Doch sei dem wie chm wolle. Bundesrat Hoffman»
andte am 3. Juni ein chiffriertes (d. h. in Geheim-
chrift abgefaßtes) Antworttelegramm an die schwei¬
zerische Gesandtschaft in Petersburg und ermächtigte
dieselbe, Grimm verschiedene mündliche Mitteilungen
über Absichten und Kriegsziele der Zentralmächte zu
machen. Deutschland werde keine Offensive unter¬
nehmen, solange mit Rußland eine gütliche Einigung
möglich scheine. Aus wiederholten Besprechiingen
nnt hervorragenden Persönlichkeiten habe er die
Ucberzeugung gewonnen, daß Deutschland mit Ru߬
land einen für beide Teile ehrenvollen Frieden an¬
strebe mit künftigen engen Handels- und Wirtschafts¬
beziehungen und einer finanziellen Unterstützung für
den Wiederaufbau Rußlands, Nichteinmischung in
Rußlands innere Verhältnisse, freundschaftliche Ver
ständigung-über Polen, Littauen und Kurland, Rück¬
gabe des besetzten Gebietes an Oesterreich-Ungarn.
Er sei uberzeugt, daß Deutschland und seine Ver¬
bündeten sofort in Friedensverhandlungen eintrcten
wurden. Bezüglich der Kriegsziele nach dieser Seite
verwerse er auf die letzte .Kundgebung in der „Nord¬
deutschen Allgemeinen Zeitung". Dieses Telegramm
wurde durch gemeinen Diebstahl der russischen Re¬
gierung zugänglich gemacht, von unbefugter Seite
entziffert und dem merkwürdig en „Friedensapostel
Branting durch Verrat in die Hände gespielt.
Der schwedische Sozialistenführer Branting,
V: auf dem sozialdemokratischen Kongreß in Stc^-
Mt?, angeblich für den Frieden wirkt, in Wirklichst
aber die
Geschäfte der Entente besorgt,
indem er die Sozialisten au§ dem Vierbund aus
horcht, um das so gewonnene Material den Regie¬
rungen der Entente liefern zu können, hat dann in
stmem Blatt das Telegramm Hoffmanns veröffent¬
licht, natürlich um den Friedensvorschlag zu vereiteln,
denn nun konnte sofort die dipwmat. und sonstige Ge-
wnarbeit der Kriegsverlättgerer einsetzen. Die rus-
rsche Regierung verlangte sofort von Nationalrat
8rimm nähere Aufilärung. Dieser suchte sich her-
auszuwinden — sofern die russischen Mitteilungen
hierüber richtig sind — und Bundesrat Hossmann
als eine Art deutschen Unterhändler hinzustellen, was
chn aber vor der Ausweisung aus Rußland nicht
bewahrte. Selbstverständlich erhielten nun auch die
übrigen Vierverbands-Regierungen Kenntnis von
dein Schritte des Bundesrats Hoffmann. Diese erblick¬
ten darin einen Versuch, Rußland durch einen Son-
. .-rsrieden mit den Zentralmächten vom Vierderband
loszulösen, sie taxierten es als einen unfreundlichen
Akt der Schweizerregierung gegen die Entente, also
gcwissenmassen einen Bruch der Neutralität und
schreckten, wie sie es den Kleinen gegenüber immer
machen, vor stärksten Drohungen nicht zurück. Herr
Hoffmann hat zwar mit seinem Telegramm, wie er
so>ort erklärte, rein von sich aus und ohne Rück
spräche mit den übrigen Mitgliedern des schweizeri-
,u-en Bundesrates gehandelt, er hat keine Amtspflicht
verletzt, er hat lediglich feine Auffassung über die
,N>edensabgchten der Mittelmächte ausciuanderge-
setzt und damit nichts anderes gesagt, als was jedem
Zeitungsleser bekannt war und was auch jeder Lai-
Herrn Grimm geantwortet hätte, würde dieser sich
an einen solchen gewandt haben. Jedenfalls war
Bundesrat Hoffmann von den besten und edelsten
Gesinnungen beseelt. Nicht der Gedanke, Deutschland
einen Dienst zu erweisen, also keineswegs etwa eine
ncutralitatswidrige Absicht hatte chn geleitet, sondern
einzig und allein die Idee, den heißersehnten Frieden
zu fördern und damit dem Schweizerlande selbst, das
immer mehr unter dem Krieg leidet, einen allergröß-
H- ^nstzu erweisen. Er hat lediglich seine Pflicht
als Mensch und als Staatsmann seines unter dem
Kriege schwer leidenden Landes getan, wenn er einen
Schritt tat, von dem er sich eine Förderung des
,;rlcdensunternehmcns versprach und Wohl auch ver¬
brechen konnte. Daß er dabei auf Intriganten und
Scyurken stoßen werde, konnte er nicht wissen
Unter dem Druck der Entente, um seinem Lande
Ws Schicksal des unglücklichen Griechenland zu er
paren, ist Bundesrat
Hoffmann von seinem Posten znriickgetreten
n;£. schweizerische Regierung hat sich damit ein¬
er standen erklärt, obwohl Hoffmann ohne Zweifel
einer der besten Kopfe der Schweiz ist. Man sieht
hier wieder, welchen Einfluß die Entente bei den
Zentralen hat. Des Briten schwere, gewalttätige
pcrnft und des Galliers schlaue, verschlagene Kunst
sind wieder einmal an der Arbeit gewesen. Gewiß
ist die Schweiz ,n einer schwierigen Lage, da sie bei
ihrer Versorgung zum Teil von der Entente abhän¬
gig ist. Aber in Bezug auf Kohle und Eisen, für
das Wirtschaftsleben eines Landes ebenfalls unent-
behrliche Dinge, ist die Schweiz auf Deutschland an¬
gewiesen. Niemals aber hat sich dieses solch schäbi¬
ger Erpressermittel bedient, wie sie die Entente tag¬
täglich der Schweiz gegenüber anwendet und an¬
wenden darf, ohne dabei die fanatischen Synipathien
eines großen Teils der Bevvölkerung und der Prelle
irgendwie verscherzen zu müssen. Wir Deutsche sind
eben Wilde, „Barbaren" zwar, aber doch bessere Men¬
schen. Es greift einem wirklich schwer ans Herz, wenn
man aus dem Verlauf dieses Falles zur Uek-erzeu-
gung kommen muß, daß der ernsthafte Versuch,
den Frieden
anzustreben, gewissermaßen als eine fluchwürdige Tat
betrachtet wird, während das Verbrechen, durch das
er vereitelt wird, als Heldentat gepriesen wird. Man
kann wirklich nur schwer den Gedanken los werden,
daß die
Welt ei» TvllhauS
geworden ist. Bezeichnend ist es auch, daß der Vor-
sitzende der Stockholmer Sozialistenkonferenzen, die
angeblich dem Frieden die Wege bereiten sollten und
zu denen inan Vertreter aller Sozialdemokratien des
^ierbundes herbeizulocken verstanden hatte, während
die Verbandssozialisten fernblieben und ihre Häupt¬
linge sich damit begnügten, gelegentlich ihrer Durch¬
rasen "ach Petersburg in Stockholm bei Branting
und Geno,sen sich über den jeweiligen Stand der Be-
ragungen und Aushorchereien auf dem Laufenden
zu erhalten, der große „Neutrale" und edle Frie¬
densvermittler Branting als Werkzeug der «rieqsver-
langercr, als Handlanger der Derbandsre-ierüregen,
als in engster Berbindung mit der feindlichen Svi».
nageorganisatio» stehend entlarvt worden ist. Wenn
me gegenwärtig m Stockholm weilenden Vertreter
der deutschen Sozialdemokratie die Entrüstung des
deutschen Volkes über diese — Rolle Brantinas tei¬
len, dann müssen sie sofort jeden Verkehr niit diesem
Herrn, der nichts anders als' ein Wertzeug der En¬
tente ist, abbrechen, sonst wird man auf den Gedan¬
ken kommen, daß auch ihre „Friedensbestvebunarn"
nur Heuchelei sind.
Einen Nutzen hat der Fall Hoffnmnn aber doch
^habt, er hat dem ruffischen Volk und der ganzen
Welt wiederum gezeigt, daß
Deutschland ehrlich zum Frieden bereit
ist. In Rußland wird man bis in die letzte Stadt
hinaus hören und lesen, daß Deutschland geneigt ist,
sofort mit Rußland einen ftir beide Teile ehrenvolle«
frieden abzuschließcn, und die ganze Welt müßte er¬
kennen, wer den Krieg um des Krieges willen ver¬
langt. Ob doch noch einrnal Einsicht und Vernunft
trotz aller Jntnguen und Verlogenheit und Be¬
stechung zum Durchbruch kommen? Die Hoffnung ist
nicht groß. In England und Frankreich wird man
alles cnffbieten, um
Rntzlarrtz
Denn man
von einem Sonderfrieden abzuhalten.
weiß wohl, daß Rußland trotz aller schweren Verluste
und trotz aller Wunden dieses Krieges doch mit
Deutschlands Hülfe wirtschaftlich, finanziell, kulturell
und politisch rasch wieder gesunden und erstarken
konnte. England aber kann kein starkes Rußland
mehr brauchen, zumal wenn dieses Rußland nicht
mehr mit Deutschland verfeindet ist. Seine Politik
geht ja von jeher dahin, auf dem Festlnnde keine
Macht starker als eine andere werden zu lasten.
Dagegen hat Deutschland nach diesem Kriege erst
recht ein Interesse an einem starken, mit Deutschland
m freundschaftlichen nachbarlichen Bezielmrrocn
stehenden glücklichen Rußland, das seiner poliischen
Freiheiten sich ungestört erfreuen kann. Der Traum
des deutsch-englischen Bündnisses ist nicht tränenlos
bei Beginn des Krieges zu Grabe getragen worden,
das Hirngespinst von einer deutsch-französischen
z-reundschaft hat der Krieg hoffentlich für alle zer-
tört. Die Grundlage eines dauernde« Friedens für
Europa bildet allein die Berständitzun, Rußlands
m»t Deutschland, mit Oesterreich-Ungarn und deren
Verbündeten mit Anschluß der Neutralen im Norden
und Westen. Durch diese Mächtegruppe allein kann
die angestrcbte
englisch-amerikanische Weltherrschaft
vereitelt werden. Das ist unseres Erachtens das ein¬
zig erstrebenswerte und noch am ehesten zu erreichende
Kr«kgszirl, allerdings ist dazu, wie Kaiser Karl in
einer ersten Thronrede sagte, der „Durchbruch der
Vernunft" in Rußland nötig.
Leider war der Fall Hofftnann auch
ein gefundenes Fressen
ür die auch in der Schweiz vorhandenen, im Dienst
der Entente sehenden Kriegshetzer. Besonders
schlnmn hat man es in Gens getrieben, dort hielt
der Großrat de Robaux, also ein Mitglied der ge¬
setzgebenden Körperschaft, vor ca. 15000 Personen
Hetzrede gegen Deutschland,
während der Rufe wie: „Nieder mit den Boches,
^>d den Deutschen!" durch die aufgeregte Menge
schallten und der Redner sich zu der Behauptung
verstteg, baß Genf von deuffchen Spionen wim-
Ee. Als er gar ein bestimmtes Genfer Hotel als
deutsches Spionennest bezeichnete, stieg die Erregung
der Menge auf den gewollten Siedepunkt. Diq
Masse zog vor das Hotel und dann vor die Woh¬
nung des deuffchen, österreichischen und türkisches
Generalkonsuls und ließ ihre „neutrale" Wut an
Fensterscheiben und an deuffchen Wappen, im Ab¬
singen der Marseillaise und in Pfeife« und Schreies
a«,. Das war natürlich alles höchst „neutral", weil
es von Entente-Fanatikern und auf Weisung und im
Interesse der Entente geschah. Immer mehr drängt
sich einem der Gedanke auf, daß man es bei dem
Hoffmann scheu Zwischenfall nift einer von lange,
Hans vorbereiteten Intrige gegen Deutschland z«
tuen hat, um eventuell einen Kriegsfall zwische«
Deutschland und der Schweiz zu schaffen. Man ver¬
langt eine „Neuorientierung" der schweizer. Poli¬
tik und macht gar kein Hehl daraus, daß mau di«
Schweiz ins Lager der Entente führe, mindestens
zu emem zweiten Griechenland machen mochte«
ll»d in der Schweiz selbst, wenigstens in der stanz,
und üal., finde« fortgesetzt Protestversiimmlunge» gs-
— die eigenen Behörden statt. Die engl.-franz.
Regie klappt vorzüglich, ks wird der Rücktritt
nicht «ur des Gcneralstabschefs (v. Sprecher) und
noch.anderer Mitglieder des Bundesrates, sonders
am» de« Generats Wille geforüert. Alle S,e,e Len«
LS-« nämlich zu ihrem Unglück deuffche Name«.
Die „Neutralität , die -man in d« stanzösifche«
schtvetz verlangt, ist nichts anderes, als eine „Neu-
tralitat Uebelwollens, der Gehässigkeit, Un¬
freundlichkeit und Feindschaft gegen die Mittel¬
machte; diese „Neutralität" soll fürderhin im Bun-
deSpalais in Bern die geltende sein. Am liebsten
wurde es gewissen hochmögende« Herrschaften de,
Westschtveiz zweifellos sein, wenn der zur Zeit b».
st^ftigiingslose Jofste Kommandant der mobfle«
Schweizer Armee und etwa Elemenceau Bundesprä-
trari?ät"frbe’ “enBen dam, wahre „Neue
Bedauerlich ist auch die Behandlung. di«
der König v,n Griechenland
zu Lugano in der italienischen Schweiz erfuhr. AIS
er am See spaziere» ging, wurde er von einer aro-
ßen Menscyenmenge belästigt, ansgepfiffe» und be¬
droht, sodaß er in ein nahegelegenes Haus flüchte»
nmtzte. Dies« Handlungsweise war umso schmähli¬
cher, als König Konstantin als «rholungsbedürf-
Kranker nach der Schweiz gekommen ist«
hat er sich nach Thusis in GranbÄnden
begeoen, wo ihn die herzliche Aufnahme durch eine
brave, Bevölkerung für die Insulte« entschädigte,
tfene» er in Lugano seitens der ententefreundlichen
italrenischsprechende« Schweizer ausgesetzt wa,.
In Oesterreich
hat d« alte Nationalitäten- und Parteihader schon
wieder ««gefangen. Es hätte so viel pscktrsche Arbeit
gegeben, einmütiges, rasches Vorgehen gegen Wuche,
und ausbeuterische Spekulation, kräftige Maßnahmen
— Invalide, notleidende -Kriegerfanrilien, arme
lffen und Hungernde. Für alles das gab es keine
nationalen Grenzpfähle, an der elementaren Größe
dieser volkstümlichen Aufgaben hätte der Arbeits¬
wille zu elementarer Wucht anschwellen müssen. Die
Hoffnung hat getäuscht. Ter alte Zank geht weiter
wo er vor drei Jahren vor dem Krieg aufgehört
hat. Mag inzwischen die Welt halb in Fetzen ge¬
gangen sein — das ist schnuppe. Statt mit den rie¬
senhaften finanziellen, sozialen, sittlühen, weltpoli¬
tischen Problemen des Krieges und des kommenden
Friedens sich zu beschäftigen, hat man sich darüber
herumgestrittcn, wie viele Ministerposten die oder
jeite Partei ergattern kann, ob es sich empfiehlt, vier
oder fünf neue Ministerposten ohne Amt und ohne
Meit, selbstverständlich aber mit Bezügen, zu schaf-
fen, welche „nationalen Konzessionen" zu erreichen
seiM und dergl. mehr. Besonders di« Tschechen und
Polen taien sich in derartigen Maßlosigkeiten beson-
ders hervor, sie verlangten sogar eine'Nachprüfung
der gegen tschechische Hochverräter gefällten Urteile.
Jedenfalls haben sie sich nicht so gegeben, daß -man
daraus hatte ersehen können, sie seien die Vertreter
der geschlossenen Front vor dem Feinde. Viele schei¬
nen noch zu wenig im Schübenarab'en gewesen zu