Flr 296. ! ^«mtwortlich für den redaktionellen Teil: Karl Schütte. « 11 7>»»riQlft I «etla« bet fluicaet ilctienbruietettn iulöa. -^teiSinonatU 1 K IrtjirQ
sur dre Anzerpen: I. Parzetier, Fulda.— Wotaljonlbrud. | HvvtlluCf ÄJ* vCZCtlti Cf Kvl©* J 85 spfi. fremtpt. ¥ti.9. fftt?t»iHOreüt: .^fulbnet Zertunu | “J*
Die Reichskonferenz der
Arbeiter- und Soldatenräte.
21. Dez. Im verlaufe der gestrigen
Sitzung, über die wir schon berichtet haben» kam e# zu
Sarm. mtb Radau. Szenen, wie sie blsher selbst ,n
^brsammlung noch nicht dagewesen warrn. Zu¬
nächst deschästi ite man sich mit der Wahl de» neuen
Voll,u^Srate». Zentralrat genannt, in dem 27Mit-
«lieber au» allen Teilen de» Reiche» entsandt werden
sollen. Bei den Auseinanüersetzungen vor der Wahl
»mq e» außerordentlich lebhaft zu. Die Folge der Er-
ktärung oer Unabhängi en, sie würden sich nach derAch
kehnung aller ihrer Anträ -,e an der Wahl nicht beteilv
gen, war. daß die von den Mehrheit»-Sozialisten ein¬
gereichte Kandidatenliste im Handumdrehen angenom¬
men wurde. Darauf aber entfesselten die Unabhängi ,en
e,ne un ieheure Lärmszene .Ihr seid schöne Helden!
Fehlt bloß noh LudendorffI- und ähnliche Zurufe fal¬
len aus ihren Reihen. Man bedroht sich ge ienseitig mit
den Fäu -.en; überall bilden sich kleine Gruppen, die
«regt aufeinander losschreien.
Nachdem man sich au,getobt. tritt wieder aus «i.
«ige Zeit Verhältnismäßi,e Ruhe «in. Nun soll Schluß
Jgemacht werden, und Lüdemana beantragt, die beiden
etzten Punkte der Tagesordnung: .Sozialisierung" und
„Friedens frage" von der Tage»ordnung abzu-
fetzen. Bei dem lärmenden Widerspruch den die
Linksradikalen gegen diesen Antrag erhebe >. kommt e»
zu Zusammenstößen, die bi» jetzt wohl den Höhe-
Punkt desien darstellen, wa» man auf diesem Kongreß
erlebt hat. Die Unabhängigen schreien der Mehrheit
zu. der Antrag s« ein Bewei» dafür, daß e» ihnen mit
der Sosialisierung garnicht ernst sei. da» Ganze sei
eine Ueberrumpelung, «ine gemeine Schiebung der
schlimmsten Art. Bon der anderen Seite wird da»
ebenso entschieden bestritten. Ueberall b Iden sich er.
reate, schreiende, lärmende Gruppen. Da» .Volk" auf
den Tribünen greift in die Verhandlun en ein. Unten
im Saale droht man sich mit den Fäusten, von oben
herunter winkt und droht und brüllt man. ein kreischen¬
der Zuruf einer Genossin schrillt gell von d« Tribüne
herunter in den orkanartigen Lärm hinein. Sbert
versucht sich Gehör zu verschaffen, um die Sache aufzu-
klären. Leinert schwingt erregt, aber ergebni»lo»
die Glocke, e» schreit und lärmt und brüllt von allen
Seiten wohl eine Viertelstunde lang. Und man lärmt
nicht vergeblich. Da» .Volk" setzt seinen Willen durch:
der Antrag Lüdemana wird abgelehnt und die Sitzung
vertagt.
In der heuttgen Sitzung steht e» im Ditzung»saa!e
wüst und leer au». Auch die Trrbünen sind schwach
besetzt, nur die Spartakustribüne, von der au» da»
»Volk" mitzuregieren pflert. weist eine gute Besetzung
auf. Zunächst wird da» Resultat der namentlichen Zet.
telabstimmung über den Antrag Lüdemann mitieteilt:
Es haben 290 dafür. 115 dagegen gestimmt. Eine Re¬
solution der Unabhängigen, die Bunde» st aatenauf»
z u d e b e n, wird nach kurzer Debatte abgelehnt. Dann
erhält H i lferd«ng da» Wort zu seinem Vortrag über
^Sozialisierung". Er schüttet viel Wasser in den
uberschäumenden Wein der Sozialisierung»fanatiker.
So glatt und so rasch, wie mancher sich die Sache vor¬
stellte. werde e» nicht gehen; man werde sich gedulden
müssen. Man werde auch nicht konfiszieren können,
sonder» man werde entschädigen müssen; deshalb dürfe
auch der Einzelne nicht allzugroße persönlich« Vorteile
davon erwarten. Ueberhaupt dürfe man die Soziali-
sierung nicht zu einer Lohnfrage herabwürdigen. Wie
man sieht, im Großen und Ganzen alle» recht vernünf¬
tig. Trotzdem, oder soll man sagen gerade deswegen
findet er damit bei einem Teil der Versammlung den
chärfsten Widerspruch, den Barth zum Au»druck bringt.
Gestern wollte man. so sagt er. die Frage überhaupt
absehen und heute ? Die gähnende Leere, die in diesem
Saale herrscht, zeigt, wa» man im tiefsten Herzen da.
rüber denkt. (Stürm. Beifall bei den Radikalen.) Wir
fitzen bi» an die Nase im Ehao» und wrr werden darin
ersaufen, wenn wir in dieser Frag« nicht gründlich und
schnell arbeiten. (Zuruf: Demagoge.) Wa» hindert un»
denn morgen, eine Verfügung hinau»geh«n zu lassen: der
Kohlenbergbau ist von morgen an Staatseigentum.
Da» Volk will Taten sehen, sonst macht e» nicht mehr
mit. Nach längerem Hin und Her wird die Debatte
geschlossen und ein Schlußantrag angenommen, ebenso
ein Antrag Lindemann : mit der Sozialisierung aller
dazu reifen Betriebe. in»besonder« de» Bergbaue» un¬
verzüglich zu beginnen.
Die Hoffnungen der Mehrheit, daß r« wenigsten»
heute ohne die üblichen Lärm» und Radauszenen ab.
gehen wird, wird schwer enttäuscht. «» ist eine Ironie
de» Schicksal», daß gerade ein Antrag der di, beiden
feindlichen sozialistischen Parteien zur Einigkeit mahnen
will, den Anlaß gibt, zu Lärmszenen, die alle» bisher
Erlebte noch weit in den Schatten stellen. Ein Ver¬
treter der Frontsoldaten trat in einer ganz offenkundig
ihm au» dem Herzen kommenden eindringlichen Weise
für die Einigkeit ern. Die Unabhängigen und
EparrakuSleute antworten mit einem Hohn- und Spott-
tzelächter, rufen dadurch den Widerspruch der Mehrhert
und schon ist der Spektakel fertig. Di« «indring,
lichen Ausführungen bt» Frontsoldaten haben auch
Ledebour, der wegen .unüberwindlich«" Heiserkeit
«uf fein Referat d« Fried«n»frage verzichtet hatte,
«ine so belebende Wirkung, daß er ptötzlrch seine
Stimme wiederfindet. Er redet sich in eine immer
cößere Hitze hinein, reizt dir Mehrheit bi» auf» äu-
erste, der Tumult beginnt wieder zu wachsen und ar-
et in ein förmliche» Toben au», al» Ledebour mit den
Dingern auf die Volksbeauftragten auSruft: Mit die¬
sen diskreditierten Krreg-beförderern wollen wir nicht»
fu tun haben. Jetzt setzt auch da» Volk auf der Tri.
üne ,in. Ein Brüllen. Johlen, gellende
Pfiffe erschallen von allen Selten; im Sitzungssaal«
drlden sich erregte Gruppen, die wild durcheinander
schreien und sich mit den Fäusten bedrohen. Nur müh»
Sam vermag sich ein zweiter Frontsoldat, ein Vertreter
i« noch auf dem Rückmarsch befindlichen Truppen,
durchzusehen. Aber auch er gibt den Kampf angesicht»
dieser Raserei auf und zieht schließlich den Eint,
nung»antrag, der solche Erfolge gezeitigt hat, re¬
signiert zurück. Nun erscheint ein dritter Soldach der
v»e Kameraden auffordect. im Osten und Südosten,
»m Weiten die Kameraden aufzuklären, über da», wa»
Hier geschehen ist. Die »nwort werden Sie. ruft ei
den Unabhängigen zu, am 19. Januar erfahren.
Wie von der Tarantel gestochen, fudren die llnab»
hängigen von den Plätzen auf. Wieder br,cht ein
fürchterliche» Toben au». Pfiffe gellen abermal»
durch den Saal und eine ganz« Anzahl Unabhängiger
?kürzt sich auf den Redner, einer packt ihn so.mr. aber
chlietzlich siegt die Bewnnenheit doch rm letzten Mo.
ment. Eine Szene muhte auch Scheidemann er¬
leben. der noch bevor er da» Wort er rrff, von seinen
Anhängern mit lebhaftem Händeklatsch»» empfangen
wurde. Da» war aber zugleich auch da» Signal für
»ch Unabhängigen, dre alle» versuchten, ihn niederzu»
»rüllen. wobei _ sie von de« Tridünenbesuchera rrne
Kräftige Unierstützung fanden. Auch Scherdemann ,rng
«b mü der Drohung. fr.tz die »«twort a» 1». Ya»u«
gegeben werde.
t Unter den zahllosen Erklärungen. Telegrammen,
mit deren Verlesung die Tagesordnung schließt
ß
befindet sich auch ein Telegramm de» Arbeiter, und
Soldatenrat» Frankenstein, in dem s«s«rt:ge» Einschrei¬
ten gegen Liebknecht und Genossen vertnrgt wird. Nach
einem Schlußwort de» Vorsitzenden Lernert und mit
einem Hoch aus die revolutionäre und vereint« sszrali.
jtische Republik Deutschland wird hierauf die Tagung
geschlossen.
Nach dem Rätekongretz.
Man schreibt uns au» Berlin:
Gott verschone un» vor einem zweiten solchen h'ir-
oolutionsparlament! Man muß es gehört, gesehen und
erlebt haben, wie sich die Herren Delegierten in ihrer
letzten Sitzung gegensestig in di« Haare gefahren sind,
als sie über den Antrag einer gütlichen Einigung und
Bereinigung der beiden feindlichen sozialdemokratischen
Bruderparteien beraten sollten. Ein richtiger Hexen¬
sabbat. Nur gut, daß olle» vorbei ist und sogar noch
oerhästnismätzig glimpflich vorüberging.
Der erste Räle-Kongretz hat getagt und wir möch¬
ten glauben, daß es wenigen nach einer Neuauflag,
* «lüstet. Immerhin ist die politische Bedeutung dieser
leichskonserenz der Arbeiter- und Soldatenräte nicht
gering zu veranschlage«. Sie hat der Mehrheit»-
sozialdemokratie einen unbestrittenen
Sieg gebracht, sie hat dem demokratischen Ge¬
danken über die Forderung der Klassenherrschaft zum
Sieg oerholfen und sie hat der Reichsleitung eine er¬
hebliche Festigung und Stärkung ihrer Stellung ge¬
bracht. Gerade die Erkenntnis, daß der Radikalis-
mu» aus dem Kongreß auf schwachen Füßen stand, hat
immer wieder zu wüsten Szenen geführt, da durch
Lungenkrast und Terror ersetzt werden sollte, was der
äußersten Linken an wirklicher Macht und Einfluß
mangelte. Insbesondere der mit überwältigenderMehr-
heit gefaßte Beschluß der F r ü h r r l e g u n g de« Ta¬
ges für die Wahlen zur Nationalversamm¬
lung hat deutlich erkennen lassen, daß sich allmählich
in den weitesten Kreisen auch der sozialistischen Mos¬
en die Ueberzeugung durchgesetzt hat, daß nur di«
Nationalversammlung al» Ausdruck der Willensmei-
nung de» ganzen Bolle» geordnete Verhältnisse un»
wieder dringen könne, und daß nicht» törichter wäre,
al» dem deutschen Volke noch der furchtbaren Nieder¬
lage in diesem Kriege eine Parteidiktatur und Klassen-
Herrschaft aufzuzwingen.
Auch die Entfernung de» Berliner
v»ilzug»rates. dessen Wirken nicht nur für
Berlin, sondern für da» ganz» Reich mehr al» einmal
verhängnisvoll gewesen ist, Ist ein« dankenswerte Tot
de« Rätekongresser. Die Reichsregierung ist nunmehr
wenigstens nicht mehr «urschließllch die Beauftragte
der Berliner A.» und S.-Räte und sie besitzt setzt
Kraft de» Beschlüsse« der Reichskonferenz die Macht
und da» Recht der Gesetzgebung und Exekutive. Der
al» Kontrollorgan vom Kongreß in» Leben gerufene
27er Ausschuß, der Zentralrat, dem aurschließ-
lich Kandidaten der Fraktion der Mehrheflsso-Iallsten
aus der Reichskonferenz angehören, gibt hoffentlich des.
fet al» sein Vorgänger die Gewähr einer ruhigen und
stetiaen Führung der Reichrpeschäftr.
Di« Regierung selbst Ist unverändert geblieben,
wa» ihr allerdings nicht olsBorzug ongerechnet werden
kann. Mehr al» einmal hat der Kongreß den Bewei»
erbracht, daß die fetzige Reichsleitung wahrhaftig kein
einheitliche» Gebilde ist und e» ist überau» fraglich,
ob das Derbleiben eine» Manne» wie Barth in der
Regierung das so dringend nötige einheitliche Han¬
deln der Reichsleitung ermöglichen wird.
Dringlicher als bisher schon wird an die Regierung
jetzt di« Forderung gestellt werden, daß fi« für die Zeit
bi» zum Zusammentritt der Nationalversammlung g e»
ordnete Verhältnisse ln unserem Innern
schafft. Sie hat dir Macht in Händen, um den bren¬
nendsten Bedürfnissen Genüge zu tun; konnte sie bi»,
mit einem Schein von Berechtigung zu ihrer Entschul-
digung noch geltend machen, daß die tatsächlich ob¬
waltenden Berhältnisse ihr eine Betätigung ihres guten
Willen» überaus erschwerten, so hat sie nunmedr Ge-
lrgenhett zu zeigen, wie stark der Wille Ist, den sie zur
Geltendmachung der Rechte de» Volkes oufzubrinarn
enffchlossen ist. Di» ihr obliegenden Aufoaben sind
zweifello» riesengroß, «bet fir selbst hat sich zu ihre«
Bewältigung gemeldet «ntz darf «ach gewiß fein. fr,ß
ihr dir Unterstützung aller guten Deutschen niemal«
fehlen wird, wo « «m die Rot von Volk »nfr v«tr»°
land geht.
Die Bildung de» Zentralrate».
Berlin, 21. Dez. Der neugewöhle „Zentralrat
dar sozialistische« Republik Deutschlands" hat sich
am 20. Dezember gebildet «nd zu Vorsitzende« Lei-
nert (Hannover), Lohen (Neuß) und Hermann
Müller, zum Kassierer Schäfer (Köln) und zu«
Schriftführer Waeger (Ostfront) bestimm,.
Der Vollzuggrat der H.» und S.-Räte Groß.
berlinS führt die Geschäfte für Gioßbeiliner Ange¬
legenheiten. _
Die Kornmandogewatt in den Garnisonen.
verlin, 21. Dez. Dre Beschlüsse, die die Reichlkon.
seren, der Arbeiter- und Soldatenröte mit Bezug auf
da» Herr und dre Kam man da ge Walt gefaßt hat.
die in den einzelnen Garnisonen den örtlichen Soldaten-
raten übertragen werden sollte, haben zu verhandlun.
gen zwischen dem ersten Generalquartiermister General
Gröner und der Reich»Ieitung geführt. Die
verhandlun ,en haben, wie verlautet, zu einer v e r -
stäntigung geführt, die bald mitgeteilt werde» wird.
Ein Aufruf Hindenburg».
Keitel, 21. Dez. In einem Aufruf. «egeLe» si»
Großen Hauptquartier LilheI«»hShe, Weihnachten 1»18,
blickt Generatield«narsch«L ». Hindenbur, «uf die
gewaltigen Krie »leist ungrn de» zur Wehrhaftigkeit er¬
zogenen deutschen Volke» in Waffen zurück,
da« nicht vor einer Welt von Feinden zusammengc»
brachen sei. Hierzu befähigt sei «« durch ta» heilt e
Feuer der vatert,nb»tieb«. dem Witten zum
Step« und dem Geist der Treue. La» deutsche
Heer sei dahin, Zerfetzt, «ufgelfrst, »bwoht di» ,u etzt, «fürch¬
tet un» geachtet von den Feinven. Den Offizieren, h»ch
und niedrig, komme al» Erziehern und Führern de» VolkS-
heere» unbestreitbar ein hoher Anteil an dem Rudme
zu. E» sei eine kt«inliche Rache, ibnrn die Lbzeicte«
und Waffen «bzuspi«tien un» sie at» unfähig der v«.
seht«,rwalt »u erklär«». Die Zerstörung »er n««
ti»n«ten Hizf* de» deut,chen Solfc» »en Grund
«uf sei die Adficht jener »e»n;:n«nden zersetzen den
Geister, die am Werke seien, um die Reugefialtung d-a
Grundlage zu hemmen Trotz mancherlei Krankest»,
rrschemungen, vereinzelten Fällen von Setbstwicht.
Eitelkeit und Unwahrhaftigkeit lehre da» deutscheDsfi-
zrerkorp» gesund und stark au» dem Kriege zurück.
Da» deutsche Cffi lerlcip* sei kerngesund; seine Le.
bensaufpaoe sei da» Woh! der Gesamtheit und die Ehre
de» deutschen Namen». Darum habe e» sich auch in
den Dienst der neuen Re rerung pestellt, um den Zu¬
sammenbruch unsere» nationalen und wirtschaftlichen
Dasein» zu verhindern. Dabei muß e» aber erbittern,
wenn in kleinlicher Rache die Autorität im Heere un¬
tergraben wird. Alle jene aber, die sich al» Schma¬
rotzer im deutschen Offiziertkorp» gezeigt haben, sollten
und müßten ab, eschutteit werden. Der Aufruf schließt:
Wenn ich als Oberbefeh »hrder de» deutschen Feld¬
heere» am Ende meiner mrutArischen Laufbahn meine
Stimme erhcbe für meine Kameraden und Untergebe¬
nen. mein« treuesten Stützen in Kampf und Not. so
möge man darin auch ein heilige» Vermächtni» au»
der verganrenheit entnehmen für die neue Zeit, für
die neue Zeit, der deutschen Stämme mit der alten
Mahnung: .Wa» du ererbt von deinen Väter« Haft,
erwirb e», um e» zu dcsitzen."
Vranktekch» Schuld am Krlege.
* Berlin, 21. Dez. In einer Unterredung mit
de« Tonderlrrichteistotier de» Lokolanzeiaer» sprach
der frühere deutsche Botschafter in Paris Freiherr
von Schorn über di<- Vorgeschichte de-
Krieges, kr saate «. Das frarnösiiche Volk
bade zweifest»» 1914 den Krieg nicht gewollt, ober
>s bade in Fr«n?>e>ch eine Krieasparlei bestanden,
die schließlich die Oberhand gewann. Im Mai
1814 bade.der fion ösische Bo'schaster der Schweiz
vorgrschloaen, sich von ihren Nachbarn die Neuirali-
lät garaniieren zu lassen und al» Gegenleistung die
Verpflichtung der Verpflegung von Verwundeten
der Kriegführende« im Kriegsfall zu übernehmen,
wogegen Frankreich geneigt sein würde, der Echnreiz
di« Geireiderinfubr «uf seinen Bahnen zuzusichein.
Bei den darauffolgenden Verhandlungen zwi!chen
dem französtichen Militäraitachee Major Pageot
und dem schweizerischen Generalstab habe Pageot
n. a. erklärt, da di» Au«g!eich«vrrhandlungen zur
Beseitigung de» deutsch-französischen Gegensatzes in-
bezug auf E lsatz-Lotdringe» erfolglos gewe en
und ein Entgegenkommen Deutschlands nicht zu er¬
warten sei, müsse es schließlich einmal zu
einer Auseinandersetzung komme«. Der
Major habe unbedingt mit der Mitwirkung Ru߬
lands und England» und mindesten» mit der
Reurraliiät Italien» gerechnet. E» fei damals
zu keiner schriftlichen Abmachung mit der schweize-
rischen Regierung gekommen, aber der Vorschlag
des französisch?» Botschafters, daß iw Kriegsfall«
Frankreich die Getreidezufuhr nach der Schweiz
unter der Bedingung zusichern wolle, daß di« Schweiz
das verbleiben des Getreides im Lande garantiere,
habe «ußerordeniliches Aufsehen erregt und eine
Anfrage bei der deutschen Regierung veranlaßt, ob
si, in der Lage sei, di« ungehinderte Zufuhr von
Ke'reid» und auch von Kohle zuzusichern. In
Berlin habe man sowenig an ein« un¬
mittelbare Kriegsgefahr geglaubt, daß
Perh«ndlungen mit der Schweiz wegen Ausführung
des AohIenabkommenS erst für spätere Zeit in Aus¬
sicht genommen wurden. Frankreich habe mit der
«bsolut sicheren Unterstützung England«
in einem Krieg gegen Deuuchland gerechnet, daß
im Kriegsfälle die Getreidezufuhr via Rotie'dam
durch Deutschland hindurch gesperrt sein würde.
Frankreich allein hätte die Blockade nicht durchführen
können. Während der Spannung de» Balkankrieges
Hobe der Botschafter dem französischen Minister-
prtfldenten freundschaftlich einen Verzicht auf gegen-
s»itige Rüstungen und friedfertige- Rebeneinanderleben
d»rgesch'«gen, worauf Barihou mit der Forderung
der Rückgabe von Elsaß-Loihringen geantwortet habe.
N«u» ««erhSrt« Forderungrn Lrr
Fran;»fen.
Die Franzosen haben neue unerhörte Forderun-
gen an di« deutjch« WaffenstiüstandSkommijsion ge¬
stellt.
Ei« »erlonirn, baß D,»tschl«nd di» Hiit»nwerke
nutz Fabriken ktsaj-Lothringens und der benach¬
barten Gebiete mit Kohl« nnd R,hstosse versorgt.
Ang«f»rdert werde« für die kisenerzeugunq in den
genannten Gebieten au» de« rechtsrheinische Koh¬
lenrevier täglich 10500 Lonne« Koks, die wesenllich
mit der Eisenbahn herangeführt und für die Eisen¬
erzeugung diene» sollen. Für die anderen Werke
der Gebiete soll die notwendige Kohlen- und Koks-
menge vou 35000 Lonne« täglich auf dem Was¬
serwege geliefert werden. Dazu kommen
noch Kohlenlieserungen für die Be atzungstruppen.
Außerdem verlangte die französische Vertretung die
Lieferung von Fabrikaten und Material und di«
»Rückerstattung" de» den Werken entnommenen Ma¬
terials. Beauftragte der französischen Rraierung
sollten in Deutschland an Ort und Stelle diejenigen
Feststellungen und Rachpiüfun-eu vornehmen, „die
zweckdienlich sein würden". Damit wäre natürlich
;eder Handel« p onagr Tür und Tor geöffnet. Im
Falle der R chibefolgung dieser drakoniichen vor-
ichrrftrn wurde in der französischen Wunichliste „so¬
fortige Anordnung von Gegenmaßnahmen" an.e-
droht. Die deuriche Wirtschaftskommission erklärte
sich trotz der krassen Einseitigkeit die er Forderun'«n
zu ibrer Eröiterung nach dem Prinzip der Ge¬
genseitigkeit bereit. Der fron zös. Oberst Mei cl«
als Sachverständiger brach jedoch dre Verhandlungen
brüsk ab.
w. Berlin, 81. Dez. Di« deutsch« Wassenstill¬
standskommission teilt «it: Zur Weitrrführuna der
von französi cher Seite vor?elegten Forderungen
über die Belieferung vonElsaß-Lothrinaen
und der Nachbargebiete mtt rech srbein icteu Brenn¬
stoffen und anderen Rohma'er allen soll «ach de«
Vorschlag der französtichen Regierung am 28. Dez
in Luxemburg mir dem vom Genei alstab un'r von
Fach bestimmten französtichen Generaloberst Mkr¬
eier und einer deutlchen Kommission, die höchste-s
aus drei Personen besteht, verhandelt werden. Die
deut che» werde» sich «lsdaO d»Uh«,
d «geben.
Erzberger Über Kack»
V»rlin, 21. Dez. Ein Mitarbeiter der »Aat. Ztg."
Reich,» auf ftcfunMt politischer iuU> wrltjchajürcher hatte «oe 1I«tair»i>ung nut de« vorfitzend«» d«r d«ut-
schen Waffenstillstand, .ommission, Staat»,ekretar Sr*
berger. in deren «erlauf «rzberger äußerte daß un-
zweifethost zu erkennen war. daß General Fach dreS.
mal den Deut'chen freundlicher ent egenkam und emen
wohlwollenderen Ton anschlug. Da» erstemal hatte er
die Waffenstillstand,lommission mrt großem Mißtrauen
betrachtet. Im Laufe der Vechandiun^en sa^te Ge.
nerat F»ch. dotz er verstehe, daß den deutschen verhan-
delnden Gruppen drei An elegenhcrten am Herze»
sie en. nämtich Leben»mittetversorgung Her-
beiführun« erneS möglichst schnellen Fr re den» und
die deutschen Kriegsgefangenen. Auf den letzten
Punkt wollte General Fach diesmal mctt erngeben,
hinsichtlich der beiden anderen Fragen nahm er aber
eine wohlwollende Haltung ein. Den stärlsten Eindruck
auf Foch macht« offensichtlich die S> klarung. daß da»
Deutsche Reich demobilisiere. Erzberger sagte, dap
unsere Erklärungen bei der Ent?nte jetzt Vertrauen
finden, weil man gesehen habe, daß wir di« Macht be¬
sitzen. unser« Zusa-ren einzulöien. Ueber die Persön¬
lichkeit de« General» Fach erklärte Erzbrrger, daß er
du^ch und durch Soldat ist und energische» und de-
stimmte» Auftreten Hab«. Wiederholt wie» er mit be¬
sondere« Nachdruck darauf hin. daß er sich nur mrt
militärischen Fragen ,u befassen habe und daß d,e
Politik ihn nicht» angehe. Daher wurde auch über dl«
inneren deutschen Verhättnrss« nicht gesprochen. Wa»
die «- u S -R ä t e antangt. so werden diese von,roch
im bei etzten Gebiet au»drücktich nicht anerkannt. Erz-
berger wurde )chtießl,ch gefragt, wie e» mit der Mög-
lichkeit einer Besetzung der b rSher neutralen Zone steht
und erwiderte darauf: „General Foch habe sich in dieser
Fragtz freie Hand aurbedungen. um gegebenenfalls dre
neutral« Zone zu besetzen, aber nur dann, wenn ge-
wisse Bedingungen nicht erfüllt werden sollten. Ich
glaube, daß e» mir gelungen ist. diese Gefahr zu zer,
störe» und kann heute sckon sage, daß dre Bedingun-
ge» erfüllt werde» können."
Die englischen Forderungen.
Haag. Wie der .Daily Expreß" erfährt, faßte
das britisch, ReichSkriegskabine't wichtige Beschlüsse
über die Bedingungen, di« der Friedens¬
konferenz vorzulegen sind. Das Kabinett will
>n erster Linie darauf dringen, daß die deutschen
Kolonie» nicht zurückgegeben werden. Was
die Frag« der Sntichädigung anlangt, so würden die
briiischen «n'prüche wohl solange zurückgeitellt werden
müssen, bi» die französischen und belgischen Ansprüche
befriedigt find. Werter will man Deutschland dazu
zwingen, die Rohmaterialien für den Wieder-
aufbau der alten und für die Gründung neuer In¬
dustrien zu liefern. Es wurden weiter Maßnahmen
vorgeschlagen, um eine Ueberschwemmung der briti-
schen Märk'e mit deutschen und anderen Waren, die
i« großen Quantitäten für den Abtransport fertig
liegen, vorzubeugen. Man müsse eine scharfe Em-
fuhrkontroll« einführen.
Der König von Italien in Paris.
Senf. 80. Dez. Ter König von Italien ist
Donneretag in Pari» eingetroffen. Präsident
PoinrareundMinisterpräsident Clemenceau empfingen
ihn auf dem Bahnhof. Am Abend besuchte der
König «it dem Herzog de» Präsideule» Wilson und
dann den Präsidenten Poinc rr«.
»uf einem Festessen hielt Po in rare »inen Toast
auf den König, worin er der italienischen Politik ge-
dachte, die schon 1L0S sich endgültig vom Dreibund
abgewendet und Frankreich dreve sicherunggegeben
bade, daß Italien an keinem Angriff auf Frankrerch
teilnehmen werde; die» Wort habe Italien gehalten
(aber d»e Verbündeten verraten. D. Red.) und eS da.
vit der französischen Regierung ermöglicht, ferne be¬
sonder» tüchtigen Atpentru ppen gleich beim Anfang
de» Kriege» an die deutsche Front zu werfen.
Der König von Italien nannte in seiner Erw'.de-
rung die vom Präsidenten betonte Verbindung zwischen
Frankreich und Jialie» einen neue» Bewei» für dir
Unsterbtrchkeit der ruhmvollen lateinischen Rasse. Dü
Sonne de» Siege» leuchte über der Erfüllung der Hoff,
nungen Frankreich» und Italien», der Wiederkehr der
einst Frankreich durch preußische Gewalt entriflenen
geheiligte» Gebiete an den Buse« de» Murterlande»,
und der Gewinnung der natürlichen Schutzwehren für
Italien, de» Alpenwalle» und de» Adriatrschen Meere».
Ei« seltsamer Plan.
Brrsla», 84. Dez. Ober schlesische» B'ätiern liegt
eiu Fl»gbla 1 mit «iner Erklärung bei, di« zur Bil»
tun« einer unabhängige» Republik Ober-
schlefieu unter Garantie von Deutschland, Polen
und dem Tichechenftaat auffordert. Hierzu teilt das
polnische Kaltowitzer Blatt «Gazeta Ludowa" mit,
daß von den Anhängern dieser Idee bereits 8 Ab¬
gesandte »ach Prag geschickt worden seien, um mit
Masaryk zu verhandeln. Dieser habe ihnen erklärt,
daß di« Tschechen Anspruch auf Teile OberschlesienS
machen, aber einer Republik Oberschlesien sympathiich
gegenüber stehen. Alle» häng« von der Entente ab.
Er habe einen Kurier nach Paris gesandt, um über
diese Frage Bescheid zu erhalten.
Nicht nur, daß die Feinde Stücke von Deutsch¬
land losreißen wollen, auch in Deutschland gibt es
traurige Gesellen, di« ihr Vaterland in Fetzen auS-
einanherreißen möchten. Wirhrscheinlich sind in Ober¬
schlesien auch polui che Hände mit im Spiele. Ten
Anstoß bat wohl die famose Kirchen- und Schul-
po ilik Adolf Hoffmanns gegeben. Auch ander-
lvärt» hat sie die Maart:« Störung gefördert,
deren Parole LoS von Berlin ist, aber beim
Reich wlll man dort doch unter allen Umständen
bleiben. Erreicht wird durch die oberichlesi!chen Afi-
!plit>erungsb«!lredungen nur, dag die Entente di«
Uneiniglelt in Deutjchland wachsen sieht, unsere
Hltfldsihkeit sich'zunutze macht und mit täglich er¬
höhter Anmaßung auftritt und jchiverere Forderun-
,e, flkflt
Ltsaer gegen Sparlakar.
In einer Versammlung des Münchener Sparlakur«
bundes wurde Ministerpräsicrnt Eisner mit stürmi¬
schem Beifall, oder «uch zum Teil mit Pfeifen be-
»rüßt. Der Ptii.'strrprusivent erklärt« den Bersam»
mrlien, »it Rotzer Reootmiarrerrderei und -spielerei
werde nicht» erreicht, «nd wiederholt« mit ernstem
Nachdruck: „Spielen Sie nicht mit dem heuer. Ich
warne Sie! Weun die Orhuung nicht aufrechterhal¬
ten werden k«nn, tz»nn letze ich ZnstärtLe, die ich nicht
wünsche. Ich «arre Nie. Sie hebe« unter sich die
Reart!»«. welche Stint fließen lasse» will. Ist da»
erst geflossen, dann iß dos «uch fr«« Ende der Revo
lutionl^ 9* «ttfitznd m iknechr irsße Auf»
ti
e