Full text: Bonifatiusbote (1918)

mung in ix nt Absatz über daS linke Rheinufer steht, zu 
schließen, die Besetzung beschränkt sich quf den Teil 
Des KreiseS, der jenseits deS Flusses liegt? ES ist nutz¬ 
los, darüber zu streiten; die Klarheit wird bald tont« 
men. Ist der ganze KreiS gemeint, so rückt die Be. 
setzungstruppe bi« dicht an Frankfurt heran. 
Unter den Forderungen der Entente befindet sich 
eine, die n:cht ohne weiteres erwartet werden konnte 
und die vielleicht von manchem in ihrer vollen Trag, 
weite nicht erkannt wird. Deutschland hatte vor dem 
Krieg (1013) etwa 80 000 Lokomotiven und 670 000 
Güterwagen. Ter Feind verlangt von unS 6000 Loko¬ 
motiven und 160000 Waggons; außerdem 6000 Kraft, 
wagen. Die außerordentlick-e Verkehrsnot ist bekannt, 
sie ist vornehmlich auf den Wagenmangel zurückzufüh. 
ren. Sie muß sich in der nächsten Zeit, wenn die Rie¬ 
senarbeit der Demobilisierung ausgeführt werden und 
gleichzeitig die Ablieferung der Gefangenen an die En¬ 
tente bewerkstelligt werden soll, notwendigerweise aufs 
äußerste verschärfen, zumal die Lebensmittelversorgung 
der großen Städte und Jndustriegegenden nicht stocken 
soll. Mit jedem Wagen muh gerechnet werden. Und 
nun verlangt der Feind eine solche gewaltige Abgabel 
Er verlangt sie, indem er gleichzeitig die Räumung von 
Belgien, Frankreich und Elsaß-Lothringen „binnen 14 
Tagen" fordert: Was von Truppen nach dieser Zeit 
übrig bleibt, wird interniert oder kriegSgefangen". Also 
mit demselben Atem wird die sofortige Räumung und 
eine Maßregel diktiert, welche die vollständige Räu. 
mung binnen 14 Tagen auf» HSchste erschwert, wenn 
nicht unmöglich gemacht. 
Unter anderen Umständen wären diese militärischen 
Bedingungen für ein Heer, daS auch nur die geringste 
Aussicht hat, den Kampf mit einigem Erfolg fortzn. 
setzen, unannehmbar — so, wie die Dinge aber heute in 
Deutschland liegen, müssen wir die Forderungen von 
einem anderen Standpunkt aus betrachten; eS ist eine 
Vergewaltigutig, gegen die wir wehrlos sind. 
Wir konnten nur uns noch einmal an den Präsiden, 
ten Wilson wenden und an seinen Gerechtigkeitssinn 
und an sein menschliches Gefühl appellieren, um eine 
Milderung dieser Bedingungen herbeizuführen. In 
einer Note an den Staatssekretär Lansing ist e» ge¬ 
schehen und darauf hingewiesen worden, daß nach einer 
Blockade von 60 Monaten diese Bedingungen, insbeson. 
dere die Abgabe der Verkehrsmittel und die Erhaltung 
der Besatzungstruppen bei gleichzeitigem Fortdauern der 
Blockade die Ernährungslage Deutschlands zu einer 
verzweifelten gestalten und den 
Hungertod von Millionen von Männern und Frauen 
und Kindern bedeuten würde. 
Der Präsident wird feierlich und ernst darauf rufmerk, 
sam gemacht, daß die Durchführung der Bedingungen 
im deutschen Volk das Gegenteil der Gesinnung erzeu- 
fcn muß, die eine Voraussetzung für den Neuaufbau 
er Völkergemeinschaft bildet Und einen dauernden 
Rechtsfrieden verbürgt. Jedenfalls wird Weltdank und 
Weltstzmpathien der Verband für seinen Uebermut nicht 
ernten. Für den kommenden Frieden eröffnen sich nach 
diesem Vorgeschmack keine erfreulichen Ausblicke. Wenn 
Wilson nicht gewillt oder nicht imstande ist, seinen 
Grundsätzen eine ehrliche Geltung zu verschaffen, dann 
w'rd nach den 30 Tagen Waffenstillstands, so fürchten 
wir. dem zu den Friedens.verbandlungen" geknebelt 
erscheinenden Deutschland der Fr eden diktiert werden, 
diktiert trotz der Erklärung Wilsons, in seiner Bot. 
schuft vom 23. Januar 1918: „Nur ein Friede zwischen 
Gleichgestellten kann Dauer haben". Dieses Wort Wil. 
sovs wird — letzten Endes und trotz allem! — wahr 
bleiben, denn es ist ein Naturgesetz, daß die Gerechtig¬ 
keit doch schließlich triumphieren muß. Tie^Wclt.Ge. 
schichte wird auch hier noch zum Weltgerichte werden. 
Nacv oen mm gen Nachrichten oat oer Appell an 
Wilson schon Erfolg gehabt, so erklärte Wilson in einer 
Ansprache auf dem Kongreß: Die Alliierten beabstch. 
tigen, die Mittelmächte mit Lebensmitteln zu versorgen 
und sofort eine LebenSmittelorganisaiioit wie früher 
£ür Belgien in» Leben zu rufen. Nach einem Bericht 
er deutschen Bevollmächtigen sind in den Waffenstill> 
standSbeoingungen u. a. folgende Aendernn >en vorge¬ 
nommen worden: Die Alltierten find darauf bedacht, 
daß die Fortsetzung der Blockade die Lebensm ttelzufubr 
Deutschlands nach abaeschlossenem Waffenstillstand nicht 
verhindert in dem Maße, wie sie es für notwendia 
halten. Die auf dem rechten Rheinuser vorbedaltene 
neutrale Zone beträgt nur 10 km. (statt 30 bis 40 km.t. 
Die Heimsendung der Kriegsgefangenen wi>d bei Ab¬ 
schluß der Voisriedensverhandlungen geregelt. 
verschiedene Nachrichten. 
Der neue Reichskanzler Eberl wurde als Sohn 
eines Schneidermeisters 1871 in Heidelberg gebo" 
ren. lernte das Sattlerhandwerk und wurde 1892 
Redakteur der sozialdemokratischen Bremer Volks, 
zeikung, dann hatte er verschiedene Stellungen in 
der Partei und wurde 1912 in den Reichstag ge- 
wählt. In seiner Partei galt er seit längerer Seit 
als der kommende Mann. Als der letzte Vorsitzen¬ 
de des Hauptausschusscs. der Z^ntrumsabgeord" 
netk Fehrenbach, zum Neichstagspräsidenten ge- 
wählt wurde, siel die Wahl eines Vorsitzenden auf 
Ebert. Auch die politischen Gegner rühmen ihm 
nach, daß “x die Verbandlunoen unparteiisch ge¬ 
leitet habe, eine Eigenschaft. die er hoffentlich setzt \ möglichst drückende Bedingungen aullegen wollen, 
auch an der verantwortungsvollen Stelle betätigt. Zwar tritt die neue Mehrheit erst im März in Ta. 
Ebert hat übrigens auch in den letzten vier Wochen imm.rfcm *f»>r rb- Gi,tkl»st f«* 
die stärkste Stütze der Reichsreaierung des Prin 
zen Max gebildet und sie in den kritischen Augen" 
blicken mit Geschick vertteten. 
In Preuße« ist von der Sozialdemokrat:«, die di« 
Mmbt zur Zeit in der Hand hat. em neue« Ministerium 
au? lauter Sozialdemokraten gebildet worden. Kultus¬ 
minister ist der sogen. Zehngebote-Hoffmann geworden 
ein Mitglied der unabhängigen Sozialisten. In seinen 
Reden hat er bekanntlich Religion und Kirche in der 
frivolsten Weis» verspottet und lächerlich gemacht. Ts 
ist dos ein Schlag in« Gesicht für seden christlich gesinn. 
ten Menschen, mag er Katholik oder Protestant sein. — 
Jedenfalls müssen wir als ZentrinnSleute und als Ka¬ 
tholiken Einsvrvch dagegen erbeben, daß einem Manne 
von der Gesinnuna Adolf HofsmannS die Wabrting un. 
serer killstnellen Güter anverirmit werden soll. Und 
wenn die Rücksicht auf heilige Gefühle großer Volksteile 
Preußens nicht inS Gewicht fallen sollten, so sollte man 
daS neue Regime doch nicht mit einer solchen Geschmack, 
lofigkeit belasten, wie fie die Ernennung Adolf Hoff- 
mannS zum Kulturminister darstellt. 
Do« dem Bolschewismus 
hat man in Deutschland noch keinen rechten Be¬ 
griff. Ein deutliches Bild dieser Att von Revolu 
Hott, die eine bis zum Aeußersten gebende Ver¬ 
nichtung ieder Ordnung, jedes Rechtes und jeder 
.Ottffnr ist. gibt ein Artikel int Oktoberbest der 
Süddeutschen Monatshefte von Marim Gorki 
selbst ein bekcmnter Vertreter der russischen 
Sozialdemokratie. Wenn man auch sagen 
kann, daß die deutsche Revolution bis setzt noch 
nicht in diele Dahnen gekommen Ht. sondern die 
besonnenen Elemente der Sozialdemokratie noch 
an der Spitze steben, so ist die ^Fckiildernrm in der 
aeaenwärtigen Zeit doch ein nützliches Mittel zur 
Mabnung und Warnung an jene, die mit dem 
Zerrbild des Bolschewismus vorläufig nur ein 
unbodachies Spiel treiben. 
Was Maxim Gorki über die Schrecken des Bol¬ 
schewismus erzählt, ist ein _ Bild namenlos-m 
GrauenS und einer loschen roden Unkultur, daß 
jeden Europäer Entsetzen überkomm'-n mit» wenn 
er auch an die entfernte Möglichkeit der Ausbrei» 
tuna einer solchen abscheulichen Seuche über aanz 
Europa denkt. ..Abscheuliche Bi^d^r des Wabn. 
ünns" nennt Gorki selbst die Ereiarnste der rufst" 
scheu Revolution. er zeigt wie eine Gesellschaft von 
Narren und Phantasten die ganze westliche O»d. 
mma zerstörte und ein uneustnirrboreS Ebaos 
schasste. Die Derrobirng übersteiat sedes Maß. 
die Prelle selbst verfällt in förmlich' Vertierung. 
der SoziasismnS bat seinen ganzen inneren «nn 
darüber sängst verloren. Der ungelernte Arbeiter 
betrachtet den Gelernten als einen ..Bouraeo's". 
Nnbisdung und R"beit llnd Frei^-nef» und Recht«, 
tstel auf die Volksberrsch'st. Die Lpnchfustiz ist 
die einziae Art deS Straknersabrens. Leidenschak. 
ten stnd laSgesallen. die Revolution ist zu einem 
Ausbritch der VerH-rtbeiß der urrterstan Heke 
menschlicher G's"llschast geworden. lieber Ritß" 
Tinnfc ist eine Finsternis heremgebrochen. die-biS 
zur Verzweisltma treibt. 
In ganz Deuttchland verdienen geaenwärstg 
die Berichte Gorkis größte Beachftma imd Ver» 
Breitling, damit ieder Deutsche, insbillondere jeder 
Arbeiter die klarste Erkenntnis gewinne, Weiche 
Frevler imd welche fsiichwü'-diaan Verbrecher i»ue 
stnd. die bei unS mit dem Schreckaelpenst des Vos. 
schew'smn« zu siebäuaeln beainnen. Wiederbost 
bat der ..VorwättS" die Arbeiter vor diesem russi¬ 
schen BosschewiSmiiS auf das entschiedenste ge¬ 
warnt «nd ste Mitgefordert. dakstr zu sorgen, daß 
wir keine russtsch'n Zustände bekämen. Alle 
rchrecknille des Krieges wurden d'trch einen der¬ 
artigen VallchMiiSmus bald überbottn. 
Ueber den AnSsall der amerikanilchen Wahlen 
lauten die Nachrichten irnstcher. „Reuter" meldet: 
Ans den bisherigen Wahlergebnissen gebt bervor. 
daß der Ausaana der Wahlen recht zweisefhast ist. 
Für das R»vräsentnntenhauS stnd soweit bisher 
bekannt 219 Republikaner und 183 Demo'rattn ge» 
wählt worden. Die übrigen Wahlergebnisse ste" 
den noch auS. aber eine republikanische Mehrheit 
ist bereits aestchert- Im Senat erhalten die De¬ 
mokraten 45, d'e Republikaner 44 Sitze. In vier 
van den übrigbleibenden 7 Wabldistrikwn stnd die 
Aussichten lür die Republikaner günstig. Der 
Sieg der Repirblikaner wäre stir uns um deswis, 
len unanaenebm. weil dann d'e Kriegshetzer Taff 
und Roolevelt Oberwasser bekämen, die mit Wil" 
sonS 14 Punkten nicht einverstanden sind und uns 
tiakeit. immerhin dürste sich aber ihr Einfluß be> 
dem Friedenskongreß schon geltend machen. 
Viözkle 
Folgenden Erlaß des Sochw. Herrn Bischofl 
veröffentlicht das „Kirckl. Amtsblatt": 
Im Hinblick auf die großen Nöten des Vater- 
den toll am 20. November, dem Feste der heiligen 
Elisabeth. — das wie seither auch in diesem Jahre 
ein gebotener Feiertag ist — eine besondere 
Sühne und Bittandacht zum hl. Herzen Jesu ae* 
halten werden. Ich ordne zu diesem Zwecke daS 
Folgende an: 
1. In allen Pfarr-, Kuratie-, Filial" und 
Klosterkirchen tbezw. -Kapellen >, sowie den Ka" 
pellen der Milstonsstationen ist am Morgen, we- 
nigstenS von der ersten bl. Melle an. das bl. Sa¬ 
krament in der Monstranz zu exponieren bis nach" 
mittags 4 Uhr. , 
2. Damit alle Mitglieder der Gemeinden sich 
beteiliaen können, ersuche ich die Herren Seel¬ 
sorger. dafür eine «eignete Ordnung, etwa muH 
Ständen, aufznstellen. 
3. ES mögen abwechseln öffentliche Andacht 
(unter Gesang und Gebstl mit stiller Anbetung. 
Letztere wird sich vor allem empfehlen während' 
der Zeit deS Beicktbörens am Morgen bis zum! 
Hochamt . 
4. Die Schsußandacht um 4 Uhr soll mögltchsr 
feierlich gestatt» t werden. Auster dem „Allaemei- 
nen Gebet" ist die Herz-Ielu-Litanei mit denk 
Friedensgebet! deS bl. Vaters zu bettn und anl 
Schluß der sakramentale Segen ,n erteilen. 
8. Der Emplana der bl. Kommunion, um Hl 
Vereinigung mit dem sühnenden rmd bittenden 
Herzen Jesu Gotte» Gnade zu erlangen, wird al¬ 
len dringend empfohlen. 
Seinen 80 GcbutStag beg'nq am 8. Novör. der 
Nestor der Aerzte in Stadi und wohl auch im Kreis« 
Fulda, Herr Geheimer SoniiätSrat Dr. Raabe. 
„DeS Menschen Leben währet", lo sagt uns der 
P'almist, „siebzig und, wenn es hoch kommt, achtzig 
Jahre und, wenn eS köstlich gewe en ist, dann ist 
eS Mühe und Arbeit gewesen.« Und Herr G-heim- 
rat Dr. Raabe bat feinem Wirken stets den rechten 
Inhalt zu geben gewußt, e« war reich an Mühe 
und Arbeit im Dienste der Kranken, der Armen und 
de» Gemeinwohls. AußerordiMlich' frisch an Kör¬ 
per und Geist, widm t sich der dochbetagie Jünger 
ÄeSkulapS noch täalich mit unverdrollenem Eiter 
und vorbildlicher Pflichttreue ieinem Berufe. In 
daS neue Jahrzehnt seine» LebenS geleiien den all¬ 
gemein beliebten Mitbürger, der heute durch viel« 
Äufmerkiamkeite» erfreut wurde, unsere innigsten 
Glückwünsche. 
Die nmervolitische Umwälzung ist eine voll¬ 
zogene Tatsache. Die Arbeiter- und Soldatenräte 
haben überall in den Städten im gegenwärtigen 
Zeitpunkt die Reaierungsaewalt in den Händen« 
Diese Tatsache müssen auch wir anerkennen, unbe- 
schadet unserer politischen Grundsätze und unserer 
Ueberzeugung. Es bat keinen vernünftigen Sinn» 
sich der Entwicklung nachdem ne einmal so weit 
gediehen ist. in den Weg stellen zu wollen. Wenn 
eS Regierung und Behörden nach Laae der Dinge 
für angebracht batten, auf Widerstand zu verzich" 
ten und mitzuarbeifon. fo besteht auch für . jeden! 
Bürger nach Pkl <U, Gesetz und Gewisien kein An¬ 
laß zu gegenteiliger Haltung. 
Gut, Blut und Sicherheit aller, steht auf dein 
Spiel, wenn jetzt die Unerdnuna einreißt. Ein 
einziger unbedachter Schritt, komme er von wem 
ex wolle kann die unheilvollsten Folgen nach sich 
ziehen. Ruhe und Besonnenheit ist das unbedingte 
Gebot der Stunde. Auch wir richten deshalb an 
alle Leser die drinaende Aufforderung, rubia ih¬ 
ren Geschäften nachzuaeben und durch Mitarbeit 
den Räten ihre Verantwortung zu erleichtern: un¬ 
sere Lelxx am Land bitten wir drinaend. in ihrem 
allereigensten Interesse in der Mlioferung aller 
entbehrlichen Lebensmittel keinerlei Stockung 
eintreten zu lasse,!. Stockung der Lebensmittel¬ 
versorgung bedeutet blntta? Revolution! Das sei 
hier mit allem Nachdruck betont. 
Auch in Fulda hat sich am votiren Sonntag 
chon ein Soldaienrat »nd dorläusi;er Ar¬ 
beiterrat gebildet. Der Arbeiierrat wurde 
am Mittwoch in einer öff-milichen Volksversammlung 
im mutieren Schloßhof endglltig gewählt.
	        
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