Nr. 2fi0. |
Verantwortlich für den redaktionellen »eil: Karl Schütte,
für die Anzeigen: J.Parzeller,Fulda.— Rotationsdruck.
I Mittwoch 4. Verember 19l8. |
«erlag der Fuldaer Aetiendruckeeei in Hulda. — Pret» m«mat». I AZ Trtf|rQ,
MfDl m. a iVnlhtt*T QfthlltC. I JWlIiyo
Unsere Parteifreunde
jtt -er Provinz Hessen-Nassau werden gebeten,
keinerlei Wahlabmachungen mit anderen Parteien zu
Iresfen oder Zusagen auf Wahihilfe zu geben.
Da die Provinz Hessen-Nassau einen einzigen
Wahlkreis bildet, brauchen wir alle unsere Stimmen
s E k b p, um di« beiden Mandate, die wir jetzt be¬
sitzen, zu erhalten; jede Wahlhilfe an andere Parteien
nfirttt uns eins unserer Mandate kosten.
Unsere Parteifreunde werden deshalb gebeten, die
Beschlüsse de» demnächst zusammentretenden Wahl¬
ausschusses für die Provinz Hessen-Nassau abzuwartm
Md sich dis dahin in keiner Weise festzulegen.
Der Wahlausschuß der Zenlrmnspartei.
Verletzungen
de- WaffenstillstandSavkommens.
Berli«, 8. De,. Entgegen dem Waffenstillstand»,
avkommen sind in Aachen und Jülich von den
einrückenden feindlichen Truppen Kontributionen
erboden worden; auch die Stellung von Geiseln
?"urd« verlangt, wa» ebenfalls dem Abkommen über
de« Waffenstillstand nicht entspricht.
Bon Mar chall Foch ist eine Note eingetroffen,
n welcher die Grenzsperre zwischen Elsaß»
Lothringen und den anderen fremden Ländern
mitgeteilt wird. Saarbrücken und Saarlouis
find in die eisaß-lotbringiiche Grenze einbezogen
wo»den. Auch diese» Verfahren steht mit dem Was-
fenstillstandSabkommen in schreiendstem Widerspruch.
Offenbar soll der Raub de» Eaorrevier» damit vor¬
bereitet werden.
und Willkürakte muh der
scharfite Protest eingelegt werden. Tie groben
Rechtsverletzungen laffen sich durch militärische Not»
wendtcikeiten nicht begründen. Auch wirtschaftlich
sind sie verhängnisvoll, weil die Kohlenausfuhr
nicht nur nach Süddeutschland, sondern auch nach
der Schweiz durch die Grenzsp.-rre unterbunden
wrrd.
Gin Ultimatum Fachs.
Da» bekannte Verlangen der Franzosen nach Au«>
lleferung sämtlicher stärkster und bester Lokomo-
tioen hat zu einer akuten Zuspitzung geführt. Am
Sonntag ließ Generalissimus Foch der deutschen
Wasserstillstandrkommission «in Ultimatum mit
24st«ndiger Befristung überreichen, in welchem die
französische Forderung erneut ausgestellt wird. Der
Vorsitzende der deutschen Waffenstillstandskommikklon,
Staatssekretär Erzberger. hat sofort nachdrücklich
Einspruch erhoben und erklärt;
D»e Erfüllung der Foiverung wäre selvst dann
unmöglich, wenn man da» ganz» deutsche W rt-
schaftSlebrn zum HerauSsuche« der stärksten und besten
Lokomotiven in Unordnung brächte. Er machte den
«ermitttungSoorscklag. daß Deutschland alle gegenwär-
tig in Reparatur befii dlichen Lokomotiven nach Fertig,
stellunq abliefern werde, Al» Termin der AuSlieseriing
ist der 1. Februar ISIS in Vorschlag gebrachte Der
Vermittln»,Svorscvlag ist an die Bedingung geknüpit,
daß d,e Franzojen die ,n Belgien und Nordfrankrcich
veschlagnadmtcn Lokomotive« in Anrechnung bringen
und ihre Zahl namhaft machen. Die französischen
Forderungen gingen über Sinn und Wortlaut
de» Waffenstillstandsvertrage» weit hi-
n a u », da dort über die Qualität der abzuliefernden
Maschinen keine 2 At mniung grt offen sei
Rach ^ner Meldung der „Köln. Ztg." hat Foch
sein Einoerständn«, mit diesem Vorschlag er-
klart. Die gestellte Frist war Montag vormittag ab-
geloufen. Lus der Uederfchreitung haben dl« Fran¬
zosen kein« Folgerungen gezogen. Damit ist die Ge-
fahr, die aus dem Ultimatum drohte» obgrwehrt, zu¬
nächst mußte man jedenfalls den Eindruck gewinnen,
daß Foch darauf hinarbeite, Vorwände zum weiteren
Eindringen in Deutschland zu schaffen. Da Deutsch,
land vollständig wdhrlo» ist, würde ein Bruch de»
Waffenstillstände» zu nichts anderem führen, als daß
die felndllchen Truppen über den Rhein marschieren
und einen gefahrlosen „Siegeszug" in Deutschland
Hinein anträten. soweit es ihnen beliebt..
Diesmal baden dt? begründeten Einsprüche
unserer WgfkenstillstindSkommission geholfen,
^ber wie lange werden wir nun Ruhe baden?
An, 17. Trencher läuft der Waffenstillst.,.ch
ab Wird uns eine Verlängerung bewilligt wer¬
den? Nach den bisherigen GeffnnungSproben ist
das nur unter weiteren Ve schärfungen, unter
weiteren Opfern und Demütigungen zu erwar-
fen\ . fei denn, daß SB.Hon nach seiner An.
kunft m Eunova am 10. Dez?mber ein Machtwort
fvncht. — wenn nicht zu Gunsten der Milde,
dann doch wenigsten» zu Gunsten der Vernunft.
Wie steht es mit dem Borfrieden? Von
Anserer Seite ist er längst angeregt worden, doch
von der Gegenseite ist bisher nichts geschehen
Wir boren nicht» und wir sehen nicht» von Vor¬
bereitungen zu dieser dringend notwendigen
Schutzniasiregel gegen weitere» Blutvergießen
und innere Unruhen.
Wenn nian bisher die Unsicherheit der deut¬
schen NegierungSverhästnisse vorschützte, so sollte
doch nunmehr daS AnSschreiben unserer Ratio-
nalverckmimlung die besonnenen Elemente auf
der Gegenseite veranlass-n. en^ch einmal iw De-
ratungeen über den Vorsr eden einzutreten, da.
mit die National»« sammlung etwas vorfindet,
was sie acnehmiaen kann. Aber es rührt sich
noch nichts- Wenn Wilson nicht eingreift, gibt
es anstelle des ersehnten Vorfriedens einen
fdjrecUtaian Nachkrieg»
Die Lage ist sehr traurig, geradezu entsetzlich,
— nach auien wie nach innen. Wenn sich die
Nachricht bestätigt, daß die zersetzende Tätigkeit
des Diktator» Eisner in München endl'ch gebro-
itfien «ei, so wäre das ein kleiner Lichtblick in der
innerpolitischen Nebelwand: aber der Bolsche¬
wismus in Berlin und der einmarschsücktig«' Foch
im Westen bedrohen unS immer noch auf»
schweifte.
Schadrnerfatzvorfchläge der Entente?
* Haag, 8. De,. Der parlamentarische Mitarbeiter
»er »Daily New«' erklär'«, daß die Alliierten folgende
LchadeuLerjatzvorichläge erwägen:
1. E» soll während einer Reihe von Jahren ein
Schaden rsatz in Geld für sämtliche in Belgien und
Frankreich angerichtete Schäden geleistet werden.
Die Schäden werden auf 2—2'/» Milliarden Pfund
Sterling berechnet.
2. Sämtlich verheerten Häuser in den Städten
diese» Gebiete» muffen durch deutsche Arbeiter
neu aufgebaut, die We^e neu angelegt, d e Schlacht¬
felder wiederhergrstrllt und da» benötigte Material
durch deutsche Arbeiter für die Alliierten zusammen,
gebracht werden.
3. E» soll ein Schadensersatz geleistet werden, für
den vernichteten Schiffsraum, und zwar auf Grund
eine» zwischen den Alllierten und den Zentralmächten
abgeschlossenen UebereinkommenS, laut dem die deutschen
Schiffe für Rechnung der gesamten Welt fahren und
auf deutschen Weiften neue Schiffe für die britische
oder die anderen «auffahrtei flotten gebaut werden
muffen.
< Reben dem Schaden»ersatz für Belgien und
Frankreich soll tme wettere Entschädigung für die er¬
littenen anderen Verluste cezahlt werden.
6. Da» gesamte ,n Deutschland vorhandene Gold
wird den Alliierten ausgeliefert.
6. Die deutschen Kohlenbergwerke haben einen
Teil der geförderten Kohle abzugeben. Diese Abgabe
ist auf eine Reibe von Jahren zu zahlen. Außerdem
ist die deutsche Kohlenei zeugung unter die »iontrolle
der Alliierten zu stellen.
7. Die in Italien, Serbien und Rumänien
anperichteten Verheerungen muffen wieder gutgemacht
werden.
Auch im Feindesland« wird man hoffenilich
ein ehe», daß ein bauender Friede völlig unmöglich
«st, wenn die Enisckädigungsgier der Entente auch
nur bachwegS so tolle Orgien feiert, wie in diesen
Vorschlägen. Die Entente könnnie vielleicht die
Annahme solcher oder ähnlicher Bedingungen er¬
zwingen, aber sie müßie die Versk avung Deutsch¬
lands dauernd mit Gewalt aufrecht erhalt,«.
Eine Rede Wilsens.
Haag, 8. Dez. Hellauf sch Nieuwstzureau
meldet auS Wasb'l'gtcn: W'lson hat in der gestri-
gm Sitzung de» Kongreffes e'ne Rede gehaltm,
worin er erhörte, daß er die Doll?nduna de»
Frieden»Vertrages für den kommenden
Frühl'ng vorauSfebe. Weiter deutkie er ein
neues Programm on. da» sich über drei Jahre
erstreckt. ES wäre ein Unglück, zu versuchen, das
amerikanisch« Programm nach einer künftigen
Westvolitik regeln zu wollm. welche bi» setzt noch
nickt feststeht. Tie demokratischen Anhänger
subeljen ihm laut zu. als er feine Absicht ver¬
kündete. zu der Friedens'onfe-enz nach Europa
zu reisen, wöbrend die Republikaner sich ruhig
verhiellen. Nach s-'ner Rede, die % Stunden
dauerte, vertust er den Sitzungssaal unter lautem
Jubel der Demokraten. Die Republikaner hatten
während se'ner Rede keine Zwischenrufe gemach».
Im besetzten Gebiet.
BerNn, 2. Dez. Der Arbeiter, und Soldaten,
rat in Metz ist bereits am 14. November aufge-
löst und seine b's dabin nicht geflohenen Mitglie-
der sind verhaftet worden.
Köln. 2. Dez. In Aachen wurde durch die
Besatzungtruppen d'e Stellung von Geiseln
verlangt als Gewähr für die Anfrechterhaltlung
der Ordnung. Wer Unruhen verursachte, würde
erickwffen. Der belgische Offizier machte die Po-
sizei truppen dafür verantworff'ch. daß niemand
da» Rathaus betrete d'r da,n nickt die Erlaubnis
besitze. Der Eisenbahn- und Telegrapbenverkehr
mit Sacken it vrllständig gesperrt. Die Belgier
haben e'ne strenger Bestimmungen rr.
l'ffen und auf zahlreiche Verstöße dagegen die
Todesstrafe gesetzt. So muß jeder Bürger vor
einem feindlichen Offizier den Bürgerstcia ver-
laffen und den Hut abnehmen! Die Woh¬
nungen und Laden müssen bei eintretender Dun.
kelheit bell erleuchtet Werten. Die Licktswxlim»
ternehmungen. Kaffeehäuser usw. sind geschlossen.
Von 8 Uhr abends bi» 5 Ubr moraens darf nie¬
mand auf dcc Straße lein. Alle Warfen muffen
abaeliefert werden. Wer mit euer Waff auf der
Straße betroffen wird, wird auf der Stelle er-
schossen. — Die Franzosen ve-lmgen nur. daß
man ihre Fahne grüßt, die Belgier wollen die
Begrüßung ihrer Offiziere erzwingen. Man muß
danach annehmen, daß da» belgische Offizier,
korp» solche äußerliche Ehrenbezeugungen nötig
bat. weil innerlich lein Mensch ibm Ehre erwei-
sen wurde.
* »Sin, 2. Dez. Auch in Jülich ist gestern
belgisch-.- Militär eingerückr ES wurden so¬
fort durch öffenljich anoe'chloaene Bekannimachungen
dieselben strengen Dest'nmungen erlagen wie in
Aachen. Auch das Gruß gebot fehlt nick«.
"rtk Köln, 2. Dez. Am Dienstag nacht um 3
Ubr 30 Minuten hat da» Gros des letzten deut»'
sckzen Reg menlS Köln vom Dome au» verlassen.
vtb Trier, 3. Dez. Amerikanische
Truppen sind gestern. Sonntaa. nachmittag 2 Ubr
in Trier eingerückt. Dritte amerikanische
Truppen m rrschiert-n in der Richtung auf Kob-
lenz. In oer Stadt herrscht vollkommene . Ruhe-
Auslösung der österreichischen Westsrontdivisionn.
Berlin, 3. Dez. Bei Heilbronn haben sich
dreieinhalb ö 'erreickiscke, von der Westfront kom-
wende s>nfan,e,ie-Tiv'sio''en aufgelöst und ihr
aeiam eS Material einschließlich der Geschütze, dar¬
unter zwei Motorbatierien von 35 Zentimeter in
wildem Durcheinander bei den Stationen hinterlas¬
sen. Auck zahlreiche Wagen und 6000 Pferde blie¬
ben zurück, deren Erhaltung infolge des Futterman¬
gels gefährdet ist. Dagegen kamen die würt'enber»
gschn Formationen geschloffen und in tadellosester
Ordnung an den DemobilisierungSorien an.
Der Abtransport «nserer Ostheere.
Dir» Räumung im Oberostgebiet nehmen ihren
planmäßige,1 Fortgang. Dagö, Moou, Narwa,
PlrSk'v Ostiow und Vobruisk sind geräumt.
Verl««» 2. Dez, Zur Beruhigung aller Ange.
hörigen der Okki>patioi,str,'vven aus der
Ukraine können wir misieilen. daß »ach einem
Funkip''uck de» E.'pvenk'mmandoS 31 dort alles
wohlauf ist. Nirgends ist die Ruhe gestört. Der
Lauptieil wird demnächst in d.e Gegend von
Brest-LitowS? und dann in die Heimat befördert.
Berl n» 2 Dez. Die Frist, die Generalfeld,
marickall Mackensen für die Internierung m
Ungarn gestellt war. ist verlängert worden, sodaß
die Entwaffnung der deutschen Truppan in Un¬
garn frühestens morgen (Dienstag) mittags 12
ttdr ihren Anfang nehmen wird- ES ist immer¬
hin noch einige Hoffnung vorhanden, daß in
Svaa der deutsche Standpunkt erfolareich zur
Geltung gebracht nerden kann, wonach bekannt,
lich der Waf'enst llstandsvertraa mit Deutschland
die entacgenstebenden Best'mmungen des mit
Oesterreich-Ungarn vereinbarten Vertrages
ausliebt.
Englffchr Flotte in Cibcu.
kiel, 2. Dez. Gestern nachmittag ist eine Flottille
von 12 englischen Zerstörern, die durch den Sund in
die Ostsee eingelaufen waren, in Li bau angekom-
men.
Die engllsche Marlnekommiffion wird morgen in
Wilhelmshaven eintreffen.
Der AppeM der Tschechen.
Die Tschechen begnügen sich nicht damit, in den on
ihren neuen Staat angrenzenden deutschen Gebiets¬
tellen des ehemaligen Oesterreich ihre vermeintlichen
Ansprüche geltend zu machen und mit bewaffneter
Macht sich dort festzusetzen, ihren Appetit reizen auch
die angrenzenden reichsdeu tschen Eebletsteile,
wozu wir einen lehrreichen Brief eines katholischen
Geistllchen aus dem Kreise Ratibor als vielsagenden
Beleg zu veröffentlichm in der Lage sind. Der Geist¬
liche teilt mit,
daß kürzlich ein ihm bekannter Geistlicher auS dem
benachbarten tschecho.flotvkischen Staate ganz unver¬
mutet zu ihm gekommen sei, .um mir zu erklären, daß
da» mährisch sprechende Doll im Kreise Ratibor bei den
FriedenSverhandl,ingen zum tschecho.slowakischm Staate
geschlagen werden würde. Er wäre beauftragt, Fühlung
mit den Geistlichen in Preußen zu nehmen und sie mit
der Tatsache vertäut zu machen, damit sie nicht über¬
rascht Wörden. Eo sei er zu mir gekommen, um mir
mitzuteilen, daß bei den Friedensverhandlungen einfach
diktiert werde, daß wir zur Tschecko-Slowakei gehören.
Man sieht, baß die angebsiche Geneigtheit der
Tschechen, in gute Beziehungen mit uns zu gelangen,
den Respekt vor den deutschen Reichsgrenzen vermis¬
sen läßt. Es wäre put, wenn sich Misere Reichslei-
tung dieser Angelegenheit einmal annähme und sich
auch dafür stark machte, den Gnmdsößen des Wilson-
scheu Programms jetzt und auf der Friedenskonferenz
Geüung zu verschaffen.
Die Erkrankung deS Kaisers.
Rach einem HavaStekegramm au» Amsterdam ist der
Kaiser von einem R e r v en n s a l l betroffen wor.
den. Er beabsichtigt, sich tu ei», Sanawrimn i» der
Umgebung von Arnheim zu begeben.
Fehrenvach gegen die Regierung.
und Freiburg i. «r.» 2. Dez. Ter Reichstags-
Präsident Fehrenbach erhielt vom ReichSbuieau
jolz-ndeS Telec-ramm:
Don der Reichsregierung ist uns folgendes Schrei,
ben zugegangen: Tie Reichsregirning hat verfügt. Sie
zu beauftrag«!,, am 1. Tezemker 1918 an die Herren
RetchStagsabgeordneiei, nur die, Tiäien auSgahlen zu
wollen, die im Falle einer erfolgten RcickstagSauflösi »g
bezahlt werden müßlen. Zugleich beausUmgen wir Sie»
die Einziehung der Eisenbahnfahrkartcn der Herren
ReichstagSabgeordneien veranlassen zu wollen. — Lbert.
Haase.
Darauf hat der Reichstagspräsident an die
ReichSregierung und daS ReichSbuieau folgende»
telearapvirri:
An die R e i ch SI e i tu n g, Berlin. Laut telegra¬
phischer Mitteilung haben Eie das ReichStagSbüro an¬
gewiesen, am 1. Tezember 1818 an die ReichStagSad.
geordneten nur die Diäten auSzuzahlen» die im Falle
ei rer erfolgten RcichstagSauflösung bezahlt werden
müßten, sowie die Einziehung der Eisenbahnlahrlarten
zu Vera» lasten. Tieie Anordnungen sind ge setz,
w i dr i g. Tie freie Eisenbahnfahit ist durch dar Gesetz
vom L2. Juni dS. I». für die Tauer der Legislatur¬
periode, die noch andauert, gewährleistet, und die Aus¬
zahlung der DezeinberdiSkenrate darf nicht abhängig ge¬
macht werden von der Fiktion einer ReichSraglauflösung.
Der Reichstag ist nicht aufgelöst, und ich protestiere «a.
menS des Reichstag- gegen diese Gesetzwidrigkeiten. Tie
Regierung ist auch nicht berechtigt, dem ReichStagSbüro
mit Umgehung des Präsidenten Weisungen zugehen zu
laffen Ich habe dem Büro v e r bo l e n, der jetzigen
Verfügung nachzukommen. Frhrenbach, ReichSlagSpräst.
dent.
ReichStagSbüro, BerNn. Die Verfügung der
Reichsreglerirrig beziielich der Diäten und der Freifahr¬
karten ist, solang der Reichstag nicht mifgrlöst ist, ge¬
setzwidrig. Die Regierung hat auch nicht daS Recht, mit
Umgehung des Präsidenten Ihnen direkte Weisungen
zukommen zu laffen. Ich habe gegen diese Gesetzwidrig¬
keiten protestiert. Fehrenbach, ReichStagSpräsident.
Die Revoluffoa broochl Geld.
Es ist kürzsich darauf hingewlefen worden, wie
sündhaft dle Revolution in der Verwendung öffent-
sicher Gelder wirtschaftet. Da» neue System läßt sich
aber nickt nachsagen, daß es nicht auch Sparsam¬
keit zu üben verstehe.. So hören wir, daß der Ar¬
beiter- und Soldatenrat dem vom ganzen deutschen
Volke hochverehrten Generalfeldmarschall Hin den»
bürg, der gewiß Uebermenschliches für das Vater¬
land geleistet hat und beute bei der Durchführung de»
Rückmarsches unserer Truppen noch leistet, auf Eol-
datenration gesetzt bat. Er muß auch mit 80 Gramm
Butter kn der Woche auskommen. Ob Liebknecht»
von dem schon in den ersten Revoluiionstagen berichtet
wurde, wie reich er von gewiffen Krisen de« Berliner
Westens mit Lebensmitteln versorgt wurde, auch mtt
der einfachen Soldatenration zufrieden ist, konnte lei¬
der nicht ermittell werden.
Elsners erichüiterte Stellung.
München, 2. Dezember. Im Landtagszebäude
tagt fetz' der bayerische LandeSsoldäteurat
dessen Stimmung hinsichilich der baldigen Einbe»
iufnng einer bayerischen Nationalversammlung, der
Spannung zwi'chen München und Berlin und an¬
drer Dinge nickt durchweg mit den Absichien dr¬
unter EienerS trii fluß stehenden Münchrrver Sol-
va erra«S übereinstimmt. Der Einfluß deS eemä»
ßigien Ministers de» Innern, Auer, der anfangs
nur unter Widerspruch in» Ministerium ausgenom¬
men wurde, scheint zu wach'en. Nachdem E'Snrr
feine wankende Siellung durch die wütenden Au«,
fälle aeqen die Preffe, die selbst im LandeSioldaten-
rat bloß geteilte Aufnahme fanden, nicht verbrffern
konnte, läßt rr neuerdings ve, künden, e» beste!.-
AuSsicht, daß,der Perband in FnedenLverhandlunge»
mit ihm «rntrete. Unter dem Einfluß der heimkeh¬
renden Fronttruppen zeigt die Stimmung rm
Lande allerlei Anzeichen eine» Umschwung». Im¬
mer stärker wird der Ruf nach der bayeruchen Na-
tionaiversammlung, dem sich neuerdings dre Berei¬
nigten Be,bände de» bayerischen BerkeyrSpersonal«,
die vereinigten Gewerkichafien Nürnbergs sowie der
Eolvatenrat in Holzkirchen, wo die 4. Jnfantene-
diviüon »inauartlert ist, anschließen. . - t
«Sachen 2 Dez. München zeigte heute wieder da»
Bild der ersten Revolutionstage. Durch die Straßen
zo er, zahlreiche zum Teil berittene Patrouillen. Auf¬
fallend viele Matrosen zeigten sich plötzlich Bor den
Regierungsgebäuden und - dem Landtag waren die
Machen verstärkt und mit Maschinengewehren versehen.
E» gingen wilde Gerüchte von drovenden Revolten um.
Die Krise um Eiiner hotte die Bevölkerung auf» höchste
ou gereizt. ES • hatte sich eine wachsende Erbitterung
über die sonderbaren diktatorischen Anwandlungen deS.
Ministerpräsidenten auyesammelt. Gegen abend löste
sich im Anblick de» St aßen'even» erkennbar die Span-
nung. ES war inzwischen bekannt geworden, daß der
Konflikt im Sckoße der Regierung durch eine gründ¬
liche SuSsprache und neue Festlegung der Grundzuge
eine» klar umriffenen Pro ramm» bei gelegt wor.
den sei und daß sich EiSner, offenbar unter
dem Eindruck der schw ren Enttäuschung und all-
»emeincn Belstimmung die sein verhaßte» Regiment
hervoi gerufen hatte, auf den Loden streng konstitutio¬
neller gemeinsamer Arbeit zurückgefunden und un-
zweideut.gkeit zur Notwendigkeit einer raschen Eirve-
rufung der Nationalversammlung bekannt habe. Die
MinisterratSfitzun», in der die» Ergebnis erzielt wurde,
hatte vom ir.ihen Morgen bi» fvätcn Nachmittag ge¬
dauert. Dann erschien in der Parlamentrtagung de»
LandeSsoldatenrate» daS eesomte StaotSmin,.
steriu«. EiSner gab im Namen dr» Ministerrates
eine einstimmig ge,aßte Erklärung ab, in der noch-,
mal» betont wurde, daß die Re ierung auf revolutio¬
närer Grundlage ruht, und entschloffen ist, Ruhe und
Ordnung zu sichern. Nebermötzige Zentralisierungen,
wie auch die LoStösuni Bayern» vom Reiche lehnt die
Regie, ungab. Bon den Mächten der Entente erwartet sie,
daß sie, um die Bevölkerung Deutschland» zu beruhigen
und ihre politische Kraft aulzur chten. den Gerückten
ent e entreten, deren Fortdauer Zustände wilder Der»
zweiflüna schaffen - könnten, al» ob sie beabsichtigten.
Deutschland aufzutösea, weitere deutsche Gebiete zu
besetzen und die Feindseligkeiten wieder zu beginnen.
Die Erfüllung dieser' Wünsche wurde allerinng»
einen bedeutsamen Gesinnungwechsel bei unseren Geg¬
nern voraü» etzen, deren einstweilige Haltung bekannt¬
lich ausschließlich damit.begründet wird, daß die jetzigen
Regierungen ,.n Deuischland ebenso wenig al» verhand»
luUgSfähig angesehen wie die Arbeiter- und Soldaten-
röte» Die Erklärung schließt m«t der Versicherung, in
der RegierungSerilätüng sehen wir keine rnt,cheid«nde«
Anhaltspunkte dafür, daß die Lag« hier prundsetzlich
geändert wäre. Die Nationalversammlung solle so
bald als möglich rirberufen werden. Minister de» Inner»
Auer betonte die Notwendigkeit, daß Deutschland sein
Hau» selbst in Ordnung bringen. E» sei Gefahr, daß
die Enten:« bei un» einmarschiert. Der Waffenstillstand
müsse verlängert werden, sonst sei alle» verloren. Hier
scheint un» aber rin Sah hcrzuaehören, den Auer in
etwa» anderem Zusammenhang sprach, e» muffe fest-
gelegt werben, wann und unter lvelchen Umständen die
E.nberu ang der Nationalversammlung erfolgen solle.
Nach Auer hietten die übrigen Minister ihre Pro¬
bereden vor den Solratenräten wobci v. Frauen,
dorfer kundgab, daß Bayern demnächst die Hälft«
semer schweren Lokomotiven obgeben muffe, wa» den
Kohleidezug außer» dent,ich erschwere. Da» meiste
Jntcreffe weckte natürlich die Rede de» Kultusmini¬
ster» Hoffmann. Sie war ziemlrch vorsichtig, ließ ober
doch gewiffr Umriff« deutlich genug erkennen: Freier
Staat, freie Schute, freie Krrche, aber die bisherige
Verbindung dieser drei Faktoren werde .nicht ohne et¬
wa« Gewalt» ab,zehen Aber Hoffmann will noch et-
was Zeit und mahnt diejenigen zu Geduld, denen er
zn langsam macht, namentlich mit der Trennung von
Kirche und Staat.
Divalnr 1» Berlin.
Berlin. 3. Dez. In der Berliner Hrdezeugfiibrff
von S. Piechatzek hoben sich in den letzten Tagen Szenen
abgespielt. d»e zeigen, wozu di« dittatorilcken Neigun»
gen einzelner Leute führen können. Am 25. November
hatten die Belegschazten sämtliche Maschinen de» Be-
triebe« still gesetzt, um ihren Forderungen bei de»
laufenven Lohnverhandtungen Nachdruck zu der-
leihen In den Verhandlungen, die nun zwischen dem
Fabrikanten und dem Arbeiterrat de» Betriebe» geführt
wurden, trat der Lljährige Arbeiter Otto Fischer al»
Wortführer de» «rbeiterrate« auf/ besetzte die Bureau»
räume der Fabrik und drohte damit, daß er da» Bank»
konto de« Fabrikanten sperren laffen wurde. Aus eine
Beschwerde de« Fabrikanten t>e,m .BollzugSrat" e»
klärte man dort, da« Benehmen de« Fischer al» «nav-
ch«e. Fischer seinerseits wie» sich mit einer von Mol.
kenbuhr und Richard Müller (Berlin) Unterzeichnete»
Vollmacht au», wonach ihm die Leitung der gan¬
zen Fabrik üocrtrage« war.' Der Streit zwischen
dem Äibriterrot der Fabrik und de« Arbeitgeber ging
dann »och weiter. Fischer drang mit bewaffnete«
Sicherhe t»sol"sten in» Bureau ein und.beschlagnahmte^
die Geschäftsbücher. Die Fobrikleituag hat sich nun¬
mehr an die Regierun z mit der Bitte um Beendigung
diese» anarchtstisä en Zustande» gewandt. Herr Fischer
aber erklärte, daß für ihn weder die Regierung noch
der BoUzugSrat, auch nicht die freien Gewerkschaften
oder sonstige Interessen Vertretungen von Arbeiter»
ooet Angestellten maßgebend feien.
ÖspjierSstreiL
Augsburg, 3. Dez. Die RevolutionSregierung
in Bayern harte allen Beamten und Oifizieren, die
sich der neuen Regierung zur Verfügung stellten,
die Fortzahlung ihres GehalteS garanlierl. Auf
eine Be, liner Anregung hin wurde» aber mit einem
Federstrich alle O fiziere und Mililäi beamte auf bat
Friedens ge hall von 1914 gesetzt, ohne daß der
Eniwer-ung de» Gelder irgendwie Rechnung getra¬
gen wurde, und ohne daß die Berfüguna für di«
Mannschaften galt» die nach wie vor KriegSlöh»
nung mit alle» Zulagen erhallen. DaS Hai nun¬
mehr Folgen gezeiot. Tie dienstluenden Offiziere
deS 3. Jnfanlerr, «Regiment» in Augsburg haben
ibre dienstliche Tätigkeit eingestellt und ihr«
Obliegenheiten an di« Vertreter de» Soldaieniak«
Augsburg übertragen. Die Offiziere erklären, daß
sie in den Maßnahmen der Regierung nur den Be«
,uch der bewußte» Herabsetzung und «««&
Untergrabung bet wirijchajlliche« Grundlage u j