Full text: Fuldaer Zeitung (1918)

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Nr. 24. 
Dienstag den 29. Januar j9l8. 
45. Zahrgang. 
Ter Dfiitfdie Tagesbericht. 
wtb Großes Hauptquartier, 28. Jan. 
Westlicher Kriegs schauviatz. 
Nördlich von Becelaere wurden bei einem Er¬ 
kundungsvorstoß 17 Engländer, darunter 1 Offizier» 
gefangen. 
Die Artilleri-tättgkeit war fast an der ganzen 
Front gering, koyaster an einzelnen Stelle.: in der 
Champagne und im Maasgebiet. 
Italienische Front 
Auf der Hochfläche der Sieben Gemeinden dau¬ 
ern seit gestern nachmittag Artillcriekämpse an, die 
sich bei Tagesanbruch im Gebiet des Col del Rosso 
tu größter Heftigkeit steigerte«. 
von den anderen Kriegsschauplätzen nichts Neues. 
Der Erste Generaigua''tlermelster: Ludendorks. 
vtd Berlin, 28. Jan., abends. (Amtlich.) 
Zwischen Asiago und Brenta find mit tta- 
licnischen Angriffen heftige Kämpfe entbrannt, 
von den anderen Kriegsschauplätzen nichts Neues. 
Lefterrerchifch-'tnaarifche Tagesberichte, 
v-td Wien, 28. Jan. 
Auf der Hochfläche der Sieben Gemeinden stei. 
gelten sich die Artilleriekämpf« zeitweise zu größter 
Heftigkeit. 
Der Chef des Generalstabs. 
Die Gegner haben das Wort. 
Lloyd George und Wilson wissen, wman sie sind. 
Zerstückeln läßt Deuischland sich nicht. Solange die 
beiden Staatsmänner die Forderung Frankreichs 
auf Abtreiung der unS geraubten rein deutschen 
Lande Elsaß und Lochungen unterstützen und so¬ 
lange sie anderweitrge Eroberungspläne, auch un¬ 
seren Veibündeen gegenüber, verfolgen, so lange 
ist es den Mittelmächten unmöglich, sich mit den 
Gegnern an den Verhandlungstisch zu setzen. Co» 
lange wirst anch D> ui chland Belaien und das ho 
Ietzte Nordsrankreich als Faustpfand in seinem Be. 
itze behalten und es ablehnen müssen, das letzte, 
entscheidende Wort über das Schicksal dieser Gebiete 
öffentlich auszusprechen. In dieser Beziehung gibt 
es innerhalb der Vierbundvölker keine Meinungs. 
Verschiedenheit. 
Der englische Premierminister hatte in seiner 
jüngsten Rede bereits einen annehmbaren Ton an¬ 
geschlagen; er würde sich und seinem Lande am 
besten dienen, wenn er in seiner Antwort auf die 
Neueste Kanzlerrede endlich auch sachlich ein neues 
Register zöge. Ob er cs tun wird, ist allerdings 
eieiselhast. Präsident Wilson würde sich weiter in 
seienden Gegensatz zu allen seinen schönen Frie» 
nsworten setzen, wollte er nicht jetzt endlich ein¬ 
lenken und sich den Grundsätzen von Recht und 
Wahrheit Lengen. Weisen die Gegner auch jetzt 
deu Gedanken eines Verständigungsfriedens von sich, 
so werden sie die schweren Folgen dieser Halsstar¬ 
rigkeit zu tragen haben. 
Der Kanzler hat es den Gegnern zweimal ge- 
K, daß sie aus unserem friedfertigen Entgegen. 
men für sich keinen Freibrief zur Fortsetzung des 
Krieges ins Ungemessene herleüen dürfen. Sollten 
sie in ihrer Verblendung wirklich darauf ausgehen, 
die unausbleiblichen Folgen dieser Warnung durch 
Verstocktheit auf sich und ihre Völker herabzube¬ 
schwören? Daß sie eine Wendung der Kriegslage 
nicht mehr herbeizuführen vermögen, das wissen sie 
genau. Auch im Westen ist ihnen die Offensive ent¬ 
wunden, und alle Rüstungen und Anstrengungen 
von Engländern, Franzosen und Amerikanern be¬ 
ziehen > et) lediglich noch auf die Verteidigung gegen 
den befürchteten Riesenvorstvß der vereinigten deut¬ 
schen und österreichisch-ungarischen Armeen. Drei 
Jahre lang hatten sie sich mit kühnen Durchbruchs, 
gedanken getragen und daran die unerhörtesten 
Opfer an Gut und Blut gewandt. Heute stehen sie 
vor der niederschmetternden Erkenntnis, daß der 
Krieg im Westen dahin zurückgekehrt ist, wo er un¬ 
ter dem Druck der russischen Millionenheere nach der 
Marne-Schlacht stehen geblieben war. 
Tie Gegner wissen, was ihnen öevorsteht, sie wis. 
sen, daß bie deutsche Langmut und Friedfertigkeit 
8roß, aber nicht endlos sind und ihnen einen Frei¬ 
rief nicht ausstellen. Tie führenden Männer der 
westlichen Ententestaaten sind aufs neue vor d.e 
Wahl zwischen dem blutigen Vernichtungskrieg und 
dem Berständigungsfrieden gestellt. Wie werden sie 
ihre Entscheidung treffen? 
Brest-Litowsk. 
Perkn, 23. Jan. Wir stehen vor dem Wieder¬ 
beginn der Verhandlungen in Brest-Li- 
towSk. Ob es endlich zu einer Verständigung kommt, 
darüber kaizn man sich heute noch kein Urteil bil¬ 
den. Man muß damit rechnen, daß Trotzki trotz der 
Erfahrungen, die in Petersburg gemacht wurden, 
trotz der grenzenlosen Sehnsucht aller russischen 
Kreise nach Frieden an seiner alten Taktik des Hin¬ 
zögerns festhalten, daß er die Verhandlungen wie¬ 
der hauptsächlich zu neuen Versuchen benutzen wird, 
die revolutionäre Propaganda über die Grenzen 
Oesterreich-Ungarns und Deutschlands zu tragen. 
Trotzki selbst hat in seinem Bericht vor dem Ge- 
neralkongreß der Arbeiter- und Soldatenräte in Pe¬ 
tersburg die Möglichkeit einer Verständigung bezwei' 
feit, da die Vertreter der Mittelmächte den freiheit¬ 
lichen Forderungen der maximalistischen Vertreter 
nur scheinbare Zugeständnisse machten. Die rus. 
fische Vertretung in Brest-Litowsk werde unbedingt 
auf ihrem Standpunkt verharren und „den Kanrpf 
argen den internationalen kapitalistischen Block" 
fortsetzen, lieber die „freiheitlichen" Forderungen 
der Marimalisten hat man sich während der letzten 
Zeit auf Grund der Berichte, die aus Petersburg gc- 
kommen sind, ein hinreichendes Urteil bilden können. 
Ein Gewaltregiment mit Maschinengewehren und 
Bajonetten paßt schlecht zur Freiheit. Entschieden 
zurückweisen aber müssen wir den Vorwurf, als ob 
die Vertreter der Mittelmächte die Schuld daran 
trügen, daß bis jetzt noch keine Verständigung hat 
erzielt werden können. Tie „Nordd. Allg. Zeitung" 
hält deshalb zu Beginn des neuen Verhandlungsab- 
schnitts den Ruffen noch einmal die Lage vor, wie sie 
jetzt ist, und schreibt: . . , 
Schon die Tatsache daß nur Rußland durch den 
völligen Abschluß des Krieges eine greifbare Aussicht 
hat. während uns auf den anderen Fronten noch der 
Kampf um die letzte Entscheidung bevorsteht, hatte die 
russischen llnierhändler bewegen müsien, für unsere 
Vorläusigen Sicherungsansprüche mehr Verständnis zu 
zeigen. Wir sind bereit, die Schaffung einer breiten 
Grundlage für die endgültige Bekundung de» Votk»- 
willen» in den westlichen Randslaaten Rußland» al». 
bald in die Wege zu leiten, wenn der Friede im Osten 
zustande kommt. Der StaatSferetär de» Auswärtigen 
Amtes hat diese Bereitwilligkeit erst vor wenigen Ta. 
gen im Reick'stag ausdrücklich bestätigt. Darau» folgt, 
daß die russischen Unterhändler bei besserer Würdigung 
dessen, was wir vorerst zu unserer militärischen Sicher 
heit beanspruchen müssen, nicht nur dem Frieden, son- 
dern auch der redlichen Durchführung de» Selbstbe. 
stinunungrechtS der Völker Vorschub hätten leiste» 
muffen. Kann man auf russischer die Billigkeit unserer 
Ansprüche noch nickt erkennen oder will man e» nicht? 
Die Beantwortung dieser Frage ist wichtig für unser 
fernere» Verhalten in Drest.LitowSk. 
In Uebcrelnilimmiing mit dem Reaierungsor- 
gan wird auch in anderen Blätiern darauf hinge» 
wiesen, daß die deutsche Regierung zusammen mit 
den Regierungen unserer Bundesgenossen von ehr¬ 
lichem Friedenswillen beseelt und bereit ist, Hinder- 
niffe auS dem Wege zu räumen, soweit es unsere 
vnalen Ineresi'N zulassen. 
Wenn Trotzki behauptet bie Vertreter der Mittel 
Mächte machen nur scheinbar Zugeständnisse. so sin. 
den wir, daß sie in ihren Zugeständnissen schon außer, 
ordentlich weit — nach unserer Meinung zu weit — 
gegangen sind. Sie haben sich nicht nur dazu verstan. 
den. daß die Entscheidungen der Vertreterkörperschaf 
ten,' in denen sie mit Recht schon die Ausübung de» 
SelbstbrstinimiingSrechtS erblicken, durch abermalige 
Abstimmung ergänzt werden, sondern am Samstag 
hat sich Herr v. Kühlmann im HauptauSsckuß auch dazu 
bereit erklärt, daß diese ergänzenden Dablen und Ab. 
stimmnngen nicht erst nach d m Abschluß de» allgemei¬ 
nen Friedens. sondern schon nach dem Fne- 
densschlutz mit' Rußland vorgenommen werden sollen. 
Da in der Ränrnungsfrcme ein weitere» Nachgeben von 
unserer Seite auegeschloffen erscheint, so sind wir da. 
mit an der Grenze unserer Zugeständ. 
nisse angelangt. Wettere Verhandlungen haben 
deshalb, zumal auch Trotzki erklärt, daß die russische 
Delegation auf ihrem Standpunkt verharren werde u. 
E. keinen Zweck mehr. Aber deshalb sollte ihr baldige» 
Ende in Aussicht genommen werden. Man bat den 
Waffenstillstand, der ja nur bi» zum 17. Januar ab. 
geschloffen war. 'bisher stets durch Nichtkündigung still 
schweigend verlängert. Der nächste Termin zur Kün¬ 
digung wäre beute in acht Tagen, also am 4. Februar. 
Bis dabin wird sich endoültia herausgestellt haben, ob 
die Russen an ihrer Verschleppungstaktik festhakten 
werden oder nicht. Denn erstereS der Fall sein sollte, 
so werden daran» die Folgerringen zu ziehen sein. Da» 
scheint uns um so notwendiger, damit die Zerren 
Trotzki und Lenin nicht den eigentlichen Zweck ihrer 
Verhandlung erreichen. 
«rd Wien. 27. Jan. Der Minister des A nßern 
Gral Czernin hat sich heule nach Brest-Litowsk 
begeb n. 
' «ad Betersbnrq, 28. Jan. De" Vo'ksbeauftragte 
für auswärkiae Anaele'enbei'en Trrwki ist in der 
vor- angrnen Nacht nach Btest-Lilowsk abgercist. 
Her Krise irn MW. 
Eukentekon erenzeu in Paris. 
Geni, 28. Jan. Unter dem Vorsitz ClemenceanS 
findet morgen in Pari« eine Konfe.enz der Entente 
statt, zu der Lloyd George und Orlando in 
PariS eintreffen werden. Am Mittwoch hält der 
große KriegSrat der Entente ebenfalls unter dem 
Vorsitz ClemenceauS eine Sitzung in Versailles ab. 
Unmenschliche Roheiten der Franzosen. 
Traurige Zustände in französischen Gefangenen, 
lagern enthüllt ein vor kurzem auSgetauschter eidlich 
vernommener deutscher SanitätSmüeroffizier L., der 
bekundete: 
.Am 16. April 1917 geriet ich am AiSne-Kanal zu. 
stammen mit mehreren Krankenträgern vertvundet in 
französische Gefangenschaft. Unsere Wertsachen. Be» 
stecke. daS Verbandszeug und die Rote-Kreuz-Binden 
wurden uns akgenomn en, die Ausweispapiere der 
Krankenträger im Beisein höherer französischer Offi. 
ziere zerrissen. Zunächst wurden wrr in ein Straf, 
kager dicht hinler der Front gebracht, wo wir drei 
Tage und zwei Nächte ohne jegliche Nahrung auf einer 
sumpfigen Miese, unter freiem Himmel, den Unbilden 
der Witterung anSgesetzt. zubringen mutzten. Ein 
Kamerad befand sich unter unS. der infolge eines Kopf. 
fchuffeS seiner Sinne nicht mächtig war. Er lief auf 
dem Platz umber und kam so. natürlich unbewußt, in 
die Nähe deS AuSgangeS. Der Posten ggb sofort auf 
den Kranken Feuer und verwundete ihn schwer. Mn 
anderer Deutscher machte — vom Hunger gemartert — 
einen Fluchtversuch. Er wurde ergriffen und dabei 
furckitbar von den französischen Dacktmannscharten 
zuaerichtet. Sein linker Arm war gebrochen, am Kopf 
„ny un ten Händen hatte er mehrere stark blutende 
Munden, das Gesicht war völlig zerkratzt und zer-chla. 
gen. In diesem Zustande wurde er dem französischen 
Kommandanten vorgeführt. Da diesem seine AuSsa, 
gen nicht genügten, rief er Soldaten herbei, die sich 
auf den Unglücklicken stürzten und in der rohesten 
Weise auf ihn einschlngen. Er erhielt dabei einen der- 
artigen Kolbenstoß in da» Kreuz, daß er sofort zusam. 
menbrach und nach wenigen Minuten starb. Die 
Leick'e wurde zur Schau an unserer Abteilung vorbei» 
geschleift und auf eine Wiese geschleudert, auf der sie 
zwei Tage liegen bliek 
Die Gefangenen wurden dann in da» Lager La. 
peigne gebracht. Unsere Wunden, die inzwischen in 
Mter und Brand übergegangen und voll von Würmern 
waren, wurden erst nach acht Tagen verbunden. Da 
keine 'Tetanuseinspritzungen gemacht worden waren, 
starben mehrere Kameraden an Wundstarrkrampf. Zu 
eflen gab e» zunächst für je 10 Mann eine Büchse Kon. 
servinfleisch. Später gab eS warmes Essen, und zwar 
halb verdorbene» Pferdefleisch. Nach dem Genuß die¬ 
ser Fleische» und durch schlechte» Wasser brachen Ruhr 
und andere Krankheiten au», denen mancher Kamerad 
zum Opfer fiel. Von Lapeigne kam ich nach Orlean» 
,n da» Lazarett Nr. 39. Hier wurden die Kranken arg 
vernachlässigt. Selten wurden Verbände gewechselt, 
Operationen wurden stet» ohne Narkose vorgenommen. 
Die Aerzte waren roh. ließen sich überhaupt selten se. 
hen und überließen die ganze Behandlung, selbst in 
den sckiwierigNen Fällen, dem völlig unauSgebildeten 
französischen Sanitätspersonal. Diese» verkürzte nach 
Belieben die Eßrationen der Kranken, machte aus ei¬ 
ner Portion zwei und behielt den Rest, für sich. Alle» 
zusammengefaßt war die Behandlung in den franzö. 
sisch.-n Lagern und Lazaretten menschenunwürdig." 
Dieser Bericht beweist aufS neue, daß die Oberste 
Heeresleitung und Heeresverwaltung auf dem einzig 
richtigen Wege sind, wenn sie von nun ab r ü ck s i ch tS- 
loS Vergeltung üben, wo es das Wohl unserer 
Kriegsgefangenen in französischer Hand erfordert. 
Eng'andS „kolossaler Rein all" 
wtb Berlin. 25. Jan Wie man im britischen Heere 
die letzte Niederlaoebei Cambrar und die ,eoen- 
wärtine Krieislae beurteilt, ersieht man aus der Ver» 
nehmun > eine» hinter unseren Linien vor kurzer Zeit 
infolge Versiie en? gelandeten und gefan wnen en tischen 
Flie-wr-Ossi iers, der folgendes angab: Die Niederla e 
bei Eambrai wird von der britisch n Armee al» .kolos¬ 
saler Neinfall' aufneiaht Da» Aer ermbste dabei sei 
da» übersbwenglische Triumpf escbrei und die darauf 
fol ende ticifte NiedergeMa enheit in der Heimat ge¬ 
wesen. Kein vernünftiger Mann in der Armee 
glaubt, daß Deiitsckland besiegt werden 
kan n.ES muß zu einemVergleich zwischenDer.tschland und 
Engiand kommen. Der ganze Krieg wird au enbl'dlicfi 
nur um Elsaß-Lothringen geführt. Sobald England 
von diesem Krie »ziel, daS idm im Grunde ganz gleich¬ 
gültig ist. abgeht, werde man einen franiösisbcn Ban» 
kerott erleben, der dem jetzigen rusii.chen in nicht» ngch- 
steheo würde. 
Von der rufstfitreu ftzront. 
Nach den letzten Nachrichten von der Ostfront 
sind die Russen offenbar bestrebt, die im südlichen 
Teil dieser Front stehenden, vielfach mit dem runiä- 
nischen Heer vermischten Armeen freizubekom¬ 
ni en, um anderwärts über sie verfügen zu können. 
Ter 8. ruffischen Armee scheint diese Loslösung aus 
der Front zu gelingen, während die 9. Armee dabei 
aus Widerstand stößt. Auch die 4. Armee stieß bei 
den Rumänen auf Gegenwehr, und die 6. erlitt, nach¬ 
dem sie anfangs kleinere Erfolge zu verzeichnen hatte» 
eine Niederlage durch ihre bisherigen rumäniscl>en 
Bundesgenossen. Es konnte ausfallend erscheinen, daß 
die Rumänen bemüht sind, die russischen Armeen 
scftzuhal^en, die im a: t ssogenen rumänischen Lande 
doch als unbegneme ^diteffer empfunden werden 
müssen. Eine Erklärung dieses rumänischen Verhal¬ 
tens findet man vielleicht in der Absicht, eine eigene 
Armee vom Frontdienst fteizuhallen, um Teile von 
Beßarabien als Faustpfand zu besetzen oder auch um 
der sich dort befindlichen Magazine zu bemächtioen. 
Jui) übrigen hat sich daS Verhalten der rumäni- 
schen Truppen uns gegenüber gebessert. Tie 
rumänischen Soldaten beginnen darüber zu mur¬ 
ren, daß der Frieden „ohne und über sie hinweg" 
»um Abschluß kommen könnte. Anderersei.r macht sich 
die Arbeit der Enlente-Agenten immer noch fühlbar- 
In der russischen Front ist ein Wachsen der 
Stimmung gegen die Maximali st en lenier!' 
bar, dar seinen Hauptgrund in der Mangelhaftig¬ 
keit der Bcrpsleaunoszufuhr >haben dürfte. Auch 
sollen an vielen Stellen sich unter dem Namen der 
„Weißen Garde" Truppenhaufen zum Kauipf 
gegen die „Rote Garde" bilden. Finnland soll be- 
reitr über 75000 Mann dieser „Weißen Garde" ver. 
fügen und für den äußersten Notfall sogar mit Her. 
anziehen von Truppen «ine- benachbarten Staates 
rechnen. 
Reue Barrikadenkämpfe in Petersburg. 
Petersburg, 28.Jon. Die Straßengefechte 
in PeierSburg haben in den letzten Tagen wieder 
bedenklich zugenommen. Am 25. Januar tagsüber 
bis in die Nacht hinein hörte man auS dem Tau- 
rijchen Vieriel heftiees Maichmenaewehifeuer. Nach 
den Angaben der links ozialrevoluiionären „Snamja 
Tru^a" stehen in den Snaben Peieisburgs Aibeuer 
gegen Arbeiter und Soldawn geaen Soldaten im 
Kampf. Die Haliung der Peteisburaer Garnison¬ 
truppen beginnt zu ichwanken. Ein Ausschuß der 
Preobiaschentkr-, Pawlomiki- und Wol ynskireü- 
menicr er>ckien im Rat der Vo ksbeauslragten und 
iordei re die Einstellung der Niedermetzeliing der an¬ 
ders atS maxcmalisti ch denkenden Arbeiter und Sol¬ 
daten. Seit dem 18. Januar sind nicht weniger 
alS 6800 Pei sonen m PetecSburg verhaftet worden. 
Wenngleich die Oraanijationen der gemäßigten Ele¬ 
mente se'ir m-ngelhaft ist, io «ritt doch der wach¬ 
sende passive und akiive Widerstand gegen das 
Bolsckc ■ kiregime täglich deutlicher in Ericheinnna. 
Seit v er Tagen sind alle Lebentmitielzusuhten nach 
Petersburg auSeeblieben. 
Ter Bürgerkrieg in Rußland. 
wtb Petersburg, 27. Jan. (Reuter.) Pol- 
nische Legionäre besetzten die Statie- "escha 
im Gouvernement Monilew und entwas! ! die 
russische Garnison. Ebenso besetzten sie die Statio¬ 
nen nördlich und südlich von Orscha, wo sie di- rus- 
fischen Posten entwaffneten. Das Vorgehen erfolgte' 
weil die Volkskommisiäre die Leiter der polnischen 
Militärvereinigunqen verhaftet hatten. 
Bafel, 28. Jan. Nach einer Petersburger Ha. 
Vasmeldung dehnt sich der Bürgerkrieg in den Pro. 
viujeu immer weiter aus. Au» Kiew wird gemel¬ 
det. daß die ukrainischen Truppen durch ei» 
ileberraschungsmanöver die ganze lokale Rote Garde 
entwaffnen konnten. Zwischen Kiew und Pol« 
tawa ist dar Eisenbahngleis zerstört, die Brücke» 
eben falls. Zwischen Brians! und Homel sollen die 
Ub ainer einen Erfolg erzielt haben. Zwei maxima-, 
listische Regimenter sollen entwaffnet worden sein, 
iwgegen hätten sich die Maximalisten KrementschugS 
am Tnjepr bemächtigt und sollen nun von dort nach 
Kiew vorrücken. In der Krim wurde die lokale 
Rada durch die Maximalisten aufgelöst. Alle Schiffs« 
besatzungen hätten den Rat der Volkskommisiäre an¬ 
erkannt, Tie Sowjettruppen sollen auch bedeuteitde 
tatarische Streitkräfte bei Palta geschlagen haben. 
Nach einem Kampf mit den Tataren hätten sie sich 
Theodosias bemächtigt. Im Ural kam es zwischen 
Orenburg und Burguluk zu heftigen Kämpfen zwi- 
schen Maximalisten und Kosaken. Im Kaukasus 
ist in Tiflis ebenfalls der Bürgerkrieg ausgebrochen. 
Bern, 27. Jan. „Havas" meldet aus Peters¬ 
burg: Depeschen äuS WladikawkaS berichten über 
Revolten der Tscherkesfen gegen Kosaken und 
Ruffen. Tcherkesien, die von der Richtung Wladi« 
kawskas kamen, nahmen die befestigte Stadt V e« 
deny und steckten mehrere große russische Markt- 
slekken in dieser Gegend in Brand. 
UnabhängigkeftrerllSrung der Ukraine. 
Bafek, 28. Jan. Wie HavaS auS Petersburg 
meldet, piok'amieite die ukrainische Zentralrada mit 
308 gegen 4 Slimmen die absolute Unabhängig¬ 
keit der ukrainischen Republik und sprach 
Ven Wunsch auS, mit Rumänien, der Türkei und 
den benachbarten Mächten in guten und freundschaft¬ 
lichen Beziehungen zu leben. Bis zur Eröffnung 
der ukiainiscben Nationalversammlung wird die Zen« 
iralrada im Namen deS urkramischen Volkes die Ge- 
schäiie unter dem Namen „Rat der Volksminister" 
führen. In ibrer Proklamation wirft die Zentral- 
rada den Petersburger Kommisiärenvor,dsn FrwdenS- 
fchlnß zu verzögern, ei hei^t dann weiter: 
.Wir sind von der Arbeiterklasse gebildet, die 
Dauern und Soldaten der Ukraine werden keinen 
Krb a führen. Wir verlangen den Frieden für daS 
ukrainische Volk in k ü r z e st e r F r i st. Wir pro- 
klamiercn unsere Unabhängigkeit, damit weder die 
russische noch eine andere Negierung dem Frieden Hin¬ 
dernisse bereiten kann, der in der Ukraine die Ord. 
nung wicderhergestellt und die durch die Revolution 
erlangte Freiheit befestigen will." 
Abbruft der Beziehungen zu Rumänien. 
vtb Petersburg, 28. Jan. Nach einem Peters¬ 
burger Funk peuch hat die Petersburger Re¬ 
gierung olle diplomatischen BezieHunnen zu 
Rumänien abgebi ochen. Die > umänische Gesandt¬ 
schaft wi>d auf dem kürzesten Wege ins Ausland 
abgeschoben. Der Goldschatz Rumäniens, der in 
Moskau liegt, witd als unantastbar für die rumä¬ 
nische Oli'aichie erklär». Die Räteregierung über- 
nimxit für die Aufbewahrung dieses GoldeS und 
die blebergabe an das rumäni che Volk die Verant- 
wor iiing. General T s ch e r b a t! ch e w wird als außer¬ 
halb deS Ge.etzeS stehend erklärt. 
Der Krie» mit Italien. 
Italien am Ende- 
Bern, LS. Jan. Weder in Italien noch bei den 
Verbündeten ist eS ein Geheimnis, daß Ministerpräsi¬ 
dent Orlando m Paris und London den Verbündeten 
dir Pistole auf die Brust setzte. Nach zuverlässigen 
Berechnungen wird Italien Ende Feoruar am 
Ende seiner Kräfte angelangt sein, falls e» nicht aus. 
giebige Hilfe an Nahrungs, und Kriegsmitteln au» 
den Händen der Verbündeten empfängt. Frankreich 
und England werden ihr möglichste» aufbieten, um 
Italien» Wünscke zu erfüllen, denn sie wissen genau, 
wie e» um den Verbündeten steht. Der Londoner Ver. 
-treter de» .Secolo" schreibt daß Lloyd George in Ra. 
pallo eine» Einblick in die italienische Seele getan 
habe, der ihn ar. dem Schicksal des verbündeten Süd. 
lande» habe verzweifeln lassen. Ueberaus bemerkens¬ 
wert ist besonder» die Andeutung de» Berichterstatter», 
daß maßgebende italienische Persönlichkeiten selbf 
durch ibr Urteil über Italien dir Eindrücke de» engl« 
schen Minister, bestimmt hätten, wa» übereinstimm 
mit allem, wa, man in der Schweiz von Mterrichteto 
Seite hört, «✓ 
Unm BnlKmt. 
Rücktritt BratianuS? 
veilin, 28, Januar. Nach Nachrichten von d» 
ru'sisch.rumänljchen Front soll sich der Rücktritz 
des rumänischen Ministerp'äsidenien Bratianu be 
stätigen. An 'einer Stelle soll der Genec al A v e r e S c» 
z»m Mini ecptändenten ernannt worden sein uni 
zwar mit einer friedensfrenndlicheren Tendenz, all 
sie bis ;er von B>aiianu verfolgt wurde. Auch unie> 
ren rumänischen Tr ii ppen macht sich eine stärkeri 
Firedensströmung als bisher bemerkbar. 
Amerika »m Kries. 
Der Kongreß gegen Wilson. 
Durch die vom Armeekomiie« deS Senats befüv 
wortete Gesetzesvorlage des Senators Georg L 
Cyamberlain, die die Schaffung eines dreiköpfige» 
KriegskabineltS Vorsicht, ist in den Vereinigie» 
Staa'en eine ernstyafie politische Krise hervorgo 
rufen wo den. Die unerhörten Rüstungsskandali 
haben eine derartige Unzufriedenheit mit den lei» 
tenden Männern, Präsident Wil'vn an der Spitze, hev 
vor eiufen, daß sich eine Mehrbeit in den beiden ge:etz. 
g b nden Körperschaften zu bilden scheint, um gegen 
d n Willen Wilsons, nach englischem Muster, ein 
mir unb>schränkt n Vollmachten ansgesiaiic «'Kriegs, 
kabineit zu erricht.«. Senatoi Ctamberlatu ist einer 
der Führer der demokraiischen Partei »nd galt al- 
eine der stärksten Stützen Wilsons. Wie viele ander 
Mitglieder der Partei ist auch er durch die Methode
	        
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