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r l- Des heute gemeldet wich, wird morgen wieder
Abrede gestellt; man sollte das Zeug eigentlich gar
«icht mehr lesen. So hieß es neulich, die polnischen
truppen im ehemals russischen Heer — auf 700 600
Mann wurden sie geschätzt — hätten de» russischen
Oberbefehlshaber Krvlenko mit seinem ganzen Stab
Gefangen, Mohilew. SnwlKtzk erobert u. dgl. mehr.
— Nichts davon ist wahr, und das ganz« Korps zählt
»ur 25000 Dtann.
Da» ELa
«f die Reden Hertling» und Ezernin» hat man nun
«ich au» England und Italien gehör«. Nachdem die
Rundgebung Wilson» in ihrem Wortlaut vorliegt, wird
Re vielfach etwa» günstiger beurteilt, als wir in der vor.
Ar. nach Zeitungsberichten angcdeutet haben. ES mag
»ein. daß ihr Inhalt im Ganzen im Vergleich zu seinen
Müderen Kundgebungen ruhiger, sachlicher und versöhn¬
licher ist, im Einzelnen mutz Wilson aber noch weiter
«nlernen, wenn eine Verständigung mit ibm möglich sein
soll. Wenig sympathisch ist vor allem die Art und Weise,
M>e er »n seiner Red« für sich das Amt de» Unparteiischen
de» Schiedsrichter» in Anspruch nimmt, wie er sich als
Vorsitzender des „Gerichtshofes der Menschheit" geriert,
besten UrteilSspruch die Welt al» oberstrichterliche, alS
»nfeblbare Entscheidung binzunebmen bat. Dabei ist er
«der in seinen einzelnen Forderungen keineswegs unpar,
teiilch, sondern nur Partei, die nach der einen Seite hin
alle» Licht, nach Der anderen allen Schatten verteilt. TaS
Gesetz de» .Selbstbestimmungsrechres der Völker" wen¬
det er einseitig gegen die Mittelmächte an; er vergißt
daß sein eigene» Land, die Vereinigten Staaken, sich
blutwenig um diese» Gesetz gekümmert haben, als ste
ßnnerzeit die Philippinen annektierten, daß die Ver.
hältniste in seiner nächsten Röhe, in dem französischen
Teil' von Engkisch.Kanada. ein wabrer Hohn auf dieses
Gesetz sind. Daß er. wenn er als gerechter und unpartei¬
ischer Vorsitzender de» Bölkergerichtshofes gelten will, zu¬
nächst einmal feine englischen Freunde bestimmen sollte»
bo» Volk von Irland, von Aegvvten, von Jzidien sich
»selbst bestimmen" zu lasten. Wilson verwirft den Ge¬
banken von Verhandlungen von Macht zu Macht, wie das
Graf Hertling verlangt, al» etwa» ungeheuerliches und
»«Namierl die »international« Neuordnung" für den
Weltkongreß, an Dem sämtliche Kriegführende Sitz und
Grimme baden sollen. Aber wie denkt er sich auf diesem
»Weltfriedenskongreß" da» Zustandekommen bindender
Entscheidungen» &tma durch einfache MehrheitSbe-
Schlüsse? Dann wären ja die Mittelmächte von vorne-
»ereia im Rackteil, dje verurteilten, denn die anderen
Und weitau» Die mehreren sea. 80 gegen 41. Wilson
Wird doch wohl im Ernst nickt glauben, daß wir uns
«uf einen Kongreß dieser Art und mit solchen Be-
ßvgnisten einlasten werden.
Lltzod Grarg« ist mit einer Red« hervorgetreten,
bie «in glarre» „Rein" enthält. Er kann w-der bei
Hertling noch bei Ezernin auch nur daS geringste Enr.
renkommen finden und seine Red» klingt wieder aus
unentwegten Krieg-Willen. Besonder» entrüstet tut
er, weil Hertling «» gewagt hat. einmal anzudeuten, daß
ba» .EelbstbestimmungSrecht" doch auch auf die „eng-
Nschen Rohlenstattonen". die die englische Weltherrschaft
begründen. Anwendung finde« müsse (Gibraltar. Malta,
Ghpern ukw.f
In ähnlichem Don« wie Llovd George sprach auch
Öltanks. Auch er hieb tüchtig aus bie KriegStrommel.
8»alien. so sagte er, wüste aus nationalem Selbsterhal-
«mgSrrieh mit unerschütterlicher Entschlossenheit im
Gautpfe auSharren. Hertling und Czernin hätten in
Gren RcDen alle» verlangt und nicht» bewilligt. Eine
Weiter» Diskussion mit ihnen sei deshalb unnütz und
Schädlich: e» gelte vielmehr, den Krieg mit allen Kräften
-ortzusetzen. '
Im übrigen kamen auS allen Ententeländern auch
«idere. friedlichere Stimmen; brdenteiid friedlicher al»
Klogd George» Krieg»ruf und Aeuße:"ngen
Leeil» und «iquith» war, wa» Llvyd Lan^owne
«nd Lord Haldane sagten, und die Zeitung „Daily
News" erklärte sogar, daß die jetzige englisch« Regierung
ba» Vertrauen de« Volke» verloren habe und baß eS
gine Gefahr für da» Land beveut«. wenn sie länger im
Amte bleibe.
Auch i« Unterhause wurde da» Ministerium Lloyd
George besonder» wegen seiner verfobrenen und zer-
Sabrenen Kriegspolitik von Link» und von Rechts
scharf angegriffen. Wenn aber schon einzelne Stimmen
aus neutralen Ländern den bevorstehenden Rücktritt
Lloyd George» ankündigen. so glauben wir daß <»
Noch nicht so «eit ist. denn ein Mann, wie dieser läßt
sich nicht ohne weitere» auf die Seite schieben. Ein
weiterer Beweis dafür daß auch ,n England nicht
alle» stimmt, ist der Abgang de» Generalstabschefs Sir
Robertson, der mit allen Anzeichen seiner Unzufrieden,
heit über die Beschlüste in Versailles zuruckgetreten
jft und zum Nachfolger den Lord George gefügigeren
General Wilson erhalten bat. Ter englische General,
stab wird in Zukunft nur ein Werkzeug de» französischen
vberstkommandierenden General Koch sein. Elemen»
«an hat als« seinen Willen in Versailles durchgeietzt
«nd da» stolze Alvion hat sich ihm unterworfen. Fm
übrigen hat man doch den Eindruck, daß der Frieden«,
ordonke sich immer mehr hervorwägt und wenn Hin.
beuburg noch etwas nachhilft, wird vielleicht auch lm
Hetzen das Li» bald gebrochen fein.
— «V —«
Durch Im Friede» mH der vkran«
ist das österreichische Heer, das diesen Fronttell
hauptsächlich besetzt dielt, frei «worden. In einem
Armeebefehl weift Kaiser Karl darauf hin, daß die
österreichische Wehrmacht ,u Beginn de« Krieges
„fast der gapzen Wucht des ersten RussenstnrmeS zu
widerstehen hotte* . . . »Zum Frühling von Gor-
lice und Tornow bedurfte e» der schmerzlichen Blut.
s«at. welche die ersten polnischen und galizischen
Schlachten und der erste Karpathenwinter ,n die
Erde gesenkt batten. Die Wiedereinnahme von Lem¬
berg, die Eroberung von Jwangorod und Brest und
die Abwehr von 1816, ... all diese Erfolge waren
ohne den Schwung und den Opfermut jener An¬
fangsperiode kaum zu denken. Der groß« russische
Zusammenbruch hat seine» ersten Anstoß am San
MttteNvncren trat Staat tntft Kirche.
Der Reichstag ist «m Dienstag wieder zusam«
mengetreten; hauptsächlich zur Erledigung des Etats.
Die Ausgaben sind natürlich enorm gestiegen, ein
nicht sebr angenehmer Vorgeschmack für die Zukunft,
in der es wohl noch „besser" kommen wird. Das An"
schwellen des ordentl. Etats um 2 841 000 000 Alk.
ist erklärlich aus dem Anwachsen der Verzinsung der
Reichsschuld, die ein Mehr von 8346000000 Mk.
gegen das Vorjahr aufweist. Daraus ergibt sich eine
Steigerung der Kriegssteuern auf 2 877 000 000 Mk.,
welche natürlich nicht durch neue Anleihen zu decke»
sind, vielmehr tverden neue Stenerquellen gefunden
werden müssen. Was darüber in den Zeitungen
geschrieben wird, beruht natürl. nur auf Vermutnn.
und am Di.nat-, steil' erst im März wird voraus.sichtlich der Schleier
L B TSS SSSSSL^iHa K
über die Zundholzsteuer stolperten, ein Kinderspiel ae"
wesen ist. Der Reichstag steht hier vor einer ebenso
wichtigen wie schwierigen und weittragenden Auf¬
gabe, welche eingehende und gründliche Arbeit erfor¬
dern wird.
Der Reichstag, der jetzt 307 Mrtgtieoer Hai, soll
nach einem dieser Tage eingegongenen Gesetzentwurf
in Zukunft 441 zählen: die 44 neuen Abgeordnete»
kommen auf die großen Städte Berlin, Breslau,
Frankfurt a. M., München, Dresden, Hamburg,
Köln. Düsseldorf, Elberfeld, Essen, Duisburg, Han.
nover^ Leipzig, Stuttgart, Teltow-Niederbarnim, Kö¬
nigshütte, Hindenburg, Kiel, Recklinghausen, Bo.
chum. Dortmund, Nürnberg, Chemnitz, Mannheim
und Bremen: für die letzten 19 wird die Verhältnis¬
wahl einaeführt- Berlin soll 10, Teltow 7. Ham¬
burg 5, Bochum und Leivzig je 4, Köln, Breslau,
Duisburg. Dortmund, Essen, Niederbarnim, Mün¬
chen und Dresden je 3 Abcev'-dnete, die übrigen ae-
nannten 2 wählen. Diese Teilreform der Wahlkreis¬
einteilung geht von dem Gedanken ans, daß einerseits
jedem Bundesstaat und in Preußen jeder Provinz,
der bisherige Besitzstand geivahrt bleibt, andererseits
die Gebiete, wo seit 1800 eine unverhältnismäßig
große Vermehrung der Bevölkerung eingetreten ist,
mehr Abgeordnete als bisher erhalten. Freilich kann
die Zahl nicht so stark vermehrt werden, daß darun.
ter die Erlebtguna der Geschäfte leidet. Anfangs war
auf je 100000 Einwohner ein Abgeordneter voroe«
sehen. Danach müßten es jetzt 6—700 sein. Er¬
sprießliche Arbeit wäre dabei aber kaum möglich;
schon jetzt liegt ja eigentlich die Hauptbedeutung des
Reichstages in den Kommissionen.
Die preußische Wahireiorm mu dem altgemezneu
gleichen Wahlrecht soll, so sagt ein Artikel der .Rordd.
Allgem. Ztg?, der offenbar die Anschauung der Re¬
gierung wiedergiebt, mir allen verfassungsmäßigen
Mitteln durchgesetzt werden. Im Jniereffe der
inneren Einigkeit und Geschlosienbeit ist
das f'.eudia zu begrüßen. „WaS bas Reich seine«
Wählern gewahrt, was die größten anderen den» chen
Bundesstaaren ihren Staatsbürgern gewähren, da»
wird auch Preußen auf die Dauer seinen Einwoh¬
nern nicht vorcnlhalten können," hat der Zentrums»
Führer Dr. Porjch noch 1911 gesagt; das muß für
das Zentrum beute erst recht maßgebend fern. In
einer Zeit, in der wie in dieiem Weltkriege die
allgemeine Wehrpflicht und die allge¬
meine Skeuerpflrcht zu ungemessenen
allgemeinen unerhörten Opfern an Blut
und Gut gesteigert worden ist, wäre die Vorein»
Haltung des gleichen Wa b irechts gradezu em Ver¬
brechen am Volk«'
Die Reform des preußischen Herrenhauses ist in der
Kommission bereits Durchberaten worden. Danach soll
daS „Herrenhaus" künftig „Ständcbaus" heißen und vis
zu 861 Mitglieder zählen, nämlich den Kronprinzen von
Preußen, 6 volljährige Prinzen von Preußen, 18 Ver¬
treter der Fürsten und Grasen, 32 Vertreter der erb¬
berechtigten Mitglieder. 2 Vertreter von Berlin, 48 Ver"
treter der Städte über 60 000 Einwohner, 24 Vertreter
der Gemeinden über 10 000 Einwohner, 24 Vertteter
der länDlichen Selbstverwaltung. 24 Vertreter der Pro.
vinzen, 48 Vertreter der mittleren Gutsbesitzer. 24 Ver¬
treter der Landwirtschaft im allgemeinen. 24 Vertreter
der Industrie und des Handels, 18 Vertreter des Hand¬
werks. 16 Vertreter der Hochschulen, 16 Vertreter der
katholischen und evangelischen Kirche, 16 Vertreter Der
Arbeiter. 12 Vertreter der Privatangestellten, 6 Vertre¬
ter der Staatsbeamten. 6 Vertreter der Lehrkräste, 6
Vertreter der übrigen gelehrten Berufe. 8 Vertterex
der technischen Berufsstände. 8 Vertreter der Preste, 160
durch besonderes königliches Vertrauen Berufene. — C6
die Vorlage in dieser Form Gesetz wird, ist Damit natür"
lich noch nicht gesagt.
Bei der Neichsrugsersatzwahl in Koblenz-St. Goar,
einem „bombensicheren" Zentrnmswahlkreis. haben siw
ZentrumSkandidaten gogenüberaestandeni Der dt
der vaterländischen Geschichte aebö-en.
In der Tat haben die Oesterreicher den Haupt
stoß des noch in voller gewaltiger Kraft dastehenden
Zarenreiches und seiner Lbermöchtiaen Heeresmas-
sen auffangen müssen. Da die Geschichte gar oft die"
ieniaen veraißt. die in opfervoller Selbswerleugnung
die Grundlagen späterer Erfolae gelegt haben, war
es ganz angebracht, daß Kaiser Karl durch diele
Kundgebung verhindert, daß jetzt, wo es im Osten
etwas bester wird, jene vergessen werden, die für
diele Aufhellung ihr Leben einsitzten, al« der östliche
Horizont noch von den schwärzesten Wolken ver¬
hüllt war
Ter russisch« Etaatsbankeroft,
der schon einmal angekündigt war und dann wider¬
rufen wurde, scheint min dock Tatsache geworden zu
sein — so weit man bei dem Durcheinander in Ruß.
land von Tatsachen reden kann, mögen sie auch noch
so „sicher" mit de« „zugkräftigsten" Nebersch-riften in
den Zeitungen aemeldet werden.' In Deutschland
sillen in „Russen" noch ea. 500 Millionen Mark
festgelegt sein. Fürst Bülow habe als Reichskanzler
ein allmähliches Ablließen de'' — weaen ihrer hoben
Zinsen beliebten russischen Papiere, die in den West,
lichen Börsen leicht Auftiabme fanden, veranlaßt.
Wenn das wahr ist, bat er sich sicher dadurch ein aro-
ßeS Verdienst erworben. Was noch bei uns in Rus¬
sin vorhanden ist, soll sich, so liest man weiter in Zei"
tungen. hauptsächlich in Händen kapitalkräftiger
Leute besinden. die jetzt im Krieg noch kräftiger ge-
worden sind und die Einbuße obne ernstliche Schädi"
gung. mindestens ober ganz anders ertragen können,
als die vielen Tausend kleiner Rentner in Frank¬
reich, die vom Ertrag ihrer russischen Papiere feh¬
lst, und nun an den Bettelstab aebracht sind, wenn
es bei der von der ieyigen russischen Reaieruna aus-
gesprochenen NichtigkeftSerklärung der AuSlands-An«
le'hen bleibt.
ÄD*r!e* vom Krfea.
Unverontwortttche. «tmringefäkrUA« Heberet
bat der Bund der Landwirte auf seiner LSjährigen
JubilSumsversammlung petrieben. Bekanntlich war
seine Haltung schon vor Jahren einmal nicht einwand,
frei, damals hat er stark in statbofikenbetze gemacht u.
u. a. von den «schwarzen Mistkälrrn" gesprochen. Jetzt
baden sich in der Hetze gegen den Reichstag und die
FriedenSresolution seine Wortführer zu Aeußcrungen
bmreißen lasten, die ttefvedauerlich sind. Besonder-
stark trieb e» der bekannte Herr v. Oldenburg. Die
ReichStagSmeKrbeit ist ja an sckarke Angriffe gewöhnt.
Aber e» ist doch ein starke» Stück wenn man dem
ganzen Reichstag in» Gesicht sagt, er habe „versagt",
nachdem er alle» bewilligt und genehmigt hat, wa?
kür die kämpfende Heere»macht und für die Werktätig»
feit hinter der Front notwendig ist; wenn man von
der „niederträchtigen Friedensresolution" redet, mit
der der Reichstag der Armee in den Rücken gefallen
sei. Ebenso unverantwortlich ist es. wenn man die
ReichSleitting in Gegensatz zu der Heeresleitung setzt
und so im Ausland den Eindruck der Uneinigkeit. ber-
vorruft. „Dar deutsche Herz schlägt nicht in der Wil-
belmstraße (Reichskanzlers. auch nicht im Reichstage,
sondern im Großen Hauptauortter. Unter BiSmarck
sei au» der Wilbelmstroße der große nationale Don
gekommen, so was von Ton habe man von der Stelle
des Reichskanzlers noch nicht gehört, wohl aber von
dem großen Hindenburg und dem großen Lndendorff."
Am schlimmsten aber war e». daß Herr v. Oldenburg
den Bürgerkrieg an die Wand malte, von „inneren
Revolten" sprach, die wir Niederschlagen, wenn er
meint, mif einen Kanzler der im Innern „Ordnung
'ltmffen wolle", werde grfchosten werden, geschebe
da» nicht, so tauge er nicht». In dieser Tonart, wie
sie für eine Versammlung van Rahanbrüdern wobl
paßt, aber unter ernsten vernünftigen Männern nickt
möglich sein sollte, ging e» weiter. — zur Freude der
radikalen Sozialdemokraten und des feindlichen An»,
lande», Patriotismus Ist da» wahrlich nicht.
im,..