Die Antwort Wilsons
Bereitwilligkeit der Alliierten zu Friedensverhandlungen. — Widerspruch gegen die Freiheit der Meere.
Ansprüche auf Schadenersatz. — Tie deutsche Friedensdelegation unterwegs.
Zer Wortlaut der ftnfiwtnote Wilsons.
wtb Berlin, 6. Nov. Die durch Funkpruch hier
eingercoffene Note der VereinigtenSlaaten
dom 5. Nov. 1918 Iau!et in der Untersetzung:
In meiner Note vom 23. Oktober 1918 habe ich
Ihnen mitgeteilt, daß der Präsident seinen Notenwech¬
sel den mit den Bereinigten Staaten verbundenen
Regierungen übermittelt hat mit dem Anheimstellen,
talls diese Regierungen geneigt sind, den Frieden zu
den angegebenen Bedingungen und Grundsätzen herbei¬
zuführen, ihre militärischen Ratgeber und die der Ber¬
einigten Staaten zu ersuchen, den gegen Deutschland
verbundenen Regierungen die notigen Bedingungen
eines Waffenstillstandes zu unterbreiten, der die In¬
teressen der beteiligten Völker in vollem Maße wahrt
und den verbundenen Regierungen die unbeschränkte
Macht sichert» die Einzelheiten des von der deutschen
Regierung angenommenen Friedens zu gewährleisten
und zu erzwingen, wofern fix einen Waffenstillstand vom
militärischen Standpunkt für möglich halten.
Ter Präsident hat jetzt ein Memorandum der
alliierten Regierungen mit dem Bemerken
über diesen Notenwechsel erhalten, das folgendermaßen
lautet:
Die alliierten Negierungen haben den Notenwechsel
zwischen dem Präsidenten der Bereinigten Staaten und
der deutschen Regierung sorgfältig in Erwägung grzo.
gen. Mit den folgenden Einschränkungen erklären sie
ihre Bereitschaft zum Friedensschluß mit
der deutschen Regierung auf Grund der Friedensbedin-
gungen, die in der Ansprache des Präsidenten an den
Kongreß vom 8. Januar 1918 sowie der Grundsätze,
die in seinen späteren Ansprachen niedergelegt sind.
Sie müssen jedoch darauf Hinweisen, daß der gewöhn¬
lich sogenanne Begriff der Freiheit der Meere
verschiedene Auslegungen lBestimmungen?) einschlicßt,
von denen sie einige nicht annehmen können. Sie müs¬
sen sich deshalb über diesen Gegenstand beim Eintritt
in die Friedenskonferenz volle Freiheit Vorbehalten.
Ferner hat der Präsident in den in seiner Ansprache
an den Kongreß vom 8. Januar niedergelegten Frie.
densbedingungen erklärt, daß die besetzten G e -
biete nicht nur geräumt und befreit, sondern auch
wiederhergestellt werden müssen. Die alliier¬
ten Regierungen sind der Ansicht, daß über den Sinn
dieser Bedingung kein Zweifel bestehen darf. Sie ver¬
stehen darunter, daß Deutschland für allen durch
seine Angriffe zu Lande, zu Wasser und in der Luft
der Zivilbevölkerung der Alliierten und ihrem Eigentum
zugefügten Schaden Ersatz leisten soll.
Ter Präsident hat mich mit der Mitteilung beauf¬
tragt, daß er mit der im letzten Teile des angeführten
Memorandums enthaltenen Auslegung einverstanden
ist. Ter Präsident hat mich ferner beauftragt, Sie zu
ersuchen, der deutschen Regierung mitzuteilcn, daß
Marschall Fach von der Regierung der Bereinigten
Staaten und den alliierten^ Regierungen ermächtigt
worden ist, gehörig beglaubigte Vertreter (?) der deut¬
schen Regierung zu empfangen und sie von den Waffen,
ftillstandsbedingungen in Kenntnis zu setzen.
Die Abreise der deutschen
Unterhändler nach dem Westen.
Mtd Berlin, 6. Nov. fAmtlich) Die veut.
fche Delega tion zum Abschluß eines Was.
senst i ll st and es und zur Ausnahme von
Friedensverhandlunqen ist heute nach¬
mittag von Berlin nach dem Westen abge¬
reist.
Berlin, 6. Nov. Der deutschen Delegation zum
Abschluß des Waffenstillstandes und zur Aufnahme
der Friedensverhandlungen, die heme nachmittag
von Berlin abgereist ist, gehören an: Staatssekretär
Erzberger, Graf Oberndorfs, der deutsche
Gesandte in Kopenhagen Graf Rantzau, General
v. Winterfeldl, General v. Gündell und Ka»
Sttän Wanseloe. So meldet die „Frkst. Ztg." —
ndere Blältermeldunaen meinen als Unterhänd¬
ler den General von Günsel, den Generalmajor von
Winterfeldt, den Admiral Meurer und den früheren
Staatssekretär von Mintze.
Die neue Note Lanstngs vom 5. November
hat es ermöglicht, daß die deutsche Abordnung
zum Abschluß des Waffenstillstandes und zur Auf¬
nahme der Friedensverhandlunaen sich auf die
Reise nach dem Westen begeben konnte.
Wir sind also jetzt endlich zu einem unmittel¬
baren Verkehr mit den Gegnern gelangt. Einen
vollen Monat hat der vorbereitende Verkehr ge¬
dauert. der über Bern und Washington geleite!
wurde.
Nach Ablauf dieses Monats kennen wir die Be¬
dingungen für den Waffenstillstand noch nicht Es
muß erst bei ft o cft erfragt werden, was der Kriegs-
rat der Verbündeten in Versailles beschlossen hat.
Die Bedingungen werden voraussichtlich schwer
sein, da sowohl Präsident Wilson in seiner zweiten
Note als auch Elemence.au in einer Triumphrede,
die er jüngst gehalten, anaekündiat haben, daß man
uns die Wiederaufnahme des Kampfes unmöglich
machen will.
Unter diesen Umständen finden unsere Zukunft-
Hoffnungen keinen anderen Anhalt mehr, als das
Wilionicbe Friedensvrogramm.
lieber die Stellung der Verbündeten zu den
Grundsätzen Wissens gibt nun die neueste Note
Lansing? eine Auskunft, die insofern zu begrüßen
ist. als 13 von den 14 Punkten angenommen sind.
Leider ist aber der Punkt, den die Kampfaenoisen
Wilsons beanstanden, von großer Wichtigkeit.
Sie wollen nämlich die Freiheit der Meere
nicht gelten lassen. Dieser Punkt, sagen sie, schließe
».verschiedene Auslegung-n" cin. von denen sie
»einige nicht annehmen können". Sie müßten sich
daher ȟber diesen Gegenstand beim Eintritt in
die Friedenskonferenz volle Dreiheit Vorbehalten."
Das bedeutet: England will seine Seetyrannei
aufs äußerste verteidigent dadurch werden die
Verhandlungen sehr erschwert und verlängert wer¬
den. Wilian selbst Hot. soweit bisher zu ubersehen
ist. auf seinen Grundsatz Are,heit der Meere
noch nickt verzichtet. Es fragt sich aber, wieviel
Kraft und Zähigkeit er einsetzen will, um die eng-
lische Herrschaft zu beugen.
Klarer, aber leider nicht erfreulich, ist die Aus¬
legung eines anderen Friedenspuvcktes. nämlich
der „Wiederherstellung" in den besetzten Gebieten.
England und Frankreich fordern, daß „Deutschland
für allen durch seine Angriffe zu Lande, zu Wasser
und in der Luft der Zivilbevölkerung der Alliierten
und ihrem Eigentum zugefllgten Schaden Ersatz
leister: soll." Wilson schließt sich, wie Lansing jetzt
mitteilt, dieser Auslegung an. Das wird eine
schöne Rechnung werden! Unsere Unterhändler
werden einen schweren Stand haben gegenüber
der einhelliaen Begehrlichkeit der feindsscben
Kampfgenossenschaft. Wie weit sie mit begründe¬
ten Einsprüchen und Gegenrechnungen durchdrin-
gen werden, ist mit Besorgnis abzuwarten.
Unter den gegenwärtigen Verhältnissen lohnt
es sich nickst, die Ehrenfrage in den Vorder,
grund zu stellen. Halten wir uns an die Geld¬
frage. dann bleibt für uns die Erwägung, daß
die Fortsetzung des Krieges uns auck viel Geld
kosten würde, nämlich monatlich gegen 3 Milliarden
Mark, und zwar ohne iede Ansstcht auf Entlastung.
Um Milliarden geht es aus jeden Fall. so wie so.
Wir müssen in erster Linie auf die Ersparnis
von Blulopfern sehen und auf die Erringuna v'n
erftciglickftn Bedingungen für unseren wirtschaft¬
lichen Wicderaufschwung und für unsere politische
Sicherheit.
In dieser Hinsicht wirkt tröstlich, eine halbamt¬
liche Nachricht, daß der Ertrag der neunien Kriegs¬
anleihe trotz aller itörendenZwischenfälle so glän-
zend ausgefallen sei. wie die vorhergegangenen
Anleihen.
Wir werden unter der Hand des Schichsals ge¬
beugt. aber doch nicht erdrückt. Die Opfer sind
nicht vergeblich, wenn die Zukuft Deutschlands
aus dem Schiffbruch noch gerettet werden kann.
Die „Germania" glaubt, daß durch die amerikanische
Note die Grundlage für die Friedensverhandlungen
in der Hauptsache gegeben ist. Die Freiheit der Meere
ist für alle Völker von der allergrößten Bedeutung.
Wenn England glauben wollte, hier Sonderinteressen
wahrnehmen zu können, die aus dem Rahmen des glei¬
chen Rechts und der gleichen Gerechtigkeit für alle
Staaten herausfallen, so wird es darüber nicht nur mit
'-ins. sondern mit fast der ganzen Welt zu verhandeln
haben. Wenn der andere Vorbehalt: eine allgemeine
Wiederherstellungspflicht für jeglichen durch den Krieg
entstandenen Schaden angenommen werden soll, dann
verlangen es ganz selbstverständlich Recht und Gerech.
tigkeit, daß auch uns der durch die Kriegsführung
unserer Feinde entstandene Zivilschaden voll wieder
gutgemacht wird. Wir wollen hier nur Hinweisen
auf den unendlichen Schaden, den die deutsche Volks-
kraft durch den völkerrechtswidrigen Aushunge¬
rungskrieg erlitten hat und der insbesondere
Englands Werk ist.
Wesentlich düsterer sieht die „Franks. Ztg." in die
Zukunft. Sie spricht von einem unsäglich traurigen
Ende und fährt fort: Daß wir in jedem Falle schwere
Opfer bringen müssen, ist jedem seit fünf Wochen'klar.
Die neue Note beweist, daß die Regierungen der En¬
tente den Geist der Versöhnlichkeit und der
gleichmäßigen „Gerechtigkeit nach allen Seiten", dem
Wilson Geltung zu verschaffen versucht, in entscheiden,
den Punkten a b l e h n e n. Wir haben nicht nur
schroffe Bedingungen für den Waffenstillstand, sondern
auch äußerst drückende Bedingungen für den Frieden zu
erwarten. Zweifellos ist es Wilson gelungen, die gröb¬
stem Forderungen der Wesrwächte, beispielsweise die
französische auf das linke Rheinuser, zu beseitigen und
die Zügellosigkeit der Politik Lloyd Georges und Ele.
menceaus in wichtigen Fragen mit Erfolg zu bekäm¬
pfen. aber das Memorandum der Ententereaierungen
atmet noch immer den Geist der Gewaltpoli.
t i k. Gleiche Rechte für alle — dieser Gedanke geht
durch sämtliche programmatischen Reden Wilsons der
neueren Zeit. Was sollen wir aber von einem „Geist
der Gerechtigkeit" der Westmächte halten, der im ersten
Augenblick versagt, in dem er sich bewähren sollte? Was
folgt daraus für die Aussichten einer gerechten Behand¬
lung der elsaß.Iothringischen, der polnischen oder der
kolonialen Frage? Nichts spricht deutlicher als das un.
gestüme Verlangen nach Entschädigung. Aller Scha¬
ben. der ..durch Angriffe zu Lande, zu Wasser und in
Sa«* Oufr Art» i),U*TT«„L.__. V CIVW • ? _ ,
der Lust der Zivilbevölkerung der Alliierten und ihrem
Eigentum zugefügt" worden ist. soll ersetzt werden.
Das Memorandum fordert dies zwar im Zusammen.
Hang mit der Wiederherstellung der besetzten Gebiete,
aber wer möchte bestreiten, daß hinter dieser wohl ab¬
sichtlichen Unklarheit (soll sich der Ersatz auf den im
besetzten Gebiet angerichteten Schaden beschränken?>,
die schrankenlosesten Forderungen der Westmächte »um
mindesten verborgen stehen können und daß diese
bereit sind, auch den Schaden, den der Tauchbootkrieg
an Menschen. Schiffen und Frachten angerichtet hat,
zum Ersatz anzumelden? Dann könnten unsere Feinde
zu den wahnsinnigsten Forderungen kommen, und dann
wäre der Anfang des Zeitalters des Völkerbundes und
der Gerechtigkeit nichts anderes als der Beginn der
Versklavung eines freien, tapferen Volkes. TaS
bedeutete den vollkommensten Gewalt frieden —
mit unauslöschlicher Erbitterung würde dach deutsche
Volk dieses Schicksal nur dann auf sib nehmen, wenn
chm phpsisch nichts anderes übc'g blieb- In Belgien
sind wir eilige fallen, im Glauben, das sei unsere Ret¬
tung — wir vergüten der Bevölkerung den Schqden.
Frankreich aber war von Anfang an der nächste und ge.
fährlichste Gegner — auf seinem Boden mußte ge¬
kämpft werden: das muß berücksichtigt werden. Und
ebenso muß berücksichtigt Iverden. daß das deutsche Doll
schon seit zwei Jahren zum Frieden bereit war; die
Verwüstungen bei den Rückzügen in Frankreich waren
mir die Folgen einer uns äufgezwnngenen Fortsetzung
des Krieges. Und schließlich der Tauchbootkrieg — er
brachte großes NnLcn, aber weite Kreise des deutschen.
Voffes glaubten in ihm ein Mittel zu sehen, um der
Aushungerung und Vernichtung zu entgehen. Den Ver¬
lierenden für all diese Schäden haftbar zu machen wäre
unmenschlich.
Die Köln. Ztg. schreibt: Soll England wie biSber,
so auch m dem Völkerbund, den Wcltroliziiten aui dem
Meere spielen und diese Rolle zu Gunsten seiner selbst¬
süchtigen Machtinteressen ausnutzen dürfen? Damit
wäre der Plan des Wilsonschcn Völkerbundes an (einer
wichtigsten Stelle durchlöchert. Der Präsident erkennt
zwar dieses illoyale, ihn veilctzende Ve fahren ni.lt
uusdrücktich an. hält eS aber auch nicht für angc-ei t,
dagegen E.nspruch zu erheben. . Od die weitgehende
Auslegung des Begriffes „Wicderh rstellung", den Wil¬
son sich jetzt zu eigen macht, sich ursprüngtiu, mit seiner
Auffassung deckte, darf füglich uezweifelt werden.
Man versteht jetzt auch den Fanatismus,
mit dem Franzosen und Bel.sier beim Abtransport au»
dem besetzten Gebiet ihr Eigentum zerstörien und zer-
trümincrten. Man versieht, weshalb oer .Tempi" vor
cuiigen Tagen die Depui crtenkammer aufforderte, sie
möge nur l icht zu schucl tern sein, sie möge im Gegen¬
teil in der vom Senat zu egangencn Vorlage für den
Wiederaufbau der zerstörten Gebiete die Beträge recht
hoch ansetzen, dre Boches müßten es ja doch bezahlen.
Alles in allem, die uns durch Lansing übermittelte
wahre Meinung des Verbandes bedeutet für unS eine
Erschwerung der F r r e den sb edingungeu und
den Versuch, die in W.lsonS Programm festgelegte
Grundlage des Friedens zu unseren Ungünsten zu ver¬
schieben.
Ein Aufruf deS Reichskanzlers.
»td Berlin, 6. Nov. (Amtlich.) Der Reichs¬
kanzler erläßt folcendin Aus uf an das dcu,che Volk:
„Präsidcnt Wilson Hot heute auf die deutsche Note
geantwortet und mitgeteilt, daß seine Verbündeten
den 14 P un k te n,in denen er seine Friedensbedingungen
im Januar d. I. zusamin-ngefaht hatte, mit Ausnahme
der Freiheit der Meere zu ge stimmt haben, und daß
dre Waffensiillstandsbedingungen durch Marschall Fach
mitgeteilt werden. Damit ist die Voraussetzung für die
Friedens- und Waffensti istandsverhandlungen gleich,
zeitig geschaffen. Um dem Blutvergießen ein Ende zu
machen, ist die deutsche Abordnung zum Abschluß
dcS Waffenstillstandes und zur Aufnahme der Friedens-
Verhandlungen heute ernannt worden und nach dem
Westen abgereist.
Die Verhandlungen werden durch Unruhen und
disziplinloser Verhalten in ihrem erfolgreichen
Verlauf ernstlich gefährdet.
Uebcr vier Jahre hat das deutsche Volk in Einig¬
keit und Ruhe die schwersten Leiden und Opfer des
Krieges getragen. Wenn in der entscheidenden Stunde,
in der nur die unbedingte Einigkeit des ganzen deutschen
Volke? die großen Gefahren für seine Zukunft abwenden
kann, die inneren Kräfte versagen, so sind die Fo gen
nicht abzusctzen. Die Aufrechterhaltung der bi 9,
her bewährten Ordnung in freiwilliger Mannes¬
zucht ist in dieser Entscheidungsstunde die unerläßliche
Forderung, die jede Volksrcgierung stellen muß
Mag jeder Staatsbürger sich der hoheii Verant¬
wortung bewußt se»n, die er in Erfüllung dieser Pflicht
seinem Volke gegenüber trä t.
Ter Reichskanzler: Max, Prinz von Baden.
Ein sozialdemokratischer Ausruf.
(§) Die Sozialdemokratische Partei erläßt im
„Vorwärts" einen neuen Aufiuf an die Aibeiter
und Arbeiterinnen, in dem sie zur Besonnenheit
mahnt. Es heißr darin u. a.:
„DaS furchtbare Völkermorden geht zu Ende. Es
ckann kein Gedenke daran sein, daß es nom weiter fort¬
gesetzt wird. Der Friese kommt Er stellt die Ardci-
tertlasse vor die schwersten politischen und wirtschait-
lichen Ausgaben. Politisch wird es sich darum handeln
errungenen dewotrauschen Freiheiten zu sichern
die
und auszubauen. Diejenigen, die durch ihre unhcib
volle Politik das Unglück unseres Volke? verschuldet
haben, müssen von ihren Plätzen ver,chwindcn. Die
dazu nötigen Schritte sind eingeleitct. Eie sollen vor
keincr Person Ha t machen, so hoch sie auch gestellt sein
mag. Diese Ausgaben können aber unmöglich geleistet
werden, wenn alles drunrer und drüber geht. Unsere
Ziele verlieren wir nicht aus den Augen Von unseren
Forderungen geben wir nichts preis. Aber die Mittet
wollen wir. solange das nur irgend möglich ist, so wäh¬
len, daß sich dre Arbeiterklasse nicht ins eigene Fleisch
schneidet." Am Schluß des Aufsatzes heißt es: „Es
geht um Euch und Eure Kinder! Darum noch einmal:
Wahret die Einigkeit, die Besonnenheit, die Disziplin
der Oraanisation. Keine russischen Zustände, sondern
das Ganze geschlossen vorwärts zu den Zielen der De¬
mokratie und de» Sozialismus!"
Tie Gewerkvereine gegen Streiks.
Berlin, 6. Nov. Der Ausschuß der (soz.) Gewerk¬
vereine veröffentlicht folgende Erklärung gegen Streiks:
Seit. einiger Zeit werden einheitlich in den kriegs.
wichtigen Betrieben Flugblätter verteilt, in denen zum
Streik aufgefordert wird. Ter Ausschuß hält es des¬
halb für seine Pflicht zu erklären, daß der Verband
der deutschen Gewerkvereine den Streik als Mittel
zur Erreichung politischer Ziele verwirft. Es wird
deshalb von den Mitgliedern der deutschen Gewerkver.
eine erwartet, dchsi sie allen Anforderungen zum Streik
und sonstigen Kundgebungen entschiedenen Widerstand
entgegensetzen.
Oesterreich-Ungarn.
Wien, 5. Nov. Während die Masse der Bevölke¬
rung unter dem Druck der täglichen Nahrungssor-
gen sich über den Wafßenstillstandsver-
trag mit keinem Worte äußert, bespricht ihn die
Presse als den schmachvollsten Vertrag, den Oester¬
reich-Ungarn jeinalS unterzeichnet bat. In der Tat
bedeuten ja die Waft'Mstillstandsbedingnngcn eine
so erbarmungslose Zerschlagung und Zerkleinerung
des Gegners, wie sie selbst in den barbarischen Zei¬
ten der Menschengeschichte selten waren. Mit der
Räumung der beleht-n Gebiete und des deutschen
Südtirol ist die fast gänzliche Entwaffnung, die Aus¬
lieferung des Landes, seiner Betriebsmittel, seiner
Ewcugunq, seiner Schiffe, seiner Luststreükrafte, ser-
ner strategischen Punkte und Befestigungen verbun-
den. Während Oesterreich-Ungarn gezwungen wird,
nicht nur seine besten Kriegsschiffe und Unterste-
boote (selbst d'e ihm gar nicht gehörigen deutschen
Unter' -boote) auszuli.sern. sondern auch sein ge-
sanftes schwimmendes Schifssmaterml eem Gegucr
rur Verfügung stellen, erklärt der Verband mit einer
fast beabsichtigt erscheinenden Frivolität, daß d e
Blockade, also die Abschnürung des so zerschlagenen
Landes von der Nahrungsnnftelzufuhr fortdaue.e.
Alle Gefangenen und Internierten sind sofort au»,
zuliesern, während die gefangenen Oesterrcicher mid
Ungarn in der Gefangenschaft verbleiben. Es ist
verfrüht, darüber ein Urteil auszusprechen, ob un-
ser bisheriger Kampfgenosse, dem wir m allen Ro-
i*t nach besten Kräften beigestanden haben ernen so
chmäblicken Ausgang nicht hätte vermenen kön¬
nen, wenn er zur rechten Zeit in die innere Zer¬
setzung einaegriffen und dadurch wemgstrns die Kraft
gefunden hätte, einer so unrarmherzicen Ue-.eran,-
Wortung an den Gegner noch einen Widerstand ent-
aeaenruletzen, der diesen zu menschlicher« Beoingun-
g;n gezwungen hätte . Für Deutschland ist dre Ver¬
öffentlichung dieser Bedingungen ge ade zur recyien
«eit aekommcn, um dem deutschen Volke an einem
krassen Beispiel vor Augen zu rücken, was auch wm
bevorsteben würde, wenn eine inner- Zeffehung das
Land hilflos einem Gegner auslieserte, der unbeküm¬
mert um die Zukunft Europas nur seinen brutalen
Mackitinstinkten folgt. .
Berlin, 5. Nov. Zur Lagern Oesterrerch
liegen bier Anhaltspunkte dafür vor. daß d.e Ner¬
vosität. die während der ersten Tage nach der Gmn-
dung der drutschösterreichisckien Regierung herrschte,
sich einigermaßen gelegt har. Abgcheben von gewis¬
sen ernstlichen Ausschreitungen in Wien sind bedenk¬
liche Vorfälle nicht zu verzeichnen. Dagegen spielen
wilde Gerüchte über den Ausbruch von Kriegsgefan¬
genen und dergleichen eine große Rolle. Dre Mel¬
dungen über Brandlegung und Plünderungen sind
aber im großen und ganzen stark übertrie en. Nich¬
tig ist, daß die ihre bisherige tziarnisonen verlaßen-
den Soldaten namentlich jene slawischer Natonalr-
tat. Militärout aller Art zu sich nehmen um es dann
auf der Straße zu Spottpreisen zu verlausen. Der
Zivilverkehr für Reisende wurde fast ganz eingestellt.
Lug um Zug bis auf die Dächer voll mit abreisen-
dem Militär rollt aus den Bahnhofshallen, ^vre
Furcht vor Ausschreitungen der Kriegsgefangenen
und des zurückflutenden Militärs sowie die Lebens«
mittelsorge beherrscht die Bevölkerung derart, daß
auf der Straße wenigstens der Eindruck der furcht¬
baren Waffenstillstandsbedrngunoen nicht unmittel¬
bar fühlbar wird. Jedenfalls Halen die^unerhört-n
Bedinaunoen der Entente und namentlich der gegen
Deutschland gerichtete Teil derselben die Erbitterung
gegen die äußere und innere Polit-k in den letzten
vierzehn Temen noch gesteigert, Nach den vorliegen¬
den Mitteilungen nimmt die Entwicklung einen
durchaus normalen Verlauf, wenn auch naturgemäß
der Mangel e'ner militärischen Organisation Beden¬
ken für die Zukunft Raum gibt. Um so mehr ist es
zu begrüßen, daß mit Erfolg an der möglichst schnll-
len Aufstellung zuverlässiger Ordnunastruppen in
Wien und Deutschösterreich gearbeitet wird.
Wien, 4. Nov. Die Anwerbungen zur nenerrrch-
teten Volkswehr nehmen einen guten Verlauf. Es
soll bereits die Aufstellung mehrerer Bataillone zu
je 450 Monn gesichert feil». Auch die vom Unter¬
staatssekretär des Heerwesens Dr. Deutsch neben der
Volkswehr zugelassene Anwerbung für die Rot-
Garde findet lebhaften Zuspruch.
München. 6. Nov. Wie aus Wien berichtet wird,
bat der österreichische Nationalrat beschlossm, d:e
Frage des Anschlusses Oesterreichs an Deuftch-
land nach dem Friedensschlüsse durch eine Volks¬
abstimmung zu entscheiden.
Wien, 5. Nov. Heute mittag trat im Landhause
die konstituierende Landesversawmlung der
deutschen Natron Oesterreichs zusammen. Zum Lan-
desbau-ptmann wurde der Oberkurator Steiner ge¬
wählt.
Bregenz, 8. November. Die Ruhe ist an keinem
einzigen Orte des Vorarlberg gc stört wor¬
den. Die Leute, die von der Front nnd den
Etavpen mit jeden: Zuge znrückkommcn, werden vom
Volke herzlich begrüßt. Die Landesregierung mit Dr.
Ender in Bregenz an der Spitze, bar sich mir keinem
anderen politischen Programm beschäftigt, als mit der
Scftnfting eines, selbstäntsigen Berwaltu'rgsgihietcss
im Staate Deutsch-Oesterreich. Arbeiterkreise sind für
den Anschluß an die Schweiz, vor allem aus rein wirt¬
schaftlichen Gründen, da Vorarlberg und die Ost.
schweiz ein gemeinsames Wirtschaftsgebiet bilden. ^ Da¬
gegen widersetzen sich die Vorarlberger Stickereiind^.
striellen aus Geschäftsgründen einer Vereinigung mü
der Schweiz, auch der katholische Klerus nimmt dagegen
Stellung. Die Schweiz sieht dem Anschluß eines Kane
tons Vorarlberg mit küblem Herzen entgegen. Der
„Bund" meint, man müsse sich Gebietsvergrößerungen
sehr überlegen. Vielen Schweizern ist der möglich»
Zuwachs an Katholiken nicht genehm, und in der West,
schweiz dürfte das Anwachsen des deutschen Element)
als unerwünscht betrachtet werden.
Der Wiener Fürsterzbischof für die Monorchie.
Wien, 5. Nov. (918. Fürsterchischoi Kardinal
Prf sl bat in der Doeblin er Karmeliterki'che ü-er die
gegcnwärti wn Verhältnisse aelpcowen und - esaat: „Dir
grundsätzliche Fra-e für die nächsten Wahlen zur
Nalronalversammlana ist die, obRepublik oderMonarchie.
Als Katboliken treten wir in Deutsch-Oesterreich kür
den monarchischen Gedanken ein, nickt als ob
die katholische Kirche grundsätzlich keine andere Reste-
rungSform zuliebe, (andern weil wir zunächst in einer
monarchischen Regie:unaSmrm auf demokratischer
Grundlage die sicherste Gewähr für eine ruhige, gedeih-
ltche Entwicklung der österreichischen Völler, ganz be¬
sonders des deutschen Volk stamme? e>blicken. Wollen
unsere neu.iegründeten Nationalstaaten nicht zu voller
BedeutungSlosi. kcit heravfinkcn, so werden sie sich früher
ode später ooch wieder z usamm en schlic hen
müssen "
Ein Zwischknsnll auf dem Wiener Nurdbahnhos.
Wien, 4. Nov. Ter heutige Tag verlief in
Wien im allgemeinen rilhig. Der Eckenboduver'
kehr steht ganz in« Zcickvn des Nücktro"öoorws der
nationalen Triippenleile nnd der o»s den Krwgs-
aesana-nenlagern abaeleitel-en Tw»svor!e. Ties
hat aus den Bahnhöfen große Äni.iminlungen oon
Mannschaststrupps zur Folge, tvas keine aus dem
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