Full text: Fuldaer Zeitung (1918)

r?r 175 I Verantwortlich fiitöen redaktionellen Teil. Kart Schütte. I 11 <T«t15 1CI1« I druck und Verlag der Fuldaer Actiendruckerei in Fulda. — > Intimntlfl 
Hl. M J» j )ut ten angetgenteil: 3. Sg g tgelle r, gul&cu — gidtationg» | alUltwwCIj «Hllt Eb?jö» | Fernsprecher Nr. s. Telegramm-Adreffe: Fuldaer Zeitnag. | “«■'* jUiJIy Ully. 
Me Angriffe nördlich 
2er deutsche LsgeDZricht. 
«tb Großes Hauptquartier, 3«. Juli. (Amtl.) 
Westlicher Kriegsschauplatz. 
Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht. 
Rege nächtliche Erkundungstätigkeit. Teilan- 
8 risse der Engländer in der Gegend von Mer» 
riS (nördlich der Lys) und beiderseits von Ayette 
(südlich von Arras) wurden adgewiesen. 
Heeresgruppe Deutscher Kronprinz 
An der Kampffront griff der Feind unser« 
»eneu Limen nördlich des O u r c q und unsere 
Stellungen auf den Waldhöhen s ü d w e st l i ch von 
Reims mit starken Kräften an. Franzosen, Eng¬ 
länder und Amerikaner wurden unter schwersten 
Verlusten für den Feind auf ihrer ganzen 
Angriffsfront zurückgeworfen. 
Der Schwerpunkt des feindlichen Angriffs war 
gegen di« Front Hartennes-Fere cn Dar- 
d e n o i s gerichtet. Hier stürmten dichte Angriffs» 
wellen des Gegners am Vor- und Nachmittage im¬ 
mer von neuem an. Vor und an unseren Linien, 
teilweise in unseren Gegenstößen, brach ihr An¬ 
sturm zusammen. Am Nachmittage dehnte der 
Feind feine Angriffe über Fere rn Tardenois nach 
Osten bis zum Walde von Mennicre aus. Sic 
hatten ebenso wenig Erfolg, wie Teilangriffe, die er 
am Morgen am Walde von Mennierr, in den 
Abendstunde« in breiter Front westlich von Dille 
en Tardenois führte. Südwestlich von Reims wie¬ 
derholt« der Feind zwischen Chambrecv und 
Vrignh an einzelnen Stelle« bis zu fünf Malen 
i>es Storni Meliert. 
feine Angriff« und setzte sie bis zum späten Abend 
in heftigen Tcilangriffen fort. Er wurde überall 
blutig adgewiesen. 
In der Champagne vertrieben wir südlich vom 
F i ch t e b c r g e den Feind aus Gräben, die er seit 
seinem Vorstoß am 27. Juli noch besetzt hielt und 
nahmen einen feindlichen Stützpunkt nordöstlich von 
Perthes. 
Leutnant Loewenhardt errang seinen 46. Lust- 
sieg. 
Der Erste Generalguartiermeister: Ludendorff. 
^tb Berlin, 30. Juli, abends. (Amtlich.) 
Nach seiner N i e d e r la g c am gestrigen Tage 
verblieb der Feind heute ruhig. 
Oeftrrrerchisch - rrngarifchcr Tagesbericht. 
wtb W icn, 30. Juli. 
Auf dem italienischen Kriegsschau¬ 
plätze wirkungslose feindliche Feuerübcrsällc und 
Störnngsseuer gegen rückwärtige Räume. Ober¬ 
leutnant Linkc-Eravsord erzielte seinen 27. Luftsieg. 
An der albanischen Front erneuerte der 
Feind seine starken Angriffe gegen unsere Stellun¬ 
gen am südlichen Semeni-Uscr und auf dem Höhen¬ 
rücken des Malisiloives. Von unseren Truppen, 
die teils durch zähen Widerstand, tefts in tapferem 
Gegenangriff alle Anstrengungen der Angreifer zu¬ 
nichte machten, verdient das Budapcster Landsturm¬ 
bataillon besonders hervorgehoben zu werden. 
Der Chef des Geurralstabes. 
Die Jahresbente. 
«rtb Berlin, 30. Juli. Die Leistungen des 
deutschen Heeres währenddes vierten Krieg S- 
jahres kommen in folgenden Zahlen zum Ausdruck: 
Den Feinden wurden entrissen nnd von deutschen 
Truppen besetzt: , 
im Osten 198 256 Quadratkilometer, 
in Italien 14423 Quadratkilometer, 
an der Westfront 5323 Quadratkilometer 
fgeräumtes Gebiet ander 
Marne ist abgerechnet), 
im ganzen 218 002 Quadratkilometer. 
Ferner halfen unsere Truppen vom Feinde bezw- 
tzon räuberischen Banden säubern: 
in Finnland 373602 Quadratkilometer, 
in der Ukraine 452033 Quadratkilometer, 
in der Krim 25727 Quadratkilometer, 
A« Beute wurde eingebracht: 
7 000 Geschütze, 
24 600 Maschinengewehre, 
751 972 Gewehre, 
2867 500 Schuß Artilleriemunition, 
102250000 Schutz Jnsanteriemunition, 
2000 Flugzeuge, 
200 Fesselballone, 
1705 Feldküchen» 
300 Tanks, 
3 000 Lokomotiven, 
28000 Elienbahnwagen, 
65000 Fahrzeuge. 
Die Zahl der im vierten Kriegsjahr gemachten 
Gefangenen beläuft sich auf 838500, somit hat 
die Gesamtgefangenenzahl die Höhe von 
nahezu 3'/» Millionen erreicht. 
Die letzte« Zuckungen 
der französischen Offensive. 
Daß der Fochsche Vorstoß gescheitert sch. war 
schau jeit Ende der Woche für fedra Unbefangenen 
klar zu erkennen. Aber unser HeereM-richr oom 
Dienstag meldet, daß der Feind gegen unsere neuen 
Stellungen tinch-rbcste Angriffe versucht hat, die 
unter schwersten Verlusten ab prallten. Ueberall 
lbutig aögewiest'n.", 
Diese Besiegelung der Niederlage ist für uns 
«m erfreuliches Kriegsneujahrsgeschenk. Die fran- 
/zösifche Offensive war von langer Hand, unter 
-Aufgebot d«S ganzen Kräfterestes und nach einem 
.verhältnismäßig guten Plane vorbereitet. Ihr 
Dehlschlag ist eine schwere Niederlage im wirklichen 
hSrnne des Wortes. 
Foch hatte immerhin einiges gelernt von 
Hlndenburg, aber längst nicht alles. Vor allem 
Mlt eS ihm an der Kunst, oder vielleicht auch an 
-er Kraft, rechtzeitig abzubrechen, wenn 
»»« Fortsetzung emes Unternehmens sich nicht mehr 
lohnt. DaS kluge Ausweichen vor einem vorläufig 
ni großen Hindernis wird bei uns feit langem 
in der größten Ruhe und mit b 
llE Unsere HeereSleitun- **eute sogar nicht den 
rartrschen Rückzug, wenn ein Gelände weniger Wert 
3U feinet Behauptung notwendigen 
Trichpen. General Fach hätte nun wenigstens, als 
« ® mhjffit der deutschen -Stellungen erprobt 
hatt^ seine Offensive zum Stillstand bringen müs- 
XX' 0"' Durchbruch unerreichbar geworden war. 
Aber er war halsstarrig, wobei vermutlich die Er¬ 
wägung, den Ausschlags gab: Welchen fatalen Ein- 
druck )viro nt der öffentlichen Meinung machen 
wenn ich dr« Pomvos eingeleitete Offensive so schnell 
abbreche? Tre Rücksichten auf das persönliche An¬ 
sehen und auf die Dolksstimmung dürfen aber bei 
einem »Heerführer nicht den Ausschlag gehen. Er 
muß seine Entschlüsse durchaus nach der militä¬ 
rischen Zweckmäßigkeit kaffen. Tut er das nicht, 
w hat sein Heer unter schweren Verlusten zu leiden 
und da? Abenteuer läuft in eine volle Niederlaae 
aus. ‘ 
Unsre Heeresleitung hat ia längst vor aller 
verkünden lassen, daß ihr Endziel nicht im 
^>ndkartengewinn sei, sondern vielmehr die Aus¬ 
übung und Vernichtung der feindlichen Wehrmacht. 
arbeitet Fach seinem Widerpart geradezu in 
^ Hände, wenn er den Rest seiner Kräfte sin ver- 
« ö.tüjcn Borstoßen gegen die neuen festen Stel¬ 
lungen der Deutschen sich verbluten und zermürben 
läßt. 
Als wir den vorgeschobenen Marnebogen Preis 
gaben, hätte Fach sich gewarnt sein lassen sollen. 
Damit war seine Hoffnung auf einen ergiebigen 
Flankenstoß vereitelst 
Auch in Frankreich selbst batten sich schon Tritt' 
sche Stimmen erhoben, als die ersten Vorstöße stock 
ten. Einer sah es schon als einen verhängnisvollen 
Zwischenfall an, daß die Deutschen den Rückzug 
über die Marne ungehindert durchzufübreu ver¬ 
mochten. Andere Stimmen vermuten, daß Foch sich 
zur Uebereilung bei seiner Offensive babe verleiten 
lassen dirrch den Vorstoß der Deutschen an die 
Marne. In der Tat gewinnt durch den Verlauf 
der Dinge die Ansicht an Wahrscheinlichkeit; daß 
deutscherseits die Offensive zti beiden Seiten von 
Reims nicht als ein großes Unternehmen tür sich 
geplant war. sondern als eine Reizuna des Gegners 
zur vorzeitigen Ausführung seines Planes. In 
diesem Lichte bekommt unser Vorgeben um Reims 
Aehulichkert mit dem Angriff auf Verdun, durch 
den wir s. Z. der gevlcmten «roßen Offensive in 
der Champagne störend Vorgriffen. 
So steht, die Jahreswende des Krieges dort un¬ 
ter dem Zeichen der Erschöpfung und Ohnmacht: 
bei uns unter dem Zeichen der wachsenden Ueber- 
legenheit und Zuversicht. 
$ 
Die Entente hat besonders auf dem westlichen 
Teil der neuen Front zwischen Harfennes und 
Fere en Tardenois scharf angegriffen, und ist 
überall restlos geworfen worden. Aebnlich ist es 
ja auf dem östlichen Teil der neuen Front gegau 
gen. Die ,Anzahl der von der Entente in der neuen 
Schlacht eingesetzten Divisionen hat sich auf 56 er¬ 
höht. Don unseren Feinden werden ganz phanta¬ 
stische Ziffern über die Zahl der eingesetzten deut¬ 
schen Divisionen verbreitet. Wir können feststellen, 
daß die Zahl dieser Divisionen weit hinter der 
feindlichen zurückbleibt. Die Entente gibt ferner¬ 
hin sehr hohe Zahlen an Gefangenen und B-"tt- 
an. Diese sind übertrieben. Bis zum jetzigen An¬ 
griff können wir die Zahl der Gefangenen und 
Beute als ungefähr ausgeglichen mit den von uns 
zwischen dem 15. und 17. Juli gemachten Gefange¬ 
nen und Vculezahlen ansehen. Jinmer wieder fei 
betont: der Krieg auf der Wesffront hat als Ziel 
die Erschütterung und Vernichtung der feindlichen 
Heereskraft. 
Im Osten haben wir diese? Ziel erreicht. Wir 
haben dort die feindlichen Heere nicht nur im An¬ 
griff, sondern, auch in der Abwehr geschlagen und 
nicht am wenigsten durch die blutigen Verluste des 
Feindes in der Abwehr seine Kamvffrast erschüt¬ 
tert und vernichtest Dem gleichen Ziel bringt uns 
im Westen die fetzige Schlacht näher. 
Die Kämpfe vom 29. Juli. 
vtb Berlin, 30. Juli. Mit starken Kräften ist 
am 20. Juli der Feind aufs neue geaen die jetzige 
deutsche Front angerannt und hat sich wiederum 
eine schwere blutige Schlappe geholt. Wie 
seinerzeit Marschall Haig in Flandern und General 
Nivelle an der Aisne, setzte auch an der Kampfront 
zwischen Soissons und Reims Foch die alte 
starre Kampfmethode der Entente fort, die lediglich 
dazu führt, seine an und für sich ungeheuren 
Blutopfer ins Ungemessene zu steigern. 
Nach einer 5 Uhr vormittags begonnenen starken 
Artillerievorbereituna griff der Feind in dichten 
Wellen und mit starken Kräften unsere Front süd¬ 
lich Ha r t e n n e s an. Sein Angriff brach hier völlig 
und unter schweren Verlusten zusammen. 
Am Nachmittag wiederholte er mit frischen Kräften 
seinen Vorstoß, der ebenso erfolglos blieb. Gleich- 
zeitige englische Angriffe nordöstlich Oulchy-Ie» 
Chateau wurden glatt abgewiesen. Gegen 10 Uhr 
abends nochmals vörgehende feindliche Infanterie 
mutzte bereits vor unserem Maschinengewehrfeuer 
zurückgehen. Bei dem vergeblichen Anrennen beider¬ 
seits Fsren-Tardenois, das sich bis in die 
Abendstunden hinein wiederholte, brachten wir im 
Gegenstoß zwei Offiziere und 70 Mann an Ge- 
fangenen «in. 
vtb Berlin, 30. Just. Der am Ostrande des 
Neuniere-Walder nach einstündiger Artillerie¬ 
vorbereitung am 29. Juli 7 Uhr vormittags unter¬ 
nommene feindliche Angriff endete mit einem vollen 
Ei folg für unsere dort kämpfenden Truppen. Weiter 
östlich bis in die Gegend von Ville-Tardenois 
gingen die Franzosen und Engländer gegen 7 Uhr 
abends zum Angriff vor. Auch dieser Angriff brach 
unter schweren Verlusten für den Feind teils 
schon in unserem Vernichtungsfeuer, teils im Gegen¬ 
stoß zusammen. 
Bombenattentat gegen General 
v. Eichhorn. 
Der Attentäter verhaftet. 
wtb Kiew, 30. Juli. (Amtlich.) Gegen Feld¬ 
marsch all von Eichhorn und seinen persön¬ 
lichen Adjutanten Hauptmann von D r e ß l r r 
wurde 2 Uhr nachmittags auf dem Wege vom Ka¬ 
sino nach seiner Wohnung in deren unmittelbarer 
Nähe durch einen in einer Droschke an sie heranfah- 
renden Mann ein Bombenattentat verübt. 
Attentäter und Kutscher sind verhaftest 
Die bisherigen Feststellungen denken auf die 
Urheberschaft der sozialrevolutionären 
Partei in Moskau, hinter der erfahrungsge¬ 
mäß dir Entente steht. 
Ein Telegramm des Kaisers. 
»cd Berlin, 30. Just. (Amtlich.) Der Kaiser 
sandte an Feldmarschall v. Eichhorn folgende De¬ 
pesche : 
„Mein lieber Gsneralfeldmarschall! Mit Entrüstung 
und tiefem Bedauern erhalte ich die Meldung von dem 
de rabscheuungs würdigen Verbrechen, das 
Mgen Sie und Ihren Adjutant:« begangen wurde. Seien 
Sie meiner ansrichtigen, h»«ilich:n TeiHxNmo- ver¬ 
sichert. Ich Hesse und ckit Gott, daß Ihnen 
baldige Wiederherstellimrs lefitiien sein möge. Er er¬ 
halte Sie uns und dem BateMmde. 
Mit herzl. Gruß Ihr wohlgeneigrer König Wilhelm." 
Der Felvmerschall 
und sein Adjutant gestorben 
wtb K t e la, 31. Juli. (Tel.) Generalfeldmar¬ 
schall von Eichhorn ist gestern 10 Uhr abends 
seinen Verletzungen erlegen, kurz vor ihm 
desgleichen Hauptmann v. D r e ß l e r. 
* 
Kaum drei Wochen nach der Ermordung des 
Grafen Mirbach kontmt schon wieder die Meldung 
von einem fluchwürdigen Attentat auf einen Der- 
treter Deutschlands im Osten. Wieder ein Beweis, 
daß die Entente wirklich vor keinem noch so verab¬ 
scheuungswürdigen Verbrechen zurückschreckt, um 
Deutschland itn Osten Schwierigkeiten zu machen 
und aus dem Wege zu räumen, was ihren Bestre¬ 
bungen in Rußland hinderlich ist. Der Verdacht, 
daß in der Tat Ententeagenten ihre Finger im 
Spiel hatten, ist angesichts der unablässigen und 
skrupellosen Agitation in Rußland naheliegend, er 
wird, der aintlichen Meldung zufolge, durch die bis¬ 
herigen Feststellungen noch gestützt. Die Entente 
mußte -in Interesse daran haben, daß ein Mann 
verschwand, dm- mit fester Soldatenfaust zugegrif- 
fen hatte, als von neuem Unordnung in das junge 
Staatswesen der Ukraine einzuziehen drohte. Man 
erinnert sich an seinen Feldbestellungserlaß, der 
uns den verbürgten Brotfrieden zu Taten sollte 
werden laffeu, die Bevölkerung selbst aber vor ei¬ 
nem sicheren Versinken in die Schrecken der Hun¬ 
gersnot rettete. Man denkt auch an den raschen 
Zugriff bei der Verhaftung der ersten Regierung, 
der dem Lande die innere Ruhe bewahrte. Ein 
solcher Mann war natürlich der Entente und ihren 
Freunden ein Dorn im Auge, und was ehrlicher 
Kampf nicht zuwege brachte, sollte der Meuchel¬ 
mord erfüllen, dies bewährte Streitmittel der 
.Kämpfer für Kultur und Zivilisation", der Mör¬ 
der des Erzherzogs Franz Ferdinand und des Gra- 
.fen Mirbach 
v. Eichhorn, der vor wenigen Monaten deinen 
70. Geburtstag beging, war bekanntlich lange Jahre 
Kommandeur des 18. Armeekorps. 
Der Zerfall Rußlands. 
Die rrnliiarisch-politische Lage in Rußland gestaltet 
sich nach ^Mitteilungen, die uns von besonderer unter, 
richtete! Seite zugehen, fiir die Sowjetregierung immer 
bedrohlicher/ 
Die nachdrückliche Unterstützung durch die Entente 
hat eS den Tschecho - Slowaken ermöglicht, vom 
Osten her in das europäische Rußland vorzudringen. 
Die Einnahme von Samara durch die Tschecho. 
Slowaken muß als. eine Bedrohung Moskaus 
angesehen werden. Gleichzeitig mit dem Vordringen 
der Tschechen macht der Zerfall der Sowsetregierung 
Fortschritte. Eine Stärkung der gegenrevolutionären 
Strömungen bedeutete auch das Gelingen der Flucht 
des Großfürsten Michael au» Omsk. Dazu kommen 
noch die H u n gersnöte in den Städten und dex 
wachsende Widerstand der Bauern gegen die Requi¬ 
sitionen. sodaß die Sozialrevolutionärs ihre Zeit für 
gekommen glaubten. Die Ermordung des Grafen Mrr. 
bach sollte daS Signal zum Losschlagen geben. Tat. 
sächlich kam es in Moskau zu Siraßenkämpfen, die aber 
von der Sowjetregierung niedergeschlagen werden konn¬ 
ten Diese Ereignisse haben den Bolschcwckr die Not¬ 
wendigkeit eine?'ft eh enden Heeres vor Augen 
geführt und sie sind bereits zur Einführung erner sechs, 
monatigen Dienstpflichr geschritten. Die Erfolge der 
Sowjerregierung mir den militärischen Einberufungen 
sind aber nicht groß. Vielfach laufen die eingczogenen 
Rekruten einfach wieder nachhause oder verweigern den 
Gehorsam. Auch die ausgebildeten Mannschaften sind 
nicht immer zuverläsiig. . 
Die Landungen von Ententetruppen in Archan. 
gelsk und an der Mur man käste werden fort, 
gesetzt. Man schätzr die Zahl der bisher gelandeten 
Truppen auf 15—20 000. In der Hauptsache bestehen 
sie aus französischen Matrosenabteilungen. Der nörd. 
lichste Teil der Murmanbahn von Kola bis Kem ist 
besetzt und die Ententetruppen marschieren in südlicher 
Richtung auf Kem vor. Die Truppen der Sowjets 
haben den Befehl erhalten, sich zurückzuzichen, könnten 
Wohl auch keinen stärkeren Widerstand leisten. 
Die t s ch e ch i s ch e n T r u p p e n, die beiderseits 
des Urals operierten, sind angesichts ihrer straffen 
militärischen Zucht uud ihrer guten Bewaffnung für die 
Bolschewiki ein nicht zu unterschätzender Feind. Man 
schätzt ihre Zahl auf etwa 40—60 000, wozu noch rund 
16 000 Dutowsche Kosaken kommen, die sich ihnen an. 
geschlossen haben. Das Endziel der Operationen an der 
Muvmcmküste und am Ural ist die Herstellung einer 
Verbindung zwischen den gelandeten Enicnietruvven und 
den Tschecho-Slowaken, ein Ziel, das mit Rücksicht auf 
die Ohnmacht der Moskauer Regierung und die Energie 
ihrer Gegner durchaus nicht so ohne weiteres von der 
Hand gewiesen werden kann. 
Die Lag« in Sibirien ist nach wie vor un. 
geklärt. Sicher scheint zu sein, daß die Bolschewiki sich 
nur noch in Irkutsk halten. Mer auch in Irkutsk haben 
bereits Gefechte zwischen den Bolschewiki und den 
Tschechen stattgeninden. Aus dem Osten droht ' der 
Vormarsch starker japanischer Truppen¬ 
massen, die sich in der Mandschurei versammeln. 
Die prov'lorische sibirische Regierung in Omsk wird von 
Favan. China und Amerika weitgehend unterstützt, se. 
doch sind die Verhandlungen über eine militärische 
Unterstützung noch nicht zum Abschluß gekommen. 
Die mohammedanischen T u r k e st a n e r. die anti. 
bolschewistisch gesinnt sind, haben einen Hilferuf nach 
England gelangen lasten. England scheint diese günstige 
Gelegenheit benutzen zu wollen, um sich in die poli. 
tischen Berbältnisie Turkesians einzumischen. Es 
zieht cm der versisch-turkestanischen Grenze bereits 
indiillie Kavallerie zusamm-n und hat die Häfen an der 
Südküsie des Kasvischen Meeres besetzt. 
Cholera nnd Hungersnot in Petersburg. 
Die Petersburger „Rußkis Listok" druckt den 
Aufruf des Petersburger Befehlshabers an alle 
Stadtbewohner ab, die nicht unumgänglich an die 
Stadk gefesselt sind, sie sollen sich unverzüglich ent¬ 
fernen, da infolge der Cholera und Hungersnot sich 
die verzweifelte Lage der Stadt täglich verschlechtere. 
Der Kommandant teilt ferner, mit, daß Maßnahmen 
für die Bereitstellung von Sonderzügen getroffen 
wurden, welche die Einwohner in die Gebiete von 
Wologda und andere Städte führen sollen, wo immer¬ 
hin noch die Möglichkeit, da? Leben zu fristen, besteht. 
Besiarabieir. 
Einigung zwischen Rumänien und der Ukraine. 
Berlin, 28. Juli. Die Jassyer Zeitung „Tri'' 
buna" meldet, daß die Unstimmigkeiten zwischen 
zwischen der rumänischen und ukrainischen Regie¬ 
rung in Bezug auf Bessarabien behoben wurden. 
Tie Ukraine verzichtet auf ihre Ansprüche be¬ 
züglich Bessarabiens, erhält dagegen von der 
rumänischen Regierung gewisse wirtschaftliche Vor¬ 
teile. 
Rumäniens Dunk. 
Wenn König Ferdinand und Königin Marie 
von Rumänien ihren wankenden Thron behalten 
haben, io verdanken sie da? hauptsächlich dem Edel¬ 
mut der Sieger. Hätte Rumänien für den Treu¬ 
bruch seines Königs büßen müssen, so wäre es auch 
um diesen und die Königin geschehen gewesen. Die 
Hoffnungen auf Tank sind bei den Völkern, deren 
Soldaten dort gekämpft haben, nicht allzu groß; fte' 
sagen sich ganz offen, Fürstlichkeiten, die sich vergessen 
können, wie das rumänische Herrscherpaar, sind zu 
allem fähig, was ihren persönlichen Interessen 
nützlich erscheint. Daß der König ein schwacher 
Mann ist, wissen wir; das erklärt vieles, aber ent¬ 
schuldigt nichts. Die Königin ist egoistiich, hochmiui', 
rachsüchtig. Sie agitiert jetzt schon wieder ungeniert 
in ihrem Sinne, offenbart Zukunftsgedanken, die 
Revanchepläne sind. „Der Zoller", das Organ des 
fürstlichen Hofes in Sigmaringen, berichtet: 
Der frühere rumänische Minister Antonesen, der 
bekanntlich vor einiger Zeit — in österreichischem D-Zug 
mit amtlicher deutscher Erlaubnis — nach der Schweiz 
reiste, schreibt im Pariser „Temps-' „Die Königin^ 
Maria besucht in den Karpathen die Dörfer, die an 
Oesterreich-Ungarn abgetreten werden müssen. Sie 
läßt die Kinder und verteilt an die Bauern Kleider 
und Leben-mittel. Die Bauern küssen ihr die Hände 
und rufen: Auf baldiges Wredersehen!" - Man braucht 
nur daran zu erinnern, daß die Königin von Rumänien 
mit die treibende Kraft bei dem Bündnisverrat des 
Landes war und aus ihrer ausgesprochenen Vorliebe 
für die Feinde der Mittelmächte nie einen Hehl gemacht 
hat, um sich die Antwort auf die Frage, was sie mit 
ihren Besuchen in den abgetretenen Gebietsteilen be¬ 
zweckt, selber geben zu können. 
Auch ein Ergebnis allzugrotzer deutscher Gut¬ 
mütigkeit und Milde beim Bukarester Friedensschluß. 
Die Engläuver in Persien, 
mtd Berlin, 30. Juli. Ter Korrespondent von 
Stockholms Dagblad (22. 7.) in Karlskrona teilt mit: 
Aus autoritativer Quelle verlautet, daß der englische 
Gesandte in Teheran zurücktreten wird. Sein Nach- 
ölger dürfte Major Sioke werden. Durch die Wahl 
eines Mannes wie Stoke hoffen die Engländer die 
Perser leichter dazu zu bewegen, die brnischen South 
Persian Rifle» als eine persische Truppe anzuerkennen. 
Die Ernennung einer Soldaten zum englischen Ge- 
andten in Persien muß, wie die Zeitung schreibt, 
bei den über ShkeS militärische Maßnahmen auf¬ 
gebrachten Persern den Glauben befestigen, daß 
England jetzt Hand an Persiens schwach zujammen- 
gefügte Souveränität legt. Wie verlauiet, verlangt 
England von dem Obersten KriegSrac in Versailles 
immer eifrige Truppenverfiärkungen für Persien, da 
^Indien bedroht Ifr-
	        
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