Mrfe Stellungnahme der Vaierlmchspartei richtet sich
eine Erklärung in der offiziösen „Nordd. Allg. Ztg.".
Darin wird nochmals dargrlegt, daß Hertling llipp und
klar erklärt habe, die volle Selbständigkeit Belgien»
wieder herzustellen. Sie fügt bei. daß der Reichskanz.
ler Graf Hertling sich in feüien Forderungen bezüglich
Belgiens mit der Obersten .Heeresleitung im vollen
Einverständnis befindet. Wenn beide mahgebenden In¬
stanzen des Reichs in den vom Reichskanzler aufgestell.
ten Forderungen ein« genügende Getvähr für die Si¬
cherheit des Reiches erblicken, dann sollte das u. E.
auch der Vaterlandspartei genügen. Auf die Spitzsin.
digkeiten in ihrer Kundgebng. die keine Annexion, aber
lwch die „deutsche Macht" in Belgien verlangt, wollen
wir nicht eingehcn. Zu beachten ist aber die Ungeniert-
yeit, mir der hier der Macktslandtzunkt vertreten tvird.
Und diese Leute schreien am lautesten, wenn unsere
Feinde den gleichen Mnchtstmidpunkt gegen uns vertre.
tr» wissen wollen. Im übrigen liefern derartige „Ent¬
schließungen" der Vaterlandspartei, wenn sie auch kei-
neu vrakt. Wert haben, da mit der Regierung die Masse
des Volkes sie ablehnt, dem selndl. Ausland« doch will,
komme neu Stoff zu der ausgeschämtesten drutschfrindli.
che» Weltpropaganda. Man fragt sich nianchnial vcrloun.
dert, loeshalb ioir Deutsche in der ganzen Welt so ver.
^ȧt find? Der Geist, der in der Vaterlandspartei sich
breit macht, das üppig ins Krant geschossene Schranzen»
tum jener Leute, die da meinet', es könne u»S ganz
schnuppe sein, ob bei den anderen Völkern für unS Hatz
oder Liebe herrsche, dieser Geist, der nicht vo>' heute ist,
ist daran schuld. Leider hat das ganze deutsche Volk
darunter schwer zu büßen und ein« Verständiguvg und
rin« Verbindung der Völker, die doch wieder einmal kom.
men muß, wird dadurch unendlich erschwert.
Allerlei Reden
sind tu den letzten Tagen in OesterreichUngarn
gehalten worden. So hat Graf Burian, der österr.
Außenminister, eine große Rede gehalten in der der
Grundgedanke war. daß neben der militärischen
Kriegführung auch die Diplomatie eine,» ebenbür¬
tigen Matz habe. Ter Krieg kann niemals Selbst-
zweck, sondern mir Mittel zu einem Endzweck sein,
zu eineni ehrenvollen Friede». Es ist nicht nur das
Reckst. sonder,, die Pflicht der Diplomaten, ständig
aui der Macht und auf der Ausschau zu sein, ob
und wo fich ein: Möglichkeit bietet, diese".' End'
ziele im Einklang mit den militärischen Operatio¬
nen näher zu kommen, und keine dieser Möglich¬
keiten unbeachtet und unversucht zu lassen. Die
Mittel, welche dabei die Diploniatie anwendet, sind
naturgemäß andere, als jene, die der militärischen
Kriegführung zu Gebote stehen. Diese hat nur das
eine Ziel, zu siegen, die Diplomatie aber die Pflicht,
etwaige Friedensneigungen des Gegners aufzu-
spüren und festzustellen und gegebenen Falles auf
denselben das Fundament des zukünftigen Frie-
densgebäudes c?,f»»Bauen. Der Krieg arbeitet
zerstörend, vernichtend, die Diplomatie positiv, auf¬
bauend. Mit Recht hob Burian hervor, daß nur
die Ansprüche der Gegner auf Landabtretung sich
noch dem Frieden entgenenstellen. Die Mittel¬
mächte keimen nur den Willen der Selbsterhaltung,
den Willen zum ungestörten Besitze dessen, was sie
vor dem Kriege schon hatten, den Willen zur freien
Entfaltung und Entwicklung der geistigen un¬
wirtschaftlichen Kräfte ihrer Säuber im Rahmen
ihrer geschichtlichen Entwicklung und der Rechte ei¬
nes freien, selbständigen und unabhängigen Volkes.
Wie für Deutschland Elsaß-Lothringen, so sind für
Oesterreich-Ungarn Südtirol, Görz und Triest Be'
griffe, die jeder Friedenserörterung entzogen blei¬
ben müssen. Der ihm von den Gegnern zugedach¬
ten Zerstückelung und Auflösung in den verschiede¬
nen Nationalitäten wird sich Oesterreich-Ungarn
bis zum letzten Blutstropsen widersetzen. Darüber
ließ Graf Burian, bei aller Betonung der steten
Friedri'bcrritschuft der Monarchie, nicht den gering,
sten Zweifel.
Großes Aufsehen hat auch eine
Rrde des Grafen Czernin
gemacht, in der ct sich Wer die innere und äußere Poli¬
tik Oesterreichs verbreitete. Hinsichtlich der ersteren
sprach er sich mit Entschiedenheit, unter Verurteilung
eines planlosen HeruuilavierenS, für eine deutsche
Orientierung, also für einen deutschen Kurs aus, zu
dem sich ja anch der Ministerpräsident v. Seidler be¬
kannt hatte. Wie er sich aber bei einem solche» Bor-
Iviegen des Deutschtunis in dem vielsprachigen Oester,
reich den inneren Frieden der Monarchie — nnd dieser
ist doch die erste Voraussetzung eines geordneten auch
nach außen niächtigen Staatswesens — denkt, darüber
hat er nichts gesagt. Was Oesterreich braucht, ist eine
Verbindung und keine Trennung der Nationen. Es ist
nicht richtig, daß Nachbar und Nachbar einander Feinde
sein müssen. Wir meinen, daß Geibcl recht hat, wenn
«r sagt:
Gemeinsame Hilf' in gemeinsamer Not
Hat Städte und Staaten gegründet;
Der Mensch ist ein Einsamer nur im Tod,
Doch Leben «id Streben verbündet.
Und lvenn «ich au» einer Nieren Kultur und einer
größeren Volkszahl sich ein« gewisse Vormachtstellung
einer Nation als etwa» ganz NarürkicheS ergibt, so
braucht diese Rachtnnglrichheit noch keine RechtSnn-
gleichhrit zu fein. Jede» Zusammenleben beruht auf
Kompromissen und der ausgleichenden Gerechtigkeit:
Nimm und gib! Soll der Mensch mit dem Nachbar
auSkommcn, soll er au» dem Beisammensein den ihm
gebührenden Vorteil schöpfen, darf er nicht den Blick
nur auf seine eigenen Rechre richten, er muß auch die
Ansprüche seines Nachbar» würdigen können. WaS an-
gestrebk werden mutz ist ein großes, starkes
innerlich geeinigte» österreichisches Oesterreich.
Ein Oesterreich, wo nicht wie bisher immer gegen die
eine oder die andere Nation regiert wird, sondern ein
Oesterreich, das aufgebaut auf der Zusammenarbeit der
Nationen, die in diesem Siaate nicht nur nebcneinan-
der wohnen, sondern kunterbunt dnrcheinandergewürfelt
sind. In einem solchen Bölkergeuiisch ist die Vorherr¬
schaft mir einer Nation undenkbar. Das hat auch das
jetzige
Ministerium v. Seidler
außer acht gelassen und deshalb, har es seine Ent¬
lassung nehmen müssen. Möchte sich in den: Nach¬
folger Dr. v. Seidler» endlich mm der Mann finde»,
der Wegbereiter eine? östrreichischcn politischen Kurses
zu sein vermag.
In der äußeren Politik empfahl Czernin das einzig
richtige für Oesterreich, die Fortdauer und die Bertie.
fuug deS Bündnisses mit dem deutschen Reiche. Oester¬
reich-Ungarn könne niemals in seinen! Bcrhälmis zu
Deutschland neutral sein, sondern nur entweder der
Bundesgenosse oder Feind Deutschlands. Seine Lage,
seine narional« Zusammensetzung, die internationalen
Gegensätze ztoingen dazu. Deshalb hat sich Oesterreich-
Ungarn niemals von Deutschland zurückziehen können,
und selbst dem einzigen friedlichen Versuche, dies zu
tun. der Nicderlegung der römisch-deutschen Kaiser¬
krone durch Franz I., folgten bald die Tage auf der
Leipziger Heide, auf der sich Oesterreich ebenso für die
eigene Freiheit wie jene Deutschlands schlug. Das
BündniSwerck Bismarcks ud Andraffhs nach der Feind¬
schaft von 1866, wurzelt in dieser fruchtbaren, von der
Natur geschaffenen Furche. Diese Notwendigkeit, der
Verbündete Deutschlands zu sein, setzt, so sagte Czer.
nin, die deutsche Orientierung der innereu Polin!
Oesterreichs voraus. Aber so sehr er für das Bündnis
eintritt. so erklärte er doch — und das wird wohl rich¬
tig sei» — daß Oesterreich nicht blindlings mir Deutsch¬
land durch Dick und Dünn geht; niemals würde» die
Völker Oesterreichs verstehen, wenn die österreichische
Regierung diesen schrecklichen Krieg für die Grobe,
rungsivüusche eines fremden Staates verlängern sollte;
diese Zumutung allein wäre im Stande, das Bündnis
?u gefährden. Zum Glück gelten dem Grafen Czernin
die letzten Ausführungen des deutschen Reichskanzlers
als Bürgschaft, daß auch Deutschland den Krieg u»r
zur Verteidigung, nicht zu Erobcrungsztvecken führt.
Aber obwohl die politische Führung in Deutschland
und Oesterreich redlich bestrebt ist, dein Frieden die Wege
zu ebnen, für eine Annäherung der kriegführenden. Par¬
teien Tür und Tor zu öffnen, ivill die Verblendung
nicht von den feindlichen Völkern weichen, die die Welt
nach furchtbaren Heimsuchungen der 4 Kriegsjahre im¬
mer weiter in das durch ihren Willen unabsehbare Ver.
derben treibt. Wann endlich wird auch die Entente ihre
Staatsmänner finden, die den ziveiten Schritt tun n»d
auch ihrerseits Wort« finden, die den Kundgebungen
Hertlings und Burian» ein freimdlchcs Echo geben?
Was man jetzt wieder als Antivort gehört hat, läßt
leider keine Hoffnung aufkommen.
Frldmarschall Conrad v. Hötzendorf
har seinen Abschied genonunen. Vier volle Kriegsjahre
hat er als Chef des österreichischen Generalstabes nnd
dann als Heeresgruppenkommandaut die veranilvor.
tungsschwere und uervv "zerstörende Feldheermirbeit
geleistet, eine Leistung, die, lme Kaiser Karl in seinem
Handschreiben hervorhebt, erst die Geschichte In vollem
Umfang z» würdigen imstande sein lvird. Oesterreich
hat seine Feldherren nie vor leichte Aufgaben gestellt,
denn es lvar nie in der Lage, ihnen ei" genügend starkes
und entsprechend gerüstetes Heer zur Verfügung zu
stellen und war fast immer gezwungen, sie gegen über,
legenc Feinde in den Kampf zu senden. Auch in die¬
sem Weltkrieg lvar es so. Wohl hatte schon seit 1966
Hötzendorf daran gearbeitet, das österreichische Heeer auf
die Höhe zu bringen, aber bei der sprichwörtlichen öster¬
reichischen Geniütlichkeit hatte er mit den größten
Widerständen zu kämpfen und konnte sein Ziel nicht
ganz erreichen. Trotzdem hat die österr.-ungar. Armee
1911 der inehr als dreifachen russischen Ilebermacht
standgehalten und den von Deutschland abgelcnkten
tauptstoß der russischen Waffen znm Stehen gebracht.
as halte große Opfer gekostet und gebieterisch machte
sich die Forderung nach der Aufbietung aller materiel.
len und persönlichen Machtmittel des Staates geltend.
Die Organisation, Ausrüstung und Schulung der neuen
Millioncnhecre mitten im Krieg war Hötzendorfs grö߬
tes und für den, Bestand Oesterreichs entscheidendste
Leistung, und eS gelang, wenn mich unter manchen
Rückschlägen, die russische Gefahr zu überwinden.
Die erfolgreiche Abwehr der russische,» Juvafion,
der Eiest über das Millioneuheer des Großfürsten Ni¬
kolai Nikolajrwitsch und die meisterhaften Gegenmaß.
nahmen gegen den Angriff Italien» bilden den Höhe.
Punkt der militärischen Tätigkeit des Chefs des Gene,
raksttwc» Freiherrn v. Conrad, die große Zeit einer
langen und verdienstvollen militärischen Laufbahn.
Wenn dann der weitere Verlauf der vielfach verlvor.
reuen, heute i neinande rareise »den. morgen auseinan.
derstrebenden Ereignisse dieses gelvaltigen Weltringens
nicht alle Hoffnung«« erfüllte, die man zu Kriegsbeginn
an den Namen Conrads geknüpft hatte, so liegt die»
zuni, guten Teil au jeneni Mißverhältnisse zwischen den
Plänen und den zu ihrer Durchführung notwendigcn
Kräften und Mitteln, das angesichts der ungeheuren
Anforderungen dtzeses Krieges auch an den anderen
Fronten schon gar mauclxn winkenden Erfolg ver.
eikelt hat. So ist es auch Conrad v. Hötzendorf gegan.
gen. Als Heereskommandant an der Tiroler Front
hatte der große wissensHiftliche Stratege in der prak.
tischen Anwendung der Kriegskunst — irie der Soldat
sagt —kein Glück und allmählich begann er, besonders
nach der letzten vergeblichen österreichischen Offensive
im Juni, zu fühlen, daß es das schwere Los des rnilitä.
rischen Führers ist, daraus die Folgerungen zu ziehen,
J»i Kriege Imrken eben viele Faktoren zusmumen, di«
das Endergebnis der Unternehmungen bestimmen und
der Anteil deS Führers am Erfolg oder Mißerfolg
läßt sich gewiß nicht mit unbedingter Sicherheit fest,
stellen. Aber das Schicksal deS Feldherrn gleicht «ben
in dieser Hinsicht dem der Minister. Sie müssen den
Verlauf und Ausgang der Unternehmungen mit ihrer
Berantivortlichkeit decken und so Ivie sie die Ehren der
Erfolge einheimsen, auch die Folgerungen ziehen, ioenn
der Erfolg ausbleibt. Neue Persönlichteiten geben
da,m dem Volk wie dem Heer neues Vertrauen und
damit neue Kräfte. Conrad d. Hötzendorf steht im 68.
Lcbeusjahr. Sicher begleitet ihn das warme Mitge.
fühl, daß ihm, der am Aufbau der österreichischen
Wehrmacht so große Verdienste hatte, ohne die Oester,
reich Herne nicht mehr aufrecht stände, der volle Erfolg
und die Ernte seiner organisatiorische» Arbeit zu sehen
versagt blieb.
De? Exzar Nikolaus ermordet!
Diele Nachricht war schon vor einigen Wochen
verbreitet tvorden, hatte sich aber nicht bewahrhei¬
tet, diesmal ist wohl an ihrer Richtigkeit nicht mehr
zu zweifeln. Die Bolschewiki-Negierung in Mos¬
kau hat Zugegeben, daß der Zar am 16. Juli in
Jekaterinburg von roten Gardisten erschossen wor¬
den ist. Aus Furcht, die Tscheckw-Slowaken, welche
dort ficgrcjch vorZurücken scheinen, möchten sich des
Zaren bemächtigen und ihn zu ihren Zwecken ge¬
brauchen, gab der dortige Sowjet-Ausschuß kurzer
Hand den Befehl, ihn zu erschießen. Es ist ein
tragisches Geschick, daß der Zar infolge der jetzigen
Treibereien seiner eheuialigen Freunde, die mit
Hilfe der Tschecho-Slowaken Rußland wieder in
den Krieg treiben wollten, ums Leben kommen
mußte. Nun hat mich Rußland seinen Zarenmord
durch die Revolution, nachdem es schon so viele
Zaren»,orde aus politischen .Hofintrigen gehabt
hat. Was Frankreich am 21. Januar 1793 getan
hat, indem es Ludwig XIV. hinrichtete, was Eng-
land schon im Jahre 1649 getan hatte, indem es
Karl l. aufs Blutgerüst schickte, dos hat jetzt auch
Rußland getan. Die böse Tat wird in der ganzen
Kulturwelt verurteilt werden, den Bolschewiken
keine Freunde gewinnen und ihre Regierung nur
erschweren. Wohl war der Zar unser Feind, aber
wir haben ihn trotzdem mehr bemitleidet als ver¬
abscheut. Denn wir wußten alle: er war ein schwa¬
cher, fajt willenloser Mann, den Stärkere als er
nur vorgeschoben hatten, und dem dann, als er
völlig abgewirtschaftet und auch die Entenie bit¬
ter enttäuscht batte, klägliches Los bescküeden
war. Wir bezweifeln auch, ob die Gegenrevolution
in Rußland mit der Schilderhebung des Zaren ei¬
nen qntcu Griff getan hätte. Nur auf ganz ein¬
fältige und beschränkte Gemüter hätte sie damit
Eindruck machen können. Der Streich der sibirischen
Bolschewiken, der der Gegenrevolution diesen Schild-
Haltern raubte, wird ihr vielleicht eher nützen als
schaden. Denn das .Haupt des erschossenen Zaren,
der auch als kirchliches Oberhaupt . der russischen
Kirch: docki ein gewisses Ansehen bei dem Bast be¬
saß. w.rd eher ein Glorienschein umfließen als das
des lebenden, der stets nur eine Puppe war.
Mitteilungen aur Staat und Mrche.
Gestorben ist Kardinal Martinelli aus dem
Augustiner »Orden im 70. Lebensjahre. Die Zahl
derKardinäle ist zurzeit 64, von denen 13 noch von
Leo Xkil., 33 von Pius X. und 16 von Benedikt XV.
ernannt wurden; 2 sind noch nicht veröffentlicht (in
pstto).
Mit salbungsvollen Reden über Parität, die sich auf
dem Papier recht schön auSuehmen, ist »»s nicht ge»