kln< Personalunion mit Preußen, sondern einen eige.
nen katholischen Fürsten will, hat man allerlei Schwie.
riakeiten in den Weg gelegt. Es bedurfte des starken
Nachdrucks der Reichstagsmehrheit, dah der Reichskanq«
ler endlich der in Berlin eingetroftenen litauischen Ab¬
ordnung dieselbe Zusage machen konnte, wie der kur.
ländischen, obwohl in Litauen schon jetzt die BolkSver.
tretung auf einer viel breiteren Gruiidlage beruht,
wie in Kurland, und selbst die Oberste Heeresleitung
dem Bischof von Kowno gegenüber dem Vorschlag Litau¬
ens zugestimmt hatte. Litauen wird in ein enges
Bundesverhältnis zum deutschen Reich treten. Als Lan¬
desherr ist der Herzog von Urach in A"? sicht genommen
lder vor Jahren Kommandeur der Hanauer Ulanen
war und bei der dortigen kathol. Gemeinde durch sein
und seiner ganzen Familie erbauliches Beispiel im besten
Andenken steht). Dah die Litauer einen katholischen
Landesherrn baben wollen, ist der bekannten .Täglichen
Rundschau", dem Organ deS Evangelischen Bundes,
sehr unangenehm, und sie entblödet sich nicht, gegen
diesen kerndevtscken Fürsten eine Hetze in Szene zu
s-ttl-n — weil er katholisch ist und sich auch als Katho.
Itl bekennt. Für den Geist dieses Blattes und seiner
Hintermänner ist das sehr bezeichnend. Unsererseits
muh gegen derartige Strömungen entschieden Front
gemacht werden. Hinsichtlich der staatsrechtlichen Stel¬
lung
Efthlands und Livland-
betonte Unterstaaissckrclär v. d. Bussch«, t«aß diese
beiden baltischen Länder zunächst noch als russische Ge¬
bietsteile gelten; sie sind zwar mit deutscher Hilfe von
den roten russischen Volksbeglückern befreit, aber im
Friedensvertrag nicht als losgelöst von Ruhland bezeich.
net worden. Sie müssen auf Grund des von den Rus.
sen anerkannten SelbstbestirnmungsreckeeS dca Völker
sich erst entscheiden. Auch wenn sie Anschluh an Teutsck-
land suchen und finden, müsien sie doch auch mit Ruh¬
land zu solchen Beziehungen kommen, dah diesem Nach,
barn der Zugang zum Meer nicht verschlossen und so
nicht der Anlah zu neuem Streit gegeben wird.
Was die Expedition nach
Finland
betrifft, soll dieselbe, wie gleichfalls mitgeteilt wurde,
nicht länger ausgedehnt werden, als unbedingt notwen.
big ist.
Sehr hoffnungsfreudig
spricht sich ein Sozialdemokrat, der Abg. Dr. Paul
Lensch, im .Tag" üder den Frieden im Osten aus. Er
meii't, die Weltenwcnde, deren Zeugen wir seien,
werde erst von späteren Geschlechtern voll gewürdigt
werden können, weil erst sie den Ueberblick über dre
Tatsachen hätten, die sich aus ibm ergeben werden.
Der Weltkrieg sollte nach dem Willen der Entente für
Deutschland eine Wiederholung deS Dreißigjährigen
Krieges werden. Allein die Dinge haben sich gedreht.
Tie Friedensschlüsse, die wir bisher erlebt, haben eine
gewiss« Aehnlichkeil mit dem berühmten Frieden von
Osnabrück und Münster, nur wieder im umgekehrten
Sinne. Damals zerfiel das grotze Deutsche Zentral»
reich in eine Unzahl kleiner Einzelstaaten. Diesmal
ist zunächst da« gewaltige Reich an unlerer Ostfront in
seine Bestandteile zerlallen, und die Hoffnung best'bt.
dah der kommende Friede mit England auch in daS
englische Weltreich genügende Zersetzungskeime pflan-
rrt wird, tim die grohe Kulturgefahr und ewige
tiegSdrohung. die es darstellt, zu überwinden.- Was
auS Ruhland' in den kommenden Jahrzehnten wird,
verntag niemand zu sagen. Rur eins ist sicher: da»
Objekt einer östlichen Orientierung existiert nicht mekr
und ob eS in absehbarer Zeit wieder erstehen wird,
vermag niemand mit Gewihheit zu bejahen. Kann
sich also di- ,-östlicke Orientierung" nicht mehr auf daS
alte Ruhland beziehen, so um so mehr auk die neuen
im Osten entstehenden Staaten. Mit der Zertrümme.
rung des Zarismus und der ihr folgenden Auflösung
Rußlands ist die politische Atnwsphäre Zentraleuropas
von einem Drucke bclreit. der zwei Jahrhunderte auf
ibe lastete. Indem Deutschland die russischen Fremd.
Völker befreite, hat es sich selber von Ruhland
befreit. Läh> nun, wie wir annehmen können,
durch das Ausscheiden Frankreichs aus der Reihe der
Großmächte in Zukunft auch der fortgesetzte Druck auk
unsere Westgrenze entscheidend nach, so steht damit
Deutschland in einer seit drei Jahrhunderten nicht
mehr gekannten Situation in der Welt boTt die stän»
digr Kriegsdrohung, die unser ganzes inneres Leben
beeinfluhte und unsere Politik entsprechend kennzeich«
riete, wäre verschwunden an unseren Grenzen.
D«r ..Fa« Lichnowsky"
beschäftigt seit einigen Tagen die Leffentlichkeit. ES
ist schwer, daS, wa» in spaltenlangen Artikeln tage¬
lang in den Zeitungen darüber gebracht wird, in «in
paar Zeilen in einem Wochenblatt »usammenzufas-
sen. Lichnowsky war unser Botschafter in Eng¬
land vor dem. Krieg (seit 1912). Er hat Aufzeich¬
nungen über seine dortige Tätigkeit gemacht und sie
für seine „Freunde" vervielfältigen lassen. Durch
einen Vertrauensbruch kam ein Exemplar dieser
Auszeichnungen an rin ausländisches" sozialdemokra-
r>sch«« Blatt und "an ist der Skandal da. Die Denk-
K dieses Diplomaten fommt nämlich scpießlich
f hinaus, uns die Schuld am Ausbruch deS
Krieges aufzubürden. Lichnowsky behauptet, er habe
eine Verständigung mit England fertig gehabt, in
Berlin habe man ihm aber seine« Erfolg nicht ge¬
gönnt und nicht auf ihn gehört und statt von Lester-
reich sich loszusaaen den Russen den Krieg erklärt.
Das ist natürlich eine ganz unrichtige Darstellung.
Auch für den unpolitischsten Deutsche» ist es gerade¬
zu unverständlich, wie ein deutscher Divlomal über¬
haupt dazu kommen kann, solche« Tedankenaängrn
nachzuaeben. Auf jeden Unbefangenen macht die
Denkschrift den Eindruck, dost Fürst Lichnowsky in
London sich vom Schein blenden ließ und ihn für
Wirklichkeit und die liebenswürdigen und beruhigen¬
den Worte der englischen Staatsmänner, wenn sie
nur seiner Selbstgefälligkeit zu schmeicheln verstan¬
den. für bare Münze nahm. Die ganze englische
Politik beurteilte er nach den angenehmen Umgana».
formen der Londoner maßgebenden politischen Ge¬
sellschaftskreise. er ist voll Entzücken darüber, daß ibn
die Oxforder Universität zum Ehrendoktor ernannt
hat. und darüber hat er sich so einseifen und einwickeln
lasten, daß er alle Ereignisse nur durch die englische
B"iste steht und alle? glaubt, was die englischen Di¬
plomaten ihm sagen. Wir waren einmal vor Jab«
reu bei einem alten Herrn, der sein Lebtag noch
keine Ziaarre geraucht hatte, er bot uns eine an
mit der Versicherung, sie sei gut, „der Reisend«, von
dem er sie gekauft, habe es selbst gesagt." Von ähn¬
licher Harmlosigkeit scheint dieser Diplomat gewe-
sen zu sein: er glaubt alles, was die geriebenen
Engländer ibn weismachen. Und weil er nun durch
die raube Wirllichkeit aus dem blauen Himmel fei¬
ner Traume und gesellschaftlichen Erfolge gestürzt
wurde, hat er schmollend und verärgert zur Feder
aearisten und seinem gekränkten Ehrgeiz die Zugel¬
schießen lasten. Schon die bloße Tatsache, daß Lich¬
nowsky dieser äraerliche BertrauenSbruch zustoßen
konnte, fiir den er ietzt alle amtlichen Stellen mit
demütiaenden Abbitten bombardieren muß. ist be¬
zeichnend für die Fäbiakeit, die Tragweite von Hand-
lunaen und Möglichkeiten abzuschätzen. für die Vor»
ausstcbt. die Menschenkenntnis und die ganze voli-
tische Begabung -eines Didlomaten. dem unter Betb-
mann Hollweg das Londoner Erbe eines Mar^ckall
anverttant worden war. Man bat der Nnsäbiakeit
unserer Diplomaten schon oftmals den Vorwurf ge¬
macht. daß sie teilweise das Fu-chtbore verschuldet
babe. was beute «ms unserem Volke lastet, zum aller¬
größten Teil wohl mit Unrecht, denn Weltkatastro»
vßen, wie der aeaenwärtige Krieg es ist, zu Verbin¬
dern. liegt überhaupt außerball, der Macht der
Diplomatie. Aber wenn ein deutscher Bostchaster
eine geradezu arenrenlose Unfäbiakeit bewiesen bat,
dann ist es Fü-st LichnowSkv durch seine unstnnme
Denkschrift. Schade, daß erst der Kriegsausbruch
seinem Wirken ein Ziel gesetzt hat.
Holland
dat sich der Entente fügen müsien und Wilson hat schon
die holländischen Schiff« bescklagn<chm«n lasten. In
Deutschland versteht man di« schwierige Lage Hollands
bei Beurteilung seiner Unterwerfung unter daS Entente-
>och wohl zu würdigen. Di« Entente verfügt min ein¬
mal über den Brotsack, den sie den Neutralen je nach
Bedürfnis höher hängt, und leider ist in unserer ma.
teriellen Zeit die Tugend der Entsagung nirgends lo
groh. dah sie sich alS Beherrscherin deS Hungergefühls
zit brüsten vermöchte. Nachdem Holland sich der En.
tente so gefügig gezeigt hat. könnten wir ja. wenn wir
wollten, durch Einstellung der Lieferung von Kohlen
und Eisen die ganze holländische Industrie, fa mit der
Zeit daS ganze wirtschaftlich« Leben in Holland labm
legen. Natürlich werden wir unter Würdigung der
schwierigen Lage, in die Holland durch die Erprester-
politik der Entente gekommen ist, nicht so weit gehen,
nber das kann daS deutsch« Volk angesichts der Haltung
Lollands und verschiedener anderer Neutraler in Eu.
, »pa verlangen, dah in bezug auf Kohlenvcrsorgung
künftighin der deutschen Regierung das eigene Volk
näher steht, als di« mehr oder minder .neutralen" Nach,
barn, wenn auch ausnahmsweise die Kohlenbaron« ein¬
mal nicht auf ihre hohe Rechnung kommen sollten. Der
gute deutsche Michel wird halt unter Protest diese neue
Vergewaltigung der kleine« neutralen Staaten dul¬
den. Allerdings müssen nun auch die holländilchen
Schifte, wenn sie in die Sperrzone kommen, von uns
torpediert werden. So erreicht England wenigsten», dah
Holland nach dem Kriege keine Schifte bat und nickt
als lästiger Konkurrent auftreten kann. Für uns frei,
sich verlängert sick der U.Bootkrieg. Der neueste
Streich Englands aber gibt dem ZentrumSabgesrdnete«
Erzterser reckt, der vor anderthalb Hchren warnte,
durch den U-Bootkrieg einen raschen Erfolg zu erhoffen;
denn England werde zu gegebener Zeit sich die Ton-
no-r der gaitjett Welt ««eignen. Das tritt nun ein.
zeigt aber auch, dah Englands Not hoch gestiegen ist.
Und dämit keimt die Hoffnung auf da» Kriegsende i>
absehbarer Zeit. '
Mit Romänie«
werden wir hcftentlich. nachdem der deutfch.freundllch«
Morgbiloman die Kabinettbildung übernommen Hai,
auch bald Frieden haben, womit dann die Serie im
Osten abgeschloßen wäre abgesehen von den drei Bal.
kanstaaten Serbien. Montenegro und Griechenland.
General AvereScu, der seitherige Ministerpräsident,
hatte sich zwUcker zwei Stühle gesetzt, indem er einer.
k«it» den Mittelmächten Zusagen gemacht hatte und
sich andererseits von seinen alten Ententefreunden
nicht trennen konnte. Was über Einzelheiten der
Fii-dcnSbedingungrn rn den Zeitugen zu lesen ist. de»
ruht auf haltlosen Vermutungen. ES ist am besten,
man wartet tS ruhig ab bis der Fried« da ist, dann er¬
fährt man die Bedingungen noch früh genug.
Allerlei vom Krieo.
Die reichen Vorräte von Nahrungsmittel».
die unsere vordringenden Truppen in Ruhland und
in der Ukraine gefunden haben, dürfen mehr zu der
sickeren Erwarluna führen, dah wir nun sofort Nutzen
davon haben werden. Die grohen Transport'ckwi-r-g.
leiten verhindern eS, dah die deutfcke Ernährung»,
Wirtschaft durch die russischen Vorräte sckon in näckster
Zeit erleichtert wird. Eine wesentlicke Hilfe darf erst
gegen Ende de» laufenden Wirtschaftsjahre» erwartet
werden.
Mitteilungen aus Staat und Nlrche.
Aus der Soroe um die Zukunft geboren ist der
Mit elstandSantrag des Zentrums, welcher dieser
Tage im Reickstag zur eingebenden Besprechung ge.
lonat ist. Schon immer ist bekanntlich das Zentrum
für V« Interessen des Mittelstandes mit aller Ener¬
gie eingetreten. Es ist eine traurige Tatsache, daß
gerade der Mittelstand am meisten von allen Stau-
den gelitten bat und daß d!« Fraae deS Wiederauf¬
baues nach dem Kriege gerade für ihn von folgen¬
schwerster Bedeutung ist. Der Wortführer des Zen¬
trums. der Abg. Irl. wies hierauf mit besonderem
Nachdruck hin. Seine Darlegungen gipfelten in der
Forderung, daß nach dem Kriege an den Wiederauf¬
bau des Handwerks beranaeaangen werden muß.
Tie Mittel liefen aus drei Gebieten: 1. der Beschaf¬
fung von Arbeitsoeleoenbeiten: 2. der Rohstoftbo.
schaffung und 3. der Regelung des Kreditwesens. Der
Staatssekretär Frbr. v. Stein stimmte den Darleg¬
ungen des Redners zu und kündigt« die M'tbilke de»
Staates in weitaebendem Maße an. LeistunaSfäbig«
Handwerkergenostenschaften sollen durch Zuwendung
von Aufträaen unterstützt werden. Nach dem Kriege
187<V71 sei die für damalige Verhältniste ansehn¬
liche Summe von 12 Millionen Mark fü'- die Wie-
derbelebuna des Handwerks aufgewendet worden: in
welchem Umsanae es ietzt möalich sein wird, steht
noch dahin. Jedenfalls wünsche di« Regierung
dringend. einen gesunden und lebensfrohen Mittel¬
stand zu erhalten und sie sei entschlossen, an ihrem
Teile zu helfen, die Wunden zu heilen, die dem Doll«
durch den Krieg zugefügt worden sind.
Einem Krebsschaden, der am Marke des Volkes,
besonder« der Jugend, naat. soll jetzt endlich zu Leibe
gegangen werden durch das
Lichtspielaesetz.
mit dem der Reichstag sich dieser Tag« beschäftigt
hat. Wohl ist während des Krieges durch die ver¬
schärfte Zensur, durch das Einareifcn der General¬
kommandos. durch die Unterbindung der Einfuhr
ausländischer Films auf dem Gebiete des Kino¬
wesens manches bester geworden: aber damit sind
noch lange nicht alle Schäden ausge^äumt. Man
braucht bloß manche Zeitungen in dw Hand zu neh¬
men. da findet man auf der einen Seite die Todes¬
anzeigen derer, die draußen ibr Leben fürs Vater¬
land gelasten haben, und auf der anderen Seite fin¬
det man Ankündigunaen von Kinovorführunaen. dt«
von Belehrung und Unterhaltung keine Spur auf-
weisen, sondern ledialich auf die Senlationslüstern-
beit der großen Masten svekulie en. Es wäre wirk¬
lich zu wünschen, daß die Presse bei der Ausnahme
derartiger Anzeigen etwas mehr Veranwortunqs-Ge-
fühl an den Tag legen möchte. Wenn eine Zeitung
auf der ersten Seite über die sittliche Verrobuna un¬
seres Volkes und über die Zunabme des Verbrecher¬
tums klagt, während auf der letzten Seite diese Kri¬
minalstücke, Detektivromane und Liebesgeschichten in
ekelhaft sensationeller Aufmachung angenriesen wer¬
den, so versteht man einfach nicht, wie eine Zeitung
das miteinander zu vereinbaren imstande ist. sagte
mit Recht der Zentrumsabgrorbi-e'e tfti«ckhofs im
Reichstag. Ganz tesonders bedenklich der Ein«