Zeit- und Streitfragen.
Stimmen aus allen Parteien.
Die Schuld des Hauses WtttelSbach.
In einer Betrachtung über die gestürzten preußischen
uti£> bäuerischen Dynastien kommt die Frankfurter Zeitung
auch auf das Verbalten des bayerischen Fürstenhauses in
den lebten schweren Jahren zu sprechen und schreibt:
.Wilhelm U. bat dem deutschen Volk Unendüches aiff-
gedürdet. aber Ludwig III. von Bayern und sein Haus
^agen wahrhaftig auch ein furchtbares Maß von Schuld an
dem ganzen Verlauf des Krieges und seinem AuSgang. Die
mittelsbachifche Hausmachtspolitik ist es gewesen, die eine
Regelung der elsaß-lothringischen Frage zu einer Zeit
verhinderte, in der sie im Rahmen des Deutschen Reiches
hätte geregelt werden können: Ludwig der Eroberer wollte
annektieren. Und diese wittelsbachsche Annexionspolitik hat
ebenso die rechtzeitige Freigabe Belgiens verhindert,
sie hat auch die Lösung der östlichen Frage ungeheuer erschwert
und immer wieder verzögert: immer wieder kamen wittels-
bachiche .Entschädigungsansprüche" lEntschädigung für irgend¬
welche befürchtete Stärkung Preußens!) störend dazwischen,
bis zuletzt, wo Rheinbunds- und Sonderfriedenspläne in dem
Vertreter des Hauses Wittelsbach und in den Kreisen, die
jetzt wieder den früheren bayerischen Kronprinzen reinwaschen
möchten, verhängnisvolle Förderung fanden. Die bayerische
Revolution bat auch dieses Haus gestürzt. Aber es ist wahr¬
haft reis dafür gewesen.
Im Namen der Menschheit.
An den Freund und Vertrauten Wilsons, den setzt in
Europa weilenden Oberst House, richtet Walter Rat Henau
im Vorwärts einen Brief, der sich an einzelnen Stellen
zu großer Wucht der Worte und Gedanken erhebt. Wir
geben hier den Schluß des Briefes wieder:
. . . Als ein schwackes^Glied eines ins Serz getroffenen
Volkes, das gleichzeitig um seine svöte Freiheit und den Rest
seines Leben? nngt. rede ich zu Ihnen, dem Vertreter der
aufstrebendsten aller Nationen.
Noch vor vier Jahren waren wir scheinbar Ihresgleichen.
Scheinbar, denn uns fehlte, was den Staaten die Festigkeit
des Daieins gibt: die innere Freiheit. Heute stehen wir am
Rande der Vernichtung, die unabwendbar ist, wenn Deutsch¬
land nach dem Rate derer verstümmelt wird, die es Haffen.
Denn dies muß ausgeivrochen werden, klar und eindringlich,
so daß jeder das Furchtbare versteht, alle Völker und Ge¬
schleckter. die jetzigen und die konimenden:
Was uns angedroht wird, was der Daß uns anzuiun
vorschlägt, ist die Vernichtung. Die Vernichtung des
deutschen Lebens jetzi und in alle Zukunft.
Nicht an Ihr Mitleid wende ich mich, sondern an das
Gefühl der menschlichen Solidarität. Ich weiß, niemand
empfindet es tiefer als Sie und Wilson, kein Volk verficht es
klarer als die große, an Freiheit und Seibstoerantwortlichkeit
geioöbnte amerikanische Naiion:
Die Menschheit trägt eine gemeinsame Verantwortung.
Jeder Mensch ist für das Schicksal jed-s Menschen verant¬
wortlich. aus das er Einffuß bat. jede Nation ist verant-
worllich für das Schicksal jeder Nation.
In diesen Tagen werden Beschlüße gefaßt, die aus
Jahrhunderte das Geschick der Menschheit bestimmen.
Wilson bat ausgeivrochen. was nie zuvor irdische Gewalt
zu verwirklichen wagte: Friede. Versöhnung, Recht und
Freiheit für alle. Gott gebe, daß seine Worte Wahrheit
werden. ,
Werden sie es nicht, so trifft das alte sibyllinische Wort
«in. das Plutarch uns überliefert: Auch für den Sieger
wird der Sieg oerderb.lich. Werden sie Wahrheit, so ist
der Welt ein neues Zeitalter geschenkt und die unsäglichen
Ovier des Krieges waren nickt vergeblich.
Der Ez'kronprmz über ken Krieg.
Ludcndorffs Schuld.
Ein Vertreter der amerikanischen „Associated Preß"
hatte dieser Tage auf der Insel Wieringen in Holland
eine Unterredung mit dem ehemaligen deutschen Kron¬
prinzen,, der ihm u. a. folgendes erklärte:
„Ich habe auf nichts verzichtet! Ich habe kein
einziges Dokument unterzeichnet, aber sollte die deutsche
Regierung die Errichtung einer Republik nach Art von
Amerika und Frankreich beschließen, dann werde ich ganz
zufrieden sein, als einfacher Bürger nach Teutschland
zurückkehren zu können und ich werde bereit sein, alles zu
tun, um meinem Lande beizustehen." Auf die Frage des
Korrespondenten, ivas er als Wendepunkt des Krieges an¬
gesehen habe, sagte der Kronprinz: „Ich hielt unsere
Position für hoffnungslos nach der Schlacht an de.
Marne, die wir nicht verloren hätten, wenn die Chess
des Generalstabes nicht nervös geworden wären. Ich
versuchte den Generalstab zu überzeugen, danials Frieden
zu schließen, selbst aus Kosten von großen Opfern, wobei
ich selbst soweit gehen wollte, Elsaß-Lothringen aufzu¬
geben. Man sagte mir jedoch, daß ich mich um meine
eigenen Sachen kümmern sollte und meine Tätigkeit auf
Aiiführung meiner Armee beschränken müßte." Über den
Beginn des Krieges äußerte sich der Kronprinz: „Ent¬
gegen allen Behauptungen, die bisher im Auslände ver¬
breitet worden sind, erkläre ich, daß ich den Krieg
niemals gewollt und den Augenblick für sebr ungünstig
gehalten habe. Von Anfang an war ich der Überzeugung,
daß England am Kriege teilnehmen würde, aber Prinz
Heinrich und andere Mitglieder meiner Familie teilten
diese Meinung nicht."
Wenn der Kronprinz einleitend erklärt, daß er aus
nichts verzichtet habe, so muß man annehmen, daß diese
Unterredung vor seinem Verzicht, der ja inzwischen erfolgt
ist, gepflogen wurde.
Hindcnbnrg als „Paradcpfcrd".
Weiter äußerte sich der Kronpriuz mit großer Er-
bitterung über die Arbeit des Generalstabes, der, wie er
behauptete, für eine große Anzahl Fehler, u. a. für die
Märzoffeusive in diesem Jahre, welche er gegen seine
eigene Überzeugung habe unternehmen müssen, verant¬
wortlich sei. Er, der Kronprinz, sei gezwungen gewesen,
zu gehorchen. Der Kronprinz betonte, daß Ludendorff die
Haupttriebfeder der Kriegsaktion Deutschlands gewesen
sei, während Hindenburg nur als „Paradepferd" fungierte.
Ludendorff und sein Stab hätten andauernd die Stälke
des Feindes unterschätzt und hätten niemals gestaubt, daß
Amerikas Truppenhilfe so groß sein würde, wie sie in
Wirklichkeit geworden ist. Der Kronprinz bemerkte nach,
rin Bewunderer Wilsons zu sein, der nach seiner festen
Überzeugung einen Frieden deS Rechts für das deutsche
Volk zustande bringen werde.
Deutsches Reich.
+ Es sindbei den Vorbereitungen j«rN«tionalversamm-
j lung darüber Zweifel auigetaucht. ob die.verschiedenen
Obliegenheiten zur Durchführung der neuen Borschristen
auch den Frauen übertragen werden können. Diese Frage
ist zu bejahen. Nachdem die Frauen aktiv und passiv
wahlberechtigt sind, müssen sie auch ebenso wie di« Männer
zu den Ämtern und Vertrauensposten zugelassen werden,
die das neue Wahlrecht oorsirht. Sie sind also ins¬
besondere befugt, als Wahlvorsteher oder als Beisitzer oder
Schriftführer in den Wahloorstäudr» und WahlauSIchünen
tätig zu werden und können gemäß § 19 der Wahlord¬
nung in den Wahloortchlägrn als „Lrrtraueurmäimer"
bezeichnet werden. .
+ An den Fehlern und der Verschwendung der Ar-
beitcrräte m»rde aus der Vorstände!s«rrent der Gewerk¬
schaften in Berlin lebhafte Krttt! »»übt. Besonders
wandte man sich gegen ihre »irlfnchen Ulugpiffe in Ver¬
kehrswesen und Nahruiigsmitteioers»rzLng. Der Ver>
bandsoorsitzende erzählte, daß in allein der
öffentliche Sicherheitsdienst 2000 Mark pro Tag erfordert.
Das macht für den Kopf der Beoölk-rung allein für den
Polizeidievsi eine jährliche Belastung von über 30 Mark
aus. Ne Aussprache endete mit der Annestwe einer Reso-
lution gegen die Übergriffe der Arbeiterrüt« »u? das Ge¬
biet der Lohn- und ArbeitSverhältnifle. Der Redakteur
des Korreivondenzblattes der Generalkommisfion führte
dazu aus, daß man den Gewerkschaften jetzt Dtvge zu¬
mute. die man ihnen niemals angetonnen hätte, selbst nicht
in den Zeilen der schwärzesten Reaktion.
+ Wege» der neuen Kontrolleure der Reichsämter ist
es zu einem Gegensatz zwischen Regierung und dem
BotlzugSral des Berliner ASR gekommen. Die Reichs-
regierung bat nämlich ihre Zustimmung zu dem Eingriff
in die Exekutive verweigert, da daS Verfahren den Ab¬
machungen zwischen Rercksregierung und ASR wider¬
spricht.
* In Berlin wird eine Freiwilligentruppe für die
Regierung Eber« gebildet werden. Es werden nur ge¬
biente, mit der Waffe ausgehck>ete aktiv» Unteroffiziere,
welche sich genügend ausweite,> k *n und sich schriftlich
für die Regierung Ebert-Haasc.er.: angenommen.
Aus dem Gerichtssaal.
§ Landesverratsprozeß. Der 2. und 3. Strafsenat des
Reichsgerichis verurteilte den Fräser Massmg und den Tech¬
niker Große, beide aus Effen a. R„ wegen versuchten Lcmdes-
verrats und zwar Masiing zu 2 Jahren und Große zu
2 Jahren und einer Woche Zuchthaus, außerdem beide zu
g Jahren E: renrechtsoertust. Die Verurteilten waren bei der
Firma Krupp in Effen angestellt. Große stahl dort ein
Gehcimbuch und übergab es Maising, dainit er es an eine
feindliche Macht verkaufe, was ihm jedoch nicht gelang.
Vermischtes.
Das letzte im Weltkrieg versenkte Schiff. Die Be¬
satzung des Dampfers „Euer" aus Christiaina ist jetzt in
der Heimat angekommen. Sie erzählt, daß „Euer" am
1l. November abends, also nach Beginn des Waffenstill,
staudes, versenkt wurde. Der Dampfer war mit Holz¬
ladung auf der Reise nach Frankreich. Er war cm
8. November bei starkem Sturm mit einem Geleitzug von
Bergen abgegangen. In der Nähe der Orkney-Jnsiln
wurde der Geleitzug zerstreut, und kurz darauf trafen zwei
Torpedos das Schiff. Der Besatzung gelang es, die
Boote auszufetzen, und nach kurzem Rudern gelangten sie
nach der Fair-Jnsel, von wo sie ein englischer Torpedo¬
jäger abholte. „Euer" sank im Laufe der Nacht. Der
Dampfer war noch neu und machte seine erste Reise. Es
war das letzte Schiff, das im Weltkrieg versenkt wurde.
* Einschränkung deS PapirrverbrauchS für Zeitungen.
Im Reichsgesetzblatt wird eine Verordnung über Druckpapier
veröffentlicht, die den Wochenumfang der Tageszeitungen
unter Zugrundelegung ihrer Seitenzahl und Erscheinungsart
einschränkt und die Zurücknahme und den Umtausch unver¬
kaufter Eremplare verbietet. Sie ist veranlaßt durch die
augenblicklichen Kohien- und Transportschwieriskeiten, die für
die nächste Zeit eine Papierbelieferung der Tageszeitungen in
dem bisherigen Umfang als undurchführbar erscheinen lassen
und stellt lediglich eine vorübergehende Maßnahme dar, durch
die der Presse in ihrer Gesamtheit während der nächsten
schwierigen Wochen das Weitererscheinen — wenn auch in
gleichmäßig verkleinertem Umfang — ermöglicht
werden soll.
* Fischcinfuhr. Entgegen umlaufenden Gerüchten muß
auch die Zentralisation der Fischeinfuhr zunächst unbedingt
beibebalten werden, um eine unerträgliche Preissteigerung zu
vermelden. Fischwaren aller Art. die von anderen als den
zuständigen Einsuhrstellen zur Einfuhr gelangen, werden
daher nach wie vor in der üblichen Form an der Grenze be¬
schlagnahmt. __
Volkswirtschaft.
# Verwendung von HeereSbier für die Zivilbevölkerung.
Der Staatssekretär deS NeichsernährungSamts hat an den
Deutschen Vrauerbund ein Schreiben gerichtet, in dem er über
diejenigen Sendungen von Heeresbier Verfügung trifft, die
bis zum 23. November d. Js. an Proviantdepots oder Feld¬
truppenteile bereits abgegangen sind, jedoch infolge der ein¬
getretenen militärischen Ereignisse nicht mehr zu ihrer be-
siimiüungsmäßigen Verwendung gelangen können. Diese
Biersendungcn dürfen, wenn es ohne Gefahr des Verderben-
unmöglich ist. sie auf einen Stammwürzegehalt zwischen 2
und 3V2 % zu verschneiden, unverschnitten in den Verkehr ge¬
bracht werden. Dabei darf beim Weiterverkauf von solchem
Bier durch die Brauereien oder Biergroßhändler ein Preis
von 48 Mark für das Hektoliter nicht überschritten werden.
Diese Bestimmung gilt aber nur bis zum 31. Dezember d. Ir.
# Die Metallbeschlagnatzmrn aufgehoben. Es werden jetzt
von der Krlegsrohstoffabteilmm die unzähligen Verordnungen
aufgehoben, die sich auf die Beschlagnahme, Enteignung Aus¬
bau, Ablieferung der Metalle in Kupier, Mrifing. Nickel Alu¬
minium, Zinn,-Bronze usw. beziehen. Auf die Erfüllung der
durch die Metall-Mobilmachungsstelle abgeschloffenen Käufe
von Metallen und Metallgegenstänüen wird verzichtet.
# Ankauf großer Ei,eu«e«gen iu Schweden. Wie das
Stockholmer „Astoiibtadel" mitreilt. sind Vertreter deutscher
Hüttenwerk- in Schweden eingetr.ffen. um wegen Ankauis
großer Wengen Eisenerz zur soforttgen Lieferung zu unter¬
handeln. In einem Falle handelt es sich um 500 600 bis
000 GOO Tonnet! Er,, doch ergab eine vorläufige Aufrechnung
daß zurzeit nicht mehr als 70000 bis 80 000 Tonnen verfügbar
sind. Abschlüffe sollen, soweit bekannt, noch nicht ge¬
macht sein.
O Zwei Lebensmüde. Aus Königsberg wird berichtet:
Am Pregelufer bei Holstein beschäftigte Personen fanden
die Leichen eines jutzgen Mädchens und eines jungen
Mannes in Soldatenuniform im Wasser treibend. Blau
bat das junge Mädchen, das vor etwa drei bis vier
Wochen plötzlich aus der Wohnung verschwand, zuletzt mit
dem Soldaten in der Nähe des Melgether Teiches gesehen,
dann aber blieben beide verschwmlden, bis man die beiden
Lebensmüden — nach den bisherigen Feststellungen kann
es sich nur um gemeinschaftlichen Selbstmord handeln —
jetzt als Leichen im Pregel fand.
- o Tie rote Fahne verbrannt. Ein Vorgang, der
großes Aufsehen erregte, spielte sich auf dem Marktplatz in
Hamm ab. Eine mit mehreren Lastautos von der Front
tommende Fliegerstaffel, die auf der Fahrt nach Osten
Hamm passierte, holte die vom ASR gehißte rote Fahne
vom Rathaus herunter und ließ sie auf dem Marktplatz in
Gegenwart einer großen Menschenmenge in Flammen aus¬
gehen. Eine zweite rote Fahne, die der ASR am Land-
ratsgebände angebracht hatte, ist inzwischen auch ver¬
schwunden, io daß man in Hamm nur noch Fahnen in den
Reichs- und Landesfarben sieht.
o Ei» »euer Komet wurde am 23. November von dem
':)treftor der Homdurger Sternwarte in Bergedorf,
Schnoor, im Sternbild des Stiers auf photographischem
Wege entdeckt. Er ist sehr lichtschwach, von der Helligkeit
14. Größe und bewegt sich in westlicher Richtung fort.
o Rückgang der Geburten in Berlin während des
Krieges. In Berlin ist die Zahl der Geburten vom
Jahre 1913 bis zum Jahre 1917 gesunken von 42 493 auf
19 458, die Zahl der Todesfälle gestiegen von 28 067 auf
'-*4 122 (ohne die Gefallenen und im Lazarett Gestorbenen).
Hatte im Jahre 1913 die Zahl der Lebendgeborenen in
Berlin die der Gestorbeiien um )2 766 überragt, so über¬
ragte umgekehrt im Jahre 1917 die Zahl der Toten die
der Geborenen um 15 397.
O Ter Streik in den Siemenswerken in Berlin ist
beendet. Die Verhandlungen haben der Arbeiterschaft
erbeblicke Vorteile gebracht. So ist vereinbart worden,
daß die tägliche Arbeitszeit auf acht Stunden festgesetzt
und auf die bisherigen Löhne ein Zuschlag in Höh« von
. l 6 "'f gewährt wird.
o General der Infanterie Fritz v. Bclow Am
23. d. Mts. starb auf der Durchreise in Weimar der
- General der Infanterie Fritz o. Below, der — im Frieden
zuletzt Kommandierender General des 21. Armeekorps —
1 während des Krieges als siegreicher Führer einer Heeres-
gruppe im Westen mehrfach in den Heeresberichten
rübmend erwähnt wurde.
o Billige Pferde. In Spandau fand eine Versteigerung
von Militärpferden statt, die eine überaus große Zahl von
Kauflustigen angelockt hatte. Trotz der großen Nachfrage
zeigten die Gebote einen auffallenden Rückgang gegenüber
den noch bis vor kurzer Zeit üblichen Preisen. Pferde,
die 3000 Mark gekostet hatten, erzielten ein Gebot von
höchstens 700 Mark, solche, deren Preis früher 4000 Mark
betrug, wurden mit höchstens 1000 Mark gewertet. Die
Versteigerung selbst wurde bald eingestellt, weil Vorsorge
getroffen werden soll, daß nur solche Personen diese
Militärpferde erwerben dürfen, die die Tiere für den
eigenen Bedarf benötigen. Jeder Kauflustige muß sich von
seiner Ortsbehörde eine derartige Bescheinigung ausstellen
lassen. In erster Linie werden Landwirte berücksichtigt.
O Aus vaterländischem Schmerz in den Tod. De-
Geheime Justizrat Dr. Alexander Leist, Professor de-
Rechte an der Universität Göttingen, ist aus Verzweiflung
über die Lage des deutschen Vaterlandes aus dem Leben
geschieden. Er ist ein Sohn des berühmten Jenaer Rechts¬
lehrers Wilhelm Leist. - i
© Wild zur Kolksernährung. Die Wirtschaftskom-
miffare der steierischen Landesregierung haben veranlaßt»
daß die kaiserlichen Besitzungen in der Steiermark in die
vorläufige Verwaltung der Landesregierung über¬
nommenen und ihre Beamten für den Dienst der Landes¬
regierung vereidigt werden. Durch diese Maßnahmen
wird es möglich sein, den Wildreichtum der ehemals
kaiserlichen Jagdgüter der Volksernährung nutzbar zu
macken.
o Das Charloiteuburger Schloff wird als ortho¬
pädisches Lazarett für schwerbeschädigte Krieger eingerichtet,
die noch auf längere Zeit einer besonderen orthopädisch-
chirurgischen und medlco-mechanischen Behandlung (Kunst¬
glieder) bedürfen. Der Ausbau des Schlaffes für den ge¬
nannten Zweck ist bereits im Gange, die Eröffnung dürfte
in einigen Wochen erfolgen.
O Groffe Bahngutdiebftählc sind auf den Bahnhöfen
Grunewald (Berlin) und Seddin (Regierungsbezirk Pots¬
dam) verübt worden. Bei der Staatsanwaltschaft II in
Berlin schwebt augenblicklich ein Verfahren gegen zahl¬
reiche Eisenbahnrottenführer und Arbeiter, die ihre Be¬
schäftigung bei der Eisenbahn nur dazu benutzt haben,
Diebstähle in großem Stile auszuführen. Große Ballen
Seide für mehrere hunderttausend Mark wurden in Grune¬
wald und teils auch in Seddin vergraben vorgefunden.
o Achtung vor den Kunstdcnkmälern der Vergangen-
Herr. Das sächsische Landesamt für Denkmalpstege erläßt
folgende Verordnung: „Sachsen ist reich an Kunstdeiik-
mälern aus vergangenen Jahrhunderten.^Viele von ihnen
erinnern an frühere Herrscher des Landes und an nicht
mehr bestehende Staatsformen. Unverständige könnten
hieraus Anlaß nehmerk, solche Denkmäler zu mißachten
oder gar zu beseitigen. Ein Volk aber, daS die Förderung
und Pflege der Kunst zu den vornehmsten Aufgaben des
freien Gemeinwesens rechnet, ist es sich selbst schuldig, auch
die Kunstdenkmäler der Vergangenheit wert zu halten und
zu hüten. Wir empfehlen sie daher dem Schutze der All¬
gemeinheit. Den Schutz der Regierung hat der Volks-
beauftragte für das Innere Ministerium zugesagt."
o Gegen die Verschleuderung von Armcematerial
wendet sich eine Bekanntmachung des Rats der Volks¬
beauftragten: „Wer Heeres- oder Marinegut verschleudert,
schlecht beaufsichtigt, sich aneignet oder unbefugt veräußert,
schädigt ebenso wie der Käufer solcher Güter unseren
wirtschaftlichen Wiederaufbau. Er entzieht die Güter den
BolkSgeuoffen, die ihrer am dringendsten bedürfen, ver¬
hindert die Abbürdung unserer Schulden, zu der die Erlöse
aus geordnetem Verkaufe der Güter beitragen sollen, und
vermehrt die finanziellen Lasten des gesamten Volkes. ES
ergebt daher an jedermann der Ausruf, dazu mitzuhelfen,
daß von diesen Milliardenwelten nichts durch Nachlässigkeit
oder Untreue oerlorengeht.