Full text: Fuldaer Zeitung (1918)

Deutscher Reichstag. 
Sitzung vom 4. Juli. /, 
Zu Beginn der Sitzung widmete 
Präsident Fchrenbach dem verstorbenen Sultan 
M o h a m e d V. einen Nachruf und feierte dre in 
diesem Kriege bewährt« deutsch-türkische Waffenbrü¬ 
derschaft, An das osmanischr Parlament wurde ein 
Beileidstelegramm gesandt. 
Dann wurde die Besprechung des rnmänische» 
FriedenSvertrageß scNgesetzr. 
Oberst von Frunsecki stellt fest, daß die Höchstzahl 
der deutschen Kriegsgefangenen in Rnmä- 
nrcn etwa 4300 betrage, von diesen seien 1900 zurück¬ 
gekehrt, etwa 1300 mit den russischen Truppen gegan¬ 
gen in der Hoffnung, durch Rußland schneller in di: 
Heimat zu gelangen. In der Moldau zurückgeblieben 
seien etwa 100 Wann. Darnach könnten die Todes¬ 
fälle höchstens 1000 betragen. Aber auch das müsse 
erst noch genauer testge stellt werden. 
Abg. Roste (Sog.* stimmt den FriedenSverträgen 
*u. Bei der Beurteilung derselben dürfe nicht außer 
Acht gelaffen werde«, mit welcher Frivolität sich Ru¬ 
mänien in den Krieg g:stürz: habe. 
Abg. Gothrin (Bp.) erklärt sich gleichfalls mit den 
Friedensverträgen einverstanden und gibt der Hoff¬ 
nung Ausdruck, daß der Friede zu einem Zustand 
dauernder Freundichast mit Rumänien führen werde. 
Abg. Alters (D, Fr.): Die Interessen der deut¬ 
schen Kolonisten in Rußland und Rumänien müffe» 
berücksichtigt werden. Rumänien kann sich über die¬ 
sen Friedensvertrag nicht beklagen. 
Abg. Coha-Nordhausen (ll. S.): Wir lehnen die 
Verträg: ab. Dieser Friedensvertrag ist ein verhüll¬ 
ter oder auch unverhülltcr Raub. sGIocke des Präsi¬ 
denten 
_ Präsident Fehrenbach: Sie haben sich eines unzu¬ 
lässigen Ausdrucks bedient. Ich bitte Sie. sich zu ruä- 
ßlgen.) Unsere auswärtige Politik wird tatsächlich von 
der Heeresverwaltung gemacht. Auf weitere Bemer¬ 
kungen des Redners iW'Sn'S 
SteatSfekrrtSr von Sühlmaua deranf. daß eine 
Reihe v«> Streitfragen mir Rußland gerade letzt Ge¬ 
genstand aussichtsreicher DerbanLlnng-n mit der Sow- 
Etregierung seien und ironisierte den Feldzug, nach 
Indien" als ein nur rn der Phantasie des Abg. Cohn 
bestehendes Ereignis. 
In der Gesamtobstimmuug wurde der Friedens- 
Vertrag gegen die Stimmen der Unabhängigen Soz. 
angenommen. 
Hierauf ßoerden die Fricdensverträge in L und 
ll. Lesung angenommen, der Etat des Auswärtigen 
wird bewilligt; desgleichen nach kurzer unwesentlicher 
Aussprache der Mat des Innern. — Es solch der 
Etat des Reichswirtschaftsamtes. 
Abg. Dr. Bell (Ztr.>: Ich ,nächte heute noch ein¬ 
mal unterstreichen, was schon in zweiter Lesung her¬ 
vorgehoben ist: daß Verordnungen des Bundesrats, 
die für die U-bergangszeit erfolgt find oder noch er¬ 
folgen werden, unter keinen Umständen auf das Er¬ 
mächtigungsgesetz vom 4. August 1814 br-gründet wer¬ 
den dürfen, daß vielmehr ei» besonderes Gesetz er¬ 
forderlich sein wird. (Sehr richtig!) Mehrers Stell¬ 
vertretende Generalkommandos haben Erlasse heraus- 
gegeben, wonach M i e t sk ü n d i gn n g e n und 
-Steigerungen oeerboten oder an bestimmt: 
Voraussetzungen geknüpft werden sollen. Sv sehr die 
gute soziale Abficht diese Maßnahmen anzuerkennen 
ist, so darf doch auf der anderen Seite nicht vergessen 
werden, daß es sich hier um die Abwägung außeror¬ 
dentlich schwieriger volkswirtschaftlicher, sozialer und 
juristischer Fragen handelt, die man doch den zustän. 
drgen Organen speziell den M-i e t » e i n i g u n g s. 
ä m t ein nicht entziehen soll. Bei der Verordnung 
luier die K l e i de r a b g ab e sollte mtt möglichster 
Schonung und unter möglichster Berücksichtigung der 
persönlichen sowie der wirtschaftlichen und sozialen 
Verhältnisse der Betroffenen verfahren werde«: nir¬ 
gends würde eine Schablonierung und Einseitigkeit 
weniger am Platze sein als hier. (Sehr richtig! und 
Zustimmung.) Bei der Regelung der Entfchädigungs» 
trage müßte den Betroffenen bei den Grundsätzen der 
Erileignung der volle und zwar der heutige Wert, na. 
turlich abzüglich der Abnutzung erstattet werden, aber 
auch unter Berücksichtigung der jeweils später einrre. 
lenden Notwendigkeit, Ersatzstück: zu» beschaffen 
A»m Schluß begründet R:dner eine Entschließung 
wonach die Beschlagnahme der Sparme- 
tafle rn Privatwirtschaften solange nicht zur Durch¬ 
führung gebracht werden sollen, als 1. die Sparm:talle 
besondere Türklinken und Fenstergriffe aus allen 
öffentlichen Gebäuden nicht vorher abgelief:rt find und 
Z Vorsorge getroffen ist. daß die Ausführung der 
Maßregel den Beterlrattn keinen Schaden bringt und 
für dre Zukunft dre kostenlose Herstellung d«s Wertes 
wieder gesichert ist. (Beif.) 
Abg. Dr. Rietze lntl.) kritisiert die für di« Ueüer- 
gangswirtschaft rm Textilgewrrbe erlassene Bundes¬ 
ratsverordnung. die auf eine Stabilisierung eures 
Staatssozialismus hstnauslauft. 
Ein Regkeruagsvertreter bestreitet das und bemerkt 
baß aus dieser Verordnung nicht der Schluß gezogen 
werden dürfe, als ob seht auf allen anderen Gebieten 
,n ~r gleichen Weis: vorgegangen werden soll. 
Abg. Arendt (D Fr.) tritt für die vom Abg. Bell 
begründete EntschlieAng betteffend die Svarmetalle 
er«. 
Freitag: Weiterberatung. 
Preußischer Landtag. 
«bg»,rd»et,»d„«. 
Sitzung vom 4. Juli. 
Präsident Graf «chwerin-Lüwitz. gedenkt in eine« 
oer Tagesordnung ,teht die 
Nachruf des verstorben«! Sultans Mohamed V. Auf 
fSnst« Lesung der WahlrechtSvvrkoge. 
Sie begann mit einer, in der allgemeinen Unruhe des 
. und ungeduldigen Hauses kaum 
verständlichen Rede des Abg. Strobe, (II. S), der. die 
Auflösung des Ham es forderte. Dieses Verlangm 
tmwde auch von dem Wg. Huc (Soz.) erhoben, der im 
übrigen davor warnte, in der Gründung eines „5h,8. 
Gusses, für einen deutschen Arbeiterfrieden" einen 
Ausdruck der wahren Stimmung der Arbeiterschaft zu 
sehen. Nach diesen beiden Reden beantragt- Aba 
Porfch (Z.) über die drei Gesetzentwürfe :n bloc ob* 
zustrmmen. 
Das Gesetz über die Wahlen zum Abgeordneten- 
hause, das Gesetz über das Herrenhaus und das «er. 
fassungsgefetz werden nach den Beschlüssen der 4. 
Lesung in einfacher Absttmmung mit den Stimmen 
der Rechten, der Minderheit des Zentrums und eines 
Teiles der Nationalliberalen angenommen und darauf 
in der Gefamtabstimmunq da» ganze Gesetz. 
Auf der Linken des Hauses wird gerufen: »Auf- 
«Uen! Die Regierung schweigt!" 
M folgt bie Forrsetzung der Beratung des An¬ 
trages Heß (Ztr.) über die Handhabung der Samm- 
lung von getragenen Kleidern. 
_. (S°3.) wendet sich gegen den Anttag. 
Die Antragsteller hatten offenbar keine Ahnung von 
der große» Not der Arbenerbevölttrung. 
Abg. Wenke (Vp.) fordert die Zahlung eines an¬ 
gemessenen Preises pur abgegebene Klttder: auch 
k-mne die Mititarverwaltting aus ihren großen Be¬ 
standen Kleidung abgeben. " " 
Abg. Dr. Krause (ft.) fordert Rücksichtimhme auf 
die laridwirtschasttichen Arbeiter. ^ ' 
Ein Brrtteter der RrichebrNeidungSstrlle führt au» 
sk sei zu hoffen, daß eine z w a n g s m o j , c Abgabe 
von Bekleidungsstücken nicht notwendig sein werde. 
Die KriegSrohftoffabteilung hoffe, bald in der Lage 
zu sein, Rohstoffe zur Verfügung zu die 
den dringenden Bedarf der Bevölkerung uichp nur 
für die Kriegsdauer, sondern auch fitt die Zeit nach 
dem Kriege in möglichst weitem Umfange decken. 
Sodann wird der Anttag Heß angenommen mir 
der Erweiterung, daß die weitere Ausführung der 
Verordnung solange ausgesetzt wird, b>S den Kommu- 
nalverbänden entsprechende Grundgesetze über die 
Sammlung gegeben worden sind und mit der Ma߬ 
gabe, daß für die bereits abgeliefecten Sachen nach¬ 
träglich Preise, die dem wirklichen Wert entsprechen, 
bewilligt werden. 
Der Anttag der Regierung, den Landtag vom 12. 
Juli bis zum 20. September zu vertagen wird 
obne Aussprache angenommen. — ES folgt die Bera- 
tinig des Antrages Lirnewea (k.) auf Zuweisung 
von Schuhwaren an kleine Schuhmacher. 
Abg. Lieneweg ft.) begründet den Antrag. 
Eia Regierungskommiffar erklärt, daß, wenn auch 
die kleinen Geschäfte bedacht werden sollten, manche 
Geschäfte nur 3 Paar Stiefeln im Monat bekommen 
würden. Eine derartige Versplitterung würde das 
öffentliche Interesse der Verbraucher gefährden. 
Abg. Dr. Hager (Ztt.) tritt für den Antrag ein 
und wünscht dar allem, daß der Verteilungsschlüssel 
geändert werde, damit die kleinen Geschäfte besser 
bedacht werden könnten, die namentlich auf dem fla¬ 
chen Lande jetzt gänzlich von dem Bezug auSgeschlos- 
son seien. 
Rach weiteren zr-stimmenden Ausführungen der 
Abg. Tr. Weadiand (ul.) und Hesse (Vp.) wird der 
Arttrag Lieneweg angenommen. 
Präsident Graf Schweriu-Löwis schließt die Tg- 
gnng mn dem Ausdruck der Zuversicht, daß beim Wie. 
derzufamrrwntritt der siegreiche deutsch« Frreten einen 
bedeutenden Schritt vorwärts gekommen sein werde. 
DerMche5 Reich. 
* Der HanptauSschntz der Reichstags beriet gestern 
den in erster Lesung beschtoffenen Entwurf über erne 
außerordentliche Kriegsabgabe. In der 
Hauptsache wurden die Beschlüsse der ersten Lesung 
bestätigt. Die Vorschrift, daß Inländer auch dann ab¬ 
gabepflichtig bleiben, wen sie nach dem 31. Dezember 
1813 ihren inländischen Wohnsitz oder Aufenthalt auf¬ 
gegeben haben, wurde auf einen Anttag Gröber hin 
nusgedehm auf solche Personen, die ihre inländische 
Staatsangehörigkeit nach dem 1. August 1914 verloren 
haben. — Es folgte die Abgabe vom Mehrein- 
kommen. Hierbei wird ein Antrag Grober, der 
Doppelbesteuerung der Erbrnsälle verhindern will, an¬ 
genommen. Eine längere Diskussion entstand über 
eine bau den Konservativen vorgeschlagene Bestim¬ 
mung, welche lautet: Hat das veranlagte Einkom¬ 
men vor dem Kriege weniger als 4 Prozent von dem 
damaligen Vermögen des Stcuerpflichligen betragen, 
so ist an Stelle des vor dem Kriege veranlagten Ein¬ 
kommens eine Summe zu setzen, welche der 4proz. 
Verzinsung des Vermögens entspricht. Bon den ver¬ 
schiedenen Seiten, auch von der Regierung, wurden 
gegen diesen Vorschlag Bedenken erhoben, vlbg. Srz- 
berger meinte, alle Terrainspekuianten und Gro߬ 
grundbesitzer würden damit aus dom Gesetz heraus, 
fallen es würde ganz ausgchöblt. Auch der Abg. 
Keil (Soz.) trat dieser Ansicht bei. Der konservative 
Vorschlag wurde schließlich zurückgenommen. 
** Die 5. Lesung der Wahlrechtsvorlaqe. In der 
O-ffentlichkeit hat man der fünften Lesung der Ver¬ 
fassungsvorlagen rm Abgeordnetenhauie mit nur 
geringem Interesse entgegen geiehen, denn man weiß 
ja und hat sich, damit abgefuden, daß von diesem 
Abgeoiduetenhause die vom Volke ermattete durch¬ 
greifende Reform des Preußischen Wahlrechts nicht 
vorgenommen werden wird. Das Ergebnis der 
gestrigen Abstimmung, die abermalig« Ablehnung 
deS gleichen Wahlrechts, bedeutet also keine lieber- 
raschuug. Die Vorlage geht jetzt an da» Herren- 
hau», dessen Beschlüsse sich schwerlich in anderer 
Richtung bewegen werden, als der Kompromiß- 
antrag mit seinen Zusatzstimmen, der Vorschrift 
eines zweijährigen Wohnsitzes und der Dreiviertel¬ 
mehrheit für Verfassungsänderungen. Die Folge 
wird schließlich die Auflösung der Landtages und 
di« Ausichreibung von Neuwahlen sein. 
• Die Tätigkeit der NeichsbekleidungLstelle. Im 
ReichstagSausschuß für Handel und Gewerbe be¬ 
richtete der Reichskommissar für bürgerliche Klei¬ 
dung, Geheimrat Dr. Beutler, über die Tätig¬ 
keit der Reichsbekleidungsstelle. Bon einer Be¬ 
schlagnahme der Bestände in fertigen Kleidern und 
Stoffen ist abgesehen worden, um die betreffenden 
Geschäftskreise nicht wirtschaftlich zu ruinieren. Es 
handelt sich um 80 000 bis 100 000 Geschäfte. Da¬ 
gegen wurden die Altkleider bei den Händlern be¬ 
schlagnahmt. Dringend notwendig ist augenblicklich 
die Beschaffung von Kleidern für die Bergarbeiter, 
die landwirtschaftlichen Arbeiter und die sonstigen 
kriegswirtschaftlichen Betriebe. Es werden 3V® 
Millionen Kleidungsstücks gebraucht. Eine Million 
getragene Anzüge sollen bekanntlich von Privatper¬ 
sonen gesammelt werden. Eine weitere große Auf¬ 
gabe der Reichsbekleidungsstelle ist die Versorgung 
von 10000 öffentlichen Anstalten. Krankenhäusern 
>.rsw. mit Wäsche, ferner die Beschaffung von Uni¬ 
formen für die bürgerlichen Beamten. §3 ist zu 
hoffen, daß in Zukunft Zwa n gs ei n g ri ffc 
in die Privathaushaltungen vermieden werd-m 
können, da Aussicht besteht, einen guten Ersatz¬ 
stoff in größeren Mengen herzustellen. Besonders 
schwierig ist die Versorgung mit Wäsche. Darum 
mußte die Tischwäsche der Hotels beschlagnahmt 
und zu Leibwäsche verarbeitet werden. Auch für 
die entlassenen Krieger sind in größerem Ummnge 
Anzüge bereitgestellt. In der Aussprache wurde 
begrüßt, daß die Robstoffrage einer günstigen Lö- 
sugg entgegengehe. 
Kurland. 
Die Wahlen in Holland. 
Dem -Allgemeen Handelsblad" zufolge war das 
Ergebnis der Wahlen zur Zweiten Kammer wie 
folgt: Liberale Unionistrn 6, Freiliberale 4, Christ¬ 
lich-historische 7, Antirevolutionäre 13, Katholiken 
31, Freisinnige Demokraten 5, Softaldemokratische 
Arbeiterpartei 22, Sozialdemokratische Partei 2, 
Soziakisftfche Partei 1, Wirtschaftlicher Bund 3, 
Mittelstandspartei 1, Neuttale Partei 1, Christlich- 
soziaU Partei 1, Plattelanden rechts und links 1, 
Verband der demokratischen Webrmocht (vielleicht) 
1, Bund der christlichen Sozialisten 1, christliche 
Demokraten 1, zusammen 100 Sitze. 
ES wurde erwartet, daß die Katholiken dank ihrer 
straffen Organisation, der Ausdehnung des Wahl¬ 
rechts und der Einführung der Verhältniswahl einen 
starken Zuwachs erhallen würden, aber ebenso war 
die Ucberzeugung allgemein, daß die Sozialdemo, 
kraten bei weitem am besten abfchneiden würden. 
Das ist nun nicht eingetteten, vielmehr stehen die 
.statbolffen mit ihren Mandaten an der Spitze. Ob 
die Kammer eine Mehrheit der Rechten haben wird, 
steht noch nicht fest, da noch einige Ergebnisse au§- 
stehen. Sicher ist jedoch, daß die liberalen Parteien 
eine entscheidende Niederlage erlitten. Die liberalen 
Unionisten und die Frei-Liberalen hatten zusammen 
31 Sitze. Jetzt verfügen sie nur über zehn Sitze. 
Me liberale Linke, die Holland nahezu 60 Jahre 
lang mit großer Mehrheit regiert hat, zählt jetzt 
noch ganze 15 Sitze. Der Liberalismus ist tot in 
Holland. 
Der Kühlmann-Prozetz. 
Donnerstag vormittag begann in Moabit vor der 
7. Strafkammer der Prozeß des Staatssekretärs Dr. 
v. Kühlmann gegen den verantwortlichen Redakteur der 
.Deutschen Zeitung- Dr Max Lohan und den Redakteur 
der .Alldeutschen Blätter" Dr. Julius Dumcke. Die 
Anklage wird vertreten durch den Ersten Staatsanwalt 
Rhode und Staatsanwalt Gutjahr. Die Verteidigung 
führen die Rechtsanwälte Dr. Schwindt und Iacobsen 
(Hamburg). Nach dem Auirufe der Zeu-en stellte Land- 
gerichtSdirektor Wrüermann die Frage, ob die ganze 
Sache nicht durch eine Erklärung auS der Welt zu 
schaffen sei Der Angeklagte Dr. Lohan erwiderte, der 
Zweck deS von ihm zu verantwortenden Artikels gehe 
dahin, Herrn von Kühlmann als politischen Schädling 
zu beseitigen. Wenn er die sichere Gewähr habe, daß 
Herr von cchhlmann in abkebbarer Zeit zurücktrete, so 
sei er aern bereit, dem Privatmann von Knblmann 
eine Erklärung obzugeben, daß ihm jede Abficht fern 
liege, den Privatmann von Kühlmann zu beleidigen. 
Der Angeklagte Dr. Dumcke schloß ffch seinen Aus¬ 
führungen an. Der Vorsitzende erklärte: Dann dürfte 
der Versuch gescheitert sein, denn eine solch« Erklärung 
kann der Staatssekretär gewiß nicht abgeben Deswegen 
braucht er nicht erst gettagt zu werden. Darauf bean» 
tragt der erste Staatsanwalt für die ganze Dauer der 
Verhandlung dieO effentli chkeit au Sz uschließen. 
Nach längerer Begründung dieses Antrages und Gegen- 
ausfübrungen der Rechtsanwälte Dr. Schmitt und 
Jacobsen verkündete der Vorfitzende den Beschluß des 
Gericht» dabin: Die Oeffentlichkeit wird während 
der ganzen Dauer der Verhandlung ausgeschlossen, 
da eine öffentliche Verhandlung eine Gefährdung 
der Staatssicherheit beftärchten läßt. 
Don Seiten der Angeklagttn wurde ein zwei um¬ 
fangreiche Schriften umfassender BewerSantrag 
gestellt. Das Gericht beschloß deshalb, die Verhandlung 
zu vertagen und zu dem neuen, anzuberaumenden 
VerhandlunnStermine außer den heute geladenen Per¬ 
sonen eine Reihe weiterer Zeugen zu laden. 
* 
Jeder unbefangene Beobachter muß die Ber» 
tagung des Prozesses bedauern; dentt es liegt 
offenbar rm allgemeinen Interesse, daß dieses Aer- 
gernis endlich ausaeräumt wird. So oder so — ent¬ 
weder durch den Rücktritt des Herrn v. Kühlmonn, 
wenn ihm wirklich entehrendes Verhalten nachge¬ 
wiesen wird, oder durch die gerichtliche und mora¬ 
lische Verurteilung der Beleidiger. Der Angriff der 
Alldeutschen gegen Kühlmann hat Mitte Ilpril be¬ 
gonnen: also fast drei Monate !-ereits ist der „Skan¬ 
dal" im Gange. Ta wird es in der Tat hohe Zeit, 
daß endlich Klarheit geschaffen wird und die Sühne 
eintritt — nach der einen oder nach der anderen 
Sette. Schnelle Justiz ist erforderlich in allen 
Stteitigkeiten um die Ehre, Werk es ein Unrecht ist, 
den klagenden Teil längere Zeit belastet zu lassen 
unter einem öffentlichen Schimpf, gegen den er sich 
tvehren will. Um, so mehr ist schnelle Justiz ge¬ 
boten,^ wenn nicht nur die Privatehre, sondern das 
Ansehen der Regierung und des Vaterlandes selbst 
ans dem Spiele steht. 
Die bedauerliche Vertagung ist nrm keineswegs 
durch Herrn v. .Kühlmann oder die cmtragstellende 
Regierung herbeigeführt worden, sondern durch die 
beklagte Partei, durch die alldeutschen Urheber 
der Verdächtigung. Sie hatten fast ein Vierteljahr 
Zeit, um für ihre Behauptungen das Bcweismote- 
rial zusammenzubringen, das sie eigentlich schon 
zur >Hand haben mußten, als sie die „Flucht in die 
Oeffentlichkeit" unternahmen. Sie hatten auch eine 
ganze Reihe von Belastungszeugen benannt, darun¬ 
ter sehr hochstehende Persönlichkeiten und drei Auto¬ 
mobilführer. Nun haben sie am 3. Juli, also ge¬ 
rade an dem Prozeßtermin, noch einen neuen Schrift« 
satz mit neuen Zeugenladungen eingereicht. Das 
kann keinen guten Eindruck machen- Entweder ha¬ 
ben die Herren selbst eingesehen, daß ihr bisheriges 
Beweismaterial unzulänglich war. oder sie arbeiten 
auf eine Verzögerung der Enffcheidung hin. 
Wir ergreifen in dem schwebenden Sttert keine 
Partei, sondern machen nur das öffentliche Jnter- 
esjie geltend, das die Beseitigung des Skandales 
fordert. 
Von dem unparteiischen Standpunkt aus kann 
man auch keinen Gefallen ffvden an der Erklärung 
der Angeklagten, die Anschuldigungen gegen Herrn 
v. Kühlmann hatten nur den Zweck, diesen -politi¬ 
schen Schädling zu beseitigen". Wenn Herr von 
Kühlmann morgen oder übermorgen seine Entlas- 
sung einreichen würde, so wollten sie gern -eine Er¬ 
klärung abgeben, denn sie hätten den Privat¬ 
mann von Kühlmann als solchen nicht beleidigen 
wollen. 
Wie ist eine solche Unterscheidung möglich?. Die 
Angriffe ricksieten sich doch nicht gegen amtliche 
Handlungen des Staatssekretärs, sondern gegen seine 
persönliche Lelcensführnng. Wenn man sich jetzt 
erbietet, ihm, nach seinem Rück'ritt eme Ehrenerklä¬ 
rung zu geben, so muß mau doch selbst seine an¬ 
geblichen Verfehlungen nicht hoch einoekchätzt haben. 
Jedenfalls bestätigt sich der Verdacht, daß der ganze 
Vorstoß nicht ans sittlicher Eritrüstnng hervoroegan- 
gen ist, sondern nnr ein politisches Ränke¬ 
spiel darstellt. Ter Staatssekretär, der den All- 
deutschen sehr verhaßt und unbequem ist, sollte be- 
seisigt werden, und zu diesem parteipol'tischen Zweck 
perschmähte man nicht das Hilfsmittel der persönli¬ 
chen Verungsimpftlng wegen feines außerdienstlichen 
Verhaltens. 
Auf solche Art und Weffe einen Ministerwech¬ 
sel zu erzwingen, darf nicht zur Mode werden. 
Ans -ein llacybargeviet. 
---- Oborblmbach. Der Wehrmann Ferdinand 
Lorscbel, Sohn der Wi-we Katharina Lorschel, 
erhielt im Weicen das Eiierne Krem. 
Oberb mbach. Der Muskener Karl WeiS- 
beck, Sohn des Maurers Sebastian Wrisbcck, erhielt 
im Westen das Ei'ecne Kreuz. 
V? S7 Gotthards. Der Schütze Engelbe> tWilbelm, 
ohn des Fron, Paul Wilhelm, erhielt auf dem 
wesilichen Kriegsschauplatz das Eiserne Kreuz. 
0 Himseld In der am 3. d. M. dahier abge¬ 
haltenen Sitzrcng des Kreistages ist nach der Fest- 
sullung des Kreiehaushaltsvoranschlaas für das 
Rechnungsjahr 1918 eine Aeußerung über die 
Wiederbesetzung des Laiidratsamtes vorge- 
nommen und be chloffen worden, auf das Borschlags- 
recht zugunsten des seitherigen kommissarischen 
Landiats RegierungSrats Ludwig zu verzichten. 
Ferner ist der Beitritt der Krerses Hünfeld zum 
Zw eck verband für den Ausbau und Betrieb der 
elekirischen Ueberlandzenirale des staatlichen Main- 
krastwe, keS genchmigt worden. 
^ [] RückerS (Kr. Hünfeld). Gefreiter Karl 
Stock wurde zum Unteiosfizi r ernann', .Kanon'er 
Joceptz S'ock erhielt das Eiserne Kreur. Beide 
sind Söhne Kriegsveteianen von 1870/71 B. 
Stock 
* ReuwirtshauS. Den Heldentod für sein Vater¬ 
land starb in den schweren Kumpfen im Westen am 
17. Juni der Gefreite Wilhelm Mo st von hier, In¬ 
haber des Eisernen Kreuzes. 
* Brückenau. Die hier zur Kur weilende deutsche 
Kronprinzessin besuchte das Kloster Kreuzberg. 
--- Schlüchtern. Ter christlich-nationale Zentral» 
verband der Forst-, Land- und Weinbergsarbeüer 
Deutschlands bemüht sich feit Jahren mit großem 
Erfolg, für die ländliche Arbeiterschaft gesunde 
Rechtsverhältnisse und ausreichende Löhne zu erreichen. 
Mit besonderem Erfolg ist dies bisher für dre 
Waldarbeiter geschehen. Am kommenden Sonntag, 
den 7. Jul>, nachmittags um ' »4 Uhr spricht nun 
der Hauptvorsitzende dieses Verbände», Herr Reich«- 
tagsabgeordneker Franz BehrenS in einer öffent¬ 
lichen Versammlung im Saale des Hotel Stern 
in Schlüchteru und ist der Besuch dieser Versamm¬ 
lung sowobl den Arbeitern wie auch Angebörigen 
anderer Stände sehr zu empfehlen. (Siehe die 
heutige Anzeige.) 
kt Frankfurt a. M. Aus einem Po^paket» Eisen¬ 
bahnwagen, der regelmäßig ohne Begteitung von 
hier nach Hamburg rollt, wurden stets zahlreiche 
Pakete gestohlen. Trotz schärfster Aufsicht könnt« 
jedoch niemals der Dieb en'deckt werden. Da liefe 
si ch mit Erlaubnis seiner Vorgesetzten rin diesiger 
Oberpostschaffner mit in den Paket nagen „einbauen" 
und machte die Reise nach Hamburg mit. Kaum 
stand der Waggon auf dem Hamburger Bahnhoft 
als er auch schon von dem geheimnisvollen Dieb 
bestlcht wrrrde und ausgovlündert werden sollte. Der 
Täter war ein im Dienst ergrauter Raiig:crm«ister, 
der sich seil langer Zeit an dem fremden Gut ver¬ 
griffen hatte. — Ein lOjähriger Junge wurde henre 
mittag dabei überrascht, als er in einem Hause der 
Schloßstraße mit Nachschlüsseln eine Mansarde 
erbrechen wollte. Das Bürschchen hatte schon mehrere 
Tage die Schule geschwänzt und wurde bereits ge¬ 
sucht. 
0 Frankfurt a. Dk. Hier fand am Mittwoch 
der Bezirkstag des Bezirks „Beide Hessen und 
Nassau" rm Deutschen Flerscherverbande statt. Aus 
den Verhandlungen ist hervorzuheben, daß ein An¬ 
trag der Fleischerinnung Schlüchtern Annahme 
fand, in dem gefordert wird, an zuständiger Stelle 
vorstellig zu werden, daß Ziegenfleisch und 
Ziegenfett Nur gegen Marken abgegeben werde. 
* Großalmerode. Aus dem Bergwerk „Faulbach" 
wuhpe durch einstürzende GesteinSmasien der Berg¬ 
mann Johannes Halepape aus Velmeden ver¬ 
schüttet und auf der Stelle getötet. 
* Kassel. Die Landwirlschaftskammer nimmt 
Angebote zum Ankauf von älteren S ch a f e n und 
diesjährigen Lämmern der Franken- und Leiner- 
rasse entaeaen. j 
* Kassel. Die Zivilkasinoges ellschaft, 
di? 1818 gegründet wurde und viele Jahrzehnte 
das geistige Zerrttmm des alten kurhessischen Kassel 
bildete, ist aufgelöst worden, weil sie keine Mitglie¬ 
der mehr besitzt als einige hochbetagte althesstsck« 
Militärs. Das nicht unbedeutend: Derniögen fallt 
der Stadt zu. — Dieser Tage unterzogen sich dis 
Krankenpflege-Schülerinnen der staatlichen Prü¬ 
fung. .Das Ergebnis war äußerst günstig. \ 
8 Göttinzen. Das hiesige Schwurgericht verur- 
t 'ilte in seiner gestrigen Sitzung den 27 Jahre alten. 
Tischlergesellen Adolf Korber und dessen 19jährige» 
Bruder Heinrich Körber, beide aus Hannover, die am 
6. April d. Js. ihren Kollegen, den 19jährigen Tisch¬ 
ler Georg Schwarz in einem Wald in der Nähe von 
Göttingen lockten, ihn dort ermordeten und die Leiche 
beraubten, zum Tode. Die Ehefrau des Adolf 
Körber wurde wegen Beihilfe zum Morde zu 8 Jah¬ 
ren Zuchthaus verurteilt. ; i 
* Eichenberg. AIS der Gutsbesitzer Demm« auS 
dem nahen Bergheim mit einem vollbeladenen, mit 
wertvollen Pferden bespannten Wagen die Straße 
beim Anstein kreuzen wollte, wurde da» Gefährt, 
von einem heranbrausenden Zuge gefaßt, «k 
Pferd gelötet und das andere verletzt. 
} f Volkmarsen. Beim Lehmholen wurde hier 
der Bäckermeister Albrecht mit seinen drei Kinder« 
von einer einstürzenden L»h»«„anv vegraoen. Wäh¬ 
rend der Baier gerettet werden konnte, erstickte« 
die Kinder, zwei 11- und 13jährige Mädchen und 
ein fünfjähriger Knabe. 
(?) Dillenburg. Bei einer Floßfahrt i« der- 
Badeanstalt zu Neunkirchen schlug das Fahrzeug um, 
wobei die beiden 10 und 7 Jahre alten Söhne dev 
Familie Dormann ertranken- s 
* Montabaur. Um eine möglichst starke Ver¬ 
minderung der Sperlinge zu erreichen wird für: 
jeden Spatzen, der bis zum 30. 10. ds. Js. getötet* 
wird, eine Prämie von 5 Pfg. pro Stück gezahlt. 
O Friedberg. Mühlenbesitzer Koch in Assenheim, 
der wegen der bekannten nach dem rheinische» 
Industriegebiet sich hinüberziehenden Mehl¬ 
schieberei in Haft genommen worden war, ist 
nach Abschluß der Voruntersuchung wieder auf 
freien Fuß gesetzt worden. 
»X° Rüsselsheim. Der 18 jährige Eisendreher 
Gustav Vermarinen kaufte für einen französische« 
Kriegsgefangenen eine Mütze und händigte sie ihm 
aus. Das Gr. Gercmer Schöffengericht verurteilte 
ihn für diese unbedachte Handlung zu drei 
Wocken Gefängnis. 
* Aus Thüringen. Dem 18jährigen Arthub 
Bürger in Kahla, der 25 schutzfah'ge Er sin dün¬ 
gen aufzuweisen hat wurde vom Verein beutscher 
Erfinder ein Ehrendiplom verliehen. 
* Erfurt. Wegen fortgesetzter Treibrie» 
mendiebstähle wurde der in der Gewehrfab¬ 
rik beschäftigte Vorarbeiter Gottfried Protzt zu 2 
Jahren Gefängnis verurteilt. Der Drechsler- 
merster Oskar Bärwolf, der die Treibriemen an¬ 
genommen und dem Dieb dafür Lebensmittel ber» 
abtolgt hatte, erhielt wegen Hehlerei 1 Jahr Zucht¬ 
haus. 
* Meiningen. Ein alter Oberbriefträzer wurde 
wegen Unterschlagung von Feldpostpaketen zu 
6 Monaten Gefängnis und Aberkennung der Fä- 
Fähigkeit, innerhalb zweier Jahre öffentliche Aemter 
zu beleihen, verurteilt. ^ ^ . 
* W irzbura. In Leipzig ist der Berlggsbuch» 
Händler Leo Wörl, 75 Jahre alt, gestorben. Er 
gründeie hier im Jahre 1866 eine Buchbandlung. 
Die in seinem Verlage erschienenen Reisebücher sind 
weltbekannt. * , - 
SurDberhessen u.Senheß.llemtern. 
* Kirchhain. Ein von Oberaula kommender 
Zug fuhr in eine das Geleise überschreitende S ch af» 
nerde. Es wurden 8 Schafe derart verletzt, daß 
sie geschlachtet werden mußten. 
Lokaler. 
Fulda. 5. Juli 1018.. 
$ Kloster Frauenberg. Dem Feldgeistlichen P. 
Ansgar Keseberg wurde das Eiserne Kreuz ver¬ 
leben. Der Guardian des Klosters Mlmünstcr, 
P. Camillus Hillenbrand, der vor mehreren 
Moralen als Mssitär-Krankenwärier einoezogen 
wu.üe und zuletzt einem Armeefeldlazareite des 
Destens angehörte, ist zum Feldgeistlichen der 5. 
22: dwehr-Division ernannt worden. 
^ —* Schlaswazenkaiten. Da ein lebhafter Han¬ 
del mit Schlafwagenkarren eingerissen ist» wird vom 
Eisenbahnminister veranlaßt, daß fortan die Schlaf- 
wagcnkarten nur auf den Namen ausgestellt 
werden. Zu diesem Zwecke müssen sich von nun an 
die Reisenden mit Ausweisen, sowohl ber der Lösung
	        
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