbestimmungsrechts 
der Völker sind die Verbündeten den Russen außeror¬ 
dentlich weit entgegengekcmmen. Weitere Sem. 
promisse scheinen nicht mehr denkbar. Auch 
in den Fragen der Grenzen der von Rußland befreiten 
Gebiete dürfte der Standpunkt der Verbündeten größe¬ 
res Entgegenkommen nicht mehr möglich machen. Mit 
Grosi-Rusiland steht daher die Frage so. ob Herr 
Trotzki seinerzeit dem gerechten und entgegenkommen¬ 
den Standpunkt der Verbündeten Rechnung tragen 
will oder nicht. . m .. , 
Mit der Ukraine schreiten die Verhandlungen in 
gutem Tempo weiter fort. Gelingt es. einen Abschluß 
mit der Ukraine zustande zu bringen, so kann die Ent¬ 
wickelung der Friedensverhandlunaen mit Herrn 
Trotzki uns gleichgiltig sein. Verscherzt sich - Herr 
Trotzki durch mangelnden Friedenswillen seinerseits 
die letzte Möglichkeit die ihm für einen Frieden und 
damit für eine Erlösung des unter dem Kriege zu. 
sammenbrechenden Rußland gegeben ist, fo werden 
nicht die. Mittelmächt- sondern TrotzkiS eigene Parte, 
die Rechnung zu bezahlen htben. 
Neue Soffnunaen. 
Mit der Hoffnung auf einen raschen innerpoli¬ 
tischen Zusammenbruch der Mittelmächte —■_ in 
Deutschland - infolge der schroffen Parteiaessensätze, 
in Oesterreich.Ungarn durch die Feindseligkeiten der 
Nationalitäten— boben unsere Gegner den Krieg 
begonnen. Diese Erwartungen sind, wie alle ihre 
kühlen Berechnungen, von dem Wirbelsturm der 
nationalen Begeisterung, der die, deutschen Stämme 
und die Völkerschaften der Monarchie ergriff und 
sic zur Verteidigung der hartbcdrängten Heimat zu 
den Waffen ries, fortgeblasen worden. Aber man 
kennt im feindlichen Lager uns. Dauffchc und un¬ 
sere Feßler bester, als uns lieb sein kann. Nnd 
man hoffte auf die Zukunft, auf das deutsche Erb¬ 
übel her.inneren Zwietracht. ‘ 
Die oewaltige Freude, die das Ausland durch» 
raste, als Extrablätter mit den sensationellsten 
lleberschriften" vom „Zusammenbruck, der Mittel- 
Mächte" die Kunde vom letzten Berliner Streik 
brachten, ist dosier begreisiich. Und man versiebt es 
auch, daß die feindliche Presse die einlaufenden Mel¬ 
dungen aus Deutschland ein klein wenig für ihre 
Leserwelt umarbeitete und aus ihnen Folgerungen 
zog, die überall ein angenehmes Gruseln hervor- 
rufen mußten. Ihr Zweck war vornehmlich der, 
den durch die militärischen Mißerfolge, durck Not 
und Leid gesunkenen Mut im eigeneu Lande zu 
heben, durch den Hinweis, daß der angeblich .un¬ 
vermeidliche Zusammenbruch der Mittel- 
m ä chte" bereits eingetreten sei und unaufhaltsam 
fortschreiten werde. Die Stunde des vollkommenen 
Ententesieges sei nabe. „Manchester Guardian" 
schrieb, man müsse mehr als 50 Jahre in der deut» 
scheu Gesckichte zurückoesien, um ein Ereignis von 
äbnlicker Bedeutung anzutreffen. Der Streik fei 
die erste Kundgebung der deutschen Volksseele nach 
einer Berwinguna deS „Militarismus". 
Tie neuen Hoffnungen, die sich an die Berliner 
Ausstandsbewegnnq geknüvft haben, haben dos 
Schicksal aller Entente-Hoffnungen gestabt. Ter 
Streik ist beendet. Er hat nickt den^vomAuS- 
lande erwarteten Verlauf genommen. Deutschland 
arbeitet, arbeitet ans den Endsieg! Aber die Saat 
des AvsstandeS ist im Ausland« aufgegangen. Die 
neu erstandenen Hoffnungen auf den deutschen Zu» 
sammenbrück beleben die Kampfzäbigkeit der Feinde: 
sie gaukeln istnen als erreichbar ein Krie»snel vor, 
das nie zu erzwingen ist: Deutschlands Niederlage. 
Sie erfüllen sie mit ftisckem Mut und erlauben rhren 
Staatsmännern, öffentlich an ihren weitgreifenden 
Eroberungszielen festzuhalten. Ja dem amtlichen 
Bericht über die dritte Versailler Taqungdes 
Obersten Kriegsrates der Entente vom 30. Januar 
bis 2. Februar hat dies Ausdruck geftmdmt: 
„Tie einzige unmittelbare Ausgabe der Alliierten 
besteht da,in mit der äußersten Kraftanstrengung in 
geschlossenste: und wirksamster Zusammenarbeit d:c 
militärischen Bemühungen der Alliierten fottzusetzen. 
bi? deren Truck in de" feindlichen Regierungen und 
Völkern einen Stirn». ^gSvmschwung hcrvorgrbnrcht 
hat. der die Hoffnung auf den Abschluß eines Frieden- 
unter Beding»ugen rechtfertigen würde, die keine Auf. 
ga''e all der Grundsätze der Freiheit, Gerechtigkeit und 
Achtung vor dein Völkerrecht, für die Alliierten ein. 
treten vor dem angriffslustigen und nichts bereueuden 
SrilitariSmu» bedeut-«." - a. 
Den Sinn dieses phrasenreichcn, dunklen Satzes 
kennen wir. Er lautet: Krieg — bis England 
seine erst kürzlich durch Lloyd George öffentlich der- 
kündetml weltpolitischen Raubziele ver¬ 
wirklicht haben wird! Ten auch mit brennen¬ 
der Sehnsucht den Frieden erharrenden Völkern der 
Entente dürfte dieses Ziel ihrer Regierenden er¬ 
reichbar erscheinen, da sie ja in den Berichten ihrer 
Presse über die Vorgänge in Deutschland d«n ^Zu¬ 
sammenbruch der Mittelmächte" in nahe Zukunft 
gerückt sehen. . . . • 
Der Streik ist zwar beendet. Aber unter seinen 
Nachwirkungen, die auch die FriedenSverhand- 
lunaen in Brest-Litowst beeinflussen, werden wir 
n o ch l a n g e l e i d e n. Das Schwert wird wieder 
flitfruuiuK&eit beutfdjc llnübcilffltpfit 
verdorben hat. Bedeutet das »icht eine unnötige 
und grausame Verlängerung dieses furchtbaren 
Krieges? ^ ^ 
D.e rufstsche K^euve üter den Stre k. 
Hätte eS des geringsten Beweises dafür bedurft, 
daß die unglückliche Streikbewegung rn Wien und 
Berlin den Krieg verlängern würde, so ist dl^er 
nunmehr durch das Verhalten der russischen Presse 
in vollem Umfang erbracht worde«. Unter Be^ 
kündung der verlogensten Nachrichten bemühen sich 
die russischen Gewalthaber den Eindruck zu erwecken, 
daß das Proletariat jetzt in der Lage sei, dem „Im¬ 
perialismus" und Kapitalismus ein für allemal 
ein Ende zu machen. 
Durch Furlspruch teilte Lenin seinen von 
Freude berauschten Anhängern mit, daß einer der 
Ihrigen. KolschewinSki. den Oberbefehl über die 
ukrainische Armee übernommen habe. Am Don hät¬ 
ten 46 Kosaken-Regimenter den Krieg gegen Kale- 
bin ausgenommen. Große Freude bereite ihm die 
Bildung eines Arbeiterratcs in Berlin. 
Liebknecht steste dort heute an der Spitze der 
Regierung. Die russische Revolution stehe nun nicht 
mehr allein. General Sofsmanns Borwurf in Brest- 
Litowsk, daß die Russen den Bürgerkrieg in daS 
Gebiet der Mittelmächte bineinzutragen bemüht 
seien, habe sich jetzt bewahrheitet. — Kein Wunder, 
wenn derartige Berichte über die Streikbewegung 
in Deutschland die russische Breffe mit wildem Ju¬ 
bel erfüllen, und wenn ein Matt, wie die „Nowoja 
Schisn" in einem langen gesperrten Artikel dem 
deutschen Vroletoriat ein Loblied singt. Dieses habe 
vi^l gesündigt, aber auch viel getan, um alle seine 
Sündcm wieder gut zu mache«. Rußlands Wicht 
sei eS min. den deutschen Revolutionären zw helfe« 
und es dürft! unter keinen llmftä«den in 
Brest-Litowsk mit Dentschlam Frieden schlie¬ 
ßen. selbst wenn dieses zu Zugeständnissen bereit 
^ Allerdings denkt der russische Soldat an 
der Front ganz anders. Dort wächst der Un¬ 
willen über die Verschleppung der Friedensverband- 
lunoen in einer für die Leninregierung höchst be- 
denllichen Werse, und die Soldaten erklären, daß bcr 
etwaigem Scbeiiern der Unterhandlungen Trotzki 
und Lenin ,«zum Teufel gehen", dis Sozialrevolutio¬ 
nären ans Ruder kommen und Kaledin sich zum 
Diktator macken werde. — Die russischen Intelli¬ 
genten und Bemittelte« inackcn ihrerseits kein >6ehl 
daraus, daß sie nur noch auf einen deutschen Bor¬ 
stoß zur Rettung Aus den anarchistischen Zustände« 
hoffen. 
Der Krlp« Im (flostpn. 
Kein Generaiissimi 9? 
wtl- London. 5. Febr. Unte'bairS. Auf eine 
Anfraae von Asqnith erwiderte Bonar Law, m>l 
Rücksicht auf wichtige militärisch« Interessen sei es 
unmöglich, ohne dem Feinde wertvolle Einblicke zu 
neben, weitere Ernzelyei'en oder Erklärungen deS 
Tätigkeitsbereichs de« Versailler KriegSrats zu geben. 
Ein Generalissimus sei nicht ernannt worden. 
Sens. 7. Febr- Di« Agence Sava« fügt zu der 
(vorstehenden) Erklärung Bonar LawS Hinz«: »ES 
besteht nicht desto weniger Anlaß zu glauben, daß 
die angenommene Lösung sich wenig von der Er¬ 
nennung eiueS G e » « r a l i f s i m u S unterscheidet f 
Paris war gewarnt. , 
trtfe Berlin. 7. Febr. Zu dem letzten Luftangriff 
auf Pari« wird halbamtlich erklärt: Deutsche 
Bombenge'ckwader baben in der Nacht zum 3l. Fanuar 
zum ersten Male planmäßig und kraftvoll die Stadl 
Paris ongeariffen. Der Angriff war erfolgreich, 
Verluste und Schaden nach dem amtlichen franzö,ffchen 
Berichte stark. ' 
Tie Strafe, die die Stadt Pa'is damit erduldet 
hat, war bart, aber gerecht; schon vor einem Viei te!- 
jahr batten wir F-ankreich durch Funk pruchgewaint, 
die Bombenangriffe auf offene deutsche Städte itien 
außerbalb der deutschen OperarioriSgebiete foi izu etzen. 
Sit. hatten gedrobt, daß, fall« die e Luftangriffe 
nicht aufhörren. Pari« die Strafe zu tragen 
haben würde. Frankreichs Regierung hat nicht ge¬ 
bärt. Am beiligen Weihnachtsabend übe, fielen feind¬ 
lich« Flieger d,e offene Stadl M a n n b e r m, sie griffen 
im Laufe de« Januar die offenen Siädte Trier, 
Heidelberg. KarKruhe, Rastalt, Freiburg 
'n zweckloser Weise mit Bomben an. Die Stunde 
der Strafe war gekommen. Frankreich ist abermals 
gewaint, nicht mehr durch Worte, ond»rn durch die 
Tai. Und sollte auch btefc warnende Strafe unbe¬ 
achtet bleiben, sollten wiederum friedliche deutsche 
Heimstätten durch feindliche Fl'eoerdomben zu leiden 
lmbkn, so wird die Stadl Pari« erneut die 
vergeltende Strafe zurrdulden haben in 
etnem Umfange und einer Stärke, wie sie rückfälligen 
Verbrechern gegenüber am Platze ist. 
. , Die enalisch« Thronrede. 
Rotterdam. 7. Febr. Aus London wird ge« 
j meldßtt Dir Session des englischen Unterhauses 
wurde geschloffen. In seiner Thronrede erwähnt 
der König die Beteiligung Amerikas am Kriege. 
Ueber Rußland heißt es: Rußland, das durch 
innere Spaftungen beunruhigt war, war nicht mehr 
imstande, im Kampfe auSruharren, bis die Früchte 
seiner großen Opfer gepflückt werden konnten. In 
diesem Augenblicke hat Rußland aufgehört, seine» 
Anteil an der Aufgabe der Verbündeten zu leisten. 
Diese tragischen Ereignisse tragen dazu bei, auch dre 
anderen Verbündeten zu schwächen. Aber rn den 
wechselnden Ereignissen stcht klarer als i-mals der 
Entschluß der Temokrarien fest, der Welt einen ge¬ 
rechten und dauerhaften Frieden zu sichern. Weiter 
gibt der König noch eine Uebersicht über dre mili» 
tärischen Ereignisse und äußert zum Schluß die Hoff¬ 
nung, daß es gelingen wird, über Irland zu 
einem friedlichen Ausgleich zw gelangen. Er schließt 
mit dem Vertraue« aus eine weitere energische 
Kriegfübrung. Die glückliche Fortsetzung des Krie¬ 
ges sei das erste Ziel. 
Requirierung aller Lebensmittel i« England, 
wtb ümfterbom, 7. Febr. „Allgemeen Handels, 
blad" meldet aus London vom 6. Februar: Lord 
Rhandda hat die örtlichen LeLensmittelkommisfionen 
ermächtigt alle Lebensmittelvorräte der 
Kleinhändler mit 'Ausnahme der Genußmittel 
in ihren Distrikten zu requirieren. Dies ist di« 
strengste Maßregel, die bisher von dem Lebensmittel, 
koatrollenr angewandt wurde. . 
Kürzung der LedcuSmittelralloneu au der 
englische« Front. 
Die englische« Blätter besprechen die jetzt einge» 
tteten« Heiabjetzung der LebenSmiitelrattonen für 
vi« englilchen Coldalen um ein D> Mel. Die Blätter 
ia en, daß die H« tesleitunc, sich erst nach langem 
Zögern zu dieser Maßnahme entschlossen habe, da 
zweifellos die Eo'daien am meisten An pruch hätten 
auf unvetmmdeite. Ernährung. 
Russland. 
Hunperunruhen in Petersburg 
wtb London. 7. Fcbruqr. (Reuter.) Die „Times" 
berichten aüS Peter bürg dom 1. Februar, daß ta 
einigen Hauptstraßen Hungerunruhen stattgefunden 
haben, deren Ursache war. daß das Gerücht verbreitet 
worden war daß die Brotration von ein Viertel Pfund 
auf ein Pfund tägtich erhöht worden wäre.^ Große 
Menschenmengen versammelten sich!vor den Bäckerladen 
und GemeindeverteitungSmagaqinen. Sie waren sehr 
enttäuscht, al» sich das Gerücht als verfrüht heraus, 
stellte. Die Rote Gacke feuerte auf die Aufrührer. 
In einer der größeren Brauereien Petersburg htndcr- 
betten in den letzten Tagen Soldaten und Rote Garde 
die hungernde Menge, sich der dort eingelagerien Kar. 
tofselvorräte zu bemächtigen, die meist erfroren und 
für dre menschliche Ernährung ungeeignet waren. 
„Daily Matt" berichtet aus Petersburg vom 2. Febr.: 
Die verfügbaren Lebensmittel reichen noch für acht 
Tage bei der Hungerratton von *4 Pfund täglich 
einige 'Tage länger. Am Donnerstag und Freitag 
wurden die Vorräte geplündert.^ Einige SÄ- 
daten und Seeleute nahmen an der Plünderung teil. 
Reaierungsvettreter konnten die hungernde Menge 
nicht beschwichtigen. Ein Soldat, der ein Pfund Brot 
für S Rubel verkapste. wurde ertränkt. Fleisch ist seit 
Beginn des TauweltekL billig. Das Pfund Kohl tostet 
SV Kopeken. Das meiste Brot ist mit Stroh vermengt. 
Selbst in den Krankenhäusern gibt es Weißbrot nicht. 
Die Haussuchungen nach Lebensmitteln haben wenig 
Ergebnisse sie vermehren die Nervosität der Bevölke¬ 
rung. Die Aussicht auf Durchsuchung von Privatwoh. 
nungen durch Soldaten und Seeleute der Roten Garde 
beunruhigt dre Bürgerschaft sehr. 
«rd Rotterdam, 6. Febr. Daily News" melden aus 
Petersburg- Der Lebenvmtttdlmängel ist vor allem in 
den der Hauptftadi benachbarten Disttikten sehr groß. 
In vielen Fällen wurden Eisenbahnzüge, die mit Le¬ 
bensmitteln nach Petersburg unterwegs waren, ange. 
hatten nnd auSgeraubt. Am Freitag wurden bei ei¬ 
nem Gefecht zwischen Dauern und Bewachungsmann, 
sthastcn eines Mehlzuges 10 Personen getötet und 25 
vcttoundet. Die Preise steigen immer. Kattoffeln 
kosten ungefähr 3 M bo9 Pfund, Butter die kaum auf. 
zutreiben ist. gegen 30 JL M Pfund. Zucker etwa 17 
Mark ta» Pfurw. Der Petreidemangel Wird unmer 
fühlbarer. 
ft«»ttrffltntef It» »utzlatid. 
Die Bolschewik gehe» recht planmäßig in der 
Umformung des ehemaligen Zarenreiche« in eine» 
Sozialistenstaat Vox. Rach dem sozialistischen Grund- 
satz „Religion ist Privatsache" fchre^u sie nunmehr 
zur Trennung von Staat und Kirche. Wie schon 
berichtet, sind zunächst die Ausgaben für Kultu« und 
Geistlichkeit ausgehoben worde«. Lenin und Genos- 
,«n begnü ,«n sich damit nicht; sie gehen noch Wetter. 
Die Petersburger Teleg.aph-n - Agentur melde 
n mlich: 
»ld Petersburg. 6 rtzebr. Ein Erlaß über di« 
Gewissensfreiheit der religiösen Gesellschaften, 
Trennuno von Staat und Kirche, Ab,chaffung 
aller Vorteile, dir st ü auf daS Glaubensbekenntnis be- 
gründen, und alle Beschränkungen der Gewissens,rei» 
heit oerkünsct ote vollkommene Freiheit der retigi- 
öfen Riten, soweit sie nicht die Bürgerrechte und die 
ästemirche Ordnung berühren. - Nieniand darr seine 
burrerlichen Pstichten unter Berufung au» seine religiöse 
Heber eufluna vernachlässigen. Der religiöse Eid 
wird adgefchafft und durch eine feierliche Versi¬ 
cherung ersetzt. Die Eintragung der Eheschließung 
und Geburten geht auf eine bürgerliche Behörde über. 
Die Schulen werden von der Kirche getrennt. Der 
obligatorische Religionsunterricht wird aufae- 
hoben. Die kirchlichen uns religiösen Gesellschaften 
genießen keine Sonderrecht? oder Untettrützung von 
feite» deS Staates und besitzen kein Eigentum. Alle 
Guter in ihrem Besitze werscu als BottSetgentum er- 
ftött. , - . .. 
*tb Petersburg, 8. Febr. Das Kommissariat für 
öffentliche Wodität,gleit teilt über A u»s chr t\ t u n 9en 
in btt Nachbarschaft de» Klosters Alexander RewSki 
Lawra m.t: Am 20. L begaben sich Vertreter de« 
Kommissariats zum Kloster undber Kathedrale Alexander 
NewSki. um deren innere Einrichtung zu unter,uqei, 
und den Grad zu bestimmen, rn dem sie für du 
Zwecke der öffentliche» Wohlfahrt nutzbar gemacht werden 
könnten. Da das «SrgebnrS dieser Untersuchung guasir,
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.