Full text: Fuldaer Zeitung (1918)

TTr 146. ! kür den redaktioneScnTejl: Karl SchüIte. I *} t AI «z I druck und Verlag der Fuldaer Actiendruckerei in Fulda. — I ^4 L 
"' ' * I fur den Anzeigenteil: I Parzeller .Fulda. - Rotation»- | ilttSlttJOMl XÖ« JUltl *7IÖ« { ftcrnfprcdttr 'Jlt'. v. Tetegramm-Ädresse: Fuldaer Zeitung. \ ^3- JarUHUn9» 
Heftige Kämpfe iu Italien. 
Bisher über 50«00 Gefangene. 
Ter deutsche Abendderkcht. 
Vtb Berlin, 25. Juni, abends. (Amtlich.) Don 
%ßat Kampffronten nichts Neues. 
Lefterretchisch, ungarischer Lagssverrcht. 
^td Dien, 25. Juni. 
Lester» war die «ebirtzsfrsni zwischen Asiaao 
und der Piave wieder der Schauplatz heftiger 
Kämpfe. Der Feind bot alles auf, um di« am 
15. Juni verlorenen Höhenstellungen zurückzuer- 
obern. Auf dem Monte de Val Bella. Col del Rosso, 
Asolone, Svl-rrol» und Monte Pertiea wurde de» 
größten Teil der Tages erbittert gerungen. D« 
^talrcner wurde« überall, an mehreren Stellen 
durch Gegenstöße, -nrückg«Warfe». Di« vorliegende» 
Meldungen schildern das über alle- Lob erhabene 
Verhalten der an den Kämpfe» beteiligte» Infan¬ 
terie und Artillerie und erwähnen besonders dir In¬ 
fanterie-Regimenter 9 (GalizifcheS). 58 (Kroaten), 
114 (Ober- und Nirderösterreicher). 120 (Schlesier) 
und das 4. Dosnisch-Herzegowinische. 
Im Mo ntallo gebiet n»d südlich davon 
fiel der Feind mit Patrouillen gegen die Piave vor. 
Im Raume von San Dona Mitten die den Ufer¬ 
wechsel unserer Divisionen sichernden Decknngsgrup- 
pen in den letzten Tage» starke Angriffe abzuwehren. 
Unsere Bewegungen vermochten auch hier planmäßig 
und ohne Verlust an Kriegsgerät dnrchgeführt zu 
werden. 
Seit dem 15. Juni büßte der Italiener über 
89 000 Mann an Gefangenen, darunter etwa 1100 
Offiziere, ein. Die Gesamtverluste des Feindes sind 
bei strenger Schätzung aus 150 000 Mann zu be« 
rechnen. . , - 
Ml Der Chef des Ge«eralstchbeö, 
Eine Rede Lloyd Georges. 
London, 28. Juni, (Reuter.) Im Unterhaus sprach 
Lloyd George über die m i l i t ä r i s ch e Lage. Er könne 
aus militärischen Rücksichten keine genauen Zahlen 
nennen,_ er könne nur wiederholen, daß am 21. März 
das Kräfteverhältnis der beiden kriegführenden Grup¬ 
pen an der Westfront ziemlich gleich gewesen fei. Da 
fortgesetzt amerikanische Truppen ankämen, so sei e» 
sehr wahrscheinlich, daß die Entente den Deutschen an 
der Westfront überlegen sein werde. E« sei erstaunlich, 
wie schnell die amerikanischen Streitkräfte herankämen. 
ES kämen so viel Amerikaner, daß die Verbündeten 
dadurch ermutigt, die Feinde aber noch schwer ent¬ 
täuscht werden würden. Die nächsten Monate würden 
Ursache zu Besorgnissen geben, aber er dürfe verfichern, 
lohne irgendwie bluffen zu wollen, daß die Heerführer 
(vertrauensvoll in die Zukunft sähen. Wir stehen am 
,Vorabend großer Ereignisse. ES wird vielleicht 
in den nächsten Stunden, sicher aber in den nächsten 
Tagen eine große Schlacht beginnen, die das 
gesamte Ergebnis de» Kriegs entscheidend beeinflussen 
kann, aber die Verbündeten waren niemals besser vor¬ 
bereitet, den Stotz auszufanzen, alb jetzt. Lloyd George 
-kam dann wieder mit der bei unfern Feinden allmäh¬ 
lich zur stehenden Redensart gewordenen Behauptung, 
der letzte Angriff der Deutschen auf die französischen 
Truppen sei mißglückt. Der Feind habe sein Ziel nicht 
erreicht. Er habe gehofft, bis Compiigne vorrücken zu 
können, fei aber nur bi» DillerS-CotteretS gekommen. 
Lloyd George äußerte sich hierauf über Rußland. 
Rußland befinde sich in einem völlig chaotischen Zu¬ 
stande. DaS sei eine der Schwierigkeiten, mit denen 
die Entente zu kämpfen habe. Man könne doch nicht 
mit irgend einer beliebigen Korporation in Rußland 
Beziehungen anknüpfen. Trotzdem sei eS die Pflicht 
der Verbündeten,Rußland be,zustehen. Er habe 
aus guter Quelle erfahren, daß der Hatz der Russen 
gegen die Deutschen in der letzten Zeit immer 
mehr zugenommen habe, und die Russen seien immer 
mehr geneigt, eine Bewegung zu unterstützen, die den 
Sweck habe, die Deutschen aus Rußland zu vertreiben. 
llerdingS sei der Weg nach Rußland schwierig. Rur 
Japan verfüge noch über eine direkte Verbindung. 
Lloyd Georg« sprach dann über die Ereignisse an der 
italienischen Front. E» sei nicht nur eine mili¬ 
tärische Niederlage, welche Oesterreich erlitten habe, 
sondern eine Niederlage, die wichtige Folgen auch auf 
politischem Gebiete haben könne. Denn Oesterreich sei 
das Land, das am allerwenigsten eine solche Niederlage 
ertragen könne. 
Die Räumung diS Montello. 
< Die der österreichisch« Heeresbericht gemeldet hat, 
sind unsere Bundesgenossen durch daS Eingreifen der 
Elemente gezwungen worden, ihre Stellungen auf 
dem Westufer der Piave zu räumen und den 
Rückzug in ir-re Ausgangsstellungen auf dem Ost- 
ufer cmzutreten. Schon die Meldung vom Sonntag, 
die von dem Hockwasser der Piove und von der Sto¬ 
rung des Verkehrs zwischen den bilde« Usern berich¬ 
tete, ließ erkennen, daß die Lage der Truppen sehr 
sehr ungünstig geworden war und ließ die Notwen- 
digkeit eine» Rückzuges wahrscheinlich erscheinen. Er 
ist nun Tatsache geworden. Die Italiener werden 
daraus einen Erfolg ihrer Waffen machen. DaS ist 
aber ein« gänzlich falsche Darstellung, denn der Rück¬ 
zug wurde nicht durch die feindliche Waffenwirkuna 
herbeigeführt und veranlaßt, sonder» lediglich durch 
höhere Gewalt. 
Solang« die Verbindung zwischen den beiden 
Ufern gesichert war und den Truppen Munition 
und Verpflegung richtig nachgeführt werden konnte, 
blieben die österreichisch-ungarischen Truppen sieg¬ 
reich. Sie konnten nicht nur alle feindlichen Gegen¬ 
angriffe unter schwersten Verlusten deS Feindes ab¬ 
weisen, sondern auch ihre Brückenkopfstellungen de- 
trächtlich erweitern. Als aber das plötzlich euig-tre- 
tone Hochwasser die Brück:-, fortr'ß und 
ei» rechtzeitiger genügender Ersatz unmöglich war, 
da stockte der ganze Nachschub, und schweren Herzens 
mutzte die Heeresleitung den Befehl zum Rückzuge 
geben, denn sie mutzte damit rechnen, datz die Jta- 
liener ihre Angriffe wiederholen würden, sie mußte 
sich auf weitere schwere Kämpfe gefaßt machen, usid 
zu ihrer Abwehr fehlte es an Munition. Ohne diese 
aLer war natürlich jeder Kampf aussichtslos. Da 
hilft keine Tapferkeit, keine Widerstandskraft. 
Haben die östereichischen Truppen mit ihrem 
Rückzuge auch d'e durch den siegreichen Vorstoß er¬ 
zielten örtlichen Erfolge wieder preisgeben nmssen, 
so bleibt doch der tiefgehende Einfluß des Vov- 
st o ß e s auf die allgemeine Kriegslage bestehen. Nach 
wie vor sind starke italienische Kräfte gefesselt, da der 
italienische Führer immer mit einer Wiederholung 
des Dorstoßes rechnen muß. Und was an die Piave 
bannt ist, fehlt in Frankreich und trägt zur Ent¬ 
astung unserer Westfront bei. General 
Diaz wird jetzt ganz besonders starke Abwehrma߬ 
nahmen treffen müssen, da die österreichischen Trup¬ 
pen mit ihrem Vorstoß über die Piave und nament- 
lich mit der Eroberung des MontellorückenS einen 
Beweis außerordentlicher Leistungsfähigkeit oeliefert 
und dem Gegner sehr sc^vere Verluste zugesügt ha- 
ben. Die Hoffnungen, die sich die Italiener früher 
gemacht hatten, daß der Gegner am Ende seiner 
Leistungsfähigkeit angelangt Ware, sind durch die ver¬ 
gangenen Kcnnpfe glänzend widerlegt. Das aller 
bleibt bestehen, auch wenn die österreichisch-ungari¬ 
schen Truppen durch die ungünstigen örtlichen Um¬ 
stände augenblicklich zum Rückzüge gezwungen sind. 
Der Rückzug selbst vollzog sich unter sehr schw i e- 
rt fle n Verhältnissen. Trotzdem gelang er plan- 
mäßig und was viel sagen will, ohne Verlust 
ae Kriegsgerät. Wir bedauern von Herzen 
daS Mißgeschicks das unsere tapferen Bundesgenossen 
getroffen hat, können ober darin nur eine vorüber¬ 
gehend« Episode erblicken. Wir werden uns gerade 
bei dieser Gelegenheit der hervorragenden Leistun¬ 
gen der letzten Tage erinnern und darin die Gewähr 
für die weitere günstige Entwicklung der Kriegslage 
erblicken, sowie sich die Witterungsverhältnisse wie¬ 
der gebessert haben. Jedenfalls hat der Vorstoß un- 
serer Verbündeten große Vorteile gebracht und einen 
sehr günstigen Einfluß auf die Kriegslage gehabt, der 
sich nicht beseitigen läßt. 
Sin billiger SiegeSbericht. 
nctd Rom, 24. Juni. DaS italienische Oberkommando 
eilt mit: Vom Montello bis zum Meere ist der Feind 
geschlagen und geht, von unseren tapferen Truppen 
verfolgt, in Unordnung über die Piave zurück. 
Das ist die ödeste Aufschneiderei, die sich denken 
läßt. Wenn die Italiener wirklich den Sieg errungen 
hätten, den sie bei kritiklosen Leuten mit dieser 
Rachricht Vortäuschen möchten, so müßten sie mit 
großen Gefangenen- und Beutezahlen aufmarschieren 
können. Da versagt aber die Kunst des Herrn Diaz, 
der vergessen zu haben scheint, daß die löesterreicher 
ihm in der vorigen Woche 50000 Gefangene ab- 
nahmen. Danach allein wird der militäriscke Erfolg 
bemessen. Woran liegt e§ denn, daß die Italiener 
in drei Kriegsjahren nicht imstande waren, ihren 
„Spaziergang nach Wien" auszuführen, oder auch 
nur Triest zu nehmen? 
* Lugano, 28. Juni. Der italienische Heeresbericht 
gibt nunmehr die Zahl der gefangenen Oesterreicher 
auf nur 4000 an. wa» bedeutet, datz nur die Nachhut 
geopfert werden muhte. Orlando empfing gestern J00 
Abgeordnete, die in feierlichem Zug von der Kammer 
zu seinem Ministerium wallfahrteien. und gab bei 
dieser Gelegenheit in einer Rede zu. daß die Hochflut 
deö Piave die Versorgung der Ocstcrreicher mit Proviant 
und Munition sehr erschwert hatte. .Diesmal", so sagte 
Orlando, „hat sich der Piave gut italienisch be¬ 
nommen, während im vorigen Herbst der Tagliamento 
den Fernd sehr begünstigte, indem er anschwoll, als dar 
italienische Heer übersetzen mußte und zurückging, als 
die Oesterreicher den Uebergang ausführten.- 
Italienische Stimmungen. 
Lugano, 25. Juni. Zu der österreichisch-ungari¬ 
schen Meldung, daß ein Teil der westlichen Piave- 
front geräumt worden sei, wird aus Italien berichtet, 
daß diese Nachricht überall im Lande große Erleich¬ 
terungen auS den Qualen der Angst hervorgerufen 
habe, jedoch bereitet das „Secolo" darauf vor, daß 
neue Trübungen in Aussicht stünden, und 
der „Corriere della Sera" schreibt, eS sei schwer zu 
glauben, daß die Macht des Feindes gebrochen fti. 
Der 11-Boottrieg 
Berlin, 25. Juni. (Amtlich.) Neue U-Boots¬ 
erfolge im Sperrgebiet um England: 18000 
Lrt. Don den versenkten Schiffen wurden drei be- 
woffnete Dampfer an der Ostküile Englands aus 
stark gesicherten Geleiizügen heransgeschoffen. 
Rußland. 
Zunehmende Unruhen. 
Infolge der zunehmenden gegenrevolutionären Um» 
triebe und Hungerrevolten wurde der Kriegszu¬ 
stand über Krestzy ,m Gouvernement Nowgorod, über 
da» Gebiet von Perm und über Stadt und Gouverne- 
ment Ufa verhängt. Der Belagerungszustand wurde 
über Nowgorod erklärt. Die Lage tm Gouvernement 
Saratow ist besoraniSerregend. Schnellste und ernst« 
Maßnahmen zur Organisation de» Selbstschutzes sind 
erforderlich. Die energische Beschleunigung der Be- 
waffnungunddermilitärischrnAuSbildungderarbertenden 
Klassen wird dem Exekutivkomitee de» Saratower Gou- 
»ernement» auferlegt. Ein Dienst.Telegramm von der 
Murman-Bahn meldet, da» 60 Prozent der Bahnbe- 
amten wegen de» Nahrungsmangels an Typhu» und 
Storbut erkrankt seien. Me»kau sei von jeder Ver- 
binoung mit Turkestan abgeschnitten Nur auf Um- 
wegen kämen Nachrichten über die Bewegung für die 
Abtrennung von Rußland und über die Autonomie. 
Der Hunger in Rußland 
wächst sich immer mehr zu einer Katastrophe auS. Au» 
SS Gouvernement» wird Mangel an Lebensmitteln ge¬ 
meldet. An vielen Orten ernährt sich die Bevölkerung 
von Oelkuchen. Kleie und gefallenem Vieh, aber auch 
diese Ersatzmitiel sind schon im Ausgehen begriffen. Da. 
zu nimmt die Kindersterblichkeit überall zu. In vielen 
Gouvernements, so Moskau, Petersburg. Perm, breitet 
sich der Hungertyphus auS. Die Kirgisen sind schon, 
wie der „Neue Orient" berichtet, soweit, da»ß sie Frauen 
und Kinder gegen Bro, verkaufen. In anderen Krei¬ 
sen kommen massenhaft Fälle von HungerStod, sowie 
Selbstmord« infolge Hungers vor. In Andifhan er. 
schlagen die Sorten die arbeitsunfähigen Greise und 
Kinder, um überflüssige Ester loS zu werden. In den 
Gouvernements Kostroma, Twer, Rhasan, Moskau, Ja- 
roSlow, Tula, Samara, Wladimir, Minsk und PeterS, 
bürg sind Hungerr-volt-n an der Tagesordnung. Und 
sicher ist. daß sich infolge der gänelich vernachlässigten 
Aussaat und der mangelnden Ausfuhr von Getreide di« 
Lage noch schrecklicher verschärfen wird. 
Großfürst Michael an der Spitze »er Gegenrevolution. 
vrd Moskau. 23. Juni.. Die hiesige Presse mel¬ 
det: Die F l u ch l d e S G r o tz f ü r st e n Michael 
aus Perm erfolgte am 1b. Juni nackt». Eine 
Abteilung angeblicher Roter Gardisten eniführte den 
Großfürsten im Kraftwagen unter Vorweisung eines 
gefälschten SowjetbeiehlS, wonach er nach Moskau 
überführt werden sollte. — In Om Sk wll Gro߬ 
fürst Michael an der Spitze der Gegenrevolutionäre 
ein Manifest an da8 russische Volk erlassen 
haben, indem er bei seiner Abdankung beharrt und 
dem einzubeiufenen Semskij Sador die Entscheidung 
über die RegierunaSgewalt überläßt. 
Die Lage in Sibirien. 
vtb Moskau, 23. Juni. Der Petersburger Tel. 
Agentur wird von der tsch cbi >ch,slowakischen Front 
gemeldet: Der' Rat der Voikrkon.iahare erhielt aus Je- 
katerinburg die Nachricht, daß d-e Sowjettruppen nach 
einem Kampf auf der Front Srt'ren-Ural in der 
Richtung auf 1kra.sk die Fabriken in CaSlinsk bei der 
Station Moqush, 128 Werft von J.kat:rinburg uni 
160 Werst von Tscheljabinsk, eintzenommen haben. 
Hiernach befindet sich die Hälfte der Eisenbahn I?. 
katerinburg-Tscheljablnsk in den Händen der Sowsett, 
truppen. Nach oerbürgten Melduiig.'n stehen in dem 
Tai der Soimanaka (?) nordwestlich von Tscheljabinsk 
7 Abteilungen Tscheche-Slowaken mit drei leichten und 
zwei schweren Geschützen. Im allgemeinen gehen die 
tschecho-slowakischen Truppen naem Kampfe aus dem 
Wege und sammeln sich un Bezirk von Kychthmsk (?). 
wtb Moskau, 22. Juni. Nach der Einnahme von 
Omsk marschieren die Tscheche.Slowaken auf Tobolsk 
und Jacktin. Nach der Schlacht vom 8. und 9. warfen 
die an Zahl überlegenem tschecho-str-wakischen Abtei¬ 
lungen die Sowjettruppen in der Richtung auf Kason- 
tin und Tschestabnisk zurück. 
Moskau, 22. Juni. Nach Meldung der hiesigen 
Presse ist der Damvfer „Feldmarschall Cnworow" von 
den tschechisch-slowakischen Truppen bei Astrachan ver¬ 
senkt worden. 
Nach einer Meldung der PeterSb. Tele. Ag. ist 
Sysran von tschechischer imd weißer Garde beseht wor¬ 
den. Die tschechischen Truppen und Kosaken rücken 
auf KuSnezk vor. Orenburg soll von Kosaken um¬ 
zingelt sein. 
d Berlin, 25. Juni. Drahtlose Meldungen auS 
Moskau berichten, daßJrkntsk und Jekatcri nburg 
in die Hände der Tschecho-Siowaken gefallen ist. 
Diese Meldungen widersprechen sich. Jedenfalls 
bilden die Tschecko-Slowaken in Sibirien eine aroße 
Gefahr für die Boischewiki, die an anderer Stelle 
Sibiriens sich auch noch geaen den Kcflalengeneral 
Eemenow und dessen Streiikräfle zu wehren haben. 
Freilich scheint Eemenow kein Glück zu haben. 
Schanghai, 21. Juni. (Reuter.) Dur Eharbin vom 
17. Juni w'rd berichtest Sem-now wurde zu einem 
plötzlichen stcuckzug nach der Mongclei gezwungen, weil 
8000 Kosaken sich dem Feinde cnn'chlossea, nachdem sie 
ihre Offiziere getötet hatten und die Roten Garden 
d>e Truppen SemenowS in der FI«r:ke bedrohten. Nach 
einer Meldung aus Peking zieht sich Semenow auf 
die chinesische Grenze zurück, die stark mit chinesischen 
Truppen besetzt ist. Die Truppen haben den 'Befehl, 
nichts gegen die Dnlscbewiki zu unternehmen, außer 
wenn die Grenze bedroht sein sollte. 
„zruktnr und Menschlichkeit" unter Wilson. 
Amsterdam, 21. Juni. In der amerikanischen Presse 
wird ein Brief erwähnt, de» John R. Shillady, Sekre¬ 
tär der Vereinigung zur Förderung der Farbigen, an 
den Generalstaatsanwalt Gregory gesandt hat. Er stellt 
in dem Schreiben fest, daß seit 1885 nicht weniger al» 
3000 bis 4000 Neger, davon seit Eintritt Amerika- 
in den Krieg allein „210 Männer, Frauen und 
Kinder" gelyncht Ivorden seien. Dazu tötete der 
Mob zwei Weiße, von denen der eine Robert Prager 
war. Kein Neger wurde wegen „Unloyalität" gelyncht. 
Sie Latten höchstens gewöhnliche Verbrechen begangen, 
für die sie durch die Gesetze ir tti'n avaeurtfilt werden 
müssen. Die Vereinigung fordert, daß Gregory oder 
noch besser Wilson selbst gegen die Gesetzlosigkeit auf. 
trete. ES werden dann einige Gouverneure genannt, 
die entgegen der sonstigen Sitte gegen die Lüncher aufge¬ 
treten seien. So wird z. B. Gouverneur Rhe von Ten¬ 
nessee gelobt, weil er nach neunwöchiger Verzögerung 
(I) eine Belohnung von 800 Dollar für daS Ergreifen 
der Uebeltäter aussetzte, die einen Neger am 12. Febr. 
am Pfahl verbrannt hätten. 
Es ist unter diesen Umständen nicht verwunderlich, 
wenn eS in Amerika zwischen weißen und schwarzen 
Soldaten zu Schwierig!>iien lommt. So wird ein 
an den Spezialassistenten deS KriegSsekretärS gerichteter 
an den Spez.-Assist. des 5driegs''et gerichteter Brief de» 
Generalmajor» Ballou von der 92. Div. veröffentlicht, 
in dem eS heißt, daß Rassesireitigkeiten am meisten die 
gute Ordnung unter den schwarzen Truppen untergra. 
ben. Viele Unruhen begännen mit kleinen Ursachen. 
So sei in Houston ein Streit zwischen weißen und 
schwarzen Soldaten auSgebrochen. weil die letzteren 
Wagen, die für die Wehsten reserviert waren, bestiegen 
batten. Während der Streitigkeiten wurden mehr als 
80 Weiße getötet und 18 Neger aufgehängt. Auch in 
East St. Louis ist es nach dem Brief zu blutigen Rasse¬ 
händeln gekommen. 
Mom sieht, wenn eS Herrn Wiifon mit dem Kampf 
um „Kultur und Menschlichkeit" ernst wäre, so hätte er 
tm eigenen Lande gerade genug zu tun. 
Die amerikanische» RüstungSskandal«. 
Eine weitere Ergänzung zu den bekannt ge¬ 
wordenen Rüstungsskandalen der amerikanischen 
Kriegs virtschfift ergeben Artikel amerikanischer 
Zeitungen. So lästt sich die ^Chicago Daily Newi" 
vom 8. Mai aus Wa binuon drahten, daß nach dem 
neuen Programm für Geschühbau inneriald eines 
Jahres nicht ein einziges Geschütz fertig 
würde. Man müsse erst neue Fabriken dazu bauen. 
Bezüglich der Ma schi nenge weh r . Herstellung 
schreibt die „New Jork Times" vom 8. April: Es 
sei ungewist, ob b>S Ende Juli überhaupt ein e n- 
ziges Maschinengewehr geliefert werden könne. Da¬ 
bei war die Lieferung von 3000 bis zu diesem Tage 
vorgesehen, und Kriegssek etär Bäcker hatte am 26. 
Februar erklärt, die Ueberlegenheir der amerikanische» 
Armee auf dieiem AuSrüstungSgebiet sei gesichert.^' 
* Eine Friedensanregnnq. Das katbolilche Fr'e» 
densinstrtut für Völkerversö rnunq in Freiburg in 
der Schweiz bat an den BundeSrak eine größere Biti- 
schrrfl eingereicht mit dem Vorschläge, den ersten 
Schritt zugunsten des Friedens zu tun oger einen 
elwa'gen Schritt anderer neutralen Staaten zu un- 
Irr stützen. DaS Institut hält den psychologischen 
Moment für einen solchen Versuch für gekommne 
* Ei« holländischer LavdeSverräter. DaS Haager 
.Korrejpondenzburealst meldet: AuS einem Urleils- 
spruch deS Haager Gerichts, durch den I. H. Lim¬ 
burg weq>» Landesverrats zu drei Jahren GesängniS 
verurteilt wird, geht hervor, daß der Verurteilte 
Dokumente auS dem Archiv des Stabes der ersten 
Division der Feldarmee, die sich auf die Ausstellung 
der Armee bezoaen, dem Militärattache der sranzö> 
fischen <^esandt>chaft oeiieiert hat. 
* Acht Arbeitermitgliedcr der englischen Reg,«, 
rung wenden sich mit einem Mahnruf zur EiniN 
keit an die englischen Arbeiter. Sie erklären, daß 
ihnen das Wirken in der Regierung schwer gemacht 
sei durch die unablässige Hetze seitens natwnslosei 
Eigenbrötler, die sich das Recht nehmen, für d,e Ar. 
beit zu sprechen, und dir versuchen, die Nation in sick 
bekämpfende politische Gruppen zu teilen. Auch nicht 
ein Zeichen von Schwäche dürfe England jetzt zer- 
gen. Deshalb müsse man zersetzenden Einflüssen die 
Stirn bieten, bis Amerika zur rechten Zeit das 
Gleichgewicht wiederherstelle. — Diese Kundgebung 
ist charakteristisch für die innerpolitifchc Verwirrung 
in England. 
* Was kostet en amerikanischer Soldst. In einer 
Notiz der „Newyork Times" findet sich die Feststel¬ 
lung, daß ein. amerikanischer Soldat an Ausbildung 
und Ausrüstung, ehe er nach Europa in Marsck» ge¬ 
setzt werden kann, der Regierung 15000 Dolla, 
kostet. 
Tetttscker Reichstag. 
Sitzung vom 28. Juni. 
Auf der Tagesordnung siebt die Fortsetzung der 
Beratung des Etats der Rcicheianziei und des Aus, 
wärtigen Amtes. 
Als erster nimmt das Wort 
Reichskanzler Dr. Graf von Hrrtling: _ Ich hatw 
ursprünglich nicht die Absicyt, niich an dieser Debattze 
zu beteiligsn. Die Gründe für diese von mrr beab¬ 
sichtigte Zurückhaltung liegen aus der Hand: es sind 
die E r s a h r u n g e n, die rch mit me,neu Herren 
Vorgängern über di: Erfolge der bisherigen Reden ge» 
macht habe. Sprachen w,r von unserer srredsertigen 
Gesinnung oder erklärten wir ur.c«re Friedekisbeceit- 
schaft, so wurde das von dem Emen als ein Symptom 
der Schwäche, als das Vocze'chen unseres unnntteibar 
bevorstehenden Zusmnlsnbrucks ansgefatzt, auf der an¬ 
deren Seite als eine listig geu-llte Fall:, sprachen 
w-z dagegen von unserem unOrschülterllchen 
den uns mufgezwungen:n Eroberungskrieg abzuweh¬ 
ren so hieß eS: „Das ist die L>t',eme deS preußischen 
Militarismus, dem auch die .eilenden StaarSmanner 
sich wohl oder übel füg:n muisen." Ick, bin am '-4. 
Februar dieses Jahres ernen Schritt werter gegangen. 
Ich habe damals aüsführlrch Sielluug genommen zu 
der Botschaft des Präsidenten W,l. 
s o n Ich habe seine vekanntu, b'e: Punkte besprochen 
und grundsätzlich meine Zustimmung zu diesen 4 
Punkten erklärt. Ich habe gesagt, daß die 4 Punkte 
möglicherweise die Grundlage sür ernen all- 
g-meinen Wel tsr reden bilden können. Ir¬ 
gendwelche Aeußerung des Präsidenten Wilson ist da- 
rauf nicht erfolgt. So hat iS denn gar Jenen; 
st ir e ck, den damals angespoernenerl Faden werterzu- 
spinnen. (Sehr wahr! und lebhafte Zustimmung.) 
Umsoweniger nach den Auslassungen, die uns seitdem, 
insbesond-re aus Amerika, zugekommen sind. Dress 
Auslassungen habe-, in wirkrich erfreulicher Deutlich- 
feit erkennen lassen, was unler den „FriedenSbund 
der Völker", was unter de-n „Völkerbund für 
Herstellung von Freiheit und Geiecktigkeit" zu ver¬ 
stehen ist. (Sehr wahr! uird lebhafte Zustimmung.). 
Deutlich ließen unsere Gegner erkoni^en, was das Ziel, 
was der Kern dieses zu.bildenden Völkerbundes s-rn 
würde, daß somit unsere Gegner keine Schwierigkeiten 
haben würden, das ihnen unbequem aufiretends 
Deutschland zu i s oli e r e n und ihm durch 
wirtschaftliche Abschnürung den LebenSodem aus. 
z u l ö f ch e n. (Sehr wahr!) Ich habe es dagegen für 
durchaus angemessen gehalten, daß der Herr Staats» 
sekr-tär des Auswärtigen Amt? Mitteilungen über dre 
Einzelheiten unserer poritischen Lage 
im Osten, von Finland bis zum Schwarzen Meer, hie» 
machen möchte, der dazu beruscn war auf Grmrd seiner 
Sachkenntnis, auf Grund der Erfahrungen, die durch 
seine m:hrinonatliche aufopfernde und erfolgreiche Teil¬ 
nahm: an den Verhandlungen gemacht worden waren. 
Ich bin der Meinung, daß sich der Staatssekretär dieser 
Aufgabe durchaus sachgemäß entledigt hat. 
Dagegen habe»» seine Aeutz:rungc»l. wie ich zu meinen, 
Bedauern konstatieren mußte, in weiten Kreisen ein, 
mehr oder weniger unsren ndlicke Aufnahme 
gefunden. (Sehr richtig! Sehr wahrl) D:e 
Herr Staatssekretär sprach über die Schuldfrag». 
Diese Frage können wir getrost der Geschichte über¬ 
lassen. Schon jetzt liegen Zeugnisse vor, daß Deutsch, 
land nicht schuld am Kriege war, daß eS nicht 
die Fackel zum Weltbrand «itzündet hat: (Sehr wahr!) 
Ich halte mich sedoch für verpsiichtet, ern Mißverstand., 
nis aufzuväumen, das, wie m-r scheint, der Auffas.i 
suug de» zweiten Teils der AuSiührung des Herrn s 
Staatssekretärs zugrunde liegt. Die Tendenz dieser, 
Ausführungen des Herrn StraiLsekretärS war lediglich/ 
die Verantwortung a« der Fortsetzung^ 
und unabsehbaren Verlängerung des entsetz¬ 
lichen Kriegs der feindlichen Macht zuzu. 
schieben, ganz in dem S'nn, wie ich e» am 24. 
Februar d. I. getan habe. Meine Herren, vo'n eitler 
Erlahmung unsere» Willen», mm einer Erschütterung 
unserer Siegeszuversicht lau» danack. selbstverständlich 
nicht die Rcde sein. (Stürmischer allseitiger Beifall.) 
Nach wie vor stehem Kaiser und Reich, Fürsten und 
Völker e::g und iertrauenSvoll zusammen. (Erneuter 
ledh. Beifall.) Wir vertrauen auf unser, 
unvergleichlichen Truppen. (Lebh.^ Beif.), 
wir vertrauen ans unsere genialen Heerführer, 
(Erneutes lebh. Bravo!» auf unser einheitlich und un. 
erschütterlich zusammenstehendeS Volk, dessen gro߬ 
artige Haltung wir seit Jahren zu bewundern Gelegen, 
heit gehabt haben. (Erneuter lebh. Beifall.) Meine 
Herren, wir dürfen hoffen, daß der Allmächtige, der 
unk bisher geholfen hat und der uns von Sieg zu 
Sieg geführt hat, diese Treue dem deutschen Volke 
lehnen wird. (Lebh. Verfall.) Uebe- Einzelheiten wird 
der Herr Staatssekretär jetzt noch selbst da» Wort er¬ 
greifen, um Mißverständnlss: festzustellen. 
Staatssekretär von Kühlmann stellte durch Verle» 
smv de» Schlusses seiner gestrigen Ausführungen ge. 
genüber dem Abg. Westarp fest, daß niemand die Be. 
rechtigung habe, auS fernen Worten herauszulesen, al» 
habe er an der Siegeszuversicht irgendwie gezweifelt. 
Er habe auch nicht an den guten Willen unserer Feinde 
appelliert, da» zeige der klare Wortlaut seiner Rede, 
an dessen Stenogramm, wi: er auf Zwischenrufe von 
recht» her bemerkte, nicht» geändert fet. Ter Sieg aus 
dem Schlachtfeld sei die Vorausleoung für eine diplo¬ 
matische Aktion. Die diplomatische Aktion selbst sei 
das Sekundäre. Er Hab: in seiner gestrigen Rede fest, 
stellen wollen, daß die Erörterungen von Parlament 
zu Parlament, von Tribüne zu Tribüne unter den 
heutigen Voraussetzungen zu keinem Ziele führ, 
te n, sondern daß unter diesen Umständen nichts wer- 
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