Amtliches Kreisblatt
Fuldaer Zeitung Nr. 263
Dienstag, den 15. November 1938
tische, amerikanische und andere fremde Juden beziehen,
gab der Minister folgende Erklärung ab: „Britische,
amerikanische und Juden anderer Nationalität sind für
uns Angehörige der britischen, amerikanischen oder an¬
deren Nationalität. Darüber, ob sie Briten sind, haben
wir nicht zu entscheiden, sondern das britische Volk selbst.
Also können sich auch diese Gesetze nicht auf Juden an¬
derer Nationalität beziehen. Sie gelten für uns als
Ausländer.
Reichsminister Dr. Goebbels machte dann Ausführun¬
gen über
-ie Zukunft -er Juden in Deutfchlan-
Er betonte u. a., daß keine Absicht bestehe, die Juden in
bestimmte Stadtviertel zusammenzuzwängen. Aber cs
feien natürlich Maßnahmen zu erwarten, um dem un¬
möglichen Zustand ein Ende zu machen, daß Judenfa-
miiien mit zwei bis drei Köpfen Villen mit 20 bis 30
Zimmern bewohnen, während angemessener Wohnraum
für deutsche Volksgenossen noch fehle.
Die Juden könnten ihre Geschäfte verkaufen, von
ihren Renten leben oder sich nutzbringender Arbeit zu¬
wenden. Es werde aber im Augenblick, in dem die Ju¬
den weiterhin provozieren und die Lage verschärfen,
auch diese Tätigkeit eingeschränkt werden müssen.
„Ich kamt nur dringend betonen," so erklärte der
Minister, „daß die ausländischen Juden, die jetzt gegen
Deutschland eine Riesenkampagne entfesseln, ihren Ras-
sengenossen im Reich einen denkbar schlechten Dienst
erweisen. Ich betone, daß wir unsere Maßnahmen nicht
aus einem Rachegefühl treffen, sondern das eine Frage
der Zweckmäßigkeit ist.
Die Juden können auswanöern
Auf eine Frage, ob denn die Juden Deutschland
verlassen könnten, da man ihnen doch die Pässe ab¬
genommen habe, stellte der Minister fest, daß dies den
Tatsachen nicht entspreche. Soweit es doch geschcden
sei, wurden die Pässe wieder ausgehändigt. DeuLsch-
kand habe nur ein Interesse daran, daß die Juden aus
dem Lande gehen. Sie dürften einen gewissen Prozent¬
satz ihres Vermögens mitnehmen, natürlich im Rah¬
men des deutschen Devisenvorrats.
Auf ausländisches Kapital und ausländische Unter¬
nehmen in Deutschland würden die Maßnahmen gegen
die Juden selbstverständlich nicht angewandt werden.
Mr. Poung wies dann auf Veröffentlichungen der
deutschen Presse hin, daß Kritiken an den antijüdischen
Demonstrationen durch einzelne Personen in England
in Deutschland besonderen Widerspruch finden, weil die
Art und Weise, in der England die Lage in Palästina
behandele, ebenfalls Kritik herausfordere.
„Sinb Sie der Ansicht, Herr Reichsminister, daß
diese beiden Fälle parallel laufen?" Dr. Goebbels be¬
jahte diese Frage und fügte hinzu, er würde es begrü¬
ßen, wenn die englische Publizistik immer deutschen
Vorgängen gegenüber genau so fair und zurückhaltend
wäre, wie die deutsche Publizistik es immer englischen
Vorgängen gegenüber sei und bet kritischen Anlässen
öfter unter Beweis gestellt habe. Was insbesondere
die Behauptung der Auslandspresse von einem „Bür¬
gerkrieg" in Deutschland betrifft, so muß ich fest¬
stellen: Von Bürgerkrieg könne gar keine Rede fein.
Ein 80 Millionen-Volk erhebe sich gegen die Provo¬
kationen von 600 000 Juden. Das sei kein Bürger¬
krieg, sondern die Auseinandersetzung eines Volkes
mit feinen Parasiten.
Die letzte Frage des Reuterkorrespondenten lautete:
„Glauben Sie persönlich an di« Möglichkeit besserer
Beziehungen zwischen Deutschland und Großbritannien?"
Reichsminister Dr. Goebbels versicherte: „Ja, das
glaube ich und wünsche ich. Dafür müssen aber be¬
stimmte Voraussetzungen geschaffen werden. Wichtiger
noch als di« politischen sind die Voraussetzungen psy¬
chologischer Art. England muß sich ein für allemal
darüber klar sein, daß wir ein gleichberechtigter Part¬
ner sind, nicht mehr die Nation vom November 1918.
Wenn aber die Welt weiter in der Mentalität von
Eompiögn« und Derfailles lebt, kann eS kxine guten
Beziehungen geben weder mit dem Volk noch vor allem
mit den verantwortlichen Führern, di« aus dem Volk
hervorg«gangen find. Deutschland ist manchmal ge¬
rate in psychologischer Hinsicht schwer verletzt worden.
Wenn das geändert würde, dann wäre damit für eine
deutsch-englische Verständigung sehr viel getan."
Frankreich zwischen rechts uns links
Zweijährige Verlängerung -er Legislaturperw-v -er Kammer?
Paris. (Luropapreß) In den Wandelgängen der
Kammer ging in der vergangenen Nacht ein sensationel¬
les Gerücht um, das sofort begeisterte Anhänger gefun¬
den hat und das sich auf die etwaige Verlängerung der
Legislaturperiode um zwei Jahre bezog.
Im Gegensatz zu der Börse, die die Finanzpläne
Paul Reynauds mit einer Hausse der französischen
Renten und Jndustriepapiere begrüßt hat, haben die
parlamentarischen Kreise aller Richtungen diese Gesetze
mit ziemlicher Zurückhaltung, wenn nicht gar feindlich
ausgenommen. Die kommunistische und sozialistische
Kammerfraktion haben am Montag Spätsitzungen abge¬
halten und Entschlüsse gefaßt, in denen die Maßnahmen
Reynauds verurteilt werden. Gleichzeitig fordern sie
die sofortige Einberufung des Parlaments.
Selbst in den Rechtskreisen haben die an und für
sich befriedigenden Verordnungen über die geschmeidigere
Gestaltung der Vierzig-Stundenwoche die schweren Be¬
denken über die Steuermaßnahmen, insbesondere über
die Erhöhung der Steuern auf Gegenstände des täg¬
lichen Bedarfs sowie die Erhöhung der Tarife der
Untergrundbahn und der Autobuslinien nicht zerstreuen
können. In parlamentarischen Kreisen unterhielt man
sich daher in her vergangenen Nacht sehr eifrig über
die Frage, wann das Parlament wieder zusammen¬
treten werde, um über die Lage zu beraten. Im all¬
gemeinen wurde der 6. Dezember als der wahrscheinliche
Tag des Wiederzusammentritts von Senat und Kam¬
mer genannt
Immerhin glaubt man nicht, daß die Regierung Da-
lädier, trotzdem die Kommunisten und Sozialisten in die
offene Opposition gegangen sind, einer unmittelbaren
Gefahr ausgesetzt ist, da wahrscheinlich die Rechtspar¬
teien vorläufig für die Regierung eintreten werden.
Die Gerüchte um die Verlängerung der Legislatur¬
periode um zwei Jahre sind deswegen entstanden, weil
Paul Reynaud seinen Plan einen Dreijahres plan ge¬
nannt und zu verstehen gegeben hat, daß während dieser
Zeit nach Möglichkeit kein Regierungswechsel ftattfinten
dürfe, damit der Plan sich voll entwickeln und den
Wiederaufstieg ter ftanzösischen Wirtschaft sichern könne.
Im Jahre 1940 finden aber die allgemeinen Kammer¬
wahlen statt, die von jeher ein Hindernis für den unge¬
störten Fortgang eines Wirtschaftsplanes waren. Aus
diesem Grunde ist ter Gedanke aufgetaucht, die gegen¬
wärtige Kammer, zwei weitere Jahre tagen zu lassen.
Ein derartiger Gedanke hat auf ter Rechten Anhän¬
ger, die befürchtet, daß die Steuererhöhungen den feit
einigen Monaten zu beobachtenden Strom von links nach
rechts wieder zu Gunsten ter Linksextremisten zurück¬
schlagen könnten. Man befürchtet insbesondere, daß für
die Kommunisten und die Sozialisten der innenpolitisch
sicherlich wenig populäre Plan die beste Wahlpropaganda
sein würde. Die bisherige Rechtsopposition, die seit ei¬
nigen Monaten Daladier unterstützt hat und auch wei¬
ter unterstützen will, beabsichtigt nun die Verlängerung
der Legislaturperiode zu fordern, in ter Hoffnung,
wenn der Plan Reynauds gelingt, in drei Jahren die
Frücht« ihrer Treue ernten zu können. Man weiß je¬
doch nicht, wie die Regierung und der Senat zu einer
Verlängerung des Kammermandats sich stellen werden.
Es mutet eigenartig an und beleuchtet erneut den
ewigen Wechsel im parlamentarischen Spiel in Frank¬
reich, daß die Rechte, die noch vor kurzem sofortige Neu-
wählen gefordert hat, nun eine Verlängerung des ge¬
genwärtigen parlamentarischen Zustandes wünscht, wäh¬
rend die Linke vielleicht schon in kürzester Zeit das
Schlagwort der Neuwahlen ausgreifen und ihre Pro¬
paganda im Lande int Hinblick auf die Finanzpläne
Reynauds verstärken wird.
Deutsche Schulen ju-enfrei
dnb Berlin. Nach ter ruchlosen Mordtat von
Paris kann es keinem deutschen Lehrer und keiner deut¬
schen Lehrerin mehr zugemutel werden, an jüdische
Schulkinder Unterricht zu erteilen. Auch versteht es sich
von selbst, daß es für deutsche Schüler und Schülerin¬
nen unerträglich ist, mit Duden in einem «lassenraum
zu sitzen.
Die Rassentrennung im Schulwesen ist zwar in den
letzten Jahren im allgemeinen bereits durchgeführt, doch
ist ein Restbestand jüdischer Schüler auf den deutschen
Schulen übrig geblieben, dem der gemeinsame Schul¬
besuch mit deutschen Jungen und Mädeln nunmehr nicht
weiter gestattet werden kann.
Vorbehaltlich weiterer gesetzlicher Regelung hat da¬
her Reichserziehungsminister Rust mit sofortiger Wir¬
kung folgende Anordnung erlassen:
1. Juden ist der Besuch deutscher Schulen nicht ge¬
stattet. Sie dürfen nur jüdische Schulen besuchen. So¬
weit es noch nicht geschehen sein sollte, sind alle zur
Zeit eine deutsche Schule besuchenden jüdischen Schüler
und Schülerinnen sofort zu entlassen.
2. Wer jüdisch ist, bestimmt § 5 ter Ersten Ver¬
ordnung vom 14. 11. 1933 zum Reichsbürgergesetz
(RGBl. I S. 1333).
3. Diese Regelung erstreckt sich auf alle mir unter¬
stellten Schulen einschließlich der Pflichtschulen.
Dee Dank -es Führers
Prag soll zahlen
Slowaken for-een 20 Mtlliar-en Tschechenkronen Entschä-igung
dnb Prag. Die Beratungen des Ministerrates wer¬
den eifrig fortgesetzt. Neuerdings gestaltet sich das slo¬
wakische Problem schwierig. Die Slowaken haben ge«
gewisse Forderungen finanzieller und staatsrechtlicher
Natur gestellt. So verlangen sie eine Entschädigung
von 20 Milliarden Tschechenkronen für die Nachteile, die
der Slowakei durch die 20 Jahre lange Verweigerung
der Autonomie erwachsen sind. Für die Lösung dieser
Frage ist vorläufig ein Ausschuß eingesetzt worden. Wie
verlautet, sollen auch die Tschechen gewisse finanzielle
Forderungen stellen. Was die staatsrechtliche Seite der
slowakischen Frage betrifft, so hat man den Autono¬
mieantrag Hlinkas in dem Prager Parlament und die
Silleiner Beschlüsse zur Grundlage der Verhandlungen
genommen. Die Slowaken fordern, daß die Staats¬
sprache nur slowakisch sei. Weiter sollen in den Aern-
tern in der Slowakei nur Slowaken verwendet wer¬
den. Eine weitere Forderung ist die, daß die Wehr¬
pflichtigen, die in der Slowakei ausgehoben werden.
ebenfalls nut in der Slowakei dienen sollen. Verlangt
wird ferner von feiten der Slowaken, daß nur diejeni¬
gen im Prager Zentralparlament beschlossenen Gesetze
für die Slowakei Gültigkeit haben, für die die Mehr¬
heit der slowakischen Nation gestimmt hat. Die slo¬
wakische Regierung soll künftighin von der Zentral¬
regierung auf Antrag des slowakischen Landtages er¬
nannt werden.
Mit der Präsidentenfrage, insbesondere mit der Per¬
son des Präsidentschaftskandidaten, haben sich die Par¬
teibesprechungen vom Montag nicht beschäftigt. Es liegt
auch noch keine wie immer geartete bindende Verein¬
barung in dieser Richtung vor. Eine endgültige Ent¬
scheidung wird hier erst dann getroffen werden, wenn
der slowakische Gesetzesantrag erledigt ist. Infolgedessen
wird es auch zur Wahl des Präsidenten erst nach der
Verabschiedung dieser Vorlage kommen. Das ist wohl
im Laufe der kommenden Woche.
DNB Berlin. Der Führer und Reichskanzler, als
Schirmherr des Deutschen Roten Kreuzes, hat den
französischen Aerzt«n Prof. Dr. Baumgartner
und Dr. Paul als Zeichen seines Dankes für ihre
von großer menschlicher Teilnahme erfüllten Bemühun¬
gen um den durch Meuchelmord tödlich verletzten Ge¬
sandtschaftsrat vom Rath die Erste Klass« des Ehren¬
zeichens des Deutschen Roten Kreuzes verliehen. Di«
Ueberreichung der Auszeichnungen erfolgte durch den
deutschen Botschafter in Paris.
Minister Pirow kommt nach Berlin
DNB. Berlin. Der südafrikanische Wehr- und
Wirtschaftsminister Oswald Pirow wird am 17. Novem¬
ber um 14.09 Uhr am Bahnhof Eharlottenburg zu einem
mehrtägigen Besuch in der Reichshauptstadt eintreffen.
Der Führer wird den südafrikanischen Staatsmann
empfangen. Ferner find Empfänge vorgesehen bei Ge¬
neralfeldmarschall Göring, beim Reichsminister des
Auswärtigen von Ribbentrop, beim Reichswirtschafts¬
minister Funk sowie beim Ehef des Oberkommandos
der Wehrmacht, Generaloberst Keitel. Der südafrika¬
nische Gesandte und die Deutsch-Südafrikanische Gesell¬
schaft haben zu Ehren des Ministers gesellschaftliche Ver¬
anstaltungen geplant. Außerdem wird ein Jagdausflug
in die Schorfheide stattfinden.
Flugzeugunglück in Solland
EP. Amsterdam. Gestern abend gegen 7 Uhr ist bas
fahrplanmäßige Flugzeug ter Linie Berlin—Amsterdam,
die amerikanische Douglas E 5 Maschine ter KLM
(Koninklijke Luchtoaart Mtj.), Jjsvogel Pahar, zwischen
Amsterdam und dem Amsterdamer Flughafen Schiphol
im Rieter-Polter abgestürzt. Das Flugzeug hatte 14
Fluggäste und vier Mann Besatzung an Bord. Bisher
wurden fünf Tote geborgen. Unter den Toten befinden
sich auch ter zweite Flugzeugführer, ter Funker und
ter Mechaniker. Der Flugzeugführer wurde schwer oer-
letzt. Bon den beiden ums Leben gekommenen Fahr¬
gästen wird noch einer vermißt. Elf Fahrgäste wurden
zum Teil schwer verletzt. Von den 14 Fahrgästen hat¬
ten nur vier als Reiseziel Amsterdam angegeben, die
übrigen wollten mit Anschlußmaschinen weiterfliegen.
Laut Angaben der Luftfahrtgesellschaft KLM befinden
sich unter den Fahrgästen acht Personen deutscher, vier
englischer und zwei tschechischer Staatsangehörigkeit.
Durch den ungeheuren Anprall wurde das Flugzeug völ¬
lig zerstört.
Eine geheimnisvolle Explosion
15 Verletzte bei den Marseiller Begräbnisfeiern
DJtB. Paris. Bei den Begräbnisfeierlichkeilen
für die Opfer des Marseiller Brandunglückes kam es
zu zwei aufregenden Zwischenfällen, die nach den bis¬
herigen Angaben mindestens 15 Verletzte gefordert
haben.
Bei dem ersten Zwischenfall, dessen Einzelheiten noch
nicht ganz geklärt zu sein scheinen, soll es sich um eine
Explosion gehandelt haben, bei der insgesamt drei Per¬
sonen verletzt wurden. Ein Verletzter muhte ins Kran¬
kenhaus geschafft werden. Wie verlautet, sind die Ge¬
rätschaften eines Pressephotographen in Brand geraten
und explodiert. Die Massen ergriffen unter furchtbarem
Geschrei die Flucht, so daß der Ordnungsdienst einschrei»
ten mußte, um ein größeres Unglück zu verhüten.
Der zweite Zwischenfall ereignete sich nach einem
Bericht des Paris Soir zum Schluß der Trauerfeier.
Ein für den Absperrdienst eingesetzter Senegal-Schütze
wurde plötzlich irrsinnig, skurzte sich auf die Zuschauer
und schlug auf sie mit dem Gewehrkolben ein. Es
brach eine Panik aus, bei der zahlreiche Personen zu
Fall tarnen und mehr oder weniger ernste Verletzungen
erlitten. Insgesamt sollen bei diesem zweiten Zwischen¬
fall zwölf Verletzte in die Krankenhäuser gebracht wor¬
den sein, darunter eine Frau, die einen Beinbruch erlitt.
Einer weiteren Anzahl Leichtverletzter wurde in den um¬
liegenden Apotheken die erste Hilfe zuteil.
Gnglan- vor Neuwahlen?
EP. London. Die notwendigen Beschlüsse zur Ab¬
haltung von Gesamtwahlen im Februar 1939 sollen,
wie der meist gut unterrichtete Londoner Korrespon¬
dent des „Manchester Guardian" wissen will, gefaßt
worden fein. Das Blatt wiederholt die Meldungen und
Gerüchte, die in den letzten Tagen bekannt geworden
waren. So hatte am Sonntagabend der Arteiterabge¬
ordnete S. S. Sikverman in einer Rede in Nelson fest¬
gestellt, England würde noch vor der Veröffentlichung
des nächsten Staatshaushaltes zur Wahlurne schreiten.
Vormarsch am G-robogen geht weiter
dnb Bilbao. Der nationale Heeresbericht gibt be¬
kannt, daß der Vormarsch der nationalen Truppen am
Ebrobogen weiter andauert. Die Ortschaft Fatarella
wurde besetzt. Gleichzeitig konnten rote Positionen im
Fatarella-Gebirge erobert merken.
Auf dem linken Flügel beherrschen die nationalen
Truppen bas gesamte Gebiet von der Mündung des Ma-
tarrana-Flusses in den Ebro bis in die Nähe von Ri-
barroja. Auch auf dem rechten Flügel konnte der
Vormarsch fortgesetzt werden, der stellenweise bis zu
11 Kilometer tief in das rote Gebiet führt. Der Ge¬
ländegewinn beträgt über 100 Quadratkilometer, dar¬
unter befinden sich 10 Kilometer der Eisenbahn Zarra-
gosia—Barcelona.
Die Waffenbeute ist recht beträchtlich. In die Hand
ter nationalen Truppen fielen 1263 Gewehre, 27 Ma¬
schinengewehre, mehrere Mörser und Munitionsdepots.
Es konnten wieder 190 Gefangene gemacht werden. An
der Segre-Front flog ein sowjetrufstscher Tank in die
Luft, zwei rote Jagdflugzeuge wurden abgeschossen.
Englisch-italienisches Abkommen tritt Mittwoch In
fitaft Wie Premierminister Chamberlain auf Anfrage
im Parlament mitteilte, wird bas englisch-italienische
Abkommen am 16. November in Kraft gesetzt werden.
Peter (Oendts berQhmteFrnu
Ein Roman von Künstlertum und Ehe
14) Von Else J ung-Linde mann
Urheber-Reditssdiutz: Drei QgeltenWerlaR, Königsbrück <Bez. Dresden)
Mit jedem Tag fühlte sie sich dort sicherer und hei¬
mischer. Der Verkehr in ten Straßen und auf den
Plätzen, der sie anfänglich geängstigt hatte, machte ihr
bald keine Schwierigkeiten mehr. Die Stoßgebete, die
sie in den ersten Tagen jedesmal losließ, ehe sie es
wagte, über eine Straßenkreuzung zu gehen, wurden
immer kürzer. Schließlich bedurfte sie ihrer überhaupt
nicht mehr. Tante Carla aus Pommern hatte sich in
überraschend kurzer Zeit und mit der ihr eigenen Ener¬
gie in eine, gewitzte Großstädterin verwandelt. Sie
sperrte Ohren und Augen auf-Hmd machte es den an¬
deren nach. Wenn alle Stränge reißen wollten, packte
sie sich einen Schutzmann, und die freundlichen Münch¬
ner Verkehrspolizisten geleiteten die alte Dame
schmunzelnd durch die Klippen und Hindemisie des
brodelnden Strahenstroms.
Tante Carla vergaß in dieser fröhlichen, geschäftigen
Stadt beinahe, daß sie eine Aufgabe übernommen
hatte. Sie war eifrige Besucherin der Galerien und
Museen, und das Schwelgen in ihrer geliebten Kunst,
der sie auf Schritt und Tritt begegnete, machte sie
trunken.
Endlich riß sie sich los vom Zauber dieser Stadt,
und als die patinagrünen Türme der Frauenkirche !m
Dunst des Morgennebels verschwanden, stand Tante
Carla am Fenster ihres Abteils und war versucht, ihr
großes Taschentuch zu ziehen und der lieben Münchner¬
stadt einen Abschiedsgruß zuzuwinken.
Im Hotel „Drei Mohren" gab es einen erregten
Wortwechsel mit dem Portier, als Tante • Carla ein
Zimmer in der Nähe der Schauspielerin Gina Holl ha¬
ben wollte.
„Die Dame wohnt nicht bei uns", erklärte der Be¬
treßte.
„Na nu? Ich weiß aber bestimmt, daß sie hier ab»
steigen wollte." Die Feder auf Tante Carlas Hut wippte
empört.
„Gewiß, gnä’ Frau . . ."
„Ich bin keine Frau! Schalk ist mein Name, Fräu¬
lein Carla Schalk auf Damerau, Kreis Demmin in
Pommern!" grollte Tante Carla.
Der Portier nahm es zur Kenntnis.
„Darf ich dem gnädigen Fräulein ein Zimmer an-
weisen?"
„Danke, ich will dort wohnen, wo Fräulein Holl
wohnt."
Der Betreßte verneigte sich. „Moment bitte, ich
werde es festzustellen versuchen. Vielleicht nimmt die
Same derweil in dem Sessel dort Platz?"
Tante Carla setzte sich und wartet«. Kurze Zeit
später hatte sie Gina Holls Adresse.
Am Baberfe« wohnte sie? Tante Carla hatte keine
Ahnung, wo der Boberfee lag. War ja auch egal. Sie
würde schon auf irgendeine Weise hinkommen.
Und sie kam hin. Am Abend hatte sie ihr Zimmer
im Hotel Badersee bezogen, packte ihre Koffer aus, und
nun erst fand sie Muße, vom Fenster aus das Idyll
zu bestaunen, in das sie ein freundliches Geschick und
vor allem Peter Wendts verliebte Laune hineingesetzt
hatten.
„Da wären wir nun!" sagte Tante Carla zu sich
selbst. „Schön ist's hier. Herrgott nochmal, daß es so
viel Schönheit auf einem Fleck gibt!"
Die alte Dame schluckte ein wenig, weil es ihr heiß
in die Augen flieg. Daß ich altes Mädchen das noch er¬
leben darf, dachte sie und faltete andächtig die Hände.
Unten gingen Schritte über di« Terrasse, Stimmen
klangen herauf. Die Worte konnte man nicht verstehen,
aber der weiche, warme Klang ter Frauenstimme, die
jetzt sprach, streichelte Tante Carlas Ohr.
Sie beugte sich vor und schaute hinunter.
Ein Mann und eine Frau standen an der Brüstung
und sahen über das Wasser, auf dem schon die Schatten
des Abends lagen, dunkel und geheimnisvoll. Der
Wald dahinter war blauschwarz.
Jetzt wandte die Frau den Kops, und Tante Carla
wußte: Das ist sie. Schau an, nicht allein ... na Pe-
terchen, gut, daß du das nicht ahnst.
Eine schöne Frau, diese Gina Holl. Tante Carlas
Künstleraugen tranken sich satt an dem Bill», bas_ sie
sahen. •*<
Gina Holls schlanker, hochgewachsener Körper über¬
ragte die Gestalt ihres Begleiters um ein wenig«. Ein
langes, dunkelbraunes Seibencape lag über ihren
Schultern, darüber erhob sich der schmale Kopf, der un¬
bedeckt war.
Jetzt lachte Gina. Das dunkle, warme Lachen lau¬
tete wie eine Glocke durch die Stille des Abends.
Das war Carla Schalks erst« Begegnung mit Gina
Holl, die noch nichts von dem neuen Gast wußte. Am
gleichen Abend telegraphierte Tante Carla an ihren
Neffen: „Herzas Hotel Badersee gefunden. Habe so¬
eben Standquartier ebendort bezogen."
Ueber die Ausgabe für das Telegramm schimpfte
Tante Carla gewaltig. Ader was nützt« das? Peter
hatte es so gewollt, und Bargeld hatte er ihr in ausrei¬
chender Menge mitgegeben.
So kam es, daß Peter Wendt in den Besitz von Gi¬
nas neuer Anschrift kam.
♦
Was Tante Carla erfahren wollte, das erfuhr sie.
Dr. Klaus Wenzel hieß ter junge Mann, der immer
in Gina Holls Begleitung zu sehen war. Aus Berlin
kam er, und im Interesse Peter Wendts war das auf¬
regend und ärgerlich.
Jetzt war nur noch herauszubekommen, in welchem
Verhältnis die beiden zueinander standen.
Da hatte nun Tante Carla immer behauptet, sie
besäße nicht das Zeug dazu, Detektiv zu spielen! Nun
durch Spezialisten
•m Schuhhaus Günther
•telnweg 16 11605
sie sich einmal in diese Sache eingelassen hatte, ent¬
deckte sie Talente, über die sie sich selbst am meisten
wunderte.
Sie stand sehr zeitig auf, verschwand mit ihrem
Malkasten und der Staffelet im Wald und hatte gut
drei Stunden ungestörte Muh« zu ihrer Arbeit. An
Motiven fehlte es nicht, auch wenn man sich ganz in
der Nähe des Hotels aufhielt. Vom anderen Ufer aus,
wo sie hinter Baumstämmen versteckt einen Winkel des
Badersees malte, konnte sie die Hotelterrasse gut über¬
sehen.
Gegen 9 Uhr erschien Gina Holl und frühstückte auf
der Terrasse. Die Maien tage waren schön, wurden ge¬
gen Mittag zu sogar schon recht warm. Eine Schlecht¬
wetterlage war vorläufig nicht zu befürchten.
Tante Carla nützte Sonne und blauen Himmel aus
unb begeisterte sich an dem frischen Grün des jungen
Laubes unb dem saftigen Smaragd ter Wiesen, ohne
ihren Auftrag zu vergessen. - i
Drei Tage war sie nun am Badersee, jetzt wurde
es langsam Zeit, sich etwas näher an Gina Holl heran-
zupirschen. Die gute alte Dame, die doch sonst nicht auf
den Kopf gefallen war, begann die Verpflichtung, die
sie übernommen hatte, leise zu verfluchen.
Der junge Mann, dieser Dr. Wenzel aus Berlin,
störte sie
Daß er auch immer mitrennen mußte! Was wollte
er von der Schauspielerin?
Die Beziehungen waren durchaus ehrbare, bas jcch
man, unb weil sie es waren, hatte Tante Carla es auch
nicht für nötig befunden, Peter in Alarmzustand zu
versetzen. Ader sie hatte noch immer nicht Gelegenheit
gehabt, Gina Holl auf Herz und Nieren zu prüfen. Sie
sah bis jetzt nur eine wirklich schöne, sehr geschmackvoll
und niemals auffällig gekleidete Frau, die ganz Dame
war, und ter das helle Dirndlgewand mit Schürze unb
kurzem Wolljäckchen ebenso gut stand wie die rnodischen
Kleider, die sie am Nachmittag trug.
Aber das genügte nicht. Wie kam man, ohne sich
verdächtig zu machen, an sie heran?
Am Abend jenes Tages, da Gina Peter Wendts
Brief erhalten hatte, sah Carla die Schauspielerin allein
das Hotel verlassen. Auf der Terrasse saßen noch einige
Gäste, die mit dem Auto von Garmisch gekommen wa¬
ren, unb als Tante Carla durch den Borraum des Ho¬
tels ging, sah sie Dr. Wenzel beim Portier stehen. Er
erkundigte sich nach ten Abfahrtszeiten der Schwebe¬
bahn zum Kreuzeckhaus hinauf.
Aha, da gab’s also einen Ausflug, und daß Dr.
Wenzel ihn Michi allein unternehmen würde, war vor¬
auszusehen.
Wann also?
Die alte Dame spitzte im Vorübergehen die Ohren
und fing die Worte des Portiers auf: „Die Bahn ver¬
kehrt halbstündlich von 8 Uhr bis 18 Uhr, Herr Doktor.
Wünschen die Herrschaften ein Auto zur Talstation?"
„3a, besorgen Sie es mir bitte zu morgen vormit¬
tag 10 Uhr."
Na, nun wußte man ja Bescheid. Als der junge
Arzt gegangen war, trat Tante Carla an den Portier
heran.
(Fortsetzung folgt.)
Verlag: Verlag Fuldaer Zeitung ®. m. b. H.
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permann. Verantwortlich für Politik und Wirtschaft:
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