Full text: Hünfelder Kreisblatt (1918)

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Aomnü die 7-laiionalversammlung? 
Noch keine Entscheidung. 
Die kaum durch die Presse gegangene Nachricht, daß 
| »je Wählerlisten für die Wahlen zur deutschen National- 
' Versammlung am 2. Januar 1919 aufgelegt werden und 
|; v{e Wahlen selbst am 2. Februar 1919 stattfinden würden, 
^ird bereits wieder amtlich durch WTB. als unrichtig 
bezeichnet. Das amtliche Bureau meldet: 
Diese Nachricht entspricht nicht den Tatsachen. Dem 
Mat ker Volksbcaustragtcn ist bis jetzt ein Entwurf znr 
Wahlordnung für die Konstituante »och nicht zur Beschlu߬ 
fassung vorqelegr worden. Daß die Bvrbereituuge» für »ic 
Aoustituante sobald wie möglich in die Wege geleitet 
Nierdc« sollen, hat die Reichsregieruug wiederholt erklärt. 
In den Blättern der unabhängigen Sozialdemokraten 
jole der ganz links stehenden, bolschewistische und kom¬ 
munistische Tendenzen predigenden Spartakusgruppe, der 
Freiheit und der Roten Fahne, zeigt sich schlecht verhehlte 
Abneigung oder offene leidenschaftliche Bekä-npfung des 
Planes zu einer Nationalversammlung. Demgegenüber 
erläßt der Vorstand der Sozialdemokratie Deutschlands, 
also der sogenannten alten oder Mehrheitssozialdemolratie. 
bereits einen 
Aufruf zum Wahlkampf. 
ff 'In diesem heißt es u. a.: .Rechts sammeln sich die 
alten bürgerlichen Parteien, um die Geschicke Deutschlands 
möglichst in ihrem Sinne zu beeinflussen. Links von uns 
stehen Gruppen, welche die Entwicklung in Bahnen drängen 
wollen, die unseren demokratischen Grundsätzen wider¬ 
sprechen. Schivere Kämpfe stehen uns daher bevor. Im 
kommenden Frühjahr sind Vertretungskörperschaf en 
für Reich, Staat und Gemeinden zu wählen. Eine 
äußerst rege Agltations- und Werbearbeit muß einietzen! 
Zu dieser fordern wir unsere Anhänger hierdurch auf. 
Ein der unabhängigen Sozialdemokratie angehörendcs 
Mitglied der Regierung erklärte einem Mitarbeiter des 
.Tag", die Regierung habe endgültige Beschlüffe noch 
nicht gefaßt. Er halte es für ausgeschlossen, daß die 
Wahlen bereits am 2. Februar stattfinden könnten - von 
anderen Gründen abgesehen, schon aus rein technischen 
Ursachen. Die Auflösung des Heeres, die Stillegung der 
ungeheuren Kriegsindustrie würden noch längere Zeit an¬ 
dauernde Binnenwanderungen Hervorrufen, und man könne 
nicht Wählerlisten anlegen, solange ein so großer Teil ö,s 
Volkes noch nicht wieder feste Wohnsitze eingenommen habe. 
Dazu komme weiter, 'daß man ja dm künftigen Umsang 
des Reichsgebietes noch gar nicht kenne, weder die mög¬ 
lichen Verkleinerungen des alten Reichsgebiets, noch den 
Umfang des sich dem Reiche angliederndm Deutsch-Öster¬ 
reich. Aus allen diesen Gründen glaub! der Volksbeauf¬ 
tragte, daß der Zusammentritt der Nationalversammlung 
jedenfalls nicht so frühzeitig erfolgen werde, als man viel¬ 
fach annehme. 
Diese wichtigste Frage unserer innerpolitischen Ent¬ 
wicklung, die für weite Zukunft hin von grundlegender 
Bedeulung ist, scheint also noch sehr in der Schwebe zu 
sein und vorläufig bleiben zu sollen. Es kommen im 
sanzen ca. 40 Millionen Wähler in Betracht. 
* 
Berlin. 19. November. 
Die Berliner Arbeiterräte versammelten sich im 
Zirkus Busch, um über die gegenwärtige Lage, über die 
bisherigen Leistungen der Regierung und die zukünftigen 
ZuständigkeitSoerhältnisse zu verhandeln. Es kam zu 
gründlichen, teilweise stürmischen Auseinandersetzungen. 
Hehrenbach gegen Ebert. 
Protest gegen die Abicdaffung des Reichstages. 
Berlin, 19. November. 
ReichStagsvräffdent Fehrenbach hat der Reichsleitung 
nach Besprechung mit Parteiführern und dem Mitglied? 
der Reichsregierung Ebert folgende Erklärung zugehen 
lassen: ' 
„Zwinaende Rücksichten «nf die gegenwärtige Lage 
vcranlnfsen mich, zurzeit u»u der Einberufung des 
Reichstage» abzusehen. Ich behalte mir dieses jedoch aus- 
drücAich vor. ES können Verhältnisse eintrcten, die sowohl 
der jotzcgon' als anch einer ktnftizen Reichsleitung den 
Znf-M»e»tritt des Reichst«,S als erwünscht, vielleicht 
sogar «t» notwendi, erscheinen taffen." 
Zur Vorgeschichte dieses Protestes erklärt Fehrenbach: 
»In der am Sonntag den 10. November 1918 zur Ent¬ 
gegennahme der WaffenftillstandSbedingungen im Reicks- 
kanzlcrpalais stattgehabten Sitzung, an welcher außer 
sämtlichen Mitgliedern der damaligen Regierung auch 
Herr Vizepräsident Dove und ich teilnahmen, habe ich die 
Frage aufgeworfen, ob etwa, wie verlaute, die Auf¬ 
lösung des Reichstages geplant sei,und sb oerneinendenfalls 
die für den nächsten Mittwoch angesetzte Sitzung stattfinden 
k .könne. Darauf erklärte der damalige Reichskanzler Herr Ebert, 
daß über eine etwaige Auflösung des Reichstages noch 
kein Beschluß gefaßt sei, tzaß aber jedenfalls die angesagte 
Sitzung nicht abgehalten werden könne. Dagegen konnte 
ich nach Sachlage eine Einwendung nicht machen. Am 
14. November habe ich sadann telegraphisch angesragt, ob 
gegen eine auf die nächste Mache vorgesehene Einberufung 
des Reichstages Einspruch ertzai«: eventurst'dagesen Ma߬ 
nahm«: getroffen werden sollen. Ich erhielt die tele» 
| graphische Antwort, daß nach Ueseitigmrg deS deutschen 
Kaisertums und des Bundesrats als gesetzredenhe Körper- 
~ schüft auch der Reichstag nickt mehr znsammentreten könne. 
Diese Anschauung vermag ich weder in ihrem Inhalt noch 
in ihrer Begründung als zutreffend anzuerkennen." 
Das Zentrum, die Partei Fehrenbachs, protesttert auch 
gegen die Abschaffung des Preußischen Herren- und Ab¬ 
geordnetenhauses. 
+ Das Blatt der unabhängigen Sozialdemokratie, die 
Freiheit, schreibt, die sozialistische Regierung sei entschloffen, 
die Sozialisierung wichtiger Produktionszweige, in 
denen die Vorbedingungen für die Vergesellschaftung ge¬ 
geben find, sofort in Angriff zu nehmen. Es werde 
unverzüglich eine Komniisfion von Sachverständigen be¬ 
rufen werden, die unter Mitwirkung der in Betracht 
kommenden Reicksämter die nötigen Maßnahmen beraten 
und ,ur Durchführung Vorschlagru wird. 
poliirsche Rundschau. 
Deutsche« )ie,ch. 
+ Über das Schicksal Elsah-Lothringens ist immer 
nock nichts befunden worden. Die neue deutsche Re¬ 
gierung vertritt mit allem Nachdruck die Ansicht, daß die 
Reichslande selbst über ihre Zukunft entscheiden sollen. 
Aus diesem Gesichtswinkel heraus haben Ebert und Haase 
folgendes Telegramm an den Straßburger Soldatenrat im 
Namen der Regierung gerichtet: »Die Besetzung Elsaß- 
Lothringens durch den Verband präjudiziert nicht die 
Lökuvg der elsaß-lothringischen Frage nach den völker¬ 
rechtlichen Grundsätzen der Selbstbestimmung der Volker/ 
In Schleswig-Holstein sind Gerüchte über Verhand¬ 
lungen mit Dänemark über die Abtretung eines Teiles 
von Rordfchlcowig in Umlauf. Angeblich sollte ein Ge¬ 
biet. daS sich bis zur Linie Tondern nördlich Schleswig 
erstreckt, bereits abgetreten sein. Ob solche Verbandlungen 
überhaupt stattgefunden haben, ist nicht festgestellt. Von 
einem Abschluß irgendwelcher Verhandlungen oder Ab- 
tretungSabsichten kann aber bestimmt nicht die Rede sein. 
+ Wie die Germania hört, gedenkt die jetzige Leitung des 
preußischen Kultusministeriums (für Kunst, Wissenschaft 
und Volksbildung) die Trennung von Kirche und Sr 
dadurch zu beginnen, daß sie vom 1. April 1919 - e 
Zahlung der KultuSgelder einstellt. Auch soll das Besitz¬ 
tum der Klöster von Staats wegen eingezogen werden. 
Die Kölnische Volkszeitung bemerkt dazu, ein solcher 
Schlag gegen Katholiken und Protestanten u'ürde im 
ganzen Land neben maßloser Verblüffung stärksten Wider¬ 
spruch Hervorrufen. 
+ Von einem Durchmarsch polnischer Truppen durch 
Deutschland meldet der polnische Militärattache in Wien. 
Dort ist nämlich die zuverlässige Nachricht eingegangen, 
daß die 106. österreichische Landsiurmdivision, bestehend 
aus den Landsturminfanterieregimentern 31, 32, 16, ferner 
einigen polnischen Batterien, am 5. November von der 
Front zurückgezogen und der Nationalität nach in Gruppen 
eingeteilt worden sei. Die stärkste sei die polnische Gruppe, 
welche sich im Marsche durch Elsaß nach Saarbrücken und 
Frankfurt befindet. Dieser Mannschaft wurde die Ver¬ 
pflegung nur bis'zum 15. verausgabt. Nunmehr ist sie 
ihrem Schicksal überlasten, da der fremdsprachigen Truppe 
deutscherseits keine Eisenbahnbeförderung zugestanden worden 
ist, die Zivilbevölkerung aber die Einquartierung ver¬ 
weigert. Ohne Nahrungsmittel, Wäsche usw., von Krank¬ 
heiten heimgesucht, marschieren die Polen ohne Rast, um 
irgendwo Obdach und Schutz zu finden. 
Au« Zn- und Ausland. 
Berlin, lg. Nov. Die amtliche Bezeichnung des bis¬ 
herigen Ministeriums der geistlichen und Unterrichts¬ 
angelegenheiten lautet fortan: „Ministerium für Wissen¬ 
schaft. Kunst und Volksbildung". 
Berlin, 19. Nov. Die preußische Regierung hat eine Ver-^ 
sügung erlaffen, wonach diejenigen Gemeindevertreier, 
deren Mandate abgelaufen sind, vorläufig weiter amtieren. 
Eine Änderung deS Wahlgesetzes für die Gemeindevertretungen 
ist in Vorbereitung. 
Berlin, 19. Nov. Im hiesigen kaiserlichen Schloß 
wurden außerordentliche große LebenSmiitelvorräte zum Privat¬ 
gebrauch der karierlichen Familie gefunden. 
Berlin, 19. Nov. Die Ernennung des Grafen Keßler 
«um deutschen Gesandten in Warschau ist erfolgt und 
dieser bereit? nach dorthin abgefahren. 
Warschau, 19. Nov. Der Legionssührer Pilsudsky 
lourde mit unbeschränkter diktatorischer Gewaii aiisgei'taitet. 
Wien, 19. Nov. Nach einer Meldung aus Warschau 
richtere Pilsudskn an Marsckall Fach einen Funkspruch, in dem 
er als Oberkornmandant der polnischen Armee ersticht, die 
polnischen Truppen, die einen Bestandteil der französischen 
Armee bilden, fofort nach Polen zuiückzuseuden. 
Genf, 19. Nov. An der Friedenskonferenz werden, 
wie aus Paris gemeldet wird, sich auch Vertreter der 
polnischen Regierung beteiligen. 
Speyer,*-19. Nov. Die Räumung der Rheinpfalz 
wird sich in drei Abschnitten vollziehen, für die verschiedene 
Zeitpunkte festgesetzt sind. Bis zum S. Dezember mittags 
wird die Freimachung des gesamten linken RbeinuferS er¬ 
folgen. i 
Madrid, 19. Nov. Nach Meldungen au? Portugal ist 
dort ein Generalstreik ausgebrochen. 
Haag, IS. Nov. Die Lebensmittelversorgung Hollands 
fit für die nächsten sechs Monate gesichert. 
Dotts- und KriessWirifchast. 
* Rettet die Kartaffelernte! Da» Kriegsei,lährungsamt 
und daS Ministerium für Landwirtschaft richten an alle 
Arbeiter- und Bauernräte sowie an alle Behörden den drin¬ 
genden Ruf. überall dort, wo noch Kartoffeln im Boden stich, 
bei den Truppen und unter den Arbeitslosen männlichen und 
weiblichen Geschlechts durch Vermittlung der örtlichen Arbeits¬ 
nachweise sofort die Arbeitskrüftc aufzubringen, die erforderlich 
sind, die Ernte schnell zu vollenden. Nock viele hundertinuiend 
Zentner Hacksiüchte, Kartoffelp und Rüben sind im Boden, 
weil ausreichende Arbeitskräfte zum AuSnehmen fehlen. 
Werden diele Feldfrüchte nicht bald geerntet, vernichtet sie der 
Frost. DaS wäre ein unersetzlicher Verlust für unsere ohnehin 
schwer gefährdete VolkSernährung. Die Lantw.rte, die noch 
Kartoffeln im Acker haben, sind verpflichtet, von den nächst- 
gelegene» Truppenteilen und Behörden »ie erforderlichen 
Arbeitskräfte gegen Zusicherung eines angemeffenen, die 
heutigen TeuerungSvertz-., Kniffe berücksichtigenden Lohi.es 
schneAtenS anzuforder». Bet lässige« Vorgehen der Land¬ 
wirte oder Verweigerung angemessener Lohnzahlung müssen 
die Behörden geeignete Zwangsmaßnahmen ergreifen, um die 
Feldfrüchte vor dem Verderben zu bewahren. 
-* »ie Brotrati»« »och nicht jestgesteklt. Die Meldung 
Berliner Zeitungen, da» die Bronauon auf 2400 Gcainm 
erhöbt werde und mit dem nächsten Monat in Kraft treten 
soll. ist unzutreffend, du die Berainngen im Schoße deS 
LebensmitteioerbandeS ( -Berlin und mit den Vertretern 
der Berliner Arbeiters.mr ch nicht »um Abschluß gelangt 
(tu >. Eine Erhöhung der Brotration wrrd aber aus jeden 
Fall eintreten. 
S Festnahme einer Giireiräuberbanse. Auf de 
Güievbahnbos Hamburg-Süd wurden 18 junge Bursch 
im Alter von 14 bis 17 Jahren dabei überrascht, als sie 
einen mit Lebensmitteln, Zigarren und anderen Waren 
beladenen Eisenbahnwagen erbrochen hatten und beraube, 
wollten. Ein Bahnbeamter schlich herbei, schloß plötzlia 
we Tür und batte die ganze Bande gefangen. Die jugend¬ 
lichen Räuber wurden dann zur Polizeiwache gebracht. 
Die Heimkehr. 
800 000 Mann sollen Köln passieren. 
Köln. 19. November. 
Zwei große Armeen, die 6. und 17., sollen in den 
nächsten Tagen zwischen Deutz und Bonn den Rhein 
paifferen. Zu jeder 400 000 Mann umfassenden Armee 
gehören 140 000 bis 150 000 Pferde mit unzähligen Wagen 
und Geschützen. Diese ungeheure Menge von Menschen. 
Tieren und Wagen muß in einer Frist von wenigen 
Tagen, um der Internierung und Beschlagnahme zu ent¬ 
gehen, über den Rhein und die neutrale Zone hinweg in 
das Innere des Reiches gelangen. 
* 
Festlicher Empfang in Karlsruhe. 
Die Sorge, die vielen Hunderttausend« heftnkehrendcr 
Soldaten zu befördern, unterz'übringen und z« verpflegen, 
bemächtigt sich immer mehr der'gesamten Bevölkerung sin 
Deutschen Reiche. Doch diese Sorge kann die lebhafte 
Freude über die endliche Heimkehr unserer tapferer: 
Truppen, die Sieg um Sieg errungen und den traurigen 
AuSgang deS gewaltigen Krieges für daS deutsch« Bare» 
land wahrlich nickt verschuldet haben, nicht unterdrücke:'. 
Überall rüstet man fick, den Heimkehrrnden einen festlich! n 
Empfang zu bereiten. Der Zug der Krieger durch des 
pfälzische und badische Land hat, wie aus Karlsruhe be¬ 
richtet wird, seit Sonnabend an Umfang immer mehr Hu 
genomvren. Die Bevölkerung der Landorte, die zum Teil 
in große Heereslager verwandelt sind, befindet sich in 
freudiger Erregung. Karlsruhe vrangt seit Sonntag 
im bunten Flaggenschmuck. Schon am frühen 
Morgen bewegen sich Scharen von Feldgrauen auf 
grüngeschmückten Lastwagen und blumenbekränzten Autos 
durch die fahnengeschmückten Straßen, mit Hochrufen und 
Tücherschwenken begrüßt. Nach übereinstimmend einlaufen¬ 
den Berichten wickelt sich der Rückmarsch bei rauhem, aber 
trockenem Wetter in flotter Weite ohne Störung ab. Die 
Truppenzüge durchqueren ohne Aufenthalt das als neutrale 
Zone bestimmte Gebiet und streben weiter ostwärts nach 
den ihnen angewiesenen Sammelplätzen im östlichen Baden 
und Württemberg. 
* »7 t - 
In Frankfurt. 
Die Ri'esenhalle des Frankfurter Bahnhofs ist ange¬ 
füllt mit vielen.Hunderten von Soldaten, die in Trupps 
der Heimat zustreben. Den Bahnhof passieren wohl¬ 
geordnete Transportzüge mit Soldaten, Pferden und 
Wagen, beladen wie beim Kriegsausbruch in den denk- 
f würdigen Tagen des August 1914. In wahrhaft traurigem 
Zustande best -det sich das rollende Material. Die Fenstc - 
scheiben der Z:ge sind größtenteils zertrümmert oder " t- 
bftrftig geflickt. Bon Heizung.ist keine Rede — eisige Luft 
zieht durch die Wagen. Ebenso traurig steht es mit , em 
' Zustand der Gepäcknetze, dem Verschluß der Türen. Tr. tz- 
dem sind die mit Kisten und Säcken bepackten Soldat, n 
guten MuteS. Was sind alle diese Beschwerden gegen d e 
Not der Schützengräben und Unterstände, gegen die fürchter¬ 
lichen Schrecken der Sturmangriffe! 
Frankfurts Straßenbild ist lebhaft bewegt; es herrscht 
eine freudige, zuversichtliche Stimmung. Der Alpdruck — 
die ständige Furcht vor den Fliegerangriffen ist gewichen, 
und unverhüllt erstrahlt das elektrische Licht wieder über 
Frankfurts vornehmen Straßen und Plätzen. 
Doch eine gewaltige, sehr schwierige Aufgabe soll 
Frankfurt noch in den zwei nächgen Wochen bewältigen. 
800 000 Mann sollen hier einquartiert und verpflegt 
werden. Zur Unterbringung dieser Riesenmenge von Sol¬ 
daten wurde der größte Teil der Schulen hergerichter. 
Der Unterricht der Jugend tritt für einige Wochen wieder 
in den Hintergrund; denn es gilt den großen Gefahren zu 
j begegnen, die ein brot- und obdachloses Heer bei seiner 
! Heimkehr über die deutschen Gauen heraufbeschwören 
könnte. . --- 
O Sicherheitsdienst in Groß - Berlin. In Berlin 
dürfen bewaffnete Soldaten des „Sicherheitsdienstes Groß- 
Berlin" Durchsuchungen und Festnahmen in Wohnungen 
nur noch vornehmen, wenn sie von einem uniformierten 
Schutzmann oder von einem Kriminalbeamten, der sich 
genügend ausweist, begleitet sind. 
O Die Krieg« beschädigten an die nene Regierung. 
Der freie wirtschaftliche Verband Kriegsbeschädigter für 
das Deutsche Reich, Sitz Leipzig, hat sich mit einem 
Gesuch an die neue Negierung gewandt, in dem um 
sofortige allgemeine Rententeuerungszuschläge für alle 
Kriegsbeschädigten und um einen gerechten Ausgleich der 
Rentensätze zwischen Mannschaften und Offizieren, den 
gegenwärtigen Verhältnissen entsprechend, gebeten wurde. 
O „Tie rote Fahne", Zentralorgan des Spartakus¬ 
bundes, erscheint nunmehr regelmäßig als Tageszeitung 
und wird in der Druckerei des »Kleinen Journals" ge¬ 
druckt. Für die Schriftleitung zeichnen Karl Liebknecht 
und Rosa Lnremburg. Es ist immerhin zu begrüßen, daß 
die Spartakusgrrwve jetzt ein publizistisches Obdach ge¬ 
funden hat und nicht mehr Gewaltmaßregeln gegen bürger¬ 
liche Blätter unternimmt. 
o Aao«y«e Inschriften, die in der Hauptsache falsche 
Anschuldigungen enthalten, gehen nach Mitteilung des 
Han:burger Fremdenblatts jetzt zablreich beim ASR ein. 
Das Publikum wird dringend ersucht, vor Erstattung 
solcher Anzeigen die Richtigkeit der Angaben genau zu 
prüfen, da sonst den Anzeigenden unter Umständen recht 
erhebliche Schwierigkeiten entstehen können. Auch ist es 
vor allem erforderlich, daß jeder, der Veranlassung zu 
haben glaubt, Mißstände »ud Ungesetzlichkeiten dem ASR 
mitzuteilen, solche Eingaben nicht anonym macht, sondern 
den Mut haben muß. diese mit seinem vollen Ruinen zu 
decken. 
« Beseitignnq des 'Adels in der tschechischen Rcpn- 
dlik. Das »Neue Wiener Tagblatt" berichtet, die 
tschechische Rrpubl:k habe mit einem Federstrich alle Titel 
und Verzierungen des Na>nen8 abgeschafft, durch welche 
sich bisher der. Adel vor der übrigen Menschheit aus¬ 
gezeichnet habe. Besonders schrnerzlich sei es für die große 
Zahl der in den letzten Jahrzehnten, und namentlich in 
ba allerletzten Zeit frisch lackiertin Edelmännrr. zur 
dürgerlickrn Einiachheit ihrer leiblichen Eltern zurückzu- 
Mwi,, ob sie nun Wappen und Krone im Staatsdienst 
als Frucht ionftioer Emsigkeit erworben hätten.
	        
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