rir. 293.1 ! Donnerstag ry. De-ember 1-1S. I
Die sreichSkonferen; der Arbeiter- und
Soldatenräte.
Berlin, 18. Dez. Der Beginn derMittwock-Sitzuna
tm Kongreß der A.» und G. » Räte verlief ruhi». Die
Anträge der gestern zum Schluß der Sitzun, erschiene,
nen Soidaten-Deiegation gelangten zur Beratung und
wurden zum Teil sachlich für berechtigt erklärt. Ver¬
treter von Len Fronten erklärten, daß bei ihnen die
Forderungen der Berliner längst durch geführt wären.
Gegen einzelne Forderungen wurden allerdin S Beden,
ken erhoben. Im Laufe der Aussprache lief eine ganze
Reihe AenderungS » Anträge ein. Gegen 11 Uhr teilte
der Vorsitzende Leinert mit, datz die Eoldaten-
Delegation wiederum erschienen sei und bestimmt
auf sofortiger Erledigung aller Vorschläge bestehe. Ed
genüge rhr aber, wenn die Führer der Fraktionen sich
mit ihnen zu einer Beratung versammeln würden.
Diesem Wunsche wurde nachgekommrn und dieBeschluh»
fassung über die Wünsche der Soldaten ausgesetzt, dir
die Sitzung der Berliner Soldatenräte stattgefunden hat.
Vorsitzender Leinert teilt mit, das; wieder einige
Deputationen draußen stünden. (Heiterkeit.) Di« eine
Delegation erklärt, fall» sie nicht vorgrlaflen werde,
u ürden 280000 Arbeiter Berlin» am Donnerstag die
Arbeit nicderlegcn. (Hört, hört!) Wenn in dieser Weise
auch weiterhin alle Arbeitergruppen, die irgendwie
glauben benachteiligt zu sein, sofort die Arbeit niedrr»
legcn würden, gehen wir ja netten Zuständen entgegen.
(Zustimmung.)
Auf Anregung de» Redner» beschloß man, künftig
Deputationen in ter Vollversammlung nicht mehr zu
empfangen. Diese sollten außerhalb de» Sitzungksaale»
mit den FraklionSvertretern verhandeln. Dieser Grund¬
satz wurde sofort wieder aufgehoben durch da» Erschei¬
nen einer Arbeiterdeputation, die die Türsteher
einfach beiseite drängte und verlangte, ihre Jorderun»
gen vortragen zu können. Der Vorsitzende gab da»
schließlich zu, da ja gestern auf dieselbe Weise die
Soldaten auch zu Wort kamen; doch sollte die» unwi¬
derruflich da» letztemal sein.
Der Führer der Delegation holt zu einer Rede
au», wird aber ersucht, sich auf die Verlesung der For¬
derungen zu beschränken. Die Einleituna»worte, daß
die Forderungen im Namen von 25<>000 Arbeitern er¬
hoben würden, werden von der Mehrheit lächelnd be¬
stritten. Die Forderungen selbst sind eine Wiederho¬
lung der vor einigen Tagen in der .Noten Fahne"
abgedruckten Forderungen de» Spartakusbundes. Er-
läuternd fügt der Sprecher hinzu, daß diese Forde¬
rungen natürlich bedeuten: Nieder mit der National¬
versammlung! (Lärm und Lachen.) T» bedarf wie¬
derholter eindringlicher Versuche Leinert», um die
Delegation zum Verlosten de» Saale» zu bewegen.
Einzelner ihrer Mitglieder ergehen sich in Verwün¬
schungen gegen den Kongreß.
Hierauf erstattet R. Müller da» Schlußwort zu
feinem Bericht über die Tätigkeit de» Bol,ugSrat». Er
führt darin noch einmal dir Entstehung aieler Gerüchte
über den VollzugSrat gerade auf die VoikSbeauftragten
zurück, insbesondere dir Entstehung de» Gerüchte» von
Rcldverjckwendung. (Da» ist kein Gerückt, sondern da»
eine Tatsache, die ReichSschatzsekretär Schiffer be¬
stätigt bat. als er feststrllte, daß seit der Revolution
nicht 800. sondern über 1000 Millionen «»»gegeben
wurden. Die Red. Falsch sei auch die Behauptung, daß
da» W. T. B. von Unabhängigen geleitet werde. Wohl
aber habe der VollzugSrat eine Kontrolle über daS
W. T. B. eingesetzt. (Scheidemann: 30000 Mark habt
Ihr in einem Monat verlelegraphiert!) (Hört! Hört!»
Rechtssozialistische Blätter haben sich an der Hetze gegen
den VollzugSrat beteiligt, allen voran Gcheidemann.
lScheidemann: Sie sind nicht recht gescheit!> kHriterkeit.)
Die Meldung, daß di« Entente dir u. S.-Rätr nicht
anerkennt, ist längst alt Schwindel entlarvt.
Volkkbauftragter Dillmann spricht da» Schlu߬
wort für den Bericht der Volksbeauftragten. Er stellt
fest, daß die überwältigende Mehrheit der Soldaien
nicht gegenrevolutionär sei» trotz der vereinzelten Vor¬
kommnisse, die beim Durchmarsch vo».gekommen seien.
Der VollzugSrat hat bei den Truppen keine Autorität.
Eine Vereidigung auf ihn hätte da» Gegenteil erreicht.
fSehr richtig.) Die EideSformet ist auf Vorschlag Land»,
cherg-Haase einstimmia vom Kabinett beschlossen worden.
!;» unseren dringlichsten Aufgaben gehören die bevor»
tehendcn Wahlen zur Nationalversammlung
Sie iönnen nur dann zu einem Erfolg führen, wenn
da» gesamte Proletariat eine geschlossene Kampffront
bildet. Der Wahlkampf wird au»g«fockten werden un»
tcr der Parole: Hie KapitaliSmu», hie Soziali»mu»l
Di« Maste will dre Not onalversammiung. Darüber
kann gar kein Zweifel bestehen. Eine Politik »egen
den Willen der Massen ist unmöglich. (Sehr richtig!)
jWenn das einige deutzche Proletariat zusammensteht in
gemeinsamem Kampf gegen den KapitalrSmu», dann
rauchen wir über den AuSgang der Wahlen nicht de»
-sorgt zu sein, (Stürmischer Beifalls E» folgen Ab-
Kimmungen,
vu» Berlin schreibt man vn»: kozraldemokra»
ckische Parteitage haben niemals in dem Ruf gestan¬
den, daß e» sonderlich ruhig und besonnen auf ihnen
hergehe, aber im Vergleich zu der Reichtkonse¬
ren z der Arbeiter» und Soldatenräte, die jetzt im
alten preußischen Abgeordnetenbause tagt, waren die
Versammlungen von nahezu gottesdienstlicher Ruhe.
Man merkt eS den meisten Delegierten an, daß sie
draußen waren und auch im Trommelfeuer gelegen
Laben, denn sie pebrrucken ihre Ctimmiliel und
brüllen sich gegenseiiig mit solcher Vehemenz an. daß
schwache Leute unbedingt einen Nervenanfall davon-
iragen würden Glücklicherweise scheinen die Herren
Vertreter der A.» und S.-Räte durchweg nicht allzu
zari besaitet zu sein und sie finden den Ton, der
auf ihrer Konferenz herrscht und da» orkanartige
Toben, das alle fünf Minuten einletzt, anscheinend
ganz in der Ordnung. Die hohen Herren vom Voll¬
zugsrat und aus dem Rat der Volksbeauftragten
haben sich zum Teil sehr schnell eingewödnt, denn
die Aiireinandersetzung, die am TienSlag die beiden
BolkSbeouftragien Barth und Ebert miteinander
hauen, fiel durchaus nicht au» dem Rahmen der
üblichen AuSiPiache heran». Alle» geht auf dieser
ReichSkonferenz Hart auf Hart, aller wird auf die Spitz«
zeirirb n und man findet sich kaum zurecht, wenn
Such einmal ein vernünftiger Gewerk,chafller nüch¬
terne Wahrheiten vorbringt. Niemand wird vor einem
Revolulionsparlament da» gesiiteie Verhalten einer
stöberen Mädchenklaffe erwarten, aber e« mutet doch
immer me»kw»rdig an, wenn auf jeden Hinweis
zur Vernunft, Ruhe, Besonnenheit und Nüchiernbeit
stetS aus irgend einer Ecke der Ruf ertönr: Wir
jeden doch in der Revolu'ion! Damit wird aller
erklärt, begiündet und ent chuldigt und man muß
den Eindruck gewinnen, «IS ob sehr viele in der
Meinung befangen wären, a!S ob die Revolution
das Ziel und Selbstzweck wäre. Eine Revolution
-der, die am» der Revolution nicht herauskommt,
wuß unfehlbar Zuständen führen» wie wir fl*
in Rußland l tueen hoben und wir hasten er
un» gerade, r. :> die Aufgabe der Naiionalveriamm.
lung g-dack daß sie die Revolu ion auf den Weg
zur 8i .Herstellung gesetzmäßiger Verhältnisse
führen ..rde. Ob die Verireter der A.» und S -
Räie dies auch al» ihre Aufgabe erkennen und
durchzuführen Willens sind, wird sich erweisen.
Berlin, 18. Dez. Die ordnungsgemäß von den
Ersatztruppenteilen des GardekoipS gewählie« Dele¬
gier en erklären hiermit vor aller Oeffenrlichkei', daß
sie keinen Anteil haben an der am 17. Dez.
der Regierung von einer angeblichen ^epiualion
einzelner Truppenteile abgegebenen Erklärung im
Kongreß der Arbeiter- und Soldatenräte im Abge-
ordnetenhau». Sie stellen dementsprechend fest, daß
die Truppen des GardekoipS nach wie vor geschlos¬
sen hinrer der Regierung Ebert-Haase stehen und die
eingebrachte Resolution nicht der Stimmung in drr
Truppe enispricht. Einzelne Regimenter haben be¬
reit» geschloffen gegen diese Resolution demonstriert.
Der „Vorwärts" schreibt:
IU» die Soldatendcputation, die gestern in der
Sitzung de» Kongresse» erschien, der Versammlung die
Pi>toie auf die Brust setzle und sofortige Abstimmun g
über ihre Forderung verlangte, tauchte sofort der Vor-
dacht auf, daß dieser Eifer emcn sehr triftigen Grund
habe. Ber näherer Untersuchung, vermu'.cte man, würde
sich Herausstellen, daß diese angebliche Abordnung sich
selbst geioählt hatte. Die Berechtigung dieser An¬
nahme zeigt die Zuschrrft eines angeblich auch vertretenen
Ersatzbataillons; eine Aeuherung der übrigen angeblich
von der Deputation vertretenen Truppenkörper steht
noch au». _ _ .
Der Waffenstillstand.
Berlin, 18. Dez. Deutschland muß lekanntlich
bis zum 16. Januar 5000 Lokomotiven und
150 000 Waggon» obliefern. Wird diese Auflage
nicht erfüllt io ist als Strafe eine weitere Anza'st
von 500 Lokomotiven vorge>ehen. Außerdem würde
der Vorfrieden noch schwerere Bedingungen bringen
als sonst.
» . mexikanische Richtlinrn für den Frieden.
Basel, 18. De». Die .Daily Rail" melket au» Re»
York: Vor seiner Abreise hat der Präsident mehreren
Mitgliedern des SenatSauSschuffe« Einblick in seinen
Entwurf eine» Volkerbunde» gegeben. In dem Wil-
sonschen Entwurf ist kein Raum für Besetzung feind¬
lichen Gebiete» (außer Elsaß-Lothringenh auch nicht
für offene und versteckte Kriegsentschädigungen.
Der Entwurf sieht nur den Ausschluß bolschewi¬
stischer Staaten au» dem Völkerbund und damit
au» dem Krei» tultivierter Nationen vor.
London,18. Dez. Meldung de» Reuterschen Bureau».
„Daily NcwS" schreiben: D»e grundlegenden Argumente
der amerikanischen Delegation in Pari» werden solgende
fern: 1. Der Völkerbund müsse rin Teil de« Frie-
den»verträge» bilde». 2. Die Freiheit der Meere
mux; einer der hauptsächlichsten Grundsätze sein, die
durch den Bund festgesetzt werden, damit Amerika nicht
eine Flotte bauen mutz, die groß >,enuz ist, um Sicher-
heit gegen jede» willkürliche Vorgehen durch da» eine
oder andere Volk zu schaffen. 3. Die gerechten An¬
sprüche, die an Deutschland gestellt werden sollen,
muffen festgesetzt und es muß bestimmt werden, wie
weit und aus welche Welse Deutschland bezahle» kann
und muß. 4. Die Pröliminar-Verhandlungen können
vertraulich sein, aber die Endbcschtüsse der Kon.
ferenz muffen öffentlich gefaßt werden. 8. Alle Frie-
Lensdelegierten müssen al» Vertrete» der neuen Welt
und nicht ai» deren Beherrscher zusammenkommen.
Jede andere Haltung würde einen Frieden bedeuten,
der Haß hinteriassen, au» dem dann wieder neue Kriege
entstehen können. Wie verlautet, sind die amerikanischen
Delegierten dafür, Deutschland in den vorgeschlagenen
Völkerbund aufzunehmen, wenn auch unter der Bedin¬
gung einer Probezeit. — ES wird von einem schon
fertig au»gearveiteten Prag ramm Lloyd George»,
Ltemrnceau» und Orlando» gesprochen, aber man
nimmt an, daß ihre Berabredun en vorläufigen Ehara.'»
ter und den Zweck haben, »ine Grundlage für die Be¬
ratungen zu schaffen. Wie verlautet, dchandeln diese
Verabredungen u. a. auch di» Frag« »er Schadenver¬
gütung.
A«S dem besetzten Gebiet.
wtb Köln, 17. Dez. Dem Gouverneur der eng¬
lischen BesaßungStrupPe steht das Recht zu, den
Verkehr über die neutrale Zone hiaau» in daS
östliche Deustchland von morgen früh 5 Uhr ab zu
verbieten. ES ist aber in sein Ermessen gestellt,
ob und wann er davon Gebrauch machen will.
Diese Maßregel erstreckt sich auf Güter und Perso¬
nenverkehr. Telephon und Telegraph bleiben vor¬
läufig in Täiigkeit.
Berlin, 18. Dez. ES schweben augenblicklich Ver¬
handlungen über die Regelung de» gesamten Ver¬
kehr» einschließlich de« Transport« und PostverkehrS
zwischen dem besetzten Gebiet und den übrigen Tei¬
len Deutschland».
Bern, 17. Tez. Tie „Neue Züricher Ztg." mel-
det au» Obereelsaß, daß dort großer Kartoffel-
manael herrscht, der von der franz. Regierung nicht
behoben werden kann. Ebenso herrscht großer
Kohlenmangel trotz Arbeitsmangel auf den Saar¬
gruben. ES besteht die Gefahr, daß zahlreich« große
Fabriken ihren Betrieb elnsteUen müssen. Au» Metz
Srraßburg und Kolmar weiden fortgesetzt Aus¬
weisungen altdeutscher Familien gemeldet.
Berlin.
Sin kürzlich von Berlin zurückgekehrter rheinischer
Politiker gibt in der „Westd. Landr»ztg.- folgende Be-
obachtungen wieder, die von der in M.-Gladbach cr-
scheinenüeu „Westd. Arb.-Ztg.- ergänzt werden:
Die RevolutionSmänner haben in Berlin restlo» ge-
siegt und sind im Besitze der Gewalt. Ein Blick rn»
Abgeordneten- und Herrrnhau» genügt, sich zu über¬
zeugen; da hat sich eine wahnwitzige Menge etwa» Be¬
sondere» geleistet: Die Lederjitze sind zerschnitten, da»
Leder fehlt. Die Soldatenräte und Vollzu, »auSjchüsse
regieren, und doch haben alle da» Gefühl, e» gehe dem
Abgründe zu.
Der Zusammenbruch der Ernährung»-
Wirtschaft iuoht. Die Durcheinanderwirtschast der
Arbeiter, und Soldatenräte hat schwerste Störun¬
gen in da» Verkehr»wesen gebracht. Sie sind durch
requirierte Auto» mit raren Fahnen nicht zu beheben.
Die Versorgung hat gelitten und leider noch. Tage¬
lang war der Zu-verkehr unterbrochen oder gehemmt.
Warum? Lokomotiven waren rcquiriert worben, De¬
pot» wurden ausgeräumt. Die Kon,ervenfabrlken, die
ganze Heererteile versorgt haben, sind auSgepiündert,
gewaltige Bestands an Euppenartikeln (Graupen usw.j
sind verschwunden. (Sachverständige schätze» die in der
belgischen und französischen Etappe verschleuderten und
auSgeraub en NadrungSmitteiwerte auf Milliarden).
Tagelang standen an Berliner Bahnhöfen Hunderte von
Wagen mit Kartoffeln, sie sind nicht autgeladen wor¬
den. S» fehlt an Leuten, die arbeiteten, statt zu po-
titisieren. In den Frosttagen, da die wertvollsten Mas»
sennahrunrSmittel unter Dach gebracht werden sollten,
wählten sie. Zur Nationalversammlung? Ach nein,
Au»schüsse, immer wieder Ausschüsse. Wie lanie wirs
da» noch so dauern können? Kenner der Verhältnisse
faßt da» Grauen und da» Enstetzen. E» wird ein
furchtbares Erwachen geben. Wenn die Hungersnot
kommt, wa» dann? —
Schlimmer noch steht e» mit ber Zerrüttung de»
wirtschaftlichen und öffentlichen Leben».
Lächerlich, wenn man erzählen hört, wie toll und kin¬
disch e» in den ersten Revolutionstagen zu ging, al»
man „die Macht an sich- nahm und die Kontrolle auk-
übte. Einen Soldaten mit aufgcpflariztem Bajonett
setzte man dem Fachbeamten eine» der wichtigsten Aem-
rer in» Bureau an den Arbeitstisch — zur Kontrolle.
Um die Uebernahme diese« und jene» Amte» stritten
sich kleine und große Kompetenzen in buntem Durch-
einander. Alle wollten „beau,tragt- sein, die Macht
an sich zu nehmen.. Und keiner — arbeitete.
Auf dem Bureau für «rbcitkloscnfüriorge im Rat-
hau» erscheinen sechs bewaffnete Soldaien, Arbeits¬
lose, geschickt von einer Versammlung arbeit»io>er Sol-
daten Sie haben Auftraa, die Tätigkeit de» Bureau»
zu kontrollieren, obschon die Leitung, Gewerk-
schastSsekretäre vom Bau, für besten Geist und Hand-
habung garantieren konnte. „Wir haben die Kontrolle,-
sagten sie und benötioten dreierlei: einen Raum. eine
Schreibmaschine und Geld. — „Wofür denn (Selb?- —
„Ja, Sie müssen unS bezablen.- — „WaS verlangen
Sie denn?- — Die Abgesandten beredeten unter sich.
18 Mk. pro Tag, meinte einer, 28 der andere, 40 Mk.
crn dritter, und dabei bleibt es. „Weit diese kontrol¬
lierende Tätigkeit eine höchst verantwortliche- wäre.
Schließlich wird ihnen bedeutet, daß, wenn sie da» Ex-
periment machten, sie am Ende auch in feste Stellung
kämen und keine Arbeitslosen mehr wären und also
wieder eine neue Kontrolllominission ein> e etzt werden
müsse. Den Fnll hatten sie nicht überdacht. Sie gin¬
gen ab, werden aber wiedcr.'ommcn.
Arbeitklo» sein, in einem arideren Sinn genommen,
wird Mode. Genau so wie un bolschewistischen Ru߬
land. In den Werken, an den Arbeitkp ätzen wird
politisiert, nichts mehr gearbeitet. Die Mahnun.
gen einsichtiger Gewerkschaftsführer werden überhört.
Die Radikalinskis geben den Ton an. Der A - u.
Rat will, daß die Besprechun en während der Ar¬
beitszeit ftattfinden. Die Revolution wird von den
Leuten als eine einzige große Lohnbewegung aufgefaßt
und rücksichtLioS durchgeführt. Die Lohnforderungen
überfchre.cen jede» vernünltig« Maß. Bore, st läßt sich
die Industrie die 28 bi» 80 Mar! Tagelöhne abpressen.
ES kann ober noch nicht einmal mehrere Wochen so
gehen, und die Werke müssen schließen. Von
Rußland erzählte der Mehrheit»sozialist ReichStägkabg.
Lohen in emer Lee Berliner Versammlungen am 3.
Dezember, datz da» KalkulalionSerzeugNi» halb so groß
sei wie die auSgezahiten Lö.,ne. Wir ee.e» genau die.
,en Zuständen entgegen. Eine solche Wirtschaft hat sich
selber da» Grad geschaufelt. — Der VollzugSrat de»
Arbeiter- und Soldatenräte« Groh-Ber.in geht mit dem
guten Beispiel höchstmöglicher Enilohnung voran. Je-
der der Herren bezieht 80 Mark pro Tag, die Boten
de» Vollzu »rat» 40 Ma k und da» Bureaupersonal 30
Mark pro Tag. Jedermann weiß e«: die NevolutionS.
rezierung ist eine sehr teure Sache. Da» alte Regime
machte e» auch nicht billi«, aber seine Verwaltung ist
entschieden in Schatten gestellt. Hoffentlich wird dem
„souveränen Volk- einmal RechnungSablage ge/eben,
dann werden manchem die Augen übergehen. Hand¬
werker und Kaufleute Berlin» klagen, daß sie von den
Banken kein Geld bekommen können. Wa» Wunder,
wenn rin Auto nach dem anderen mit roter Flagge
vorfährt und Summen für den Decwaltung»a"parat
der neuen Regierung abhedt, von 200 000, 300000 bi»
zu 600 000 und 700000 Mart.
Scheidemann und Ebert und viele ihrer Mitarbeiter
sehen da» Verhängni» seinen Weg gehen und tonnen
e» nicht aufhalten. Vielleicht werden sie bald wegge¬
fegt und radikale Leute setzen sich an ihre Stelle. Dann
können wir soweit sein, datz in der ReichLhauptsladt
der Bürgerkrieg auSbricht und —de Heere de» Biel,
verbandet einmarschierer, Sowrrt kommt et, wcnn
nicht in den nächsten Wochen e n Wunder geschieht und
Aendeiung erntritt. Wie die Dinge liegen, kann sie
nur von außen her kommen.
D-e Flucht au» Berlin.
Berlin, 18. Dez. Ta? spanische Generallon'ulat
in Berlin fordert die spanischen Staatsange¬
hörigen zur Heimreise au« Deutschland auf. In
den letzten 8 Tagen haben auch zahlreiche Schwei¬
zer und Holländer, die seit Kriegsausbruch in
Berlin weilten, die Reichshauptstadt verlassen und
sind in ihre Heimat zurückgekehrt. E» ist nicht fest¬
zustellen, ob diese Maffenabreise auf eigene Ent¬
schließung oder auf Anweisung der Gesandtschaften
zurückjuführen ist.
- Die Polen und wir.
Mit Schimpf und Schande geht die deutsch-pol¬
nische Tragödie zu Ende.
E» war gewiß nicht alle» gut, wa» die Polen
im Verlauf dieser Kriege» von Deutschland erfah¬
ren haben und die Politik, die Preußen Jahrzehnte
lang seinen polnischen Untertanen gegenüber geführt
hat, war nicht geeignet, die Sympaihien der Polen
für uns zu gewinnen. Aber Gerechtigkeit und Wahr¬
heit verlangen doch die Feststellung, daß den preu¬
ßischen Polen von der deutschen Kultur und auch
von der preußischen Verwaltung unermeßlich viel
Gutes zuteil geworden ist und daß die ehemals rus¬
sischen Polen eS nur dem deutschen Volke zu ver¬
danken haben, daß sie von der zaristischen Willkür-
Herrschaft befreit worden sind und nach ihrem Siurz
nicht in der Schlammflut de» Bolschewismus zu
Grunde gingen. Jetzt liegt Deutschland totwund
am Boden und ein bitteres Verhängnis wehrt es
ihm, die Kraft zu zeigen, die auch ein besiegle» 64»
Millionen-Volk immer noch besitzt. ^ Es ist leicht,
einem verhaßten Gegner, dessen Hände gebunden
sind, Schmährufe in» Gesicht zu schleudern, eS »st
auch kein Heldensiück, einem leider durch eigene
Schuld wehrlosen Volk in herau»fo>dernder Frech¬
heit gegenüber zu treten. Die Polen aber glauben,
durch unverschämte Frechheiten jetzt ihren Groll und
Haß gegen uns entladen zu können und sie hallen
die Zeriumstände für günstig, um, ohne großes Ri¬
siko zu laufen, an deutschem Besitz sich zu vergrei¬
fen. Sie schreiben Wahlen aus für deutsche
Gebiete und ziehen Truppen an unseren Gren¬
zen zusammen; sie weisen unseren Gesandten an-
Warschau yuZ und setzen damit d?» Schlußstrich un»
ter ein Kapitel, dar für immer dem polnischen
Volke rin Schandmal ousprägt.
Wir aber fragen un?, ob daS deutsche Volk denn
wirklich schon so' macht- und wehrlos gewoiden ist,
daß e« nicht einmal mehr die Kraft zu dem Ent¬
schlüsse findet, dem polnischen Größenwahnsinn ent-
ceieH zu treten. Und wenn eS nicht anders mog-
sich wä.e, sollte da nicht ein Aufruf unserer Reichs-•
Ieituna zur Bildung einer freiwilligen Volkswehkl
genügen um den Polen schnell Angst vor chrem^
trauiiaen Mut zu machen? Wir sind uberzeugt,
daß sicy unter den Millionen unserer heimae-ehrten
Krieger viele Tausende finden würden, die ohne
8ch>öanken und Zaudern dem Ruse zur Verteidl-
aung deut chen Boden« gegen em- n frechen Ein¬
dringling Folge leisten würden. Denn nicht nur
weite Gebiete un'crer Gren;ma»kcn sind in Gefahr,
unser ganzes W irisch as iS leben wäre auf»
schwerste bedroht, wenn die polnischen Gelüste
auf Schlesien verwiiklicht würden. Schon jetzt
sino dir Zufuhren an Lebensmitteln ans un¬
seren Ostgebieten aus ein illtindestmaß zuruage-
gangen und wenn auch noch die Kohlenzufuhr
auS Schlesien eingestellt würde, dann wüßten wir
nicht, wie das deuische W.rtschaflsleben überhaupt
noch aufiecht eihai. n werden soll.
Fände die jetzige Reichsleitung doch endlich ein¬
mal den llttut zu einem Enischluß, zu einer Tat, sie
würde vielleicht selbst am meisten darüber erstaunt
sein, wieviel nationaler Sinn und ungebrochene
Kraft noch in unserem Volke vorhanden sind. Wir
glauben sogar, daß es nur der Bekundung erneS
enischioffenen Willens bedürfte, um die Po^en schnell
zu ernüchtern.
Deulschböhmen von den Tschechen bedroht.
Derlin, 13. Tez. Ln dem Wircsal ihrer innen,
Schwierigkeiten und in der Sarge um weitere Demo-
kratisierung achten unsere Rcoicrungen kaum auf die er-
greifende Tragödie des deutschen Talkes in Nordboh-
men. Die Tschechen besetzen, ohne sich um da,
Selbstbcstimmungsrecht der Tciker zu tümmern, einen
deutschen Punkt nach dem andern. Nach Brüx Leit-^
meritz, nach Marienbad Karlsbad, nach Trautsnau
wahrscheinlich bald Reichenberg, alles rein deutsches
Land und deutsche Bevölkerung. Das gesamte Deutsch-
tum innerhalb und außerhalb Oesterreichs sollte sich klar-
machen, was ber Verlust dieses Landstrichs für unser
Dolk bedeuten würde. Das deutsche Nordböhmen ist
nicht nur eins der bevölkertsten, sondern auch eins der
wirischaftlich reichsten Länder der Monarchie. Ln dem
frührrn habeburgischen Reich war Böhmen das erste.
Lndustrieland, und da» beruhte hauptsächlich auf der
fleißigen Bevölkerung des deutschen Nerdböhmens. Das
Land ist niemals etwas anderes gewesen
a l s d e u t s ch. Die Industrie war die einträgtichste,^
di» angeschsnste ron ganz Österreich, und ihre Daren
hatten Weltruf. Dir Bodenschätze des nordböhmischen
Landes, die Mineralquellen snner Bäder, die Braun-^
kohlen ron Dür stellten jedes Lahr ein zahlreiches Mil-'
lioneneinkommen dar. ?llles das geht dem Deutscktum
wirtschaftlich und vo! tisch verloren, wenn dieses Lands
dauernd in tschechische Hand geraten sollte. Die Fol¬
gen davon wären für unsere Zukunft unberechenbar. Es'
ist dringende Pflicht der deutschen Reichsregierung, sich
aus ihrer Gleichgültigkeit aufzurofsen und mit Morten
und Taten dafür einzutreten, daß dieser wichtige Posten
des Deutschtums nicht verlarenaeht.
vtd Grolkau. 13. Dez. Die Landesregierung
Deutsch-Böhmens hat im Einblick auf dir Bedrohung
Reickenbergs durch tschechische Truppen ihren S i ß
nach Wien verlegt.
Dle Internierung Mackensens ln Ungarn.
Dudopesk. 16. Sept. Ueier die Internierung Ma¬
ckensens wird noch gemeldet: Generalieldmarichall v.
Mackensen hatte gestern plötzlich mit seinem Stab da»
chauptguarüer in Eroßwardein nerlassen. um nach Ber¬
lin ab zur ei se:. E» rerlontct, da er sich nicht in dir
Entwaffnung seiner unstrsieaten Armee fügen wollte
und daß er durch den Kronstadtcr Fall besonders ge¬
kränkt war, wo die Rumänen gegen die Vereinbarung
feine Nachhut gefangen setzten. Mackensen und sein»
Begleitung sind heute in Budapest eingetrosfen, wo je¬
doch seine Weiterreise vereitelt wurde. Die französische
Milsiärmission in Budapest forderte die Internierung
Mackensens und feiner Armee in Ungarn. Dies wurde
durch den deutschen Derbindungskommissör dem Eene»
ralseldmarschall mitgeteilt. Mackensen erklärte, von die¬
ser Verfügung nichts wissen zu wollen, wurde ober
durch den Delegierten des ungarischen Kriegsministe¬
riums Major Gerre daran erinnert, daß Widerstand
vergebllch sei, und daß er in dem bereitstehrnden Auto¬
mobil Platz nehmen müsse. Die Lokomotive wurde ab¬
gekoppelt. Mackensen sah sich genötigt, den Zug zu ver¬
lassen. In Paradeuniform, mit ollen Auszeichnungen,
verließ er den Wagen. Mit dem Ausdruck tiefer Nie¬
dergeschlagenheit und Resignation im Gesicht folgte
Mockensen dem Maior Gerre. der Ihn zum Minister¬
präsidenten Karolyi führte. Die Unterredung Macken¬
sens und Karolni dauerte mehrere Stunden. Die Be¬
gleitung Mackensens blieb auf dem Bahnhof. Es ver¬
lautet, daß die Frage, ob die 3lrmee entwaffnet und
interniert wird, und wo und wie dir Internierung er¬
folgen soll, noch immer ungeklärt ist.
Heimkehr aus dem Orient.
* Berlin, 17. Tez. Ein Transport von 695 Militär-
Personen auS Konstantcnopet, darunter 84 Offi¬
ziere und außerdem 84 Kranken, und Soldateuheim-
schwestcrn, sind nach einer Fahrt von 3'/, Wochen am
13. Dezember wohlbehalten in Berlin cmgctroffen.
Die Fahrt durch die Ukraine ist ohne Störungen ver¬
lausen. Zwei weitere Transporte von zusammen rund
1000 Kopien sind gleichzeitig von Konstantrnopel abge,
gangen und werden voraussichtlich in den nächsten Tagen
eintressen. Nach dem Bericht der Ange'ommenen, die
am 22. November Konstnutinopcl verlassen haben, bot
d>e Stadt ein ruhiges Bild. DaS Verhalten der fremden
Truppen >va: korrekt. Dre deutsche Schule hat nach
den Herbsifeticn den Unterricht wieder ausgenommen.
— Alle deutschen Bkilitärpersouen haben die europäische
Seite der Bosporii» verlassen müssen und befinden sich
jetzt, soweit sie nicht abtransporticrt sind, in Haidar^
Pascha; dort sind auch die Truppen aus Kleinasien,
zusammen etwa 100000 Manu, in Erwartung de» Ab¬
transportes zusammengezogcn
Die Nichtanerkennung der A.» und S.-Räte.
Das Wolffsche Büro gibt eine von der Wassenstill-^
flandskommissron stammend« Darstellung des Ver»^
•'U--