Full text: Fuldaer Zeitung (1918)

I 
tfiruönon in ruhiaen Bahnen bewegte. Die Vorhand- 
Zungen in Brest'Liwwsk wurden sehr eingehend er- 
Hrtert. Die Be Prechung die fast volle drei Stunden 
lauerte, war immer vertraulich. Es dürfte sich in- 
»essen laut „Berl. Tageblatt" im wesentlichen um 
)ie Informationen der Fraktionsfüh>er über die 
Kanzlerrede im Hauptousschuß >owie um die Eiörte- 
rung der Kriegszielfraaen, insbe ondere auch der Ost¬ 
sragen und der Vorgänge in Oesterreich gebandelt 
haben.. Der Reichskanzler, bessert Teilnahme an» 
• gekündigt woiden war, war nntrworteterwiile nicht 
erschienen. Die „Voisische Zeitung" meldet noch: 
Es war auch wie bisher der Führer der unabhängigen 
Sozialdemokraten Aba. Haase erschienen. 
Beim Reichskanzler fand Tiensiag abend eine 
Konferenz statt, an der auch Generalseldmor'chall 
von Hindenburg und General Ludendorff teil» 
nahmen. 
Oer Mn m Waten 
Vor dem Entscheidungskampf. 
.Zürich, 24. Jan. „Secolo" meldet aus Paris: 
Die bevorstehenden Frühjahrskämpfe werde, 
auch in Frankreich all'em in als Entscheidunas- 
kä mpfe betrachtet. Masseneinberufungen erfolgten. 
Mehr als 400 000 Franzosen aus der Industrie und 
den Kriegsbetrieben sind eingewgen. Fast olle Re¬ 
klamationen sind aufgehoben. Clemenceau versicherte 
den Abgeoidneten, daß Frankreich entichlossen sei, 
den Krieg unter allen Umständen zu Ende zu bringen. 
Englisch-französische Truppenverili melzung? 
Genf, 24. Jan. Der Pariser „Jntranstaeant" 
glaubt, dem französischen Publikum ernstlich die Durch¬ 
führung der Einheitsfront onzeigen zu können; 
er macht darauf aufmerksam, daß der engliscke Tage», 
bericht von einem Zusammenstoß zwischen Engländern 
Und Deutschen im Südwesten von St. Quentin 
spricht, wo bisher nur französische Truppen standen, 
gleichzeitig spricht der französische Taesbericit von 
einem deutsch-französischen Zusammensioh an der bel¬ 
gischen Küste, wo bisher nur en lische Truppen in 
den Schützengräben laeen. Es sei noch mtt eitmiM, 
bie Gründe dieser Neuerscheinung zu nennen, dürfe 
man die Frage stellen, ob es sich nicht endlich um die 
langerstrebte «Ve. schmelzun i* der Truppen handle. 
Dir bevorstehende Berbandskvnserenz. 
In der kommenden Woche werden voraussichtlich 
die Ministerpräsidenten uud die Kriegsminister des 
Verbandes in Paris Zusammentreffen. ES werden 
nkkch englischen Blättermeldun en im. Vorder runde 
stehen die Ereignisse in Rußland, daS Eingreifen der 
Vereinigten Staaten, die Ausarbeitung eine» einheit¬ 
lichen Friedenspro ramms, die Sicherung der Lebens, 
mitteiversor uni und die Vorbereitung der Wiederauf¬ 
nahme der militärischen Unternehmuneen im Friihjahr. 
Es komme jedoch dieser Konferenz keine besondere Be¬ 
deutung zu. 
Politische Streiks In Frankreich. 
Bern, 23. Januar. Am 16. d. M. sind in Lyon 
und St. E ti e n n e gleichzeitig revolutionäre Aufstande 
ausgebrochen. Sie hatten ihren Ursprung in Arbeiter, 
ausständen, die aber bald einen politischen Charakter 
annahmen. Die Streikenden. zogen durch die Strotze 
und verlangten den Frieden, In Lyon kam 
es zu blutigen Zusammenstößen vor dem Rat- 
hause, wo die Bevölkerung die Behörden belagert hielt. 
Sie verlangte von ihnen billigere Lebensmittel. In 
Etienne (Departement de l'Jsere) waren die AuSschrei. 
tungcn noch ernsterer Natur. Die Bevölkerung Plün¬ 
derte die Läden und verschiedene Villen von Großindu¬ 
striellen. Obwohl man den Streikenden Lohnnuibesse. 
rungen versprach, waren sie nicht damit zufrieden und 
oerblieben im Ausstand. Am Freitag kam es ,u hefti- 
grn Barikadenkömpfen. 
Gegen die Republik. 
Der französische Minister-Präsident Clemenceau 
bat des Mine! gefunden, das nach «einer Meinung 
für der KrieaSrest den Veriretein Frankreichs und 
damit dem Lande selbst seinen Willen aiifzwingen 
soll. Dieses Mittel ist die Angst vor einem Zu am- 
menbruch der Republik und vor der Proklamation 
des Prinzen Louis Napoleon, der bis zum Kriege 
in Brüssel lebte (er ist mit der P inzessin Clemen¬ 
tine von Belgten verheiratet) und 'eikdem sich in 
England oufdält, zum Kaiser. Ist diese bonaparti- 
s ische Gefahr für die französisch? Republik so groß? 
Sie ist augenscheinlich größer geworden als zuvor, 
denn dre» Kriegsunlust^ der Bevölkerung ist keine 
Phraie, und alle Beriröstungen mit amerikanischer 
Hilfe können die Empfindung des Grauens vor den 
furchtbaren Blu opfern, die doch keinen Eifolg Vor¬ 
sprechen, nicht mindern. Und die Armee 'pricht 
wenig sympathisch von den englischen Bundesgenossen 
und von dem eitlen Präsidenten Poincarä und von 
der Advokaien-Reaieruna in Paris. 
. . ..—■——MB—— 
Unpolitische Seitlänse. 
A- Berlin, 23. Januar 1918. 
(Nachdruck verbaten.) 
Deutsches Familien fest am 27. Januar: 
Geburtstag des Landesvaters. 
Eine riesige Familie von 70 Millionen Angehöriger. 
Die können ihr? 140 Millionen Füße nicht alle unter 
einen Tisch streiken, aber wenn sich die Masse auch ver¬ 
teilt auf das weite deutsche Reich und in feldgrau auf 
die weiten besetzten Gebiete-, an dvesem Gedenktage 
herrscht doch die höhere Einheit: 
70 Millionen Seelen und ein Gedankt 
70 Millionen Herzen und ein Schlag: 
Heil, Kaiser, dir! 
In der Gesinnung steckt eS. dis Herzlichkeit macht 
iS. So wird es eine richtige Familienfeier. Die 
äußerlichen Festlichkeiten leiden unter den KriegS- 
vcrhältniffcn; jetzt schon zum Viertenmal. Das'ist 
Nebensache. Der Geist ist es, der lebendig und selig 
Macht: der Familiengeist in der ganzen Nation. Kind¬ 
liche Liebe, brüderliche Eintracht, felsenfeste Treue auf 
Leben und Tod! 
Der Krieg hämmert auf unS: die Schläge bringen 
diel Ach und Weh, aber sie schmieden auch etivaS 
Gutes und Schönes. Wer es vorher noch nicht recht 
gewußt und gefühlt hat, der svürt es heute im Kopf 
und im Herzen: wir gehören alle -uisammen, verbunden 
in Gemeinbürgerschaft mir Gedeih und Verderb, die 
großen und die kleinen, die gelehrten und die einfäl¬ 
tigen, die reichen und die armen, die kämpfenden und 
die arbeitenden Volksmasien; wir bilden eine Fa. 
milie, von derem Schicksal unser Wohl und Webe ob¬ 
hängt. Der erhabene Kaiser und der kleinste Mann 
aus dem Volke, — die wirken in derselben Werkstatt, 
die ringen mit demselben Feind, die ziehen an demsel¬ 
ben Strange eines ehrenvollen und gedeihlichen Frie¬ 
dens. , 
STm warmen Herde dieser deutschen Familie herrscht 
echte und rechte Demokratie. Wo man diese? Schlag¬ 
wort protzig im Munde führt, da müssen Präsident oder 
Minister ihre Diktatur und Zwanasmaßregeln stützen 
In der deutschen Familie ergibt sich die heilsame Ord¬ 
nung von selbst. Fre, ist der Mann, der nach seinem 
eigenen Gewissen handelt. Unser eigenes Gewissen treibt 
unS zum Anschluß an den nationalen Herd, zur Ein¬ 
fügung in die deutsche Hausordnung, zur g-s'imden Fa- 
milicnzucht. Damit ist der Einklang von Freiheit und 
Ordnung von selbst gegeben. 
Wer hat zur Belebung des Familiensinn? am mei¬ 
sten beigetragen? Der Kaiser selbst, als er: in ben 
Schicksalstagen zu Beginn des .Krieges da« einfach« 
und klare War. sprach: „Ich kenne keine Parteien 
mehr: ich kemir nur DeutscheI DaS Wert hatte viel 
DaS alles bedeutet wohl noch nicht, daß eine 
Umwälzung der französischen Sioarsform in Sicht 
ist, aber es gibt Clemenceau die Handhabe, den Ab- 
geordneten zu Gemüte zu führen, daß die Republik 
Frankreich nicht allein um den Sie«, sondern auch 
um die Existenz kämpft. Das soll für die Gegen- 
wart die M irisier - Krisen ausschließen. Aber das 
tollwüli e Weite, verharren im Kiiege befestigt die 
Grundlagen der Republik stcber nicht, die ohnehin 
le nen Relpekt nieir >m fron mischen Volke -u ver¬ 
lieren hat. Es ist eine Art Verzweiflungs-Kampf, 
in dem Eng'ands erster Verbündeter sich befindet. 
Es können Uebriraschungen folgen, die Clemenceau 
selbst nicht für möglich gehalten hat. 
Tie Iren fordern Selbständigkeit. 
Die Sinn Feiner-Partei will die Frage der 
UnabhänaigkettJ'rland« einer V o IkS abst i m m u ri g 
unterwerfen, an der alle Irländer über 18 Jah,'e 
teilnehmen tollen. Malieranschläge in ganz Irland 
verkündeien den Beschluß der Sinn Feiner Paitet, 
dem Jrenvolke eine Petit on zu unterbreiten, die 
von allen Nationen der Welt verlangt, daß bei der 
Zu ammenkunft zur Erneuerung Europas nach dem 
Kriege Irland wieder zum unabhängigen Sraale 
xemacht werde. 
Oimtontf. 
Russischer Bürgerkrieg. 
Die von den Maximalisten in Petersburg an 
läßlich der Auslösung der Nationalversammlung be 
süichieien Verjüche zur Gegenrevolution haben an 
ichunend die Macht der Räieregierung nicht beein 
flussen können, weil ihre Kräfte zu gering waren 
Die Macht der Maximalisten wird auch weiierhin 
davon obhängen, ob sie sich auf die Petersburger 
Gaini on verlassen können oder ob die Nationalver 
sammlung sich anderswo eröffnet und größeren An> 
bang bei den Truppen finden. In Petersburg be- 
findet sich noch e,ne Garnison von enva 200 000 
auf das wildeste hausenden Soldaten, die sich Ans- 
ichreiiungen jeglicher Art zuschulden kommen lassen, 
aber wie lange sie zu der aiigenblicklichen Regierung 
halten werden, ist durchaus zweifelhaft. 
Tie Kämpfe im Inneren Rußlands nehmen 
ihren Forluang. Zum Oberbefehlshaber an der 
inneren Front, d. h. in den Kampfgebieten gegen 
die Ukraine, >m Tongebiet ufw. ist vom Rat der 
Volkskommissare derMatro' e (!) Dubenko ernannt 
worden, der in elfter Linle die Operationen gegen 
Kaledin leiden soll. 
An der Front dauern di« Kämpfe zwischen den 
Ukrainern und den Max malisten an. Lie rmsiche 
achte Armee beabsichtigt die Front zu ver¬ 
lassen. Drei Armeekoi ps der neunten Armee werden 
sich wahrscheinlich antchließen. Die Ukrainer suchen 
daS zu verhindern, aber die großrussi'chen Truppen 
beai sichtige» sich zur Verfügung der Charkower Re 
gieruug durchziiscblagen. Hinter der Front mehren 
sich die blutigen Zusammenstöße, und weitere sind 
zu erwarten. 
Schließlich set noch bemerkt, daß beiTaganroy 
Kämpfe zwischen den Kuban- und Don-Kosaken 
stat,fanden, in denen die Kuban-Kosaken den Sieg 
davongetiaqen haben wollen. 
Jedenfalls geht aus diesen Nachrichten deutlich 
Hervar, daß die Zustände in der russischen Arme" 
deren fernere» Auftreten im Weltkrieg nicht mehr 
möglich e, scheinen lassen. 
Eine russische Armee van ven Rumäne« 
geschlagen. 
Die Kämpfe zwischen Ruflen und Rumänen 
hoben bei Galay größeren Umfang angenommen. 
Nach für die Russen unglücktichen Auseang traten 
3200 Mann mit 22 Geschützen, 61 Munitionswagen, 
53 Feldküchen und ltzO anderen Fahrzeugen und 
1200 P erden auf ur. ier Gebiet über. 
Benierkensweit ist die Nachricht, daß rumänische 
Truppen auch in Befparabien einrückten und 
bei Kischinew zum Kampf kamen. Eie wur¬ 
den geichlagen und verloren Gefangene. Man ist 
der Ansicht, daß Rumänien beabsichtigte, sich Beßa- 
robiens, daS eS bekanntlich nach dem russisch-tür¬ 
kischen Feldzüge ablreten mußte, wieder zu bemäch¬ 
tigen. 
Straßenkampf in Petersburg. 
Paris, 24. Jan. Nach einer Depesche der Lon¬ 
doner Blätter aus Petersburg wütet in den 
Straßen von Petersburg feit zwei Tagen eine 
S m l a ch t. 
in sich und brachte eine gewaltige Wirkung hervor. „Alle 
Landeskinder sind mir gleich lieb und wert, auch die 
lebhaften Jungen, die manchmal gepoltert haben. Wir 
Machen einen dicken Strich durch die vergangenen Streiche 
und Zlvistigkeiten. Jetzt heißt e»: alle für einen und 
einer für alle. Jetzt sammelt die Familie ihre sämt- 
lickien Glieder zu der Kraftprobe um Sein oder Nicht, 
sein. Jetzt müssen wir allzumal siegen oder untcr- 
iehenl" 
Und die Familie hat sich gesammelt, sie hat drei 
lange Jahre hindurch mit vereinten Kräften gerungen, 
sie hat schwere» überstanden und herrliche Erfolge er¬ 
reicht, sie hat sich gegen eine ganze Welt von Feinden 
siegreich behauptet und steht setzt im Begriffe, mit der 
lebten Kraftanstreugung die Frucht einzuernten. DaS 
Erntefest, das Friedensfest können wir augenblicklich 
noch nicht begehen: aber etwa» Vorgeschmack davon kön. 
nen wir un» setzt schon leisten an dem Geburtstage de» 
Familienoberhauptes. da» un» durch Drang und Not 
immer vorwärt» geführt bat. bereit» bi» an die Grenze 
de» gelobten Friedenslande». 
„Arbeit ist de» Bürger» Zierde, Segen ist der 
Mühe PreiS." Diesen Ver» kann man voll und ganz 
auch auf den Kaiser anwenden. Ter erste aller Bür¬ 
ger hat ein gerütteltes und gehäufte? Matz von Arbeit 
und Sorge zu tragen, und jeder weitz, wie rastlo» und 
unermüdlich der Kaiser all' die Pflichten erfüllt, die 
ihm sein hohes Amt anferlegt, wie er bald im Hauvt. 
ouartier, bald an wichtigen Frontteilen, bald bei den 
Verbündeten unermüdlich tätig ist für da? Heil der 
großen deutschen Familie. Wer In den bebaglichen Frie- 
denSzeiten vielleicht gedacht hat, daß Herrscher einen 
leichten Beruf hätten, der wird inzwischen wohl eine» 
bessern belehrt worden sein. Arbeit, schwere Arbeit 
mit arifreibrntzem VerantwortlichkeitSgefiihl füllen die 
Tage und vielfach die Rächte de» Landesvater» au», 
der sich keinen RormalarbeitSiag leisten kann. Und 
d»r Segen bleibt auch nicht au» als der Preis seiner 
Mühe. Ter äußerliche Segen wird bezeichnet durch 
die Worte de» Kais-licdel: 
Fühl' in t Throne» Glanz 
Die hob Wonne ganz 
Liebling de» Volk» zu sein. 
Die Liebe seine» Volke», die stet» wachsende, herz¬ 
liche, dankbare inrd verwaulicke Anhänglichkeit der Fa¬ 
milie von 70 Millionen ist der schönste Segen für den 
braven Haushaltungsvorsiand. 
Wenn wir von der kaiserlichen und konlgllckün Ar¬ 
beit reden,. so müssen wir besonder» der Lasten ge. 
denken, die im letztverflossenen Lebensjahr auf die Schul¬ 
tern de» Herrscher» fielen. Sein Geburtstag von 1917 
üand unter dem Eindruck der schroffen Ablehnung un¬ 
ser» Friedensangebotes durch die trotzigen Feinde. Da 
galt e»„ gegenüber dieser Böswilligkeit Beschlüsse von 
ungeheurer Tragweite zu fassen. Wir mußten unsere 
Tauchbootwaffe «tnsetzen. Dann «ber mußten vir mir 
England» Pläne in Palästina. 
Auf einer in Leed» abgehaltenen Konferenz der 
Zionisten wurde mltgetellt. eS ist die Absicht der rngli. 
schon Regierung, in einigen Wochen eine jüdische Kam. 
M!,,ion nach Palästina zu senden, die die Vorarbeiten 
für die Unterbringung der jüdischen Nation in Palä. 
st,na beginnen soll. Dieser KounMion soll ein Stab 
von technischen Fachleuten. Ingenieuren, Architekten 
Stadteerbauern. Landwirten folgen. Die zionistische 
Kommission bat nicht die Absicht, eine internationale 
rrinanzgruppe in Palästina zur Ausbeutung de» Lan. 
de» und de» arabischen Proletariate» zu schaffen son- 
dern durch Ankauf von Land da» jüdische Proletariat 
anzusicdeln, da», wie man hofft, einträchtig mit den 
Arabern zusammenarbriien wird. 
AuS dem österreichischen Abgeordnetenhaus. 
reib Wien. 22. Januar. Sine bei dem letzten in 
Prag zusammen getretenen Kongreß der tschechischen 
Abgeordneten gefaßte Entschließung batte sich ganz und 
gar auf den Boden gestellt, daß die Ordnung der na- 
tionalen Verhältnisse der Tschechen keine Innerstaatliche 
österreichische, sondern eine internationale Angelegen- 
heit sei. Die Veröffentlichung Vieser Entschließung 
wurde verboten. In der heutigen Stzung de» Abge¬ 
ordnetenhäuser wurde deshalb interpelliert, und Mini- 
sterpräsident v. Seidter gab folgende Antwort: 
Au» der Prager Entschiietzung können unserer Feinde 
die Ermunterung herau»lesen. in der Verfolgung der 
geven den Zusammenhang unsere» Slaatrwesen« ge. 
richteten Grundsätze nicht zu erlahmen. Die Entschlie» 
ßung läßt eine Auffassung in geradezu staatiseind- 
irchem Sinne zu. der von jedem Oeste, reicher mit ge- 
rechter Entrüstung zurückgewiesen werden mußte Trotz 
derlei Ouertreibere, wird sich Oesterreich» unzerstörbare 
Leben»kcajt gegen seine äußeren Feinde unwiderstehlich 
fortietzen. (Lebhafter Beifall) 
An die Erklärung de» Ministerpräsidenten knüpfte 
sich eine längere Debatte. Mehrere Abgeordnete gaben 
nameu« der Teiitschen Böhmen», Mähren» und Sriste- 
siens Erk.ärunge» ab, worin sie in schärfster Weise die 
staatsrechtlichen Besprechungen der Tschechen bekämpfen 
und die Errichtung einer selbständigen Provinz Teutsch- 
K i hv c»» rri» eigenem Landtage fordern, sowie für 
Mähren vollständige Durchführung der nationalen Au¬ 
tonomie der Deutschen Mähren». Tie tschechischen und 
südslavischen Redner kritisierten die Fricdensverhand- 
lungen in Brest-LitowSk. Ter Pole Gloslinski verwies 
auf die Besorgnis der Polen angesichts der Stellung¬ 
nahme de» Generals Hoffmann und protestierte gegen 
die beabsichtigte Grenzsicherung Deutschland» auf Kosten 
de» polnischen Kohlenbecken». Der polnische Sozial¬ 
demokrat DeSzynSki wandte sich gegen die Auffassung, 
al» ob Deutschland Oesterreich-llngarn gerettet hätte. 
Ohne Oesterreich, die Türkei und Bulgarien hätte 
Deutschland sich der Feinde nicht erwehren können. Ter 
Sozi, idemokrat Adker erklärte, die Sozialdemokraten 
verlangten nicht einen Bruch oder da» Unmögliche, daß 
Deutschland sich plötzlich unter die Führung Oesterreichs 
begebe. Wenn man in Berlin sagt „für uns ist Trisst 
wie Straßburg", dann dürfe man sich nicht aufregen, 
wenn Ezernin sagt, „mir ist Straßburg wie Triest". 
Man könnte nicht die Früchte de» Bündnisse, einseitig 
genießen. Der christlich-soziale Matasa betonte, auch 
die Ehristlich-Sozialen ständen auf dem Boden de» Ver- 
ständigimgsfriedenS. Großen Raum in der Debatte 
nahm die AuSstandSbeweguna ein. Die fozialdemokra 
üben Redner bezeichneten da» Zugeständnis der Re¬ 
gierung al» Beginn einer wirklichen Demokratisierung 
Oeestrreich». Di« Chrsilch-Sozialei, warfen den So¬ 
zialdemokraten vor, daß sie den in der Bevölkerung be. 
stehenden Unwillen über die EriiährungSVerhältnisse zu 
parteipolitischen Zwecken ausnutzen. 
In Besprechung der AuSstandSbewegung 
erklärte der Ministerpräsident, daß diese zwar keinen 
ausschreitenden Charakter an sich trug, abe doch bedenk¬ 
liche Formen hätte annehmen können. Tie bekannte 
Vereinbarung mit der Arbeiterschaft dürfe nicht al» Er. 
gebni» de» Klassenkampfe» aufgefaßt werden. Wa» die 
Regierung im Auge hatte, war ausschließlich die Wah¬ 
rung der staatlichen und gesellsckastlickien Interessen. 
Andererseits hat die Regierung keine Bedenken getra¬ 
gen, besonder» auf dem Gebiete de» Gemeindewahl, 
recht» die verfassungsmäßige Einleitung der von ihr 
seit langem erwogenen Reformen zuzusagen. Die Durch¬ 
führung wird so geschehen, daß der nationale Besitzstand 
gewahrt wird (Lärm und Zwischenrufe bei den Tsche¬ 
chen) und die berechtigten Ansprüche aller Volksteile 
Rahmen de» Möglichen ihre Befriedigung finden. 
Der Ministerpräsident schloß mit einem Aufruf, die 
politischen Meinungsverschiedenheiten hinter dem ge¬ 
meinsamen Gedanken zurückireten §h lassen. Ta» 
Bat erlaub sei in Gefahr. Die Ausgaben der 
Regierung sind tausendmal schwieriger, als man in der 
Oeffentlichkeit vielfach glaube, und diejenigen glauben 
machen wolle, die auf die Regierung in dieser Lage 
Parthervfeile abschösscn. Tie Negierung vermöge ihre 
schwierige Aufgabe nur zu erfüllen, wenn sie in einer 
starken Volksvertretung starken Rückhalt findet. (Leb. 
Hafter Beifall und Händeklatschen.) 
dem Eintritt Nordamerika» in die Reihen unserer Geg¬ 
ner rechnen. Eine Entscheidung dieser Art nimmt Seele 
und Leib furchtbar in Anspruch. Der Kaiser hat nach 
gewissenhafter Ueberlegrmg klug und kühn gewählt. 
Dann kam die Revolution in Rußland, die neue Sor¬ 
gen erregte und neue Maßregeln nö)ig machte zum 
-weckmäßigen Anschluß an die schwankenden und gären, 
den Elemente im Osten. Daneben die gewaltigen mili¬ 
tärischen Vorstöße zur Befreiung von Galizien und der 
Bukowina. -»*• Eroberung von Riga und Dagö, zur 
Durchbrechu. r italienischen Front, sowie die Be¬ 
hauptung unser,, 'eftfront gegen die ver,weifelten An- 
griffe der Engländer und Franzosen. Wenn der Kai¬ 
ser al» oberster Kriegsherr die kühnen Pläne Hinden. 
'nira» geprüft und gebilligt hatte, dann wurde er als¬ 
bald wieder in Anspruch genommen durch die p o l i t i- 
lbe n Aufgaben de» Lanidesvater». Zwei Kanzler- 
Wechsel in einem Jahrei Wir haben ja die .Krisen noch 
in frischer Erinneruvg, und wir freuen unS, daß der 
Herrscher durch die Berufung des Grafen Hertling eine 
Lösung gefunden hat, die Stetigkeit und innere Ruhe 
' bricht. Ein erfreuliche» Ereignis war e» ja. al» 
Rußland an der Friedensglocke zog. Aber die FriedenS- 
v«rhandlüng Ist ein Rosenstrauch mit dielen Dornen. 
Der Ausgleichrversuch wirft fortwährend neue Zweifel 
und Streitfragen auf. Von Tag zu Tag wird die stlug. 
heit i'nd die Geduld auf neue Proben gestellt, und all' 
die Sorgen treffen -usammen im Haupte de» Monar. 
m. Krieg zu führen, ist schwer; aber Frieden zu 
schließen, wird manchmal noch schwerer. Der Kaiser 
wird mich in seinem neuen Lebenssahre viel Mühe ha- 
ben, sehr viel Mühe, nicht bloß wegen de» letzten Ent. 
scheidungrkampfe», s>»idern auch wegen der FriedenS- 
verhandlimgen im Westen, deren Beginn wir alle er. 
hoffen, ohne un» die Schwierigkeiten zu verhehlen. 
, Wenn du klagen willst über die Lasten und Leiden 
de» langen Kriege», so bedenke: der Kaiser fühlt sie 
ebenso gut, wie du, ja, aus seinen Schustern lastet und 
drückt noch diel mehr al» auf den Schultern der ein¬ 
fachen Bürger. Seine Sorgfalt und seine Mühewal¬ 
tung gelten auch deinem Wähle. E» ist also nicht mehr 
al» billig und recht, daß du die Bemühungen de» Lan- 
deSbater» nach deinen schwachen Kräften unterstützest. 
Wie denn? Ganz einfach, indem du getreusich deine 
Pflicht tust ak» griter Bürger und wackerer Deutscher. 
Tann bist du rin kleine», aber würdige» Mitglied der 
großen Familie. 
Auf dem nationalen Herde möchte ich mit diesem 
'esttäglichen BlaSrvhr die heilige Flamme anfachen, 
den Familiengei st neu beleben, der alle» ver¬ 
einigt und beseelt zu gemeinsamer Arbeit, den Kaiser 
und die Fürsten und alle Stämme und Schichten der 
Bürgerschaft, so daß bi» zum m'ten Ende der Drangsal 
da» Wort in voller Kraft bleibt: 
Dir wollen sein ein einig Volk von Brüdern, 
Ln keiner Rot un» trennen noch Gefahr! 
Preußischer Landtag. 
Abgeordnetenban«. 
Sitzung vom 24. Januar. 
Da» Hau» erörterte zunächst den Antrag Fuhrmann 
(ntl.) auf Sicherstellung de» R e ch t e » d e r S t a a t». 
beamten zur politischen Betätigung. — 
Ter Aurschuß hat einstimmig einen Antrag angenom. 
men, durch den die Regierung ersucht wird, eine Ver. 
fügung zu erlassen, welche den Beamten da» ihnen zu. 
stehende Recht der politisiden Betätigung sicherstcllt, 
ihnen jedoch untersagt, auf dienstlichem Wege und in. 
nerhalb der Diensträume zur Betätigung für politisch« 
Parteien auszufordern. 
Die Abgg. ». Zedlitz (Fr. kons.). Winckser (kons.) 
Richthofen (lons.) und Voisltz (ntl.) treten für Rückwei^ 
sung de» Anträge» an dir Kommission ein, da kein Be¬ 
richt vorlag. 
Abtz. H.fsmana (tU<5.) allein widerspricht. Die 
Vaterlandspartei wollte ,n der Zwischenzeit auf die Re- 
gierung einwirken. Da» Menetekel in O-stereeich sollte 
al» Warnung dienen, Wi« sieben, wie Oesterreich, 
zehn Minuten vor der Katastrophe. (Großer Lärm^ 
Ordnungsruf.) Sie woll->n da» Volk wieder in den 
Krieg Hetzen und neue Millionen ovferN. (Erneuter 
Ordnungsruf.) D«e Ereianistr tn Oesterreich hätten 
auf den Ausschuß doch vielleicht Eindruck gemacht. Aber 
wen die Ge-ter verderben wollen, den schlagen sie mit 
Blii'dhcit. Ich warne in zwölfter Stunde! (Gelächter.) 
Da» Han» beschließt Zurückverweisung de» Antrag» 
an die Kommission. 
fir» folgt d>e wl-bei-holte Beratung de» Entwürfe» 
eine» Wrhnungtzgesetze». 
Handcl»minster Dr, Stzde« erklärt sich mit den De. 
schsüssen der Kommissivn einverstanden und dankt ihr 
für die Schnelligkelt mit der sie gearbeitet hat. 
Rach kurzer Erörterung wird der Antrag der Kom. 
Mission angenommen. Im übrigen wird da» Gesetz 
nach den Beschlüssen de» Herrenhaus«» en bloc ange- 
nommen. 
Unverändert rmch den Beschlüssen de» Herrenhause» 
anaenommen wird sodann da« vargschaftSstcherung», 
»«setz. 
ES folgt dann die Beratung de» Antrag» Andrei 
snatl.) au' ssaalliche N"«-rstÜhl>ng d»r durch da» Hoch¬ 
wasser geschädigten Bewohner de» Rahefal-S und bei 
Geestemünde. Der Antrag wird nach kurzer Erörte¬ 
rung mit einer Abänderung der Kommiss'on angenom. 
men. wonach auch die anderen, durch Hochwasser aefchä» 
diyten Gebiete des Rheins und fe-ner Nebenflüsse die 
staatsiche Unterstützung erhalten sollen. 
ES folgen landwirtschaftliche Anträge. Ersten» soll 
die Anbausläche f fu Kartoffeln vergrößert 
werden. Zweiten» soll für S a a t k a r t o f fe l n 
Sorge getragen werden. Drittens soll Gemüsesa. 
men und andere Sämereien beschafft werden, 
desgleichen Düngemittel, insbesondere Stickstoff¬ 
dünger. 
LandwirtschaftSminister von Eisendardt-Rothe: Bei 
der Bersorauna der Landwirtschaft mit Düngemitteln 
und Gemüsesamen wird alles geschehen, wa» möglich 
ist. Mit der Tendenz drS Antrages auf Vermebrung 
der Kartoffelanbaufläche bin ick auch einverstanden. 
Eine Vermehruna de« Kartoffelanbaus ist zur Ernährung 
der Bevölkeruna dringend erforderlich. ES sollen finanzielle 
Beibilsrn für die Vermebrung der Anbaufläche gewährt 
werden und zwar 8.60 Mark für jeden Zentner der 
Mehranbaufläche. 
Aba. Braun (Soz.l: Wir lehnen jede Liebesgabe 
und Prämie ab, die nur die Verbraucher belasten und 
die Preise steigern. Der Anbauzwang sollte eingeführt 
werden. 
Aba. Haase (Fortschr. VpO: Wir werden für den 
Kommission»antraa stimmen, erwarten aber, daß auch 
der Großgrundbesitz sich bemüht, ferne Anbaufläche zu 
vergrößern. 
Abg. Jan» (kons.): Der Abg. Braun empfiehlt den 
Anbauzwang, also ArbeitSzwanq ber Höchstlohn. Wer 
im Glashau» sitzt, soll nicht mit Steinen werfen. Die 
Landwirte haben im vortaen Frühjahr durchaus ihre 
Pflicht beim Kartoffelanbau getan. Die Prämie ist 
notwendig, weil die Produktionskosten sich fortgesetzt 
steigern. . 
Der Antrag der Kommission wird angenommen. 
Nach Erledigung kleineret Vorlagen vertagt sich 
daS HauS. 
Nächste Sitzung 26. Februar. 
Sur dem Naqbargevret. 
% Maberzell. Der Unteroffizier August K ind 
Sohn de» Bahnwärters Johanne» Kind, wurde au) 
dem östlichen Kriegsschauplatz in Anerkennung treuer 
Pflichterfüllung znm Sergeanten befördert. ; 
p. Oberbimbach. Der Lehrer Johannes Kluthe 
von Lbeibimbach ist zum Leutnant befördert wor¬ 
den und gleichzeitig mit dem Eisernen Kreuz für 
hervorragende Tapferkett auf dem westlichen Kriegs¬ 
schauplatz ausgezeichnet worden. — Dem Bürger¬ 
meister Jos. Frank ist das Berdtenfikreuz für 
Kriegshiife verliehen worden. 
X Eichcnrird. Dem Gefreiten bei einem Ar- 
tisterie-Regiment im Westen Emil Bogel» In¬ 
haber der hessischen Topfeikeitsmedaille, wurde für 
unerschrockenes Verhalten vor dem Feinde da» 
Eiserne Kreuz verliehen. \ 
F Gruben (bei Sckwarzbach). Der Schütze Otto 
Kling, Sohn der Witwe Kling, wurde am 13. 
Dezember v. I. für hervorragende Tapferkeit auf 
dem russischen Kriegsschauplatz mit dem Eiserne» 
Kreuz ausgezeichnet. \ 
4« Rücker« bei Flieden. Für wiederholt be- 
wiejene Tapferkeit in den Flanderkämpfen wurde» 
dem Schützen Franz Karl Roihmann und dem 
Musketier Gregor Schäfer, Sohn des Hüttners 
Bonifaz Schäfer, da« Eisern« Kreuz verliehen. Der 
Kanonier Emil Seiberling wurde mit der Hes» 
fischen TapserkeiiSmedaille ausgezeichnet. 
G Langenselbold bei Hanau. Der Handelsmann 
Joseph Blümentbal aus Langenselbold hatte gegen 
die Verordnung über die Höckstpieii« für Runkelrübe« 
gefehlt und deswegen durch 7 richterliche Strafbefehle 
mit Geldstrafen von zulammen 1175 Mark bestraft 
worden. Auch die Landwirte, dir ihm die Rübe« 
verkauft hatten, waren bestraft worden, wenn auch 
nicht so hoch. Eigen diese Sirafbefehle ba'ten 
Blümentbal und drei der Veriäuier Einsprucg er¬ 
hoben, der vor dem Schöffengerichte Lang nseibold 
zur Verhandlung gelangie; sie maarten oe.lend, daß 
sie von dem Bestehen eine» Höchstprri'es nicht» ge¬ 
wußt hä len. Die Kaufueschöfte waren a ich bereit« 
im September abge chlossen word-n, während die 
Bekanntmachung des KrerSanS chussc» erst im Okto¬ 
ber erfolgt wäre. Von der BundcSrat---Verordnung 
im März bötten sie erst recht nichr» grwußi; sie 
hätten erfahren, daß die Stadt Hanau und da» 
KornhauS den Zentner Rüben z» 3 — 4 Aiork ge¬ 
kauft und danach annehmen müssen, wenn solcke» 
von diesen Stellen geschähe, sie auch nichts zu be¬ 
sorgen hätten. Das Gericht hielt diese Einwände z» 
ihrer Entlastung für ausreichend und jprach sie 
jämtl ch fre-, 
* Osfrubach «. M. In dem Betriebe der Firma 
Mayer und Schmidt zerriß beim Ernlaken von 
Schmirarl in einem Lasiauszng das Draht eil, sodaß 
der Aufzua, in welchem der 48lährige Arbeiter Niko¬ 
laus Kobl von Hainstatt stand, absiürzte. Kohl 
zog sich hierbei schwere Verletzungen zu und starb 
alSbald. 
Offenbuch a. M. Der dieser Tage verho bene 
Prolcirist Emit Grünebaum hat sein beträchtlicher 
Vermö en zur Hälfte der israeliiischen Gem mdel 
und zur Hälfte der Stadt Offenbach vermacht.^/
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.