Full text: Fuldaer Zeitung (1918)

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Europa und der übrigen Welt ein Zustand geschaffen 
toerde, den man auf den Prinzipien des Völkerbund--? 
aufbauen kann. Eine Herabsetzung unserer Kriegs. 
, siele wäre ein Verbrechen. 
Der kanadische Ministerpräsident, Sir Robert 
Borden, sagte in einer Rede über die Notwendig, 
keit energischer Rüstungen zur Fortführung des 
Krieges: 
Die Alliierten, namentlich England und Amerika 
besäßen große Rüsttmgsgneven. Tenn es liege trotz 
der Gestaltung der Dinge in Rußland und im Osten 
»och im Belieben Englands und Amerikas, durch eine 
Kontrolle der Rohstoffe Deutschlands Industrie. Han. 
del und Epvaustonsentwicklmvg derart einzu. 
engen, daß es sich vergeblich dagegen zur Wehr setzen 
würde. Deutschland müsse begreiflich gemacht werden, 
daß alle diese Mittel mitleidslos angewandt 
werden würden: nickst gegen ein wiedergeborenes 
Deutschland von damals, sondern gegen das Deutsch, 
land von heute. 
Der englische Kolnialminister Lang in einer 
Rede, die er in London stielt: 
„Wir sind fest entschlossen, den: Einflüsse von 
Deutschland und seinen Bundesgenossen ein für 
allemal den Kopf einzudrücken, damit aus 
diesem Krieg eine neue Welt entstehe. Styt den Roh. 
stoffen besitzen wir eine Waffe, die wir anweuden kön. 
neu, wie es uns gut dünkt." 
Also Boxcrreden und kein Ende. Krieg bis zur 
Vernichtung Deutschlands, wenn's nicht mit Waffen 
möglich ist, dann durch wirtschaftliche Abschnürung. 
-Aber auf alle Fälle Vernichtung ohne Erbarmen. 
Der U-Bootkrieg. 
wtb Berlin, 3. Slug. Im Sperrgebiet westlich 
England fielen weitere 13 000 Br.-Reg.-Ton- 
«en der Tätigkeit unserer U-Boote zum Opfer. 
Der Chef des Admiralstabes der SKatin«. 
wtb Berlin, 4. Aug. (Amtlich.) In den Ge¬ 
wässern um England vernichtete« unsere Unter¬ 
seeboote 16000 Brt. 
Der Chef des AdnnrM'be» Marine. 
Die Schiffsverluste im letzte» Jahre. 
vtl Berlin, 3. Aug. Eine Zusammenstellung aus 
den in unserem Bureau gelesenen neutralen und 
feindlichen Zeitungen über Handelsschiffsverluste im 
letzten Jahr, verursacht durch seekriegerische Maßnah¬ 
men oder infolge von Seeunfällen, ergibt: 
Es sind vernichtet: 1827 Dampfer, 672 Segel¬ 
schiffe, 287 Fischerfahrzeuge, 27 Motorschiffe, zusam¬ 
men also 2813 Handelschiffe und Fahr zeuge. 
In Anbetracht der schon erwähnten ganz unvoll¬ 
kommenen Quellen, aus denen die Angaben geschöpft 
find, und des Umstande?, daß seit Beginn des un¬ 
eingeschränkten U-Boot-Krieges die Gegner in der 
Bekanntgabe von Schiffsversenkungen fich auf unbe¬ 
dingt nicht zu verheimlichende Fälle beschränken, gibt 
die Zahl einen Begriff von dem Jahresumfang der 
Echiffsverluste. 
U-Boote vor Amerika. 
Das amerikanische Marine-Departement gibt be¬ 
sannt: Ein deutsches U-Boot versenkte am 27. Juli 
die portugiesische Bark „Porto" 550 Seemeilen von 
der atlantischen Küste. Die aus 18 Mann bestehende 
Besatzung wurde von einem englischen Dampfer in 
einem amerikanischen Hafen gelandet. Die „Porto" 
wurde durch eine Bombe vernichtet. 
Türkischer Bericht. 
Urmia besetzt. 
wtb Koustantinopel, 2. Aug. Ostfront. In 
Nordwestpersien befreiten unsere Truppen die Gegend 
von Urmia von armenisch-nestorianischen, in enger 
Verbindung mit den Engländern stehenden Banden. 
Sicherungsabteilungen von uns haben die Stadt 
Urmia besetzt. 
P a l ä st r n a f r o n t: An vielen Stellen Artillerie¬ 
kämpfe, die sich zeitweise zu großer Heftigkeit steigerten. 
Im Küstengebiet und westlich der Straße Jerusalem— 
NabuluS wurden feindliche Erkundungsabteilungen 
adgewiesen. Im westlichen Jordantal entspann sich 
ein heftiger Feuerkampf zwischen den feindlichen und 
unseren Postierungen, der lange anhaltendes Artillerie- 
feuer hervorrief. Auch auf dem Ostjordanufer war 
die Gefechtstätigkeit stärker als sonst. Ein eigenes 
Flugzeuggeschwader warf mit guier Wirkung viele 
Bomben auf Rebellenlager westlich Maan. 
Beginn der russtsch-finische« 
Krievensverhandlnnge» i» Berlin. 
wtb Berlin, 3. Aug. Auf Etnladung der deutschen 
Regierung sind in Berlin Delegationen der Re¬ 
gierungen Rußlands und Finlands zwecks Beratung 
und Ahichlusses eines Friedensvertrages eingelroffen. 
Das Pestjahr 162« 
im ehemaligen fuldaischen Amte Rockenstuhl. 
Bon Oberlehrer Dr. Otto Reuter, Weimar. 
(Schluß.) 
'■ Erst 1627 tritt die Pest in Schleida wieder stark 
auf, sodaß 2 Häuser aussterben: weiter greift sie 
aber nicht um sich, ebenso 1629, wo auch „etliche 
am Hauptweh abgangen": auch das Jahr 1634, wo 
2 Weiber in Kranlucken pestverdächtig plötzlich star¬ 
ben, bringt kein Weiterausbreiten dieser Krankheit. 
1027 greift sie auch noch Ketten über, sodaß die 
Kettener geloben, „den Tag des hl. Sebastian herr¬ 
licher denn zuvor zu halten." Auch auf die in frü- 
Heren Zeiten zu Fulda und Rasdorf wütende Pest 
verweist unser Verfasser. 
Die tiefgehende Einwirkung dieses gräßlichen 
Pestfahres läßt sich aus einer kleinen Geschichte er- 
ineffen, die Ludwig Wucke in seiner vorzüglichen 
Sagensammlung, erschienen bei Kahle, Eisenach, er- 
zählt. Dort beißt es Seite 317: „Als zu Schleid 
das Fest der hl. Maria zum Schnee zum erstenmal 
gefeiert wurde, zog auch von Motzlar alles doribin, 
um das Fest mitzubegehen. Nur ein einziger 
Bauer blieb im Dorse zurück und meinte höhnisch: 
-„Ich feiere das Schneelest nicht mit", und fuhr 
richtig ins Feld zum Ackern. Das aber bekam ihm 
schlecht. Als die anderen vom Feste zurstckkamen. 
störten sie ihn jammern und schreien: „Ach bätt' ich 
dach auch das Fest lieber mitgeseiert?" Und wie 
darauf die Srinigen ins Haus traten, lag er tot 
gm Boden und war schwarz am ganzen Leibe. Er 
war der letzte, den die Pest in Motzlar weggerafft 
hatte." 
Dem Zweck seines Merkchens entsprechend ist 
Guttwein am ausführlichsten bei der Schilderung 
dieser Krankheit, da gerade sie die Ursache zu dem 
Schlridaer Gelöbnis war. Man würde aber fehl- 
gehen mit der Annahme, daß die Vest die einzige 
Begleiterscheinung des Wässrigen .Krieges im da¬ 
maligen Ami Rockensiubl gewesen wäre. Er streift 
nur ganz kurz die Raubzüge die eine verrohte und 
sittenlose Soldateska am .Kirchengut ausfüssrte. 
Hab und Gut jedes einzelnen. Leib und Lessen wa- 
ren ihr preisgegessen, wie sa die Rhön zu diesen 
Zeiten unter den durchziehenden stets plündernden, 
mordenden nnd sengenden Cohorten wüster Sol¬ 
daten unsäglich litt, jetzunder ssei den Kriegs- 
Die erste Sitzung fand Samstag vormittag ttn 
Bundesraissaal des Reichsamts des Innern statt 
und wurde namens der deutschen Regierung von dem 
Unterstoaisiekrelär im Auswärtigen Amt, Freiherrn 
von Stumm, durch eine Ansprache eröffnet. 
Auf der Blutspur der Entente. 
Englische- Geld. 
wtb Berlin, 4. Aug. Aus Kiew wird gedrahtet: 
Die Untersuchungen über die Urheber des Atten¬ 
tats auf den Feldmarschall v. Eichhorn nehmen 
ihren Fortgang und haben zu weiteren Verhaft 
tun gen geführt. Einzelheiten können zurzeit nicht 
bekannt ' gegeben werden. Durch die bisherigen 
Feststellungen wird bestätigt, daß das Verbrechen 
auf eine Organi'ation der unter dem Einfluß der 
Entente stehenden rusischen Sozialrevolutio¬ 
näre in Moskau zurückzuführen ist. Die Vermn- 
tung» daß bei der Dingung der Mörder engl isch es 
Geld eine Rolle spielte, gewinnt an Wahrschein¬ 
lichkeit. 
Englische Kreuzer beschießen Archangelsk. 
wtb Moskau, 2. Aug. „Prawa" meldet, daß die 
Engländer von Kreuzern aus Archangelsk beschie¬ 
ßen. Das Blatt bringt an der Spitze folgenden 
Aufruf: Kaiwnen de- eng.ijchen Kapitals bc.chie- 
sten das Archangelsk der Tcwjets. Sie werden 
auch die Arbeiterviertel von Moskau zusammen¬ 
schießen. wenn wir nicht die tschecho-slowakischen 
Uhteilungen des englischen Stabes vernichten." 
Die Verteidigung don Archangelsk wird von den 
Sowjettruppen sowohl vom Lande als auch vom 
Meere aus vorbereitet. Der Seeweg von Archangelsk 
ist mit Minen besät. 
wtb Moskau, 2. Aug. Die Pet. Tel.-Agentur 
meldet: Am 1. August begann die Beschießung 
der vorderen Posten und der Befestigungen von 
Archnngelsk durch englische Kriegsschiffe. Zwei 
Kreuzer und ein Transportschiff kamen heran und 
schluoen den russischen Batterien vor, sich zu ergeben. 
Die Batterien weigerten sich, worauf die feindlichen 
Batterien zu beschießen anfingen. Unsere Batterien 
antworteten. Darauf erschienen am Horizont weitere 
englische Kriegsßcknffe. , 
wtb Moskau. 4. Aug. Wie „Jswestffa" meldet, 
ist die Mudjug-Jnsei nach Verteidigung gefallen. 
Die Batterie wurde durch das Feuer englischer 
Batterien zusammengeschoffen. Die Sowjettruppen 
gingen auf Archangelsk zurück. 
Eine Rede Lenins. 
wtb Moskau, 4. Aug. 1918. Am 2. August fanden 
in Moskau zahlreiche Versammlungen unter den Ar. 
bester» für den Kampf gegen die Gegenrevolution der 
Tschecho-SloWaLn statt. Auch Lenin sprach. Er 
führte n. a. aus: Die Feinde der Sowjetrepublik um. 
geben uns mit einem eisernen Ring. Mittels Betrugs 
Mnd Lüge haben die Engländer Murman besetzt, dann 
Kem eingenomman und erschießen unsere Genossen. In 
den Tschecho.Slowaken fanden sie Bundesgenossen. Eng. 
lffches Geld hat sie angeworben. Wir wollen weder 
mit den Zynischen noch mit den Engländern und Frau. 
zofen Krleg führen. Die Arveüer yanen vle Faorrren 
fest in ihren Händen. Die Bauern werden das Land 
den Gutsbesitzern nicht .zurückgeben. Zur Verteidigung 
dieser Eroberungen erklären wir auch den Krieg allen 
Marodeuren und Spekulanten, die uns mit einer 
Hungersnot bedrohen. Wir werden alle Vorräte den 
Spekulanten abnehmcn und die armen Arbester nicht 
ihrem Schicksal überlassen. 
^Japans Eingreifen. 
* London, 4. August. Reuter erfährt: Fn Tokio 
wurde gestern eine Erklärung über die AuSsen. 
düng japanischer Truppen nach Wladi. 
Wostok veröffentlicht. Sie besagt: Die japanische 
Regierung hat immer gehofft, daß die Ordnung in 
Rußland bald wieder hergestellt werden würde. Jetzt 
liegen aber Beweise vor, daß die Mittelmächte, während 
sie die wehrlose Lage Rußlands ausbeuten. einen immer 
stärkeren Druck auf Rußland ausüben nnd immer mebr 
russisches Gebiet im fernen Osten an fick reißen. Sie 
haben den Durckzug der Tsckecho.Slowaken durch Si¬ 
birien immer wieder verhindert. Im Hinblick auf die 
den tschecko-skowakischen Truppen gegenwärtig in Sibi. 
rien drobenden Gefahren haben die Alliierten einge. 
sehen, daß es unmöglich ist. den Ereignissen noch Wetter 
untätiq zuznsehen. Die Regierung der Vereinig¬ 
ten Staaten, die ebenfalls den Ernst der Lage er¬ 
kannt hat, hat kürzlich der japanischen Regierung Vor. 
schlüge für die beschleunigte Aussendunq von Trup¬ 
pen übermittelt, fcte den Druck, der auf den Tschecho. 
Slowaken lastet, vermindern sollen. Die japanische 
Regierung, die bereit war, das Verlangen der ameri¬ 
kanischen Regierung zu erfüllen, hat beschlossen, so. 
fort Streitkräfte zur Verfügung zu stellen. 
Trotz dieser Entsendung von Truppen bleibt bei der 
japanischen Regierrmg der Wunsch bestehen, die frühe, 
ren freundschaftlichen Bestehungen uni Rußland weiter 
aufrecht zu erhallen. Sie wünscht ihre bisherige Po. 
litt! gegen Rußland Wetter zu führen, spricht die terri¬ 
toriale Unverletzbarkeit Rußlands aus und erklärt, sich 
jeder Einmischung in die innere russische Politik ent. 
hatten zu wollen. Wenn die angestrebten Ziele ber- 
wirklicht worden sind, werden alle japanischen Truppen 
sofort das russische Gebiet wieder verlassen. 
Die japanische Regierung erzählt Märchen vcyt 
der deutschen Schlechtigkeit, um die Absendung japa¬ 
nischer Truppen nach Rußland zu begründen. Sollte 
sie wirklich so rückständig sein, zu glauben, es sei 
sich nicht alle Welt.darüber klar, daß sie nach Wla¬ 
diwostok geht aus winem andern Grunde, als um 
den Vorteil Japans zu suchen? 
Die Vorgänge in Sibirien. 
Haag. 4. Aug. Die Moskauer Zeitungen der 
Regierung teil n mit, daß die vorläufige sibirische 
Regierung in Omsk voraussichtlich schon in den 
nächsten Taaen der Rätereaierung offiziell den 
Krieg erklären werde. — .Daily Expreß erfährt, 
daß die Tschecko-Slowaken als Antwort auf 
den Aufruf Trotzkis in allen Distriken, die ihrem 
Befehl unterstehen, die Mobilisation angeordnet 
haben. Chinesische und japanische Truppen bewachen 
die Eisenbahn. Ja.Omsk haben japanische Offiziere 
Wohnungen für "den amerikanischen Generalstab ge- 
mielet. Es sind dort auch bereits britische und 
französische Offiziere eingetroffen. 
Lettows KrieftSzug durch 
Portngiesisch - Afrika. 
Wie aus feindlichen Blätterftimmen 
hervorgeht, hat. der heldenmütige Führer 
unserer Schutztrnppler in Deutsch-Ostafrika, 
General von Lettzow, Mitte Juni die Gegend 
von Villa Espersnea in der Provinz Queli- 
mane besetzt. Diese Provinz grenzt südlich 
an die Provinz Mozambique, die der Schau¬ 
platz der erfolglosen Einkreisungsversuche 
der Monate Januar bis Juni gewesen war. 
Deutsche vorgeschobene Abteilungen scheinen 
die von dem Hafenplatz Quelimane aus¬ 
gehenden Bahnlinien bedroht zu haben, 
denn diese inußkom schleunigst von englisch¬ 
portugiesischen Truppen zum Schutze gegen 
deutsche Angriffe be etzt werden. In der 
Zeit von 20. bis 27. Juni wollen poriugie- 
fische Kompagnien! diese vorgeschobenen denk- 
schen Abteilungen don den Bahnlinien der- 
trieben und auf MllaEsperanca, der Haupt- 
stadt der Provinz Quelimane, zurückgedrängt 
haben. Nach einem englischen Bericht ist 
die tapfere deutsche-Schutztruppe unter Gene¬ 
ral v. Lettow bisher über 500 km rief in 
portugiesisches Gebiet eingedrungen und 
bedroht z. Zt- die bestangebauten Gebiete 
Portugiesisch»Ostcifrilas. Unsere wackere 
Streiterschar hat in den letzten Wochen 
Gewaltmärsche bis- zu 800 kn zurückgelegt. 
MqcimbUJ ;faamm 
w’Qsrt 
“5> Qu/ssarrge 
Ws# h 
'•AtaWay/ 
*p3rlosj/,i 
£1896 
£% yjmmk' 
luis dp Cornrneroo do Porto' 
ieffws/Wegszug durch Mo^mbiqü& 
wehen," sagt Guttwein, „wird nichts gelobt, nichts 
geopfert, nichts verehret, sondern das gelobte, ge¬ 
opferte. verehrte Gut wird alles hinweggeräumet 
und geraubet. Da ist nichts sicher, wenn man nur 
allein dazu kommest kann. O der schönen 
Kelche, Monstranz?«. Ciborien, Kruzifixe und aller¬ 
lei teuren Materie! O weh der seidenen, sam?- 
tenen Gewandten, so mit Gold, Silber, Perlen und 
Edelsteinen versetze^ O weh der schönen Bücher, 
Leuchter, Tafeln u«d was dergleichen mehr ist! wo 
ist es binkommen? Der Feind hat alles sine re» 
verentia hmweggewmmen und ist ihm noch alles 
zu wenig, suchet uvd grabet nach weiterem." Ge¬ 
nauer wird dann An Raubzug weimarischen und 
hessischen Kriegsvcsskrs 1631 in die Kirche von 
Schleida geschildert, wo u. a. die Tabernakel und 
Taufsteine zerschlaaien, das silberne Kreuzlein auf 
der Monstranz wjs auch das Ciborium („die hl. 
consecrierten Hostien, deren 6 hab ich, auf das Cor¬ 
pora! ausgeschüttet funden. colligieri und in der 
nächsten M-ß furniert") entführt werden. Auf 
dem Rockenltuhl war die Gefahr damals noch grö¬ 
ßer. Am 28. August 1631 in der Nackt haben sich 
die württembergncheu Dragoner von Hilters auf* 
gemacht und Rcckcnftuhl angefallen. Die Schlo߬ 
garde wird erschreckt, „und dieweilen sie meinen, 
daß der Feind vor. dem Tbor sei, geben sie das 
Schloß auf, ibr Lassen zu retten, oder als andere 
argwöhnen, desto kecker mffzurauben. Also wird 
Nockenftubl bei der Nacht durchsuchet und gebet 
meine Sacken in der Capellen, wie auch etlich Kir¬ 
chengeld dabin." Im folgenden Jabre, 1632, wird 
das Amt schon wieder hejmgesucht, dieses Mal durch 
ein Regiment kalckenrisdffcher Reiterei, das sich 
ebenfalls plündernd auf Schleida und Schloß Rok- 
kenstnhl stürzt. Schon 1562 wird die Kapelle auf 
Nockenstuhl von Haereticern profaniert. 
Soweit unser Gewährsmann, der uns interes¬ 
sant? Einölickk in jene trübe Kriegszeft tun läßt, 
di? um so wertvoller find, als nichts Aebnlkches 
oder Gleichwertiges für das Amt Rackenstuhl vor¬ 
handen ist. Mancherlei fordert zu einem Vergleich 
zwischen damals urrd jetzt geradezu heraus, ko na¬ 
mentlich jene Stelle, wo er von Preistreibereien 
und vom Zuriickftaften und Verstecken d«S Getrei- 
des svricht. Sollte da nicht das Krieasfahr 1918 
dem Kriegs)ckr 16°6'bi? Hand reichen? Wir se¬ 
hen daraus .r™ auch, wie gut es jetzt diese Gegen¬ 
hat und wie viel Schwereres unsere Heimat bernts 
vor 300 Jabren zu ertragen hatte als j'ttzt: 
denn wir leiden gewiß auch unter Krieg und Hun- 
ger; aber das dritte und Schrecklichste ist uns er¬ 
spart geblieben: „Hunger, Krieg und Pelsilenz 
sind Strafen Gottes: aber die Pestilenz ist die 
größte unter ihnen," wie der Schleidaer Pastor 
Guttwein im Pestjahr 1626 mit Reckst meint. 
Kleines Feuilleton. 
— Tabakersatz, lieber die schlechte Beschaffenbeit 
der „Rauchkräuter" werden immer häufiger Klagen 
laut. Zum Teil sollen diese Rauchkräuter außer 
einem ganz geringen Prozentsatz einheimischen Tabaks 
tatsächlich aus Fallaub bestehen, das im Herbst zu¬ 
sammengerecht und dann einfach getrocknet wurde. 
Auf diese Weise kommt es sogar vor, daß Stücke 
von Zweigen, Käferflügel und Puppenaespinste in 
die Mischung geraten, die für einen teuren Preis 
in den Handel gebracht ist. Unter solchen Umständen 
ist eS gewiß für den Raucher angenehm, wenn er 
sich selbst einen rauchbaren Tabakersatz zubereiten 
kann, der allen An prüchen genügt und dabei sehr 
einfach zu gewinnen ist: Man knickt von den Sauer» 
kirschbäumrn, wenn sie obgeerntet sind, die Spitzen 
der Zweige, besonders der neugewachsenen Triebe 
um, und läßt die herabbängrnden Aestchen allmählich 
trocknen. Hierbei werden die Blätter nach einigen 
Tagest- die Dauer richtet sich nach der Witterung — 
zunächst graugrün und nehmen schließlich eine hell¬ 
braunrote Färbung an. Wenn die Blätter so weit 
getrocknet sind, werden sie am Morgen in taufeuchtem 
Zustande von den Zweigen abgestreift. Die dabei 
noch an den Blättern haftenden Blattstiele werden 
entfernt und die Blätter selbst mit den Fingern 
bündelweise fest zusammengedrückt und wenn sie 
etwas abgetrocknet sind, in Streifchen geschnitten. Diese 
werden in der Sonne ausgebreitet und nun möglichst 
schnell getrocknet. Noch besser ist es, wenn man die 
taufeucht gewonnenen Blätter in eine Presse legt 
und sie dort einige Tage unter tüchtigem Druck 
läßt. Dan« werden diese Preßlinge nach Bedarf 
in feiner» oder grober« Streifen geschnitten und 
schließlich auseinandergezupst und ebenfalls in der 
Sonne auSgebreitet, um zu trocknen. 
- -- Ein Gthelmverrrag „ . i 
zwischen Rußland nnd Japan, "i 
wtb Moskau, 5. Aug. „Mir" veröffentlicht ei¬ 
nen Auszug aus dem russisch-japanischen Geheim- 
vertrag vom o. Juli 1915 gegen England und 
Amerika. Der Vertrag ist unterzeichnet von Sia- 
sonow und Motono. Der Vertrag stellt sich zur 
Aufgabe: Den Schutztz Chinas vor der politischen 
Herrschaft irgend einer anderen Macht mit Ver- 
pftickstung zu gemeinsamem bewaffneten Eingreifen, 
wobei die Vertragschließenden sick anheischig ma- 
chen, keinen Sonderfrieden mit dem gemeinsamen 
Feinde zu schließen. Der Vertrag ist gültig bis 
1921. Die Ueberschrift des Vertrages lautet: Ge- 
heimvertrag zwischen Rußland und Japan betres" 
send bewaffnetes gemeinsames Eingreifen gegen 
Amerika und^England im fernen Osten vor 
dem Sommer 1922. 
Durch den Zusammenbruch Rußlands ist der 
Vertrag hinfällig geworden. Die Politik Japans 
in China, die sich durch diesen Vertrag wieder kund¬ 
gibt, wird dadurch aber nicht geändert. 
* Reichstags-Abg. Dr. Pfleger (Zentr.) ist nach 
einer Blätiermeldung als Beirat in die deutsche 
Zivil-Verwaltung in Belgien bentfen worden. Er 
wird am 1. Oktober an die Stelle des Universitäts-! 
Professors Dr. Beyerle treten. ; 
* Was Deutsche auö Rußland erzählen. Ein ehe¬ 
maliger deutscher Kriegsgefangener erzählt in den 
„Leipz. N. N.": „Wenn man aus dem nnbestimmten 
Etwas zurücffommt, das man früher mit Rußland be- 
zeichnete, so ist man in Deutschland über vieles, waS 
man nach all den teils übertriebenen, teils verleumde, 
rischen Berichten ausländischer Zeittmgen ganz ander» 
borzufinden dachte, angenehm überrascht. Dies gill na¬ 
mentlich in bezug auf die Ernährungsfrage: Schon auf 
der Reise von Moskau, aber besonders von der neuen 
d:- tf.h:n Grenze nnd m-hr am alten Drutsch- 
lomd waren wir alle verwundert, als man uns noch 
ein halbe? Pfund vorzüglichen Brotes täglich reichte, 
während wir in Rußland mit 80 Gramm ungenieß. 
baren Strohbrotes uns begnügen mußten, wenn mar, 
nicht durch „Beziehungen" ein paar Pfund in seltenen 
Fällen zu Preisen von 8 bis 10 Rubel bekam. Da? 
hier verabreichte Brot ist der reine Kuchen gegen das. 
was wir drüben bekamen. Dann fällt einem auf, daß 
die Deutschen rm allgemeinen noch recht wohlgenährt 
anssehen; wie wenig mertt man von Unterernährung; 
mir kommt es immer vor. als würde hier viel zu viel 
vom Essen gesprochen. Wer das Leben der letzten vier 
bis fünf Monate in den großen russischen Städten wie 
Moskau und Petersburg mitgemacht hat, gerät unwill¬ 
kürlich in eine heitere Sttmmung, wenn er ans der 
Bahn oder sonstwo den würdigen Bürger oder die ehr. 
bare Bürgerin über die schlechten Zetten schimpfen hört. 
Die heitere Stimmung nimmt zu, wenn dann die Stm. 
chen eine Stulle auspacken, wo der Wiegebraten oder 
gar ein Stück Speck verräterisch hervorlugt. Ich habe 
Gelegenheit genommen, manchen über die Verhältnis«^ 
mäßig gute Lage aufzuklären. ^Die Leute lauschen» 
wenn sie die Preise von drüben hören." 
* Abflauen »cs MnnitionsarbeiterstreikS in England 
Churchill kündigte am Samstag eckend im Unterhaus- 
an, daß die streikenden Munittonsarbeirer in Birming. 
Ham und im westlichen Coventry in erheblichem Maße 
am 27. Juli die Arbeit wieder ausgenommen hätten, 
und daß dieses Beispiel zweifellos auch seitens der an. 
deren in Mitleidenschaft gezogenen Bezirke befolgt wer. 
den würde Die englischen Blätter berichten mit offen, 
sichtlicher Erleichterung über die vorläufige Abwendung 
der schweren Krisis. 
* Zur Rettung der Zarenfamilie hat der spanisch« 
Minister des Aenßeren auf Veranlassung des Königs 
bei den Kriegführenden angefragt, ob sie geneigt seien, 
die Witwe und die Töchter des Exzaren nach Spanien 
ickersiedeln zu kaffen. j 
£ Lloyd Georges Wahlparole. Die,Köln. Zgt« 
schreibt: Au» hier vorliegenden englischen Zeitungen , 
ergeben sich interessante Einzelheiten über die Taktik, 
die Lloyd George voraussichtlich anläßlich der für 
Ende des Jahre« in Aussicht gestellten Neuwahlen^ 
zu verfolgen gedenkt. Abgesehen davon, daß Lloyd 
George sich genötigt sehen wird, den Arbeitern 
nicht unerhebliche Vorteile in Aussicht zu 
stellen, um deren Stimmen für die Regierung zu 
gewinnen, scheint er im übrigen seine Wahlparol» 
ans den schroffsten Chauvinismus einstrllen. 
zu wollen. Mit seinen Versprechungen in sozial¬ 
politischer Beziehung wird eS der englische Premier¬ 
minister nicht allzu ernst nehmen, denn Zuverlässig¬ 
keit im Worthalten ist, wie er in vielen Fällen, 
deren krassester vielleicht die irische Frage ist, be¬ 
wiesen hat, nicht seine starke Seite. Mit umso größerer 
Sicherheit werden die englischen Wähler dem bereit»' 
in Aussicht gestellten chauvinistischen Programm. 
Lloyd Georges entgegensetzen können. Die ,West- 
minster Gazette' vom 23. Juli erklärt, daß man. 
davon spreche, daß Lloyd George alle seine Gegner 
mit Hilfe der Northcliffe-, Rothermere- und Beaver- 
brook-Preffe, also der Hetzpresse, über den Haufen' 
reiten werde. Eine gewaltige Filmpropaganda werde 
dabei eine Rolle spielen. Möglicherlveise werde der' 
australische Ministerpräsident Hughes (wobl der 
größte Scharfmacher des Krieges) ihn unterstützen.' 
AIS KriegSgeschret werde der Ruf „Interniert dfc- 
Feinde", „Kein Handel mit den Deutschen" dienen. 
Jeder, der dagegen angeht, solle als Freund de» 
Feinde» und als Feind Englands gebrandmarkt 
werden._ 
Deutscher Reich. 
* Elberfeld. 2. Aug. 1018. In der Stadwero^-. 
netensitznng stand die Frage der Anstellung eines hauv:« 
amtlichen katholischen Religionslehrers zur 
Debatte. Karoinal von Hartmann hatte bereits am 
19. Februar, einem langgehegten Wunsch der Katho. 
liken Elberfelds entsprechend, durch das Pxovinzialschnl- 
kolleginm an die Stadt Elberfeld das Ersuchen gen*, 
tet, endlich einmal zur Anstellung eines hauptamtlrcken 
Religionslehrcrs an den höheren Lehranstalten uberzii- 
gehen. Da die Frage trotz wiederholten Ermahnens 
nicht in Fluß kmn, entzog er den Kaplanen an der Sk. 
Laurenttuspfarrei, soweit sie Religronsunterrlcht an 
höheren Schulen erteilren, zu Pfingiten die errorderlicke 
Erlaubnis, die er später wieder erteilte, aber nur b!S 
zum Herbst d. I. Infolgedessen sah sich die Sradt ver. 
anlaßt. der Regelung dieser Frage zum Herbst endgültig 
nahe zu treten, besonders da der Minister erklärt hatte, 
daß die Stadt die Verpflichtung habe, für die Erteilung 
des Religionsunterrichts Sorge zu ttagen. Es blieb 
also kein anderer Weg übrig, wenigstens „den Versuch" 
mtt der Anstellung einer hauptmntlichen Kraft zu ma¬ 
chen Die liberal.freisinnig-sozialdemokratische Mehr, 
heit sprach sich jedoch für die Vertagung dieses Antrages 
aus. 1 
Ausland. 
** Der deutsche Kurs in Oesterreich. Dcff: 
österreichische Ministerium Huffarek hat eine alt- 
F orderung der Deutschen in" Böhmen durch die au 
dem Verordnung-Wege verfügte Errichtung eine^f 
Kreisgerichts in Trautenau endlich erfüllt. 
Tie Stadt Trautenau ist fast ausschließlich von 
Deutschen bewohnt, doch gibt e» im Umkreise bet 
Stadt eine Reihe tschechischer Dörfer. Tie Tschechen 
setzten daber der deutschen Forderung nach einem 
deutschen KreiSzericht stets den erbittertsten Wider¬ 
stand entgegen. An dieser Frage scheiterten wied»>r- 
bolt die schon so oft versuchten deutsch-tschechischen 
-. Ausgleichsverhandlungen. So wurde das Kreis-.
	        
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