Full text: Fuldaer Zeitung (1918)

/§ wurden weder Personen verletzt, noch Sschfch«» 
een verursacht. 
Tie Fliegerangriffe auf deutsch« Lazarette, 
wtb Berlin, 21. Sept. 1918. Wegen der feind» 
«ckien Fliegerangriffe auf deutsche Lazarette ist am 
18. August der hiesigen schweizerischen Gesandtschaft 
folgende Verbalnote zugestellt worden: 
Das Auswärtige Amt beehrt sich» die schweizerische 
Gesandtschaft zu benachrichtigen, daß nach Mitteilung 
der deutschen Obersten Heeresleitung in neuester 
Zeit folgende feindliche Fliegerangriffe auf deutsche 
Lazarette ausgeführt wurden: 1. Am 13. Juni fand 
ein Angriff von 12 feindlichen Flugzeugen^ auf das 
Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in 
girier statt. Die Za! der Opfer betrug 
, Tote und Verwundete. 2. Am 21. Juni 
vurden die Lazarettanlagen im Vesletal äuge- 
«rissen. 3. Am 15. Juli erfolgte ein Angriff auf das 
ftrankenhauS in Offenburg. 4. Am 22. Jul 
griffen 50 feindliche Flugzeuge am bellen Tage die 
^azarettanlagen bei Mont Notre Dame an. Es 
,vurden 30 Personen getötet und 70 verwundet, 
darunter der Freiburger Arzt Dr. Goßler, _ ein 
französischer Arzt und eine große Anzahl Schwestern 
sowie französische, amerikanische und deutsche Ver¬ 
wundete. 5. Am 1. August wurden bei einem An¬ 
griff auf Düren die Provinzial-Blindenanstalt und 
eine Schule getroffen. 6. Bei einem_ Angriff am 
gleichen Tage auf das KriegSlazarett in Laby bei 
Conflans wurden 2 Personen getötet und 67 ver¬ 
wundet, darunter 13 schwer. 7. Am 11. August 
wurden bei einem Fliegerangriff auf Montmedy 
um 1,15 Uhr nachmittags etwa 40 Bomben auf die 
deuilich mit dem Genfer Noten Kreuz gekennzeichnete 
Lazarettanlage abgeworfen. Von den Kranken und 
Verwundeten wurden 6 getötet und 21 verletzt, 
außerdem 5 in der Nähe des Lazarettes spielende 
Kinder teilweise schwer verwundet. 
Da sämtliche Lazarette durch Note Kreuze deut¬ 
lich als solche erkennbar gemacht waren, so scheint 
es sich um ein planmäßiges Vorgehen der gegner¬ 
ischen Heeresleitungen, gegen die deutschen Sanitäts¬ 
anlagen zu handeln. Die deutsche Negierung legt 
gegen diese fortgesebten Verletzungen der Bestim¬ 
mungen der Genfer Konvention auf das nachdrück¬ 
lichste Verwahrung ein und bittet die schweizer¬ 
ische Gesandtschaft zu veranlassen, daß dieser Protest 
auf schnellem Wege zur Kenntnis d»r französischen 
und der britischen Regierung gebracht wird. 
Der U-B»»trries. 
wtb Berlin, 21. Sept. (Amtlich). Im Sperrge¬ 
biet um England wurden von unseren Unterseebooten 
14 000 Br.-ssteg.-To. versenke 
Ter Chef des Admiralstabes der Marine. 
wtb Berlin- 22. September. (Amtlich.) Im 
Atlantic versenkten unsere Unterseeboote 3 5 0 0 0 
B r t. Die für unsere Feinde bestimmten Ladun¬ 
gen bestanden, . soweit sestgestellt werden tonnte, 
aus besonders wertvollen Gütern u. a. aus Kohlen, 
Baumwolle, Petroleum, Holz, Stückgüter und Le¬ 
bensmitteln. Die Versenkung mehrerer Schiss La¬ 
dungen Kohle ist besonders bedeutungsvoll im 
Hinblick auf die wachsende Kohlennot in allen 
feindlichen Ländern. 
Der Chef des Admiralstabes der Marine. 
Die Kohlennot nimmt in den Derbandsländern 
immer drohendere Formen an. Der ..Ecomist" ent¬ 
wickelt in einem längeren Aussatz die Gründe da¬ 
für und fordert die Bergleute sebr energisch auf, 
wenigstens ihrerseits nicht noch weiter zum Rück¬ 
gang der Förderung beizutragen. Gegen die Wir¬ 
kungen !de8 U-Bootkrieges, der den. Schiffsraum 
vernichtet und die Arbeiter durch . die schlechtere 
Ernährung minder leistungsfähig macht, kann 
selbst der best gemeinte Aufsatz und die energischste 
Forderung nichts machen. In Italien wächst die 
Kohlennot krisenartig aus. Die Holzvorräte Zei¬ 
chen schon lange nicht aus, den Bedarf zu decken. 
Bahnverkehr und Heizung stnd auf das allernot- 
wendigste eingeschränkt. Ties alle? schon im Som¬ 
mer. Was wird erst der Winter bringen? Wo¬ 
mit sollen die Leute feuern und kochm? Die 
kritisch die Lage ist, beweist, der Umstand, daß 
neuerdings (wobl gemerkt im Sommer) eine Reibe 
von Munitionsfabriken wegen Kobkenmanaek ge¬ 
schlossen werden muffte. Unter diesen Verhältnis¬ 
sen bleibt im Winter für den Hausgebrauch io gut 
wie nichts verfügbar, wenn nicht ganz besondere 
Zufuhren nach Italien kommen. Taff dies nich 
geschieht, dafür werden die U-Boote sorgen. 
Gegensätze unter den Bolschewisten. 
Aus den Mitteilungen über den Verlauf zder 
Sitzung des Zentralexeku'ivkomitees der Sowjet- 
Regierung vom 17. September geht hervor, daß die 
Gegeniätze innerhalb der führenden Männer der 
Bolschewikr hart aneinander aeraren sind. An der 
Sitzung nahmen fast alle Volkskommistare mit Aus¬ 
nahme von Lenin und Poiern reis. Zuerst erstattete 
der Oberbefehlshaber an der Südfront und Mitglied 
des Krieaskommissaricns Antonow Bericht über die 
Kämpfe bei Kaian und Simbirsk und zollte der 
Leistung der Arbeitertruppen überaus hohe? Lob. 
Seine R- de wurde andauernd mit Rufen wie Lüge» 
Betrug, S'immunasmacke unterbrochen. Er konnte 
erst zu Ende sprechen, als die Ruhestörer gewaltsam 
aus dem Saale entfernt worden waren. Nach 
Antonow sprachen Lunartschewski, Zinowiew, Trotzki 
und Odinzow. die sämtlich darüber einig waren, daß 
zur Rettung der Republik die strengsten Maßnahmen 
ergriffen werden müßten. 
Aus den in obiger Meldung genannten Kriegs¬ 
kommissar Po fern ist in Petersburg ein Atten¬ 
tat verübt morden. Posern blieb jedoch unverletzt. 
Die Attentäter sind ergriffen und aus der Stelle 
erschossen worden. Weiter wird von einem Attentat 
auf zwei Mitglieder des KriegSrale», deren Namen 
nicht genannt werden, berichtet. Im Zusammenhang 
mit diesen beiden Attentaten sind in Petersburg 
wieder 73 Mitglieder der Sozialrevolutionäre erschossen 
worden. 
Verschwörung gegen die Bolschewikr. 
In dem wichtigen Bahnknotenpunkl Ko slow 
vor Woroneich wurde eine weitverzweigte Verschwö¬ 
rung entdeckt, die vom Vorsitzenden des Sowjets 
^awrow und dem Kriegskommissar Koruchowiksch 
geleitet wurde. Die sogenannte eiserne Kompanie 
der Roten Armee trat zu den Verschwörern über. 
Zwei Regimenter blibeen jedoch der Regierung tteu. 
Die Unterdrückung des Aufstandes geht im ganzen 
Kreis vor sich. 
Ein Hilferuf der Ukraine. 
Die Regierung der Ukraine überreichte allen in 
Kiew vertterenen Diplomaten eine Note mit einem 
Protest gegen die Verhaftung des Patriarchen 
TichonS, die Erschießung ukrainischer Staatsange¬ 
höriger und die unmenschliche Form der politilchrn 
Kampfführung durch die Bolschewisten. Der deutsche 
Botschafter wurde gebeten, daß die deutsche Regierung 
den Ukrainern in Rußland denselben Schutz wie 
den Deutschen cmoedeihen lassen möge, nämlich, daß 
keinerlei Verhaftung »der Antastung ihrer Preson 
ohne förmliche Erlaubnis der deutschen Regierung 
gestattet sei. 
Wenn die Bolschewisten sich die bisherige Stimmung 
ür sie in Deutschland erhalten wollen, werden sie gut 
tun, mit der Blutherrschaft zu brechen. 
Russische Goldschätze durch die Tschechen erbeutet. 
Die russische Preffe bringt jetzt nähere^ Einzel¬ 
heiten über den in Kasan »on Tschecho-Slowaken 
gestohlenen Schatz. Danach sollen in Kasan nicht 
nur die dort vorhandene Goldmeng?, sondern der 
ganze, aus den Petersburger und Moskauer Banken 
konfiszierte Gold- und Kunstschatz, sowie Gold- und 
Silberbarren sicherheitshalber aufbewahrt worden 
ein. Nachdem es den Tschechen gelungen ist, Kasan 
zu erobern, erfuhren sie von dem verborgenen Schatz, 
und sie machten sich sofort daran, ihn nach dem 
Innern zu verschicken. Zur Beförderung der Gold- 
und kilberbeständ« wurden 18 Transport- und 
Küterzüge gebraucht. Daraus kann man sich ein 
Bild machen, wie groß die dort aufbewahrten Be¬ 
täube fein müffen. . 
Das gemünzte Gold soll über 650 Millionen 
Rubel betragen. 
Die Beisetzung de» Exzaren. 
wtb Moskau, 21. Sept. „„Jswestija" gibt Schilde¬ 
rungen von der feierlicken Beisetzung des Ex- 
z are n, die nach Vressemeldungen von Truppen der 
Volksarmee in Jekaterinburg veranstaltet wurde. 
Die Leiche des Exzaren, die an der ErschießungS- 
stätte im Walde beerdigt war, wurde aus dem 
Grabe genommen, dar nach Angabe von Personen 
gesunden wurde, denen die Umstände der Hinrichtung 
bekannt waren. Die Ausgrabung geschah in Gegen¬ 
wart vieler Vertreter der obersten geistlichen Ge¬ 
walt WestsibrrienS, der OrtSgeistlichkeit, der _ Dele¬ 
gierten der Voltsarmee, der Kosaken, der Tschecho- 
Slowaken. Ter Leichnam wurde in einem Zink¬ 
sarg, in einer kostbaren Holzhülle aus. sibirischer 
Zeder gelegt. Der Sarg wurde unter dem Schutz 
einer Ehrenwache mit dem obersten Kommandanten 
der Volksarmee an der Spitze in der Kathedrale zu 
Jekaiertnburg aufgestellt von wo er, nach zeitweili¬ 
ger Beisetzung, in einem besonderen Sarkophag nach 
Omsk gebracht werden soll. 
Hingerichtete russische Geistliche. 
Nach Meldungen au? Kronstadt sind dort sechs 
Popen, denen Verbindungen mit der Ententi 
nachgewiesen wurden, hingerichtet worden. 
Schwere Kämpf« in Mazedonien. 
Die schweren, aber erfolglo'en Angriffe der En¬ 
tentetruppen in Mazedonien hatten an. Der bulga¬ 
rische Bericht lautet: 
Nördlich Bitolia und im Cernabogen wur¬ 
den feindliche Sturmabteilungen, die nach Artillerie¬ 
vorbereitung in untere Gräben einzudringen versuch¬ 
ten, durch Feuer abgewieren. Oestlich Cer na fanden 
den ganzen Tag über schwere Kämpfe mit Wechsel- 
dem Erfolg statt. Zwischen der Ortschaft Gewgheli 
und dem Doriansee erneute der Feind seine erbit¬ 
terten Angriffe, denen ziemlich heftige Artillerie-I und 
Gasvorbereitung voranging. Pach hartnäckigem 
Kampfe gelang es dem Feinde, zeitweilig in manche 
unserer vorgeschobenen Stellungen einzudringen. aber 
durch einen schneidigen Gegenangriff unserer Trup¬ 
pen wurde er mit bedeutenden Verlusten sür ihn ver¬ 
trieben, und ließ Gefangene in unseren Händen, da¬ 
runter einige griechische Offiziere. Auf diesem Schlacht¬ 
felde, auf dem seit zwei Togen unsere tapferen Regi¬ 
menter ihre Stellungen in erbitterten Kämpfen Mann 
gegen Mann verteidigen, erlitt der Feind außeror¬ 
dentlich schwere Verluste an Toten. 
Die Petroleumquellen in Baku nicht zerstört. 
Die Konstantinopeler Blätter geben ihre lebhaften 
Befriedigung über die Einnahme von Baku durch die 
Truppen von Aserbeidschan Ausdruck, und weilen 
darauf hin. daß der Feind keine Zeit hatte, die 
Napbthgquellen und Anlagen, die gleichfalls besetzt 
sin' /u zerstören.' Die Nachricht von der Einnahme 
vo>> Bak , tagen die Blätter, hat in der Stadt leb¬ 
hafte Genugtuung hervoroerufen und zu einer Freu¬ 
denkundgebung der in Konstantinopel weilenden musel¬ 
manischen und kaukasischen Abgesandten Anlaß 
gegeb.m. 
Eine Schlacht in Palästina. 
wtb Konstantinopel, 21. Sept. Tagesbericht vom 
20. Sept. Palöstinaftont: Der erwartete Angriff 
der Engländer hat begonnen. Illach heftigstem Artil¬ 
leriefeuer setzte am 18. Sevt. abends der Kampf öst¬ 
lich t>er Straße Jerulalem—Nablus in brei¬ 
ter Front ein. Der erste Anstttrm der Gegner zer¬ 
schellte an der tapferen Gegenwehr unserer Truppen. 
Nm Mitternacht führte der Feind neue Truppen gum 
Angriff vor. Der Kampf mit verstärkten .Kräften 
wütete die ganze Nacht mit äußerster Heftigkeit. Bei 
Tagesanbruch war die -Kraft des Angreifers gebro¬ 
chen, der Stoß in der Linie Dscholud—Ncrdi—Abu— 
Zerka aufgefangen. Inzwischen eröffneten die Eng¬ 
länder auch im Küstenabschnitt stärkste? Artil- 
leriefcuer, in da? ibre Schiffsgefchütze von der See 
aus einariffen. Rach zweistündiger Feuervorberei¬ 
tung und erbittertem Nahkampf gelang es ihnen, in 
unsere Stellungen zwsichen der .Küste und der Eisen¬ 
bahn Lidiul—Kerm einzudringen. Dem Druck de? 
an Zahl weit überlegenen GeanerS ausweichend, 
nahmen wir unsere Truppen in d'e Tul—Kerm- 
Stellung zurück, in der weitere Angriffe de? Geg- 
ners erwartet werden. Am Jordan nahmen wir 
feindliche Truppenbewegungen in Wadiandfcka in 
der Gegend von Jericho unter wirksames Feuer. An 
der Straße Jericho—Tell—Nenrin lebhafte Pa¬ 
trouillen. und Fliogertätigkeit . 
Die interalliierte Arbeiterkonferenz. 
* Haag, 21. Sept. Reuter meldet aus London: 
Nach längeren Diskussionen erklärte sich die inter¬ 
alliierte Arbeiterkonferenz einstimmig für die 14 
Punkte Wilsons. Einer der französischen 
Delegierten bradte kinwände gegen die Erklärung 
vor, die besagt, daß di« Nichtannahme der Beschlüsse 
der Londoner Arbeiterkonferenz durch die deutschen 
Mehrhettssozialisten ein Hindernis für die Abhaltung 
der internationalen Konferenz sei. Der amerikanische 
Delegierte Gompers schlug vor sich lediglich bereit zu 
erklären, mit den wenigen Personen in Teur'chland 
zu konferieren, die sich öffentlich gegen die Re erring 
erklären. Dieser Vorschlag des Amerikaners Gompers 
wurde mit 63 gegen 26 Stimmen zurück - »iefen. 
* Das Eiserne Kreuz sür eine ganze Kompagnie. 
In den letzten Kämpfen an der Westfront hat sich 
die 2. Kompagnie der Maschinen-Gewehr Scharf¬ 
schützen - Abteilung ganz besonders ausgezeichnet, jo 
daß der wohl einzig dastehende Fall einzrat, daß 
sämtlichen Unteroffizieren, Gefreiten und Mann- 
schäften das Eiserne Kreuz 2. Klasse verliehen 
werden konnte. 
* Die Krieaskost des Genoffcnministers. Wäh¬ 
rend dnrch Belgien eine Welle des Mitleids 
mit den bedauenr^verten Bewohner« de§ von de« 
BerhanvrmSchten Besetzten Teile» von Belgien geht, 
die nach einer Verfügung der belgischen Regierung 
von Le Havre ihre Heimat verlasien und nach Süd- 
rankreich abgeschaffr werden, geben die Mitglieder 
der belgischen Regierung selbst ein Beispiel, wie man 
es sich trotz des.Krieges wohl sein lasten kann. Die 
belgischen Minister, Stipendisten des Verbandes, 
haben sich selbst ihre Ministergebälter von 21000 
Franken auf 40000 Franken erhöht. Ja, wie das 
in London erscheinende belgische Flüchtlingsblatt 
„Metropole" berichtet, hat der Minister für das 
Jntendanturwesen, Bandervelde, verfügt, daß 
die Minister, und zwar nur diese und keine andern 
Beamten, sich und ihre Familien aus den Proviant¬ 
magazinen der belgischen Armee hinter der Front 
verpflegen dürfen, ohne daß die für andere Personen 
hinsichtlich der VerpflegungSmengen ergangenen Vor- 
chriften angewendet werden sollen. Es ist begreiflich, 
daß die Brüsseler „Belgique" scharf dieses Verhalten 
der belgischen Minister geißelt, besonders das des 
Sozialistenführers Vandervelve, und sagt, das Bekannt¬ 
werden dieser Tatsachen werde seinen Eindruck auf 
die belgische Bevölkerung des besetzten Gebietes nich 
verfehlen. — Die Verpflegung der Bandervelde ist 
sichergestellt — ohne einschränkende Kriegsent¬ 
behrungen, damit sie die darbende Welt unentwegt 
weiter in den Krieg Hetzen können. ' 
* Infolge der ungeheuren Ausbreitung der spa¬ 
nischen Grippe im schwedischen Heere beschloß 
die Regierung, die diesjährigen Herbstmanöver aus- 
fallen zu lassen und dick" Einberufung der Rekruten 
in verschiedenen Regimentern hinauszusckieben. Bis 
16. September sind im Heere 21000 Fälle voll spa¬ 
nischer Grippe gemeldet. 
Völkerbund und EchiveSgericht. 
Im Verlage von Reimar Hobbing in Berlin ist 
soeben eine rund 200 Seiten starke Schrift des 
ReichstagSabg. Erzberger über den Völkerbund 
erschienen, die sicherlich nicht verfehlen wird, das 
Interesse weitester Kreise im In- und Auslande zu 
wecken und den Erörterungen über den Völkerbund, 
die bereits mit solcher Stärke eingesetzt haben, neue 
Nahrung zu geben. In seinem Vorwort betont der 
Verfasser selbst, daß er sich wohl bewußt sei, daß ferne 
Schrift manchen Widerspruch wecken und auch viel 
Krittk finden wird, aber er hofft doch, daß sie zur 
Klärung beitragen wird und vor eHew, das ist wo!)«, 
der Hauptzweck der Arbeit des Abg. Erzbcrger, die 
Diskussion über den Völkerbund in praktische Glesse 
leiten Wird. Abg. Erzberger faßt auch selbst die Sache 
bei der praktischen Seite cm und das letzte Kapttcl 
seiner Scbrist ist „Ein Entwurf der Verfassung des 
Völkerbundes". So wertvoll aber der praktische ^erl 
der Erzbergerschen Schrift auch zweifellos ist, er ist 
ganz selbstverständlich auch der anfechtbarere und 
schwächere Teil. _ 
Die praktische Verwirklichung der Volkerbunos- 
idee ist zweifellos das schwierigste Problem, vor das 
gegenwärtig Staatsmänner und Politiker gestellt 
sind, die sich mit dem Gedanken einer gerechten und 
befriedigenden Beendigung dieses Völkerringens tra- 
gen. Der Völkerbund wird, wenn er kommt, nicht 
gleich beim ersten Guß fix wd fertig da stehen, aber 
er rückt seiner Verwirklichung auch nicht näher, wenn 
immer nur in schönen theoretffchen Ausführungen 
sein Wert und seine Aufgaben gapriesen werden. Dar¬ 
um macht Erzberger praktische Vorschläge; er stellt 
eine Untersuchungüber dos Wesen und die Ausgaben 
des zu schaffenden Völkerbundes an, dem nach seiner 
Ansicht zum mindesten das Deuffche Reich, England, 
Frankreich, die Vereinigten Staaten von Nord¬ 
amerika und Rußland anaehören müffen und kommt 
zu dem Schluß, daß die Statuten diese? Völkerbundes 
folaende Punkte enthalten müssen: 1. Obligatorisches 
Schiedsgericht, 2. Abrüstung, 3. Freiheit der Meere 
und des Weltverkehrs, 4. offene Tür, 5. gemeinsame 
Ausschließrrng Afrika? nnd 6. neutrale Staaten. 
Das Wesentlichste dünkt Erzberger die Schaffung 
eines obligatorischen Schiedsgerichts, denn ohne ecu 
Obligatorium hält er die Idee und die Aufgabe des 
Völkerbundes für unlösbar. Er will das Schiedsge¬ 
richt an die Stelle des .Krieges setzen und hält den 
Spruch de? Schiedsaerl'-ts in jedem Falle für ein 
kleinere? Hebel als den Krieg. 
Heber die praktischen Vorschläge des Abg. Erzber- 
ger wird noch manchmal gesprochen tverden müssen. 
Wir begrüßen indes mit voller Zustimmung den ein- 
leitenden, mehr allgemeinen Teil der Erzbergerschen 
Schrift, in welchem über die Idee und die Geschichte 
der Bölkerbnndsbesttebungen wertvolles Material 
zusammengettagen worden ist. Man empfindet es 
als einen Vorzug des Buches, daß es sich von Polemi¬ 
ken ftei hält und auch die Stellung der Gegner sach¬ 
lich darrrffeaen und zu werten sich bemüht. Ueber. 
Haupt ist der Wille zur Wahrheit ein Charakteristi¬ 
kum dieser Arbeit Erzkergers, wir glauben indes, daß 
gerade daran die schörffte .Kritik der Gegner der An¬ 
schauungen ErzberaerS einsetzen wird. 
Das gilt vor allem von der Stellungnahme Erz- 
berger? zur belgischen Frage. Sie steten im Gegen¬ 
satz und in Widerspruch zu den Darstellungen, die von 
amtlicher deuffcher Seite im Verlauf de§ Krieges 
über Belgien und feine Neuttalität gemacht worden 
sind. Au? dem bekannten Wort de? Reichskanzlers 
von Bethmann-Hollweg über das an Belgien- began¬ 
gene Unrecht, auS der Erklärung des Staatssekretärs 
von Jagow an den belgischen Gesandten am 4. Au¬ 
gust 1914, daß Deutschland Belgien, „deffcn Haltung 
stet? äußerst korrekt war", keinen Vorwurf machen 
könne und aus etlichen anderen Aeußerungen von 
amtlicher deuffcher Seite folgert Erzberaer, ,chaß von 
einer Verschuldung Belgien? jedenfalls bi? zu KriegS- 
beainn an den amtlich"» Stellen in Deutschland 
nicht? bekannt war". Die von deuffcher Seite später 
sel'r viel kommentierten Desvrechnnaen zwilchen bel¬ 
gischen und enakiscben MifftärS im Jahre 1905 bezo¬ 
gen sich nach Erzberger? Darstellung nicht auf eine 
militärische Unterstützung Enalands im Falle eines 
deutsch-französischen Krieges überhaupt, sondern nur 
aus den Fall des Einmärsche? de? deutschen Heeres 
in Belgien. Zur Erhärtung seiner Beweisführung 
führt Erzberger auch an, daß der französische Mobil- 
mackrunc spkan eine-- Einmarsch in Belgien nicht vor- 
gesebm bat. Das N'ckt ^er deutschen Notwehr wird 
von Errberger nicht bestritt-n. aber für eine gerechte 
Beurteilung der belf/cken Frage tut eS not, daß ein 
etwaiges Verschulden oder Nichtperschulden des bel¬ 
gischen Staat» von amtlicher Seite restlos klargestellt 
wird. 
Bor dem Wieder «sammentritL deö 
Reichstag?. 
Die Gestaltung der militärpolitischen Lag« hat e? 
angezeigt erscheinen lasten, den Reichstag früher, als 
ursprünglich vorgesehen wer. wieder zuscunmentreten 
zu lassen. Heut« werden sämtlich: Fraktionen des 
Reichstags, jcbc für sich, Aussprache über die augen¬ 
blickliche Lage pflegen und am Dienstag wird der 
Hcuchtansschuß d:S Reichstages in die Beratung der 
gegenwärtig schwebenden großen politischen Fragen 
eintreten. Mancherorts ist man ciftig bemüht, die 
Ocffentlichkeit glauben zu machen, daß die bevor- 
stehepLyn ÄuSernanLersstzunLrn zwischen Regierung 
und Parlament heftiger und unerfreulicher Natur 
sein werden und daß darum wieder einmal eine kri¬ 
senschwangere Atmosphäre über dem Reiche laste. Es 
liegt auf der Hand, daß jene, die diese Auffassung ver¬ 
breiten und nähren, auch ihr Möglichstes tun wer¬ 
den, um ihre dahingehenden Wunsche zu verwirk¬ 
lichen; wir'sind aber überzeugt, daß die uberwaltt- 
oende Mehrheit des deuffcben Volkes mit diesen be¬ 
flissenen Krffemnackern nichts gemem baben will 
und dos dringliche Erwarten hegt, daß all dos, was 
zu sagen und zu tun ist, rein sachlich gesagt und zum 
Austrag gebracht wird. 
Jene Leute, die keine Gelegenheit vorubergehcn 
laffen zu können glauben, obne da? Volk durch neue 
Krisengerüchte und Krisenbeschchörnngen zu 
beunriibigen. sollen eS sich gesagt sein laffen, daß sie 
Verbrechen am deutschen Volke begehen, das wahr¬ 
lich im fünften Kriegsjahr an Sorgen und Lasten 
genug zu wagen hat, um mit Recht verlangen zu 
können, daß es nicht durch unnöffge Beunruhigun¬ 
gen behelligt werde. Wer jede Not des Vaterlandes 
fiir eigene oder parteipolitische Zwecke auszubeuten 
besttebt ist oder doch nickt die Nerven besitzt, um mich 
in kritischen Zeiten Besonnenheit und Ruhe zu be¬ 
wahren, verwirkt dos Recht, als Führer des Volkes 
zu gelten, denn von seinen Führern erwartet das 
deutsche Volk in erster Linie, daß sie den Kopf oben 
behalten und gerade in kritffchen Augenblicken durch 
aufgeregtes Reden da? Uebel nicht noch vergrößern. 
Will der Reichstag sich seiner großen Aufgabe in 
schwerer Zeit gewachsen zeigen, dann hat er gerade 
jetzt die Pflicht, besonnen und ruhig die voll» 
tische Lage zu prüfen und ohne viel Reden zum Fen¬ 
ster hinaus zu tun und zu beschließen, was fein Ge- 
wiffen ihm zum Wähle de? Volkes und Vaterlandes 
vorschreibt. Daß die Zeiten ernst und kritffch sind, 
weiß bei uns nachgerade jedes Kind und eS tut wirk¬ 
lich nickt not. daß unS dies immer wieder versichert 
wird. Das deuffche Volk bat die Nerven, um auch 
in kriffschen Zeiten seine Ruhe zu bewahren und 
seine Pflichten zu erfüllen; will der Reichstag die 
wahre Vertretung des deuffchen Volke? sein, dann 
hat er jetzt zu zeigen, daß auch ihm Ruhe lind eiserne 
Pflichterfiilllmg eigen sind. Niemand wird ihm das 
RechtaufKritik absprechen wollen; im Gegen- 
teil erwächst ihm die Pflicht zur .Kriffk umsomehr, 
je zurückhaltender die Presse im Jntereffe des Vater¬ 
landes ist und sein muß. Und es gibt sicherlich 
mancke Dinge, über die mit der Regierung ein ern- 
stes Wort zu sprechen ist; wir verlangen ober, daß die 
Auseinandersetzung mit der Regierung in sachlicher 
Art und nnr im Jntereffe von Volk und Vaterland 
vor sich geht. Hat das Volk da? Bewußffein, daß eS 
dem Reichstag und allen Parteien nur um die Sache, 
um das Wohl des Vaterlandes zu tun ist, dann wird 
es auch mit Vertmuen den Ergebniffen der bevor¬ 
stehenden Reichstagsverhandlungen entgegensehen. , 
Mit Argwobn aber können wir nnr das Bestre¬ 
ben verfolgen, daß die gegenwärtig« Lage zu einer 
Erweiterun der Reckte des Parlamentes ausnutzen 
will . Nicht als oh wir Gegner einer Verstärkung de8 
parlamentarischen EinfllisseS auf den Gang der Re- 
gicrungsgeschäfte wären; wir sind vielmehr getreu 
den Richtlinien, die der Reick»sonsschuß der Zen¬ 
trumspartei fiir unsere poliffsche Arbeit und unser 
politisches Wollen ausgestellt hat, fiir eine „kraftvolle 
Volksverttetung? und für eine „volkstümliche und 
freiheitliche Ausgestaltung der Versaffung"; aber die 
Taffache, daß es immer wieder dieselben Kreffe sind, 
die jede viaffende und un,passende Gelegenheit zu ein« 
vollen Erfüllung ihrer in dieser Richtung sich bewe¬ 
genden Sonderinteressen auszunutzen bestrebt sind, 
zwingt uns zur Vorsicht und Zurückhaltung. Eine 
weitere Parlamentarisierung der Regierung liegt 
möglicherwcffe im Jntereffe des Reiche?, aber dann 
soll man dies Interesse auck unzwerdeuffg Wachen, 
und in den Vordergrund rücken, sonst werden alle- 
die keine Lust haben, zur Befriedigung kleinlichen! 
pcwteiboliffschen Cbroeizes beizutragen, gezwungen 
sein, ein kräftiges Hänoe Weys zu rrrsen. Wir befürch¬ 
ten nicht, daß die Zentrumsstastion des Reichstags 
nicht restlos dieser gleichen Auffassung ist und ihr, 
ganzes Gewicht in die Waaschale werfen wird, um 
zu gewährleisten, daß vom Reichstag jetzt rein vatev 
ländische Arbeit getan wird. S 
Deutscher Reich. 
* i: Tie Parteiführer beim Vizekanzler. Die Par. 
teifübrer sind am Freitag vom Vizekanzler v. Payer 
einzeln empfangen worden. Der Inhalt der Be¬ 
sprechungen ist nicht bekannt, da sie vertraulich 
waren. i 
T Adolf Hoffmann beinahe verhaftet. Der sozial¬ 
demokratische Landtagsabgeordnete Adolf Hoffmann 
erschien Donnerstag obend in einer Wählerversamm¬ 
lung im Berliner LehrervereinshauS utzd wäre dort 
beinahe verhaftet worden, weil der überwachende 
Polizribeamle aus einigen Ausführungen Hoffmanns 
eine Aufforderung zum Landesverrat berausgehörl 
hatte. Hoffmann erzählt darüber im ,Berl. Tagebl.st 
er sei durch das Gedränge im Saal von dem über¬ 
wachenden Polizeibeamten, der seine Verhaftung 
vornehmen wollie, abgedrängt worden und habe sich 
„vom Feinde unbemerkt strategisch klug zurückge»! 
zogen". ! 
y Der päpstliche Nuntius in München Paeellr 
besichtigt nach Blättermeldungen gegenwärtig die 
norddeutschen Gefangenenlager. Am Donnerstag 
traf der Nuntius in Hannover ein und beaab sich 
ans fi-incc BcsichtigungSrvise zunächst nach Ceii^. 
Lskaler. 
Fulda, 23. September 1 U8. 
4> Da? Eiserne Krmz erhielt in Frankreich der 
Fahrer Hau) Kircher, Sohn der Frau Adam 
Kircher Ww., für seine aufopfernde Tätigkeit als 
Sanitätssoldat in einem Feldlazarett. Die gleiche 
Auszeichnung erhielt der Glasermeister * Adam 
Waider. 
□ iie HilsSdienstreifeprüsung bestanden heute 
on der Oberrealschule die vier Prüflinge: Paul 
Antoni (Fulda), Eschweae (Fulda), E. Raimanv 
(Hünfeld) und Fr. Salditt (Bad Orb). 
1* Bcsikwechscl. Das früher Hulmacher Ham- 
mel'scke Mrus Mittelstraße 29 ging um den Preis 
von 19 000 Mark in den Besitz des Glasermeister^ 
Adam Waider hier über. 
:-: Bunter Kunstabcnd. Im Saale des Bürger- 
Vereins fand vorgestern ein Wohttätigkcits - Konzert 
zum Besten der Berwundeien in den Lazarette» 
Lehrer - Seminar und Josephsheim statt, dar fick 
eines außergewöhnlich starken Besuches erfreut» 
'denn der Saal war bis zum letzte» Plätzchen besetzt. 
Die Darbietungen fanden sämtlich den größten Bei 
fall. Die Jungwehrmannschafts-Kapelle aus Hanau 
spielte unter der Leitung ihres Kapellmeisters H. Hett 
flotte Märsche—Tänze und Ouvertüren so klangschön 
und exakt, dag cs eine Freude war, ihr zuzuhören. 
Herr Hellmund aus Essen ipiett ein Berwi-Kon- 
zert für Violine und hatte dabei Gelegenheit, seine 
vollendete Technik, die keine Schwieriukeltes
	        
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