dachte das junge Mädchen beklommener und ließ ihn nicht
aus den Augen, „was wird er mir zuerst sagen, wird er
herzlich sein, wird er mich küssend
Der Herr erhob sich im Boot und rief dem einen der
fDiener mit erzürntem Ausdruck einige heftige Worte hm.
iWer während er die Landungstreppe erstieg, richtete sich
jener Diener auf und schüttelte mit einem haßerfüllten
Blick der dunklen Augen die Faust hinter seinem Herrn
her. Zu der Erbitterung, daß Herbert sich nicht rechtzeitig
, zur Begrüßung eingefunden hatte, gesellte sich nun bei
! Sylvia dir Furcht.
Dennoch hätten einige Worte großer Herzlichkeit
? diese in ihrem Herzen aufzüngelnden Gefühle erdrückt.
Sylvia hatte sich noch nie in ihrem Leben io vereinsamt
? und verlassen gefühlt, wie in diesen Augenblicken. 35*
ganzes reiches Gefühlsleben vereinigte sich in dem sehn¬
süchtigen Wunsch: in dem Herzen dreses Mannes eine be-
glückende Heimat zu finden. Sie wollte ihre erwachte
Liebe zu John Maer unterdrücken und Herbert mit den
besten Absichten entgegentreten. Die Hoffnung ihrer ganzen
Zukunft klammerte sich an ihn, und ihr Herz wäre zu chm
gegangen, wenn er sie jetzt in seine Arme nehmen wurde,
sie lick en und mit schlichter Innigkeit sagen: „Ich freue
mi ». daß ich dich in meine Arme schließen kann, ich habe
Uz Tage bis zu deiner Ankunft gezähltl Sei mir wiw
koinwen. Du sollst mir die alte Heimat bringen und ich
biete dir eine neue —'
tio aber kam er, den Blick mit einer überraschten
Sb.'uuung auf sie gerichtet, mit großen Schritten auf sie
zu. lind als er, vor ihr stehend, den Tropenhelm ab-
na ,;!, fragte er mit einer tiefen Stimme, die durch eine
au altsam beherrschte Erregung fast rauh klang: „Fräulein
Lck-rimsmus Hamburgs
Seine Worte übergofien daS junge Mädchen wie ein
f l;,;- Strahl. „Gerade, als wenn er eine Gouvernante
g :U" dachte sie ernüchtert, und so erwiderte sie schlicht:
„Ja, ich bin Sylvia Bertens!"
Urid ich bin Herbert Beermann!" sagte er ganz ge¬
schäftsmäßig. „Du hast mich gewiß wiedererkannt!
Während Sylvia stumm nickte, sah sie ihm gerade ins
S-ckick i. Auf dem Bild, das er ihr zur brieflichen Ver-
lo gesandt hatte, entbehrte sie zwar das, was sie an
s m Manne besonders schätzte: eine äußere kavaliermäßige
>; Aber da er in ihrer Erinnerung als der gut-
m igroße Knabe von zehn Jahren vor ihren Augen
stca d und sie auf seinem Bilde einen Zug von Güte zu
er;.: :teu glaubte, hatte sie ohne Bedenken in die Verlobung
Jetzt aber hatte sie nur die eine Empfindung, daß sie
In Mann nie werde lieben können. Sie verabscheute
. U VW i VII „IV wvvv*. „wv.. . , , _
l n- großen." ungepflegten blonden Schnurrbärte, wie
Herbert Beermann einen trug, sie fand seinen weißen
Lrineuanzug entsetzlich geschmacklos und schlecht sitzend, den
S ckips nachlässig geknüpft und die Haltung weder vor¬
nehur noch stolz.
Und doch wurde Herbert um seine herrliche stattliche
K.gur von den zierlichen Spaniern oft beneidet, und als
er den gewölbten steifleinenen Tropenhelm lüftete, zeigte
sich reiches blondes Haar in kurzen Locken.
Seine dunklen graublauen Augen, die allerdings im
Lebenskampf und dem aufreibenden Tropenleben verlernt
hatten, so gütig und treu wie zur Kinderzrit in die Welt
zu blicken, konnten sich im stummen Erstaunen nicht an
'dem jungen Mädchen sattsehen. Und da er vor Schönheit
-ine fast ehrfurchtsvolle Bewuuderung hatte, wurde sein
Benehmen der Braut gegenüber immer unsicherer. Daß
dieses blühende, auffallend hübsche junge Mädchen seine
Braut sedl sollte, kam ihm wie etwas undenkbar Großes
vor. Und wenn er sich auch zur künftigen Repräsentantin
seines Hauses eine junge Frau mit feinem gesellschaftlichen
Auftreten gewünscht hatte, so senkte sich doch jetzt der
■ Unterschied zwischen ihr und ihm wie ein trennender Druck
! ans ihn nieder. Er fühlte dunkel, daß sein Außeres vor
■ den Äugen dieses hübschen und bis in alle Einzelheiten
> geschmackvoll gekleideten jungen Mädchens keine Gnade
j fand. Er legte ihr Schweigen, ihr stummes angstvolles
» Warten auf ein Zeichen seiner Freude als kuhleS, gesell¬
schaftliches Abwarten aus. Und weil er im Vorwärts-
streben um seine Existenz sich keine Zeit zum Verkehr mit
Fragen gelassen hatte, wußte ,r jetzt in den ersten Augen¬
blicken nicht mit Sicherheit, wie er Sylvia gegenüberzu-
treten hatte. , .
„Willkommen in Manila, Sylvia!" sagte er bann und
bot ihr endlich die Hand, „hast du eine gute S«reflege.
habt? Aber davon kannst du mir nachher erzähl««!" fuhr
er sogleich fort, ohne ihre Antwort abzuwarten, wodurch
er nach ihrer Meinung sein geringes Interesse an ihrer
wochenlangen Seereise bezeugte, „wir dürfen Nicht säumen,
an Land zu kommen. Es ist sechs Uhr vorbei, imd die
Sonne scheint nach den ersten Morgenstunden schon so
glühend heiß, daß wir Europäer es draußen mcht mehr
aushalten können. Du wirst dich überhaupt erst an die
Hitze hier gewöhnen müssen, denn du bist zart und
schlank!" „ _ r,„
Da es fast wie ein bedauernder Vorwurf klang, glitt
über Sylvias Züge ein heimliches fpötttsches Lächeln, als
sie an die Bewunderung dachte, die ihre schone Figur
schon so oft erregt hatte. Aber dieser seil made man, dieser
Bär, schien wenig von Frauen zu verstehen. Sie ahnte
nicht, daß unter seinem ruhigen Blick, die ihre Gestalt um¬
faßte, seine Bewunderung versteckt lag. '
„Du bist noch viel schöner, als ich mir dich nach dem
Bilde vorgestellt hatte", wünschte Herbert zu sagen, aber
er fürchtete, es möchte ungeschickt klingen und Eylvra
möchte es alS eine banale Redensart auffaffen. So wmtte
er stumm die beiden Diener herbei, die das Handgepäck
ins Boot trugen, da das große Gepäck bereits zur Zoll¬
revision vorausgeschickt war.
AlS Sylvia sich vom Kapitän verabschiedet hatte und
mtt ihrem Verlobten die Treppe zum Boot hinabstieg,
sagte sie mtt leiser Gereiztheit, nachdem sie vergeblich aus
sein« Entschuldigung wegen seines Verspätens gewartet
hatte: .Ich glaubte, du würdest mich bei meiner Ankunft
an Bord begrüßen und nicht so lange warten lassen!
Da blieb Herbert plötzlich auf einer Stufe stehen und
sagte etwas heftig: „Weil der dumme Bursche, der Augustm
sich gestern cchend wieder einen Rausch in frisch gegorenem
Palmensaft angetrunken hatte, hat er dm Kutscher nicht
rechtzeitig geweckt, sondern die Zeit verschlafen. Als ich
zum Hafen fahren will, war nicht angespannt! Am Hafen
brennt mir der Bursche durch, weil er fernen Tod,etnd
entdeckt hat, der ihm von, letzten Hahnenkampf noch eine
Peseta-Wette schuldete. Da ich die Dampfbarkaffe schon
von der „Mindanao" abstoßeil sah, wollte ich mir schon
einen anderen Schwarzen zum Hinüberrudern mieten, als
endlich Antonio den Schlingel aufstöberte. Durch das
alles kamen wir natürlich zu spät an Bord! Und dann
schloß er, ohne ein Wort des Bedauerns für ihr peinliches
Warten zu haben, mit einer fast ingrimmigen Befriedigung:
^Nun, Augustin wird nachher noch seine Hiebe ve-
° Seine Worte weckten in Sylvia, der die überseeischen
Dienstbotenverhältnisse noch fremd waren, eine Vorstellung
brutaler Tyrannei. Der Mann, der soeben sein« Braut
abholte, beschäftigte sich in Gedanken damit, wie er seinen
Diener züchtigeri wollte! Rur mit Überwindung reichte
sie ihm die Hand, als er ihr beim Emsteigen ins leicht
schaukelnde Boot half. .
Als beide Diener, die sich erhoben hatten, mit einem
spanischen: „Guten Tag. Herrin!" sie begrüßten, uberflog
Sylvia mit einem kurzen prüfenden Blick beide und sah
sofort, daß es zwei durchaus verschiedene Naturen sein
mußten, trotzdem beide ganz gleich in neue faltige weiße
Leinenhosen gekleidet waren, über die ein loses, weiß und
rot gestreiftes Hemd fiel. Augustin der-vorhin erbost die
Faust hinter Herberts Rücken gedroht hatte, machte mit
seiner nachlässigen Haltung und dem vorgeschobenen Unter-
kiefer einen trägen Eindruck. Der andere Diener, Arrtonio,
trug seinen geschmeidig gebauten Körper mit unvenenn-
barer Selbstachtung. Und trotz seiner hellbraunen Haut-
färbe und den purpurnen Lippen über dem breiten Untsc-
kiefer war er mit seinen intelligenten dunklen Augen ein
ganz hübscher Bursche. , (Fortsetzung folM >
'•'LS
Mau nennt das Leben einen Traum.
. Dieweil's vergeht wie eitel Schaum;
Doch keiner glaub', daß er gelebt,
Der nur geträumt und nicht gestrrht.
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