Full text: Bonifatiusbote (1918)

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Reichstag gefragt werden must. Da kann «ran doch 
„ich! mehr sprechen von einer Macht, die im Geheimen 
dar Schicksal des deutschen Volke» bestimmt. Au¬ 
ßerdem wird Wilson doch nicht der erste ietn wol¬ 
len, der sündigt gegen da» Selbstbestimmungsrecht 
der Völker. 
Im ganten genommen, bedeutet die Note Wilson» 
eine Enttäuschung- Ohne Vorbehalt ba'ten die 
Mittelmächte dem Präsidenten, der heute noch unter 
ihren Feinden steht, ihr Vertrauen bewiesen, 
in der Hoffnung, daß er, es mit gleichem lohnend, 
ohne Umschweife die Friedenshand ergreifen werde. 
Die Hoffnung war trügerisch. Trotzalledem dürfen 
unsere veroniworilichen Männer sich durch Tan und 
Inhalt der Note nicht abhalten lassen, zur Erlang¬ 
ung de» Frieden» bis an die äußernen Grenzen de» 
Möglichen zu gehen und mit Weisheit, Takt und 
Entschlossenheit der Lage doch noch Herr zu werden. 
Opfer werden wir, wie schon geiagt, immer bringen 
muffen, so — oder ander», wenn wir durch Rücksicht 
aus unfern Fortbestand und uniere Ehre gezwungen 
würden, den Krieg sorkzu etzen. Doch hoffen 
wir da» Beste. Die Hand ist einmal angelegt an 
den Strang der Friedensglocken und sie wird sie 
auch nach längerem Hru» und Herbaumeln zum An¬ 
schlägen bringen. 
Daß die» um so sicherer eiutritt, was ja alle 
wollen, ist es notwendiger denn je, d 'ß die 9. Kriegs¬ 
anleihe recht gur auefällk. E- wäre verkeart, sich 
durch die jetzige Lage abhalten zu lassen. Gerade 
erst recht, damit sie wieder bester werde muß mög¬ 
lichst viel gezeichnet werden. 
Dt« Kriegsschauplatz 
(10. bis 16. Ditobet.) 
Im Westen hält die Riesenschlacht an der ganzen 
Front vom Meere bis Verdun an. Mit ungeheurer 
Wucht, die noch niraends eine Minderunq ipüren 
läßt, berennt der Feind nun schon seit Wochen die 
deuttchen Linien, um diese zu durchbrechen, die deut¬ 
schen Heere zu zerschmettern und sich den Weg nach 
dem Rhein frei zu machen Bisher ist ihm trotz 
aller Ansirengungeu und trotz aller Ofner der Durch¬ 
bruch nicht geglückt, noch viel weniger die Zerschmet¬ 
terung. Man müßte aber schon den Kopf in den 
Sand stecken, wollte man verkennen, daß die Lage 
für unS in diesem riesenhaften Kampfe, wo Deutsch¬ 
land nur unterstützt von einigen schwachen önerrei- 
chisch-ungariichen Divisionen, also so gut wie allein 
eoen die Heere von drei Weltmächen kämpft, von 
enen zudem die eine (Amerika, noch ni dt einmal 
auf der Höhe ihrer militäriichen Kraftentfalkunq an- 
gelangt ist» eine sehr ernste ist. An die Elastizität 
un erer Linien und an die Nerven unserer Truppen 
werden da ungeheure Anforderungen gestellt. Aus 
Einzelheiten aus den täglichen Heeresberichten ein¬ 
zugehen bot keinen Zweck; es iit täglich im Großen 
und Ganzen dasselbe Bild. Im Verlauf der Be- 
ricbtswoche wurde Cambrai von uni geränmt und 
auch am Chemin de» Dames, an der Äisne und in 
der Champagne die Front zurückverlegt» wobei es 
naiüilich nicht ohne Verluste an Gefangenen, Ge¬ 
schützen und sonstigem Material abging, wenn auch 
nach den Heeresberichten die Rückverlegung meistens 
in der Nacht und unbemerkt vom Feinde in voller 
Ruhe erfolgte. Halbamtliche Mitieilungen betrachten 
bte'e Operationen als eine Kürzung und Stärkung 
umerer Front, die einen Durchbruch verhindert, wo¬ 
bei allerdings zu bedenken ist, daß auch der Gegner 
mit seinen 'zusammengezogenen Kräften einen ver¬ 
stärkten Druck auf die verkürzte Front ausüben 
kann und uns wichtige Verkehrsknotenpunkte verlo¬ 
ren gehen, so neuerdings das 20 Kilometer nord¬ 
westlich von St Quenitn gelegene Bohain. Auch 
darf man wohl nicht übersehen, daß nichts die DiS- 
ziplin eines Heeres mehr zu lockern und zu erschüt- 
tern vermag, als ein Wochen und unter Umständen 
Monate andauerndes Ausweichen vor einem traft- 
strotzenden, ohne Unterbrechung angreifenden und 
dabei auch die schwersten blutigen Verluste nicht 
scheuenden Feind. Und schließlich nehmen auch die 
täglichen taktischen Erfolge deS Feindes doch mit der 
Zeit einen recht erheblichen Umfang an und die Ge¬ 
fahr ist nicht ausgeschlossen, daß sie auch operative 
Bedeutung gewinnen können. Wenn man das alles 
sich vor Augen halst muß man wirklich mit der grö߬ 
ten Bewunderung für unsere Feldgrauen erfüllt sein, 
deren Nerven und Widerstandskraft der Hölle da 
draußen standhält und -io hoffen und vertrauen wir, 
auch ferner standhalten wird, standhalten gegen Mul 
und Wut und Fleiß und Schweiß der ganzen Welt. 
Hier unbesiegt zu bleiben, trotz mancher Verluste eine 
geschkoflene Linie zu halten, jeden Durchbiuch zu 
vereiteln, da» wird unsere Existenz »n» ä*ritzen 
retten. 
verschiedene Nachrichten. 
verschiedene Retternea ungen 
sind jetzt amtlich bekannt gegeben worden. Der frei, 
sinnige Abg. Hautzmann (früher suddeutsche Hollit 
Partei» ist zum Staatssekretär ernannt worden (neben 
Gröber, Erzverger, Scheioemann. Friedbergl. Mit dem 
Vizekanzler v. Payer sitze» im sog. engeren Kriegs, 
kabinett jetzt 3 Württemberger. Da» Amt eine» Unter¬ 
st aatSsekretär» erhielten der ZentrumS-Abg. Gies- 
bert» (im ReichScobeitsantt). die Sozialdemokraten 
Dr. David, ein Hesse (im Auswärtigen Amts u. Arbeiter¬ 
sekretär Schmidt (im KrieaSernäbrun i»amt.) D:. Müller, 
der fettbet diese Stelle bekleidete» kam in da» Aeichr- 
wirtschaftsaatst 
Eine neue Kanzlerkrise 
ist entstanden; schuld daran iit ein Brief, den der 
jetzige Reichskanzler an seinen in der Schweiz leben¬ 
den, schriftstelleruden Beiter, den Prinzen Hohenlohe 
(Sohn des früheren Reichskanzlers) im Januar ds. 
Is. geschrieben hat als Antwort auf eine Zuschrift 
Hohenlohes über eine vom Prinzen Max in der bad. 
ersten Kammer gehaltenen Rede. Er wandte sich 
darin gegen die demokratische Welle und gegen den 
Parlamentarismus wie er in Frankreich und Eng¬ 
land besieht, anch mit der Iuliresolut'on isi er nicht 
in allen Punkten elnveruanden, ebensowenig mit 
der bedingungslosen Herausgabe Belgiens. Jeden, 
falls stebt das, was er in dem Briefe vertritt, im 
Gegensatz zu seinen jetzt im Reichstage vertretenen 
Grundiäyen. Wie dieser Privatblief in die Oeffent- 
lichkeit kommen konnte, ist noch nicht geklärt, er soll 
von Agen.ea der Entente gestohlen worden sein. Je¬ 
denfalls muß man ihn in diesen Kreise» gekannt 
haben. Prinz Hohenlohe bat schon einmal geleaent 
lich des Falles Lichnowsky in ungünstiger Weise 
von sich reden gemacht und jetzt ist das wieder in 
einer noch bedenklicheren Sache der Fall. Daß dieser 
Brief im jetzigen Augenblick >m Ausland recht un¬ 
günstig wirken muß, liegt auf der Hand. Die Feinde 
werden daraus, wenn auch mit Unrecht, wieder von 
unserer zwiespältigen und unaufrichtigen Politik 
reden. In der neuesten Antwort Wilson? scheint 
das ja schon durchzukltngen. Gewiß eS haben gar 
viele Menschen wahrend deS Krieges ihre Ansicht 
geändert und umiernen müssen und auch ein 
Mann wie Prinz Max hat eine Wandlung 
durchgemacht, wie er den Parteiführern bei einer 
Beiprechung dieser Angelegenheit auseinandergesetzt 
ha>. Peinlich und unangenehm bleibt die Sache ab r 
uf alle Fälle und man kann es versieben, wenn 
er im Interesse des Friedens sich zum Rücktritt be¬ 
reit erklärt hat. — Mit Briefen kann man nicht 
vorsichtig genug sein; schon im gewöhnlichen Leben 
kann so ein Brief die größte Verwirrung stiften und 
jahrelange Feindschaften im Gefolge haben. Noch 
mehr gilt das für Personen, die im öffentlichen Leben 
an verantwortungsvoller Stelle stehen. Jedenfalls 
haben gestohlene und hinterher v-röffentltchte Briefe 
uns in diesem Kriege schon viel geschadet und manche 
Blamage eingelragen. 
Das allgemeine gleiche Wahlrecht in Preußen 
ist nun gesichert; in der Herrenhaus - Kommission 
wurde eS bereits angenommen. Im Abgeordneten» 
hause wollen die Konseivakiven, wie sie in einer Er- 
(lärmig sagen, ihren Widerstand aufgeben, womit 
die Annahme gesichert ist. Wenn sie gleich so ge- 
handelt hätten, wäre eS gescheiter gewesen. Die 
»ogen. Sicherungs - Anträge des Zentrums, wonach 
eine Aenderung der Kirchen- und Schulverhältniffe 
nur mit Zweidrittel-Mehrbeit erfolgen kann, werden 
auch zur Annahme gelangen. 
Ju Elsaß-Lothringen 
ist die ganze Regierung mit dem Statthqlter an der 
Spitze unter dem Zwang der Verhältnisse zurückge- 
treien; das Land soll eine parlamentarische Regie¬ 
rung bekommen. Statthalter ward der bisheriae Bür¬ 
germeister Schwandet von Straßburg, ein Esiässer 
Als Staatssekretäre sind in Aussicht genommen die 
Abgg. Hauß (Zentr.), Bohle oder Peireters (Soz.) 
Bürget (Fortschritt) und Bürgermelster Fpret-Metz. 
Für das Kultusministerium lost ein katbol. Geist¬ 
licher berufen werden. Schade, daß die^e Neuerung, 
^icht vor Jahrzehnten erfolgt ist. 
Die finnische Königswahl 
ist erfolgt. Prinz Friedrich Karl von Hessen, der 
Schwager des Kaisers, wurde gewählt. Es beißt 
aber, er wolle die Annahme der Wahl von der Eni» 
Wickelung der Ereignisse abhängig machen; bekannt¬ 
lich herrscht in Finnland auch eine statke rrpubsika- 
nische Strömung. Ter Prinz will sich aber in keiner 
Weise Finnland auforängen. Das ist jedenfalls ei« 
lehr weiser Enischluz. 
In brr Türkei 
hat sich unter dem Eindruck der schweren Niederlage» 
anscheinens auch ein Regierungswechsel vollzogen, durch 
den ententefreundliche Männer in leitende Etel'-n ge¬ 
kommen sind. Ganz geklärt ist die Lage noch —»» di« 
Nachrichten tauten wtdersprecliend. Wie die DiNft» liegen, 
ist aber für uns von der Türket nicht viel mehr zn 
hoffen. Durch den Abfall Bulgariens ist die Verbindung 
mit ihr sehr erschwert, ganz abgesehen- dav«n, daß wnc 
auch kaum in der Lage sein werden, ihr wirklich wirr» 
jam zu helfen. Der Traum von einer Verbindung 
.Berlin—Konstanttnopel—Bagdad- ist auSgeträumt. 
Lin hittenwort des hochmütigste« herrr 
Bischofs 
wurde am vorigen Conniag von deu Kanzeln der« 
lesen. Es hat folgenden Wortlaut: 
Geliebte Ti'zesgnenl . 
Zu Beginn des fünften KriegsiahreS hatte lch 
Euch ermahnt, i.n Vertrauen auf die göttliche Vor¬ 
sehung in treuer Pflichterfüllung auszuhalten, 
Gottes Erbormen oft anzuflehen durch das vor- 
föhnende Opfer der hl. Messe, immer mehr «it 
richtiaer Bulle Euch zu befleißigen und nichts mü>" 
zu werden in Ssi-subung der Werke christlicher 
Nächitenliebe. Ich ho,se. daß Ihr dieser Anregu^r 
gefolg seid. 
Unterdessen ist die Lage des geliebten Daterlan. 
des immer ernster geworden. Wiederholt haben 
unsere lrenen Verbündeten und auch Deutschland 
den Frieden angeboren: unsere Feinde aocr sind 
bis letzt nickt darauf eing-gangcn. fodasi wir ük 
die Klage des Psalmistcn einstimmen könnet: 
„Mit denen, die den Frieden hassen, suche ich Frie. 
den; aber wenn ich mit ihnen rede, erheben sie 
Streit wider mich ohne Grund" (Pj. 119, 6.) Vor 
einigen Tagen nun ist wiederum von der obed'fc’it 
Rcichsleitung die Einladung zum Frieden an un¬ 
sere Feinde, ergangen. Aut die entscheidend« Ant¬ 
wort warten wir noch. M ttlerweile halten unser«! 
treuen Heere im Ferndeslande mutig stand 
schützen unsere Grenzen gegen eine mebrf -ch« 
Uebermackt. O möchten sie doch, durch G-rite» 
Kraft gestärkt, auch ferner ausbalten bis zum gn- 
ten Ende! Möchte dock der Sinn unserer Feinde 
der Anregung des Friedens sich öffnen! 
Da fühle ich mich, geliebte Diözesanen. ge¬ 
drängt, Euch-fetzt im Rosenkranzmonate zn noch 
eifrigerem, vertrauensvollerem, inständigerem Ge¬ 
bete aufzufordern und die Fürbitte der Köniain des 
Friedens anzufteben. Wie oft bat Maria in öffent- 
sicher Drangsal der Völker sich mächtig als die 
Hilfe der Christen erwie'enl Wie sebr bat die 
Kirche reckt, wenn sie betet: „Siehe. Maria war 
umere Hoffnuna. Zu ibr nahmen wir unsere Zu¬ 
flucht. daß sie uns errctie, und sie kam uns zu 
Hilfe!" (Lssic. Aux'l. Christ.) Und wie groß ist 
das Vertrauen auf die Kraft gerade des Rosen- 
kranzgebetes, besonders wenn es gemeinsam ver¬ 
richtet wird! 
Ich ordne daher an. daß in her ganzen Tiöze'e, 
auch da wo die üblickwn Nosenkranzandachten in den 
November oder Dezember verleat sind, an drei Ta¬ 
gen der bevorstehenden Woche eine Ngsenkranzan- 
dacht vor ausgcsetztem hl. Sakramente zu geeigneter 
Stunde in der Absicht gehalten werde, um von 
Gott um der Verdienste feines Sohnes durch die 
Fürsprache seiner heiligsten Mutter den Schutz de» 
Vaterlandes und den baldigen ehrenvollen Frie¬ 
den zu erlichen. 
Vorstehendes Schreiben ist am Sonntag den 13. 
Oklooer zu verlesen. Die Gläubigen mögen, so¬ 
weit es nur die dringenden Arbeiten gestatten, siÄ 
an den Andachten zahlreich beteiligen. 
Fulda, den 10. Oktober 1918. 
_Joseph Damian, Bischof. 
Diözese 5ulda. 
Wie da? Kirchl. Am'sbl. für die Diözese Fulda be 
kannt g bl, hat der Hochw. Herr Bischof aus Anregung 
des Vorsitzenden der Fuldaer Bischosskonferenz, Sr. 
Eminenz Kardinals v. Hartmann, angeordnet, daß 
am nächsten Sonntag, den 20. d. M., in allen Pfarr-, 
Karatie-, Filial- und Klosterkirchen am Bormittag 
ein feierliches Bittamt und am Nachmittag 
zwei bis drei Stunden lang Gebete vor ausgei'etztenr 
Allerheiligiien zur Erstehung der GotteSHilfe in 
den nächsten entscheidungsvollen Tagen ab».
	        
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