Full text: Fuldaer Zeitung (1918)

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Nr. 25. 
Montag den 26. Januar 1918. 
45. Zahrgang. 
v Ter öciilidje Tagesberikht. 
f r-td Berlin, 28. Jan., abends. lAmtlich.) 
\ Von den Kriegsschauplätzen nichts Neues 
> nid Großes Hanpiqualtier, 27. Jan. (Amtlich.) 
) Westlicher Kriegsschauplatz. 
_ Fast an der ganzen Front blieb die Gefechts- 
tätiakeit gering. 
Bei kleineren Unternehmungen südlich von der 
Oise und in den oberen Vogesen südlich von Lusse 
wurden Gefangene eingcbracht. 
Italienische Front. 
Auf der Hochfläche von «s iago und östlich von 
her B r e n t a lebhafter Feuerkamps. Ein italienischer 
Angriff gegen den Monte P e r t i c a scheiterte. 
Bon den übrigen Kriegsschauplätzen nichts neues. 
Der Erste Generalquartiermeister: Ludendorff. 
wtb Berlin, 27. Jan., abends. (Amtlich.) Von 
den Kriegsschauplätzen nichts Neues. 
Qesterreichisctl-iinliarische Tagesberichte, 
wtb Wien, 26. Jan. 
Die Artillerietätigkeit war namentlich auf der 
Hock fläche der S ieben-Gemeinden und beider- 
seit» der Brenta sehr lebhaft. 
Der Chef des GeneralstabS. 
»td Wien, 27. Januar. 
Auf der Hoc! fläche von A s i a g o und östlich der 
Brenta war die Arttllcritägkeit auch gestern sehr 
lebhaft. 
Ein feindlicher Angriff gegen unsere Stellungen 
auf dem Monte Pertica wurde adgewiesen. 
Der Chef des GeneralstabS. 
KühlmanrrS Antwort auf d'.e Reden im 
Hauvtausfchutz. 
wtd Berlin, 26. Jan. Dm SamStag setzte der 
HauptanSschvIß de» Reichstags die Besprechung der 
Auswärtigen Politik fort. 
Dbg. Dr. David (Soz.) führt miS: Die beiden Tr- 
klärunaen vom 2ö. und 23. Dezember stehen tatsächlich 
iui Wcoerspruch, daraus erklärt >:ch di: veränderte Hak- 
tung der russischen Unterhändler. Die Befürchtung vor 
der einsetzenden revolutionären Agitation in den jetzt 
besetzten Gebieten ist ein Gespenst. Die Grenzländer 
zwischen Deutschland und Rußland sollen nicht Bar. 
rieren sein, sondern Brücken. Wir haben Aussichten, 
zuni Frieden zu kommen, die müssen wir auönutzen, 
noch vor der geplanten Offensive, lieber Belgien müs- 
sen wir eine positive Erklärung abgeben.. Die Wahl 
in Bautzen sollte die Konservativen belehren und un- 
fere Staatsmänner sollten vom Grafen Czernin lernen. 
Wir drohen nicht, sondern warnen. 
Abg. Dr. Naumann (Vpt.): Die deutsche Regie, 
rung hat Recht, wenn sie die besetzten Gebiete vor bol- 
schewistischem Terrorismu» bewahrt. Die Zwischen» 
Völker haben zu wählen zwischen dem chaotischen Ruß» 
kmrd und dem wirtschaftSkräftigen Deutschland. Eine 
austrophile Lösung der polnischen Frage (Anschluß Po- 
lenS an Oesterreich) braucht durchaus nicht eine Quelle 
von Mißverständnissen zu sein. Wenn die Friedensver. 
Handlungen in Brest noch nicht zu oindenden Bbmachun- 
gen geführt haben, so trägt der mürbe Zustand in Ru߬ 
land selbst die Ursache. WilsonS FriedenSvorsck läge 
scheinen mir ein ernster Versuch zum Frieden vor der 
Kntscheidung zwischen Leben und Tod. ES war ange- 
zeigt, ernsthaft darauf einzugehen. Zu den Spezial, 
punkten Wilson» ist zu sagen, daß niemand verlangen 
kann, Deutschland solle ander» al» auf dem Boden der 
Unversehrheit deS Reicher »erhandeln. Hinsichtlich Bel- 
gienS ist ein positives Wort in dem verlangten Sinne 
zu sprechen. Mit jedem KriegSjahr wird der Wieder- 
aufbau auch unsere» Staatswesens immer uwhr ge¬ 
fährdet. Deutschland geht nicht unter, aber es siegt 
auch nicht auf der ganzen Erde. Mit dem Streit über 
Warnungen und Drohungen kommt man über die Ar- 
beiter- und Streikfrage nicht hinweg. DeS. 
halb müffen wir über diese Dinge offen reden. Der 
Redner spricht über ein neuverteiltes Flugblatt, 
das zum Sturz der Reg ie rung, zur Zerschmet¬ 
terung der Bourgeoisie, zur Revolution und zur 
Errichtung der Republik auffordert, den Son» j 
derfrieden ablehnt und zu M a s s e n st r e r k s in den 
nächsten Tagen, namentlich in der Munitionserzeu« i 
gung und im Berkehr rat. Welche Bedeutung diese» 
Flugblatt hat — wir können e» nicht leichthin über- j 
sehen. Wieviel Schuld wagen die. die aus dem Ber. 
teidigungskrieg einen Eroberungskrieg machen wollen? 
Unser Staat ist gesund, aber der Krieg hat ihn hart 
ßt. Redner wendet sich gegen T i r p i tz. der 
die Oesfentlichkeit in unerhörter Weis« aufgewühlt Hab«. 
Die Erwiderung Kühlmanns. 
r‘ Staatssekretär v. Kühlmann nahm hierauf noch ein¬ 
mal da» Wort und erklärte, auf die Einzelheiten der 
Verhandlungen zurückgreifend, dem Wunsche, daß di» 
Minister häufiger öffentlich sprechen und den 
Gegnern antworten sollten, stehe «r sympathisch gegen¬ 
über. Aber man müsse bedenken, daß untere Minister 
durch ihre Ressorts ganz anders überlastet seien, als 
tzum Beispiel tn England, wo die Minister in erster 
lLinie Politiker seien. Die Deutschen seien auch kriti¬ 
scher veranlagt als die Engländer. Wenn bei uns auch 
bi« Minister öfter öffentlich sprächen, würd« jede Aeuße- 
rung eine» Staatssekretär» oder Minister auf der Wag- 
Bjale gewogen, seziert und analvsiert werden nnd da» 
«sweben weiter Kreise würde dahin gehen, zwischen 
den Ausführungen der einzelnen Minister Abweichun. 
gen im Tone festzustellen. Deshalb als« würde bis zu 
einem gewissen Grade eine Schwächung der Negieruna»- 
politik einweten. Abweichend von der Mehrzahl der 
Reimer habe Graf Westarp ausgesprochen kritisch zu den 
-Verhandlungen in Brest-Litowsk gesprochen uifd sein 
Hauptvorwurf sei gewesen, daß die deutsche Delegation 
sich nicht auf den Boden der Annexionen gestellt habe. 
Ein solcher Boden sei für un» unmöglich gewesen. Tie 
Kried'nSbedingungen mit dem Osten seien selbstver. 
stündlich mit der Obersten Heeresleitung erörtert wor¬ 
den und im allgemeinen hätten nie Differenzen bestan- 
den. 
Der Staatssekretär ging dann auf di« Differenzen 
Rußlands mit der Ukraine und ihre Rückwirkung 
auf die Friedensverhandlungen ein. Tie Republik der 
ukrainischen Rada in Kiew ist sowohl von den Bol. 
schewisten als von un? als selbständige Republik an- 
erkannt worden. Auf seiten der bolschewikischen Abord- 
nung sind, solange sie hoffte, daß die ukrainische Abord¬ 
nung als diplomatische HilfStruvpe für sie einweten 
Würde. Schwierigkeiten nicht erhoben worden. Al» die 
Herren aber sahen, daß die Ukrainer ihre eigenen Wege 
gingen und national-ukrainische Ziele verfolgten, ist 
allerdings ein Umschwung eingeweten. Wir stehen auf 
dem Standpunkte, daß sowohl Finnland wie die Ukraine 
genau in demselben Maße berechtigt sind zur freien 
diplomatischen Aktion nach außen wie irgendein an« 
derer Staat. 
Der Herr Abg. Scyda hat beklagt, daß zwar die 
Vertreter der Ukraine amtlich in Brest-Litowsk tätig 
gewesen seien, nicht aber die Vertreter der p o I n >« 
fchenDelegation. Auch Herr Trotzki meinte einer 
Tage?, warum diese Vertreter nicht erschienen seien. 
Als ich aber meineSteilt mich auf den Standpunkt stellte, 
wir feien ohne weitere» bereit, die Vertretet frage in der 
entgegenkommendsten Weise zu behandeln, sobald er sich 
auf den Standpunkt stellte, wie e» logisch gan^ unauS- 
toeichlich war, daß doch nur Vertreter oejtehenüer 
i 
StaatSkörper zu den Verhandlungen zugelassen würden, 
wat er einen eiligen und nicht sehr geordneten Rück, 
zug ar> und hatte es bisher aufs ängstlichste vermieden, 
an diese heiße Schüssel wieder heranzukommen. Also 
müssen die Herren, die sich darüber beklagen, daß die 
verweter der Randvölker noch nicht da sind, sich an die 
Berweter der Gegenseite wenden. Sobald die russische 
Delegation sich auf den Standpuntt stellt, e» handelt 
sich um Vertreter von Staatskörpern mit StaatSNssllen, 
werden Ww ohne weiteres die Frage praktisch in die 
Hand nehmen. Bei der Ukraine liegen die Dinge an. 
derS. da ist sowohl von der bolschewistischen Regierung 
als Vonseiten der Mittelmächte die selbständige Staats« 
persönlichkeit und daS Recht zur diplomatischen Verwe- 
tung anerkannt worden. 
Der Abg. David hatte darauf hingeiwesen, daß der 
BerwetungSkörper in Litauen, der einzige Vcrtre» 
tungSkörper, für dessen Zusammensetzung wir sozusagen 
voll verantwortlich sind. wirklich vcrstäird'g und ehrlich 
zusammengesetzt worden ist, so daß eine Berwetung deS 
litauischen Volks in seinen Schichten mrd Strömungen 
nach Möglichkeit ersttebt worden ist. Der Schluß, den 
ich daraus ziehen möchte, ist der, daß Sie Vertrauen zu 
uns haben sollen, daß wir weiter arbeiten werden in dem 
Sinn und auf den Grundlagen, die für die Zusammen» 
setzung des litauischen VcrtretungskörperS maßgebend 
aewelen sind. Die Auffassung, als würden wir kür 
die Verbreitung der anderen vorhandenen Vertretung?, 
körper bi» zum ÄriegSschluß warten, möchte ich auS. 
drücklich ablehnen. 
Die Methode der Bolschewiki ist hier viel 
zu zart behandelt worden. Wir wollen die Sache beim 
Namen neunen. Trotzki hat mir gegenüber zweimal 
offen kundgegeben: Unsere Regierung hat leine andere 
Grundlage als die Macht. Die Bolschewiki» stützen sich 
einfach auf die brutale Macht, ihr Argument sind 
Kanonen und Maschinengewehre (Sehr richtig!). Die 
Bolschewiki predigen sehr schön, aber praktisch sieht e» 
ander» ans. Sie haben die finnische Volksrepublik fcier» 
lich anerkannt, sie haben die Freiheit dieser Volksrepu¬ 
blik, diplomatische Vertreter zu empfangen, niemals in 
Frag« gestellt, aber wenn eS auf die PrariS anlommt. 
Vertreter hinzuschicken, machen sie die größten Schwie¬ 
rigkeiten. Und wenn den Herren Berichte au» Finnland 
zur Verfügung stehen, werden sie wissen, daß die Sol¬ 
dateska dort eine Gewaltherrschaft auSübt, wie sie 
schlimmer in den schlimmsten Zeiten des Zarismus nicht 
dagewesen ist. Wenn ich auf das Verfahren der Bol¬ 
schewiki gegenüber der mit so großem Pomp angekün¬ 
digten gesetzgebenden Versammlung verweisen darf, so 
war die hauptsächlichste Vorbereitung, daß zwei Kreuzer 
sich vor das Taurische Palais legten und ihre zlanonen 
mit scharfer Munition auf die Fenster diese» Palais 
richteten. Als diese» Argument auch nicht durchschlagend 
genug war, wurden die Herren einfach mit Bajonetten 
nach Hause gejagt. (Hört! Hört!) 
Abg. Naumann ist auf den Ausdruck „auftto-polnifche 
Lösung" zurückgekommen. Der AuSdnick scheint nicht 
ganz glücklich. Die Frage ist mitzerordentlich schwer¬ 
wiegend, und da» zeigt sich auch darin "cbon, daß die 
Vorbesprechungen, die jetzt seit Monaten im Gange sind, 
und die sowohl von Oesterreich-Ungarn al» cnich von 
un» mit allem Eifer gefördert werden, noch nicht zu 
irgendeinem „mitteilungsreifen" Zustande gelangt sind. 
Der Herr Abg. Naumann hat ein Flugblatt 
verlesen, welches interessante Ausblicke gewährt. Wenn 
diese» Flugblatt die Ansicht der Unabhängigen 
wenn diese Ansichten mit denen der Bolschewik! sich in 
so vollkommener Uebereinstimmung befinden, wie wir 
mehrmals von der äustersten Linken gehört haben, so 
möchte ich allerdings an den Abg. Dr. David die Frage 
richten, ob er dann über die unbedingte Sicherheit de» 
Trotzkischen Friedenswillen» noch ebenso bestimmt und 
optimistisch denkt, wie er da» beute früh zum Ausdruck 
gebracht hat. Ich möchte diesen Friedenswillen nicht 
leugnen, ich möchte nur darauf Hinweisen, daß der- 
arttge Aeußerungen — und eS find mir auch derartige 
Aeußerungen von russisch-marimaliftischer Seite mehr 
al» «ine begegnet, — doch die Möglichkeit erkennen las. 
sen, daß bei diesen Herren noch eine andere Politik 
gettieben wird, al» die de» offenen, ehrlichen Friedens¬ 
schlüsse». mit den nun einmal wie die Sünde und da» 
Gift verhaßten „Bourgeoisie-Regierurngen der Zen¬ 
tralmächte'. 
Ein» kann ich sagen, daß ich nach dieser Debatte, 
welche in weitestem Umfange für un» Klärung gebracht 
hat, mit vermehrter Ruhe und Sicherheit 
h i n a u » g e h «, um die schwierigen Verhandlungen, die 
noch bevorstchen, fortzusetzen. Sie können sich darauf 
verlassen, meine Herren, daß der ernste Friedens¬ 
wille, der der oberste Leitstern der deutschen Regie¬ 
rung ist, uns dazu bewegen wird .auch weiter mit der 
größten Sachlichkeit und Geduld jeden Weg zu gehen, der 
zu einem vernünftige» und ehrenvolle» Frieden führen 
kann. 
Nach dem Staatssekretär spricht zunächst Abg. Ha,se 
(U. Soz.): Daß Trotzki den Frieden will, ist zweifel. 
loS, aber die Bolick'ewki können kein Volk Rußlands 
preisgeben. Der Redner verliest auS einer Denkschrift, 
die unter dem Kanzler Michaeli» an Oesterreich-Ungarn 
ergangen sei. einige auf den Osten bezügliche Stellen 
und sagt, eine offene Annexionspolitik ist mir lieber als 
eine Volitik hinten herum mit Funksprüchen. Welche» 
sind die Pläne im Westen? Die angezogcne Denkschrift 
gibt ein weitgehende» AnnexionSprogramm. Elsaß- 
Lothringen verlangt die Autonomie. Ter Krieg darf 
um diese» Gebietes wegen nicht verlängert werden. Die 
Bewohner sollen absttmmen dürfen, darauf kann man 
sich einigen. Da» von Dr. Naumann erwähnt« Flug¬ 
blatt war ihm früher bekannt als unS. Wenn Generale 
mit dem Streik drohen, so darf man dasselbe den Ar¬ 
beitern wcht verübeln. 
Gegen die Streikhetze. 
Staatssekretär de» Innern Wallraf führte alsdann 
folgendes auS: Abg. Naumann hat heute vormittag 
ein Flugblatt erwähnt, daS jetzt im Wortlaut mir vor¬ 
liegt. DaS Flugblatt klingt au§ in den Ruf: «Rüstet 
zum allgemeinen Massen st reif in den 
näch sten Tagen!" Ich habe zu diesem Aufruf 
folgendes zu sagen: Die verbündeten Regierungen sind 
sich der Pflicht zur Aufrechterhaltung der 
öffentlichen Ordnung und Sicherheit un. 
tcr allen Um st än den bewußt. Von unserer Ar¬ 
beiterschaft, der ich während meiner ftllheren Tätigtest 
jahrelang nahgestanden, habe ich eine viel zu hohe Mei- 
nung, al» daß ich glaubte, auch nur ein kleiner Teil 
unserer politisch und wirtschaftlich denkenden Arbeiter- 
schast könne einem solchen, nicht zu verantwortenden und 
von unverantwortlicher Stelle ausgehenden Ruf zum 
Ausstand. Folge leisten. 
Wie ist denn die Lage? Wir stehen in Verhand¬ 
lungen über einen Sonderfrieden mit Rußlaich. Daß 
wir nur über einen Sonderfrieden verhandeln, ist doch 
nicht unsere Schuld. Von Deutschland ist die Friedens, 
resoluiion des Reichstag» miSgegangen. ftm gleichen 
Sinne bat Deutschland die Papstnot« beantwortet. Mit 
Zusttmmung des deutschen Delegierten ist von Brest.Li- 
towsk auS der Ruf zur Beteiligung an den Friedensver¬ 
handlungen an alle unsere Feinde ergangen . Was 
war die Antwort von der anderen Seite? Schweigen 
oder hohnvolle Zurückweisung. Und wenn wir ttotz alle¬ 
dem jetzt in etwa die Atmosphäre der Friedensnäbe 
atmen, barm danken wir da? nicht nur unserer Frie. 
dxnSneigung, sondern auch der Einheit und Kraft, die 
wir bi» seht Gott sei Dank bewahrt haben. Wer scheel 
sieht auf diese Einheit und Kraft, da» sehen Sie a»S 
den feindlichen Zeitungen, von denen noch jüngst der 
„TemvS" in ähnlichen Worten wie daS Flugblatt die 
deutschen Arbeiter zu AuSständen aufruft. Wenn e» den 
Feinden gelänge, die innere Front zu zerbrechen, dann 
würden alle die Raubpläne unserer Feinde wieder auf- 
wachen, der Krieg würde inS Unendliche verlängert, und 
gerade die Arbeiterschaft hätte davon wirtschaftlich und 
politisch die schwersten Folgen. Ein Wirtschaftskrieg 
bricht auch die Front draußen und bringt den Männern 
den Tod, die für Heimat, Weib und Kind de» Arbeiter- 
streiten. Im gleichen Augenblick, in dem die deutschen 
Räder stillsteben, werden die Räder der MunitionSfabri. 
ken in Frankreich. England und Amerika doppelt emsig 
schaffen. Alle Stände, arm und reich, haben gewetteifert 
in der Treue zum Vaterlande. Daß auch die deutsche 
Arbeiterschast in dieser vorbildlichen Treue anSharrt, da» 
ist und bleibt mein fester, zuversichtlicher Glaube. 
Abg. v. Graefe (kons.) polemisiert gegen den Abg. 
Erzberger und gegen die Aeußerungen der österreichi¬ 
schen Presse, die in Dentschland verstimmt haben. Die 
konservative und alldeutsche Presse hat so gut da» Rech 
an der Regierung Kritik zu üben wie die übrigen. Man 
darf unS keinen Eroberungskrieg unterstellen, den wo 
len wir nicht, sondern eS ist unsere besondere Anffas, 
sung von dem, wa» für unsere Verteidigung ur.d Sicher¬ 
heit erforderlich ist. Der Redner wendet sich gegen die 
Angriffe auf Tirpitz. 
Abz. D. Mumm (D. Fr.) begrüßt die Erklärungen 
de» Staatssekretär? Wallraf. In der Frage deS Erz. 
beckens von Briey bat man nicht nur Arbeitgeberinter¬ 
essen zu sehen. l-'iruf.) Es handelt sich hier nicht 
um Stehlen, sondern um daS älteste Recht der Erde, 
da» EroberungSrecht. 
Der Vorsitzende Abg. Febrenbach führt in einer An¬ 
sprache auS: Wir sind am Schluß unserer Verhandlun¬ 
gen angelangt. Wir wünschen den weiteren Arbeiten 
d-i Staatssekretär» v. Kühlmann anten Erfolg, k» ist 
eine schwere Arbeit. In wesentlichen Punkten besteht 
Uebereinstimmung mit seiner Politik, und wir sind be- 
reit, den Friedensbestrebunaen unsere Unterstützung zu¬ 
teil werden zu lassen. Besonder? begrüßen wir da» 
treue Festhalten an unserem.Bündnis mit Oesterreich. 
Ungarn, al» dem Eckstein unserer Politik. 
» 
Nicht in den Rücken fallen! Diese Mah« 
nun» erging zunächst in dem Sinne, daß men unsere 
Unterhändler bei ihrer schwierigen Arbeit nicht 
von hinten her stören solle. Jetzt mußte ein noch diel 
«rnstereS Wort gesprochen werden, um den Rücken un¬ 
serer Krieger zu schützen gegen einen drohenden An. 
griff miS der Heimat. Denn da» Flugblatt der «Un¬ 
abhängigen", da» znm Streik auffordert, ist nicht» 
andere», al» ein nnverantwortkicher versuch, unseren 
Söhnen rmd Brüdern die Abwehr de» Feinde» z« er. 
schweren, den Krieg zu verlängern, die Kraft der Gegner 
ju verstärken, die Zahl der deutschen Toten und Ver¬ 
wundeten zu vermehren. 
In Oesterreich sind die Ansätze zu einem un¬ 
sinnigen Streit glücklicher Weise bald überwunden wor¬ 
den. Dort hat sich klar hermiSgestellt, daß so etwa» 
keinen Nutzen bringen kann, weder für die Friedens¬ 
sache, noch für die VolkSverpftegnng, sondern nur schäd¬ 
lich wirkt für da» Vaterland und für die Arbeiterssasse 
im besonderen. Und jetzt wagen frevelhafte Leute, den 
deutschen Arbeitern ein so widersinnige», selbst, 
möiderische? Vorgehen anznraten. 
Hoffentlich wird dic'eS Geschoß ,da» gegen den Rü¬ 
cken unserer Wehrmacht abgefeuert wird, ein Blindgän¬ 
ger bleiben. Das Flugblatt bildet eine Probe auf den 
gesunden Menschenverstand unserer Arbeiter. Denn c» 
kommt schließlich darauf an, daß sie sich ssar machen, 
welche Wirkungen der angeratene Autstand haben 
würde. 
Sind denn die Zustände in Rußland so verlo¬ 
ckend, daß wir nn» auch innere Kämpfe und Ohnmächten 
nach außen verschreiben lassen? In Rußland wütet 
der Bürgerkrieg und bringt Unsicherheit für Leib und 
Leben. Infolge der inneren Wirren sind die Grenzen 
entblößt, und gegen den Einmarsch der gegnerischen 
Truppen wird Rußland nur geschützt durch seine kolossale 
Ausdehnung. Wenn Deutschland durch innere Wirren 
und durch Unterbrechung der Zufuhr von KriegSmate. 
rial in einen äbnlichen Zustand der Hililoiigleit gera¬ 
ten sollte, so hätten wir sehr bald den Feind im 
Land e. Wenn jemand wünschen sollte, daß unsere 
Provinzen von Engländern ,md Franzosen überffntet 
werden, wie zu Anfang de» Kriege» Ostpreußen v»n den 
Russen, so ma, er streiken al» bewußter Verderber de» 
Vaterlandes. Aber weim er den bösen Willen nicht hat. 
so würde er handeln wie ein törichtes Kind, das in 
Stroh mit Streichhölzern spielt. 
Wer den Frieden wünscht, muß diesen gemein 
schädlichen Volksverführern entgegentreten. Die Weh 
ist auf dem Wege zum Frieden. Wer hat die Bahn ge¬ 
brochen, daß eS überhaupt zu Friedcnsverhandlunge, 
im Osten und zu einer gewissen An..äherung an de« 
Friedenigedanken im Westen gekommen ist? Nur der 
Pierbund unter der Führung des ebenso starken, als 
fticdliebenden Deutschland. Auf diesem Wege müssen 
wir fortfahren, um zu dem allseitig erstrebten Ziele zu 
kommen. Ein Streik in Deutschland würde aber den 
S ti l l st a n d de? Friedenswagens bedeuten. Oder gar 
ein ZurückgleitenI Denn jede Unruhe in Dentschlmtd 
würde die Feinde veranlassen, ihre Annäherung an den 
Friedensgedanken aufzugeben und nunmehr erst recht auf 
weitere Kämpfe und die volle Nieder Wei¬ 
sung auszugehen, da sie auf die Schwächung im Nach¬ 
schübe von Munition usw. spekulieren könnten. DaS 
gäbe ein neues Meer von Blut und Leiden, der Krieg 
würde verlängert und zu Unserem Unheil ver¬ 
schärft. Käme dann endlich ein .Friede" heraus, so 
wäre es ein Schmachtfrieden für das ganze Volk 
und — wenn man das neue Wort wiederholen darf — 
ein Schmach t ftieden für die Arbeiterklasse im beson¬ 
deren. 
DaS ist so klar, daß auch der einfachste Mann und 
jede verständige Frau begreifen kann, wie das Flug», 
blatt geradezu selbstmörderische Ratschläge gibt. 
Unsere Feinde werden gespannt lauern auf die Wir¬ 
kung. Um so mehr, als sse selbst in ihrem Interesse 
schon den „dummen Deutschen" den Streik empfohlen 
hatten. Wir vertrauen aber auf den gesunden Verstand 
unserer Arbeiterklasse und hoffen zuversichtlich, daß die 
Probe zu unseren Gunsten ausfällt. Es sind HelfcrS« 
helfer der Enten te (ob sie bewußt oder unbewußt 
so handeln, mag ja dahin gestellt bleiben), die ans die¬ 
sem krummen Wege die Entwicklung zum Frieden ge¬ 
fährden. 
DaS deutsche Volk h«ft sich durch mehr als drei schwer« 
Hahre hindurch nicht nur kraftvoll, sondern auch beson. 
nen gezeigt. Sollte eS in dem letzten Akt der Schicksals¬ 
tragödie die Vernunft verlieren, seine eigene Kraft unter¬ 
graben, seine ganze Zukunft verderben können? 
DaS ist undenkbar. Wir werden nicht unseren käntt 
pfenden Brüdern und Söhnen in den Rücken fallen! t 
* "'! 
Zu dem im Hauptausschuß besprochenen Flugblatt 
kann der „Berl. Lok.-Anz." mitteilen: In den letzten 
Tagen sind in Berlin Flugblätter und Drrickschriften 
verbreitet worden, die zur Arbeitsniedelegung u::d zum 
Massenstreik auffordern. DaS eine Flugblatt ist von 
der Fraktton der Unabhängigen Sozialisten 
im Reichstag ausgegeben, da» andere kommt von einer 
Kligue von DpartakuSleuten (Licbknechtanhän- 
gern) aus Neukölln. 
In einzelnen Fabriken ist bereits Stimmung dafür 
gemacht worden, mit Anfang dieser Woche in den Streik 
zu treten. 
Gegenüber den sozialdemokratischen AuSstandsdroh. 
ungen wird der «Köln. VolkSztg." au» christlich-natio¬ 
nalen Arbeiterkreisen mitgetelt, daß die nicht sozialistisch 
beeinflußte Arbeiterschaft einen etwaigen A u s st a n d 
in der gegenwärtigen Zeit mit aller Entschie¬ 
denheit a b l e h n t, erst recht einen Massenausstand 
mit einem politischen Hintergründe. Die christlich-natio¬ 
nale Arbeiterschaft hält daran fest, daß große Arbeits¬ 
niederlegungen gegenwärtig eine Gefährdung unserer' 
kämpfenden Truppen und ein Verbrechen an den Vater. > 
ländischen Interessen sind. In der ggenwärtigen ernsten > 
Zeit gelte noch vollinhaltlich, was der Vorstand de» Ge«' 
samtverbande» christlicher Gewerkschaften im April d. I.! 
anläßlich der Ttreikbewegnng in Berliner Rüstungsbe-' 
ttieben in einem- Aufruf öffentlich gesagt hat: 
«Kollegen und Kolleginnen, hütet euch vor jenen 
dunklen Kräften, die unter dem Deckmantel der LebenS» 
mittelnot politisch« revolutionäre Ziele erstreben. Tretet 
diese« Treibereien ans» entschiedenste entgegen und er¬ 
füllt nach wie vor eure Pflicht. . . . Jede unbenutzte 
Arbeitrstunde verlängert den ^.rieg. Wo die Munition 
mangelt, müssen unsere feldgrauen Helden mit ihren 
Leibern die lebendige Abwehr bilden, mit ihrem Blute 
und hoffenden Leben müssen sie die Torheit jeder Ar¬ 
beitseinstellung begleichen. Welcher deutsche Arbeiter hat 
den Mut, diese furchtbare Schuld auf sich zu laden? Di« 
christlich.nationale Arbeiterbewegung lehnt jede Verant¬ 
wortung für diese» gewissenlose Treibe» ti und wendet 
sich auf» schärfst« dagegen." 
Jllrst Bülow über de« Jremdenblatt-Artikel. 
Fürst Bülow tagte dem Berliner Vertreter de- 
„Neuen Wiener Tagbl."» er könne nicht glauben, daß 
irgend ein ernst zu nehmender Mann an diesem 
Elaborat beteiliat sein könnw. Ec verwies auf seine 
langjähnge diplomatische Tätigke-t, wäbren derer er 
seine frei/nd'chafiliche Gesinnung für bic österre chffch» 
»ngorische Monarchie an den Tag gelegt hät:e WaS 
Seriell seine römische Mission betreffe, io sei t( falsch, 
m vorzuwerfen, er sei kein treuer Sekund -it^ge- 
wesen. In Rom habe er keine Dchmtle unternommen 
nnd keine Fragen diskutiert, ohne sich in tollstem 
Einklänge mit seiner Regierung zu befinden, dirihier» 
eikS selbstverständlich immer in Fühlung mit dem 
Wiener Kabinett stand. Er berief sich auf die Reden 
Bethmann HollwegS, in denen ihm in U armen! 
Wonen Dank und Anerkennung der ReichZ'eitungj 
ausgesprochen wurde, wa« nicht geschehen wäre, wenn> 
er in Rom eine Politik getrieben hätte, tie im' 
Wider pruch mit den Absichten seiner Regierung stände 
Der Krieg iw fiMm 
Ledhafirre Feuertätigkeit. 
wtb Berlin, 26. Jan. DaS larsüber schöne 
Weiter und die Helle Mondnacht führien am 25. Januar 
an der Westfront zu lebhaften Ariilieiie- und h'r- 
kundungS.--efech>en, in denen an vielen Stellen Eng¬ 
länder, Kanadier mo Franzosen oll Gefangene 
eingebracht wurden. Bor allem war beiderseits der 
Maas auf der ganzen Front das Artilleriefeuer
	        
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