Full text: Bonifatiusbote (1916)

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vom Xriegschauplatz. 
Pom 22. bis 29. November 
Im Westen 
haben die Engländer ihre am 13. und 14. Novem¬ 
ber erzielten Erfolge nicht weiter auszunützen ver¬ 
mocht, obgleich sie an den folgenden Tagen die stärk¬ 
sten Angriffe mit neuen Kräften beiderseits der Ancre 
fortsetzten. Aus Grandecourt, in das sie vorüber¬ 
gehend eiqedrungen waren, wurden sie wieder hin- 
ausgeworsen, lvobei sie 22 Offiziere und 900 Mann 
als Gefangene in unserer Hand zurücklassen ,nutzten. 
Tie Angriffe der Franzosen richteten sich wiederholt 
gegen den nördlichen Teil des St. Pierre-Baast-Wal- 
des. Sic sind gescheitert, wie ihre früheren Versuche. 
In den letzten Tagen heischte im allgemeinen Ruhe, 
an einigen Tagen kommandierte zudem „General" 
Wetter, da er schlechter Laune war, war auch die 
Gefechtsätigkeit nur gering. Nach den bisher gemach¬ 
ten Erfahrungen darf man bestimmt hoffen, daß ein 
Durchbruch an der Somme nicht erfolgen wird. Diese 
Ueberzeugung hat auch Kronprinz Rupprecht, der be¬ 
kanntlich an diesern Frontabschnitt Oberbefehlshaber 
ist, Ansdruck gegeben. Seit dem Beginn der Kämpfe, 
sagte er, hätten sich die Verhältnisse an der Somme 
wesentlich gefesttgt, besonders arülleristisch seien wir 
sehr stark geworden. Wenn auch unsere Verluste nicht 
gering seien, so seien die des Gegners, besonders der 
Engländer, noch erheblich höher. Die Franzosen hät¬ 
ten an der Somme schon ihren jüngsten Jahrgang, 
also den von 1917, eingesetzt. Unsere Truppen pfleg¬ 
ten sich nach den schwersten Kämpfen binnen wenigen 
Ruhetagen auffallend schnell zu erholen. Wenn das 
eine oder andere Dorf oder eine Stellung verloren 
gehe, sei es oft nur ein Kampf um einen Namen ge¬ 
wesen. Den an Zahl überlegenen, sehr respektablen 
Gegnern erfolgreich Widerstand zu leisten, sei der 
doppelte Ruhm unserer unvergleichlichen Soldaten. 
Denn die Franzosen seien ausgezeichnete Soldaten 
und die Engländer seien sehr tapfer. Auch im Lager 
der Feinde scheint man allmählich einzusehen, da'; es 
mit dem Durchbruch nichts ist. So schreibt der Haupt 
schristletter der engl. Ztg. Observer: „Praktisch ge 
nommen hat das, was die Geschichte die Schlacht 
an der Somme nennen wird, vor ein paar Wochen 
aufgehört. Wie die Schlachten an der Aisne und bei 
Kpern klang sie aus auf Grund einer allmählichen, 
aber tiefgehenden Wandlung in den Bedingungen. 
Unnierklich war eine ganz veränderte Lage geschaffen 
worden. Der Feind hat bester als je gekäinpft — 
jo bewunderungswürdig gekämpft nnt Mut und Ver¬ 
stand, daß wir wirklich hoffen, daß es fernerhin kein 
oberflächliches Getratsch über die vermeintliche De- 
inoralisterung und den gebrochenen Mut des Feindes 
geben wird. Statt gebrochen zu sein, hat sich seine 
Moral ganz im Gegenteil von der rauhen Erschütte¬ 
rung, die wir chr zwischen Juli und Oktober versetzt 
^tten, wieder voll erholt. Es wird für den Ber¬ 
nd nicht nur keinen „Durchbruch" noch irgend 
etwas Derartiges dieses Jahr im Westen geben, son¬ 
dern zwischen fetzt und Weihnachten wird auch keine 
ausgedehnte Zurücknahme der deutschen Linien zwi¬ 
schen Arras und Noyon stattfinden. So wird das 
geringste, was man bis zu Anfang Oktober erhofft 
hatte, als glänzendes und schwerwiegendes Ende des 
gegenwärtigen Feldzuges nicht erreicht werden." Die 
Schuld schiebt der Engländer der 
berühmten Firma Hindenburg und Ludendorf 
zu. „Ueberall", so meint er, „macht sich der Einfluß 
der nationalen Reorganisation Deutschlands unter 
dieser berühmten Firma fühlbar. Diese Unzertrenn¬ 
lichen hoben sich als Reister in der Leitung erwiesen. 
Unter ihrer Führung arbeitet das Heer Tag und 
Nacht mit frischem Mut; hinter ihm arbeitet ganz 
Deutschland." 
Im Osten 
dom Meere bis Kronstadt behinderten Kälte und 
Schnee die Gefechtstätigkeit. An einigen Stellen 
machten unsere Truppen wohlgelungene Erkundungs 
Vorstöße. Entlastungsversuche der Rüsten in den 
Waldkarpathen und an der siebenbürgischen Front für 
die in der Walachei hart bedrängten Rumänen waren 
erfolglos. Der Oberbefehlshaber der Ostfront, Gene¬ 
ralfeldmärschall Prinz Leopold voy Bayern, konnte 
ani 27. November sein 60jähr. Militärdienstjubilänm 
begehen. Am südlichen Stück der Ostfront, d. h. am 
Abschnitt vorn Dnjester bis Orsova, ist ein Komman¬ 
dowechsel eingetreten. Der frühere Erzherzog Karl 
Franz Joseph, der jetzige Kaiser, hat den Oberbefehl 
nicdergelegt. An seine Stelle ttat der Generaloberst 
Erzherzog Joseph 
Der jetzt inr 45. Lebensjahre stehende Erz 
Herzog hat sich im Weltkrieg zuerst als Komman 
dant der 31. Truppendivision auf dem serbischen und 
russischen Kriegsschauplatz als hervorragender Füh¬ 
rer bewährt, dann das Kommando des 7. Korps 
übernommen, das er während des Winterfeldzuges 
in den Karpathen und während der Maioffenswe 
mit Auszeichnung führte. Nach der Kriegserklärung 
Italiens gelangte Erzherzog Joseph mit seinein 
Korps an die Jsonzoftont, wo er seither in der Ar¬ 
mee Borocvic an den schwierigsten Frontabschnitten 
erfolgreich standhielt. 
Der Schwerpunkt des ganzen Krieges lieg! zur 
Zeit in der 
Walachei 
Die Erfolge auf diesem Kriegsschauplatz, welche 
ner die letzte Woche zeittgte, sind so augenfällig und 
bedeutend, daß sie der gegenwärtigen Kriegführung 
der Mttelmächte ihren weit sichtbaren Stempel auf- 
drücken. Was immer wieder unsere Gegner versuch¬ 
ten, bald im Osten, bald im Westen, bald im Süd'U. 
um einen Durchbruch zu erreichen und den B we- 
gungskrieg wieder aufzunehmen, es war vergeblich, 
uns ist cs nach Verlauf von kaum 3 Monaten im 
Kampf gegen Rumänien gelungen. Diese Tatsache ist 
um so bemerkenswerter, als ein frischer Gegner wie 
es Rumänien ist, dem eine Kriegserfahrnna von zwei 
Jahren bei Freund und Feind zu Gebote stand, wel¬ 
chen! ein Hochgebirge von durchschnittlich 2000 Dieter 
Höhe uiid einer Breite von 80 Kilometer als schützen¬ 
des Bollwerk vorgelagert war, Wohl in der Lage hätte 
ein können, seinerseits einen glücklichen Offensivkrieg 
in das Hetz Ungarns hineinzutragen. Dieser Ansicht 
waren Wohl auch unsere Feinde gewesen; so schrieb 
dieser Tage die Londoner Zeitung „Observer": „Wir 
alle begrüßten Rumäniens Einschreiten als ein Er¬ 
eignis, welches den siegreichen Sommer krönen werde, 
und betrachteten es als eine Verheißung des baldigen 
Endsieges. Statt besten sieht es aus, als ob es mit 
einer Katastrophe enden wird, und zwar nicht nur 
ür Rumänien, sondern für die allgemeine Sache der 
Alliierten." Das ist eine Folge der deutschen Gründ¬ 
lichkeit. Wenn wir uns ettz^s vornehmen,, danrl 
wird cs mit aller Gründlichkeit oesorgt. So wird der 
Krieg gegen Rumänien zur Zeit allerdings mit einer 
Wucht geführt, daß den Entente-Gesellen schon bange 
werden kann und die lauten Klagen in der Presse um 
das Schicksal ihres jüngsten Unglücksgenosten zu ver¬ 
letzen sind. Samiel hilf! rufen sie unausgesetzt und 
verstehen unter dem Samiel natürlich den Bi.x^r 
Ruß'. Dieser sttengt sich scheinbar auch auf's Aeußei> 
te an, aber nachdem ihm in den verschiedenen „Enl- 
astungs"-Offensiven, die er bereits für die bedrängten 
Bierverbandsgenosten zu leisten hatte, ganz gewaltig 
zu Ader gelassen, gehen ihm die neuesten Zumutun¬ 
gen wohl über seine Kraft. Jedenfalls haben weder 
Russen noch Rumänen unser planmäßiges Vorgehen 
hindern können, das ans dem alten Napoleonischen 
Vorbild beruht: „An der entscheidenden Stelle stark 
genug sein." Demgegenüber zeigt sich bei den Geg¬ 
nern Rat- und Planlosigkeit. Die Sache begann mit 
dem kräftigen Vorstoß Mackensens in der Dobrudscha, 
der Tutrakan, Silistria, Cernavoda und Konstanza m 
unsere Hand brachte und die Gefahr eines rumäni¬ 
schen Angriffs auf Bulgarien und der Zerstörung 
unserer Verbindung mit Konstantinopel beseitlgre. 
Natürlich zogen Rumänen und Russen alles, was sie 
entbehren konnten, in die Dobrudscha — da setzte zur 
Ueberraschung der ganzen Entente und ihrer General¬ 
stäbler die Armee Falkenhayn in der entgegengesetzten 
Ecke mit unbezwingbarer Gewalt ein und stellte dre 
Rumänen vor eine neue, nicht genügend ins Auge ge¬ 
faßte Aufgabe und noch hatten sie sich von ihrer 
Ueberrasckung nicht erholt, da ging Mackensen gleich 
an vier Stellen über die.Donau und trat mit seinen 
Truppen in Fühlung mit Falkenhayn. Das ist die 
strategische Uebersicht im großen, im einzelnen hat sich 
die Lage so entwickelt, daß dre Offensive Fialkenhayns 
in breiter Front im allgemeinen aus der Richtung 
von Norden nach Süden erfolgte und zwar der Natur 
des Grcnzgebirges entsprechend, in mehreren einzel¬ 
nen Kolonnen auf den einzelnen Uebergängen und 
Paßstraßen vordrängend, nachdem unter nngeheurell 
Gelände- und Witterungsschwierigkeiten der erbit¬ 
terte Widerstand des Feindes in dreiwöchigen« Ge- 
birgskampfe gebrochen war. Ueberraschend war, daß 
der Hauptvorstoß nicht über den Roten Turmpaß 
oder den Predealpaß erfolgte, sondern am östlichsten, 
denr Vulkanpatz. Bei aller Schrieidigkeit und Nn- 
widerstehlichleit im Angriff zeigt dieser Unistand, 
daß sich die Heerführung eine sehr weise Beschrän¬ 
kung auflegte. Nicht ans einmal von Osten her spllte 
der'große Sack der Walachei ahgebunden werden, 
sondern langsant Und sicher von unten herauf. 
Gewiß wäre durch einen Durchbruch in der Rich¬ 
tung des Buzeutales, alp aus dem Raume Törz- 
burg Prcdeal, unter gleichzeitiger Ucberschreitung 
der Donau durch die Armee Mackensen in der Ge¬ 
gend von CernaVoda Sjlistria die ganze Walachci 
vollständig abgeschnitten worden, aber man darf 
nicht vergessen, daß im Kriege Nicht nur die Ma߬ 
nahme, sondern auch die Geqenmrßnahme zählt, und 
daß in diesem Falle Rumänen und Russen Truppen 
und Zeit genug hatten, um an den Flanken der traus- 
shlvanischen Älpen und in der Norddobrudscha so 
zahlreiche Kräfte anzuhäufen, daß eine so weit nach 
Osten verlegte Operatton von Norden und Süden 
unter Ueberwindung des Donmisttomes und des 
Hochgebirges nicht mehr in Frage kommen konnte. 
Auch hier ist der Sperling in der Tasche mehr wert 
als die Taube auf dem Dach. 
Nachdem die Armee Falkenhahns den Austritt 
aus dem Gebirge erkämpft und bis Krajova — die 
Hauptstadt der kleinen Walachei, ein wichtiger Eisen¬ 
bahnknotenpunkt der Bahnen Orsova—Krajova und 
Petesci—Bukarest — vorgcdrungen war, hat sie eine 
Schwenkung vollführt, indem sie mit ihrem Hanpt- 
teil die Front nach Osten nahm und gegen den 
Altfluß dorging, der etwa 40 Kilometer östlich.Kra¬ 
jova fließt und die kleine von der großen Walachei 
trennt. Die nächste Kolonne der 2lrmce Falkenhayn 
war über den Roten Turm-Paß vorgedrungcn und 
erreichte bei Ramnicu—Balcea ebenfalls die wala- 
chische Tiefebene. Inr weiteren Vordringen hat sie 
den Alt im Norden überschritten und bereits Cnrtea 
des Arges genonmten. 
Aber nicht nur von Norden und von Westen her 
sind die Mittelmächte im siegreichen Vordringen 
gegen das Innere Rumäniens, sondern gleichzeitig 
hat auch die Touauarmee der Heeresgruppe Macken¬ 
sen (Deutsche, Bulgaren und Türken) in der Nacht 
vmn 21. Dcovember bei Svistow, den alten Ueber- 
gangspunkt der Russen von 1877 und der Rumänen 
von 1913, die Donau überschritten und auf dem 
Nordufer festen Fuß gefaßt. Bon hier aus breiteten 
sie sich fächerartig aus nach Earaeal, Giurgiu und 
Alexandria, warfen die überraschten Uferschutztrup- 
pen, die den Nebergcmg nicht so nahe der Hauptstai^ 
Buckavest erwartet hatten, zurück und hatten bald 
nnt ihren vorschwärmenden Abteilungen Fühlung 
mit der Vorhut des Generals von Falkenhayn. 
Infolge dieser Operationen ist die runiänische 
Orsova-Grupve längst abgcschnitten. Orsova, di« 
ungarische, und Turnu ^ Severin, die rumänische 
Grenzstadt, sind von unseren Truppen genom- 
irven, damit ist das Eiserne Tor wieder frei und der 
Verkehr auf der Donau nach Bulgarien wieder mög¬ 
lich, nebenbei sind uns aus den Donauhäfeu zwisc^n 
Orsova und Rnstschnk bisher 6 Panzer- und 80 
Schleppkähne, meist mit wertvoller Ladung, in die 
Hände gefallen. Die bei Orsova versprengten Batail¬ 
lone mögen sich ja noch wehren, sie sitzen aber in 
der Falle und können uns nicht entgehen. Hier hatttz 
der Feind neben blutigen Verlusten bereits 28 Offk- 
ziere, 120« Mann, 3 Geschütze, 27 gefüllte MM- 
lionswagen und 800 beladene Fah-zeuge eingebüßk. 
Mit'dem rein militärischen Erfolge verbindet sich 
bei uns noch ein anderer: das Gebiet, das wir jetzt 
erobert haben, birgt zahlreiche Petroleum^,elle» und 
ist eins der fruchtbarsten in Rumänien, die lleme 
Walachci ist die reichste Kornkammer Europas. 
Große Vorräte sind hier erbeutet worden, deren Ab¬ 
transport aus der Bahn Orsova-Krajova und ^ der 
Donau selbst nun möglich sein wird. Jedenfalls 
brauchen wir jetzt den Runiänen unser gittes Gold 
nicht mehr für ihr Gettcide zu geben, sondern kön¬ 
nen es uns ohne Bezahlung nehmen, wie's nun ein¬ 
mal Kriegsbranch ist. 
Indessen bringt jeder Tag neue Fortschritte, Die 
Tonanarmee Mackensens hat Giurgiu genommen, 
neben Braila und Galatz der bedeutendste rumäni¬ 
sche Donauhafen, Die Stadt liegt auf dem linken 
Donauufer gegenüber von Rustschuk. Die deutsch- 
bulgarische Donauarmee beherrscht also beide 
Strostuufer von Orsova bis Rustschuk. In Zahlen 
ausgedrückt bedeutet das die Eroberung von über 400 
Kilometern Donaulauf. Man glaubt sich jetzt wie¬ 
der in die Zeit versetzt.als Galizien und Polen vom 
Feind gesäubert und Serbien niedergeworfen wurde. 
Auch die Kavallerie kommt jetzt wieder zur Geltung. 
Die Hauptstraßen nach der rumänischen Hauptstadt 
werden srei und unsere Truppen drängen frilG- 
ftohljch auf ihnen voran. Nach dem neuesten Be- 
recht vom Mittwoch ist die Armee des Generals der 
Infanterie von Falkewhayn auf der ganzen walacch- 
sche„ Front in siegreichgm Vordringen, vor ihr weicht 
der geschlagene Gegner m Unordnung nach 
Oben Ob und wo die erschütterte rilinamsche 
Armee nochmals Widerstand leisten wird, bleibt 
abzuwcrrten. Diese rasche Entwicklung der
	        
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