Full text: Fuldaer Zeitung (1938)

Amtliches Kreisblakt 
Fuldaer Zeitung Nr. 278 
nennte, was die geschaffen haben, die auch Solin er¬ 
bauten und es benannten nach Köln am Rhein. 
Und Prag! 
Mütterchen wird diese Stadt von den Tschechen ge¬ 
heißen. Die Deutschen aber schenkten ihr eine Liebe, wie 
sie tief und schmerzensreich nur einem Kinde gegeben 
wird. Denn deutsche Arbeit legte die Steine zum Grunde 
der Stadt, aus deutschem Fleiß wuchs sie empor, und 
deutsch begrüßten noch ihre Bürger König Johanns Ein¬ 
zug und deutsch die Gattin, die sich der vierte Karl aus 
Frankreich holte. Die deutschen Türme von Teyn lesen 
die unvergängliche Handschrift des deutschen Bruders in 
den Steinen der Kirche von Sankt Nikolas jenseits der 
deutschen Brücke, und der Turm des Domes auf dem 
Burgberg schreibt zugleich mit dem Namen eines Bau¬ 
meisters aus Schwaben eine ewige Wahrheit in den 
Himmel über diese Stadt. Die Säule des Rolands ver¬ 
kündet, welches Recht in diesen Mauern herrschte, wo 
Reinmar von Zweier nach dem Vogelweider die besten 
Sprüche schrieb und Ullrich von Eschenbach seine großen 
Epen dichtete, und wo von den Kanzleien der Luxem¬ 
burger jene Sprache ausging, die über Kursachsen dann 
zu Martin Luthern auf die Wartburg fand. 
Und es bleibt immer ihr deutsches Prag, durch alle 
Jahrhunderte nachher, auch wenn fie Gut und Leben für 
diese Liebe lassen müssen. Denn Prag ist auch Haß. 
Am furchtbarsten ist der Haß, wenn er aus maßloser 
Liebe entspringt, die nicht teilen will und sich nicht be¬ 
scheiden kann. Die Tschechen wollten ihr Mütterchen für 
sich allein und kämpften ebenso tapfer dafür und setzten 
Blut ein, wie die Deutschen für ihr Kind. 
So ist Not und Tod und Elend int goldenen Prag. 
Aber immer, wenn die Deutschen schon selbst an ihr 
Ende glauben wollen, und wenn schon ihre Letzten ge¬ 
beugt durch die Straßen und über das vergossene Blut 
gehen wie über einen Friedhof und durch die Reihen 
von Gräbern bann wird Prag ein Wunder. 
Denn wenn im weiten böhmischen Land die schwer¬ 
mütigen Lieder eingeschlafen find, wenn die Linden sttll 
wurden und das Korn ruht, und wenn auch unter den 
hundert Türmen das Leben endlich schweigt, dann wa¬ 
chen die Steine und Mauern auf und reden mit deut¬ 
schem Munde in Prag. Und unter ihren Zaubersprüchen 
und Formeln steht immer wieder das deutsche Leben 
auf, denn das Leben in Liebe ist wie die Liebe selbst 
und hört nimmer auf. 
Ocdüdeewjayd 
tczäMiutq m/H Tcawz Diedrich Oiediaaser' 
und Melnik, Pribram und Schlan und Taus und Tscha- 
slau und Schüttenhofen und Pilsen und Prohnitz und 
Brünn und Bielitz und Teschen und die vielen anderen 
alle, — — es gibt keinen Atem, der in einem Zuge 
Zwei scharfe javanische Dolche, ein verläßliches Beil, 
fingerdickes Kletterseil, das aus den geschmeidigen Fa¬ 
sern der Attoppalme geflochten wird, und ein tom- 
genaues Gewehr nimmt Kulen mit, der Mann, der auf 
die Jagd nach Orchideen geht. 
Dann schreiten die beiden Zebuochsen langsam auf 
der rötlichen Erde dahin. Sie ziehen den schwerräderi- 
gen Karren, dessen Dach aus den Blättern von Tijpanas 
genäht ist. Eine Weile war im Bungalow überlegt 
worden, ob ein Auslegerboot nicht vorteilhafter sei; da¬ 
mit könne man die seichten, ruhigen Gewässer des Aar 
Mvesi aufsuchen, um in die Gegend von Palembang zu 
kommen. Aber die Krokodile sind unruhig geworden; 
sie haben Junge, und da ist es nicht ratsam, über die 
Wasser zu gleiten. In dieser Gegend haben die Alliga¬ 
toren Jan Borgelijer zu fassen bekommen, obwohl das 
Wasser so ruhig wie Oel lag. Eine von den königlichen 
Blumen lockte von einer Palme. Sie war nicht leicht zu 
wirft die Arme hoch. Dann reißt er das Tuch über das 
Gesicht. Er zicht eine Pfeife, so etwas wie eine Wasser¬ 
pfeife aus dem Sack und bläst hinein. Eine feine Staub¬ 
wolke zerstreut sich rasch. Es riecht stark und sonderbar. 
„Aus die Erde!" hören wir die Stimme Kulens. 
„Tücher um Gesicht und Pulse!" Jetzt erst erkenne ich 
die Gefahr: einen mächtigen Schwarm Dschungelwespen, 
riesenhafte Tiere, deren Stachel gefährlich ist. Aber die 
durchdringend riechende Wolke aus der Pfeife des Jä¬ 
gers treibt die Wespen in die Flucht. Auch der Rauch 
der Tabakpfeifen ist ihnen nicht angenehm. Deuttich 
sichtbar umkreisen sie uns noch wie eine Staffel Kampf¬ 
flieger, ziehen ihre Kreise immer weiter, und schließlich 
summen sie über uns hinweg und verschwinden im Ge¬ 
flecht der dichten Bananen. 
„Die Gefahr ist noch nicht ganz vorbei", sagt Kulen. 
„Es ist möglich, daß einige zurückkommen. Seien Sie 
vorsichtig!" 
Langsam stehen wir wieder auf. Der Sumpf klebt 
an unseren Kleidern. Der Urwald beginnt ein anderes, 
böses und drohendes Gesicht zu zeigen. Die märchen¬ 
hafte Sttlle wandelt sich. Ein leises Gefühl der Un¬ 
sicherheit packt uns. 
Die Orchidee ist aus unserer Sicht verschwunden. Wir 
suchen und suchen, können sie nicht entdecken. Kulen 
schüttelt den Kopf. „Unsinn", sagt er, „fie tarnt sich. 
Es muß der Baum fein, der dort vor uns steht!" 
Wir schreiten weiter. Endlich haben wir den hohen 
Daum erreicht. Nichts zu sehen. Hoch oben entdecken 
wir das Blattgewirr. Wie grüne, leuchtende Girlanden 
Zieht es sich weiter zum nächsten Stamm. Langsam be¬ 
ginnt Kulen, den Stamm hinaufzusteigen. Die Java- 
nesen bleiben unten, bereit, auf jeden Anruf einzusprin- 
gen. Wir Nettem langsam nach. Lange Lianen hän¬ 
gen herab, armdicke Pflanzen fallen neben uns zur Erde 
nieder. Immer höher Nettem wir. 
Plötzlich bricht durch die Sttlle ein verhaltener 
Schrei. Wir blicken erschrocken empor. Da vor uns, 
neben Kulen schwingt sich eine grünhäutige Schlange: 
ihr Schädel hat sich etwas erhoben, pendelt langsam hin 
und her, als wolle er sich erst richtig zum Angriff ein¬ 
schwingen. Das Gewehr! denke ich, aber schon hat^Ku- 
lens dexhe Hand nach dem Hals der Schlange gegriffen 
und die Linke hebt den scharfen Dolch 
Da entgleitet ihm die Schlange. Ein leises, aber 
deutlich hörbares Zischen, ein tütendes Emporschnellen, 
— niemals mehr wird die Schlange zu fassen bekom¬ 
men: immer rasender schwingt fie sich hin und her. 
Neben mir zischt ein Schuß vorbei. Er schlägt dun- 
kel und kurztönend auf dem Schädel der schwingenden 
Schlange ein. Der Schädel prallt zurück und bleibt eine 
Sekunde lang regungslos hängen. Diese Sekunde ge¬ 
nügt Kulen, noch einmal nach dem Hals der Schlange 
zu greifen. Ein vafcher, sicherer Schnitt mit dem Dolch 
— der Schädel Noppt zurück. Müde und erschöpft nach 
dem Abenteuer kehren wir zur Erde zurück. Noch ein¬ 
mal prüfen wir den Baum, suchen jedes Blatt ab. 
* 
Einige Stunden später unternahmen wir einen neuen 
Angriff, und diesmal gelang er, — ohne Gewehr, ohne 
Dolchmesser, ohne Beil. Kein Feind, der sich uns in den 
Weg stellte. Nur das ©eil trat in Arbeit. 
Es begann dunkel zu werden. Das Orchester der 
Infekten erhob sich laut und lärmend, als wir die Kö- 
niginblume erreichten und sorgfältig samt der Wurzel 
aus den Pilzen heraushoben. Nur eine, eine wunder¬ 
volle, getupfte Wüte, eine Inderin. 
Der Karren rollte wieder zurück. Hinter uns ver¬ 
sank der Berg in seinem roten Zaubermantel. Schwei¬ 
gend verlor sich das Walddickicht in der heraufkommen¬ 
den Nacht. 
erreichen. Als sich Borgemijer daran machte, die Blüte 
zu faffen, zog sie sich in das Lianengebüsch zurück, und 
qus dem Sumpf stiegen und schoben sich die breiten 
Mäuler der Bestien. Die Orchidee war unter dem Blät¬ 
terrauch verschwunden, aber die Krokodile bekamen den 
Spticfutöctec un, fädd wml 0. Q. Soecstec 
Säger zu fassen. 
Ein weißes Wolkenspiel stand hinter einem schwach 
rauchenden Berg. Einige Stunden lang sind wir ge¬ 
fahren, immer auf der rötlichen Straße dahin, unterge¬ 
taucht im müden Schatten lauer Dschungelwälder, und 
wieder an verwunschenen Teichen und stillen Weihern 
vorbei. Die Nippenpalmen griffen mit ihren dünnen 
Blättern in die laue Luft, Täler öffneten sich. 3mm#r 
einsamer wurde es, kein Mensch mehr zu sehen, keine 
Eingeborenenhütte, kein Ton, kein Lied, kein Glocken- 
schlag eines Gamelanspieles. 
Plötzlich stand ein Berg vor uns. Er trug einen 
leuchtenden, roten Mantel. Ein kleiner, blauer See lag 
vor ihm, in dem er sich phantastisch spiegelte. Einer der 
javanischen Diener übte das Zeichen einer Verehrung. 
Es ist der Charakter der Deutschen, daß fie über 
allem schwer werden, daß alles über ihnen schwer wird. 
Goethe. 
Hier an diesem blauen See treffen sich die Seelen, um 
in dem geheiligten Wasser gereinigt zu werden, bevor 
sie in das „sukovati" treten, in die Seligkeit. Sie tun 
es hier in der Einsamkeit, und niemand schaut ihnen zu. 
,Zetzt fängt es an, gefährlich zu werden," sagte Ru¬ 
fen. Er nahm seinen Feldstecher zur Hand und setzte 
ihn an die Augen. Zwei Diener wurden nach vorn ge¬ 
schickt, die Sicherheit des Weges zu erkunden. Was 
soll es hier schon für eine Gefahr geben, dachte man im 
stillen. 
Nach zwei weiteren Stunden hält Meffter Kufen an: 
er hat eine Entdeckung gemacht. Mit einer leichten 
Handbewegung weist er auf eine Palme. Ganz oben, 
dort, wo eine Menge Blättergewächs verwirrend den 
Stamm umgibt, blinkt etwas auf. Leichte, dünne, rasche 
Blitze, wie Libellen, zittern durch die sonnige Luft. Kulen 
reicht uns das Glas. Er stellt es ein: wir sahen nichts. 
Er nickte. „Eine Stanhopea marttana! Gefleckt wie 
ein Tiger. Und ringsherum Waffertropfen, die funkeln." 
Wortlos und schweigsam führt uns Kufen durch das 
Dickicht. Das Bell wird geschwungen. Laut und schan- 
tastisch tönen die Schläge auf. Dunkel kommt ein Echo 
zurück. Ein Gesumm steigt an, wird immer heftiger, 
kommt aus der Ferne herein, verschwindet wieder. Je 
näher wir kommen, um so undeutlicher wird es Bald 
glauben wir, in die Nähe des Baumes gekommen zu 
fein. Aber die Sicht täuscht: es ist ein anderer Baum. 
Mühsam geht es weiter. Wir setzen über einen sunrpsi- 
gen Grund, die Beine finken ein, werden schwer heraus¬ 
gezogen. Dos Gesumme wird stärker. 
Plötzlich macht Kulen eine heftige Bewegung. Er 
Als wir in die Quarta kamen, zwölfjährige Jungen 
an der Schwelle des Flegelalters, da geschah es zur 
selben Zeit, daß Professor Rothe zum Oberschulrat be¬ 
fördert und damit auch zum Revisor unserer Schule 
wurde. Alsbald wurde das allbekannte Steckenpferd 
des neuen Herrn auch in unserer Schule geritten. Wir 
merkten es daran, daß unser Deutschlehrer Professor 
Petronis plötzlich den „Sprichwort-Fimmel" bekam. 
Es war wirklich merkwürdig auffällig: In jeder 
Deutschstunde begann er feinen Unterricht mit etlichen 
Sprichwörtern, die er ausführlich deutete und nach un¬ 
zähligen Möglichkeiten erörterte. Wir wußten bald 
mehr Sprichwörter auswendig als der Kalendermacher, 
und wir vermochten selbst den Sinn der dunkelsten zu 
erklären. Hoffen und Harren, Morgenstunde hat Gold 
im Munde, der Krug geht solange zum Brunnen, wenn 
das Kind in den Brunnen gefallen ist — jeder von uns 
trug ein dickes Bündel solcher Sprichwortweisheit mit 
sich herum und erschreckte Eltern und Gäste mitunter 
durch überlegen in die Unterhaltung eingestreute Ka¬ 
lendersätze. Wir tarnen sämtlich in den Ruf, ungläub¬ 
ig naseweis zu sein. 
Indessen — dieser Sprichwort-Fimmel hatte seine 
Hintergründe. Unser Professor Petronius hoffte auf die 
Beförderung zum Gymnasialdirektor. Und da er wußte, 
daß der Herr Oberschulrat es mit den Sprichwörtern 
hielt, die er oft als einen kostbaren Hausschatz fürs Le¬ 
ben bezeichnete, so ließ er uns dieses Schatzes teilhaftig 
werden. 
Und bann kam die große Revision. Der Oberschul¬ 
rat erschien im schwarzen Gehrock in unserem Klassen¬ 
zimmer, begleitet vom „Direx" und von unserem in 
verständlicher Erregung ein wenig kurzatmigen Petro¬ 
nius. 
„Was wollen Sie uns vorführen, Herr Kollege?" 
fragte der Revisor leutselig. 
,,Wenn Herr Oberschulrat gestatten . . . eine Lektion 
über das Sprichwort!" 
Wir grinsten hinter vorgehaltenen Händen, der 
Schulrat aber hob, angenehm berührt, die buschigen 
Augenbrauen und rieb sich die Hände. 
„Vortrefflich, Herr Kollege, ganz vortrefflich!" lobte 
er. „Sprichwörter sind für jeden Menschen der beste 
Hausschatz fürs Leben!" 
Und dann begann die Sprichwort-Lektion. Nach 
einer geistreichen Einführung über den Sinn des mensch¬ 
lichen Lebens kam er auf die Bedeutung des Sprich¬ 
wortes zu sprechen, und dann raffelten wir unsere Sen¬ 
tenzen her, wir belegten sämtliche ethischen Forderungen 
durch Sprichwörter, wobei sowohl das Für als auch das 
Wider zur Geltung kam Wenn einer behauptete: „Erst 
wäg's, dann wag's!" — fo erhob sich flugs ein anderer 
und schmetterte: „Wer allzuviel bedenkt, wird wenig 
leisten!", und dem Wort ,Leit ist Geld" setzte ein an¬ 
derer entgegen: „Eile mit Weile!" „Nur die Lumpen 
sind bescheiden!" erklärte Fritz Bellmann und deutete 
in flüssiger Rede den Sinn dieser Weisheit. Worauf 
sich Karl Eßwein erhob und in gleichermaßen eindring¬ 
lichen Worten die Wahrheit des Wortes „Demut ziert 
in allen Dingen!" erläuterte. lieber die Wahrheit 
wußten wir die sprichwörtlichen Meinungen: ,,Mit der 
Wahrheit kommt man am weitesten" und „Kinder und 
Narren reden die Wahrheit." 
Und zu all diesen munter und ohne Stocken her¬ 
geschnarrten Lebensregeln gab Professor Petronius stets 
den versöhnlichen Ausgleich: „Die richtige Wahrheit 
liegt immer in der goldenen Mitte!" 
Der Herr Oberschulrat strahlte. Dies war eine Lek¬ 
tion nach seinem Geschmack. Und nachdem wir etwa 
hundert Sprichwörter auf diese Weise bewältigt hatten, 
unterbrach er dies philofophifche Lehrgespräch und lä¬ 
chelte Petronius mit gewinnender Freundlichkeit an. 
„Vorzüglich, Herr Kollege! Nur eine kleine Anre¬ 
gung noch! Ich habe es gern, wenn derartige Sprich- 
Wörter ab und zu auch bildlich bargeftellt werden. Sie 
prägen sich auf solche Weise dem Gedächtnis leichter ein. 
Machen wir einmal einen kleinen Versuch!" 
Er schritt zur Wandtafel und entwarf mit der Kreide 
in kühnen Strichen eine abenteuerliche Gestalt, einen 
ungeheuren Strichmann mit abscheulicher Fratze, spitzen 
Hörnern und langem Schweif. 
„Nun?" wandte er sich lächelnd an uns, „wer errät 
wohl, welches Sprichwort durch diese Zeichnung veran¬ 
schaulicht werden soll?" 
Tiefes Schweigen. 
Ich ahnte es wohl, worauf der Revisor hinaus- 
roollte. Es war eigentlich ganz klar. „Man soll den 
Teufel nicht an die Wand malen!" Dies und kein an¬ 
deres konnte es fein. 
Aber ehe ich dazu kam, mich zu melden, sprang 
schon Karl Eßwein freudestrahlend auf und schrie: 
„Narrenhände beschmieren Tisch und Wände!" 
Augenblicklich verflüchtigte sich das Lächeln in den 
Mienen des Herrn Oderfchulrats. Unser Professor und 
der Direktor rückten in peinlicher Verlegenheit an den 
Vatermördern. Wir Quartaner aber hatten große 
Mühe, unsere Heiterkeit hinter allgemeinem Räuspern 
und Husten zu verbergen. „Wir wollen nun dieses Ge¬ 
biet verlassen!" sagte der Herr Oberschulrat schließlich 
und wischte den Teufel ärgerlich von der Tafel weg. 
„Bitte zeigen Sie mir nun die Aussatzhefte, Herr Kol¬ 
lege!" 
Samskag/Sonnkag, ben 3./4. Dezember 1! 
3ü*4 'Minuten Denkspott 
Silbenrätsel 
Aus den Silben: al, ba bai, bar, bar be be hn 
cac, ter, ci, cher, da, de, de, do, brüt, '« e'i e'[ » 
er, form, frfe, ge, ge, hei, Hub, i, in, 'is, ’te 't»u 
larn, len, me, mi, nach, nas, nep, ni, ni, nie ' 0 ' 
on, per, ra, rei, rei, rei, ri, rich, rup, sau, ftr fh* 
fom, (on, ta, tee, tes, ti, tor, tra, träu, u um 
oan, zent, finb 25 Wörter zu bilben, beren'erfte' unh 
lefcte Buchstaben, von oben gelesen, einen sinnvollen 
Spruch ergeben, (ch = 1 Buchst.) 1. Gewerbebetrieb S 
kleines Vorspiel, 3. geologischer Vorgang, 4. RompöfiJ 
hon von Rob. Schumann, 5. Waffenrock, 6 Storni' 
schnabelgewächs, 7. rvsibl. Vorname, 8. Nebenwohner 
9. Perserkomg, 10. nordamerikanisches Binnenmeer ii 
©eftalt aus Wagners „Ring", 12. Grobheit, 13. o'rien. 
talifdje Religion, 14. spanischer Dichter, 15. Erkran 
kungsanzeichen, 16. Stadt an der Lahn 17. SariefZ 
Archfer, 18- Stätte des englischen Derbys, 19. begabter 
M«nfch, 20. Wirtschaftsgerät, 21. Stabt in der Rhein 
Provinz, 22. musikalisches Bühnenwert 23. Italien 
Dichter, 24. Wirtschaftsgerät, 25. Hochschullehrer. 
Diagonalrätfel 
Mit Hilfe der Buchstaben: aaaabbbbchdd 
eeeeeeegiickkkllllllmnnnnooo 
rrrrrssstuu setze man in die waagerechten 
Reihen Wörter der folgenden Bedeutung ein: 1. betamu 
ter Maler, 2. Wasserspender, 3. Kostüme, 4. Mönchs-- 
und Nonnenwohnung, 5. flaches Hausdach, 6. letzte 
Ruhestatt, 7. Tierhöhle. 
Die beiden Diagonalen, von links nach rechts ge¬ 
lesen, nennen zwei deutsche Städte. — ö ist als oe 
verwendet. 
Skat-Aufgabe 
(Farbenb,zeichnung: Kreuz, Pik, Herz, Karo) 
Nachdem die Gegenspieler paßten, nimmt Hinter¬ 
hand den Skat: Pik-Bube, Kreuz-As. Von seinem 
Blatt: Kreuz-, Herz-, Karo-Buben, Kreuz-10 Pik-Dame, 
-7, Herz-As, -König, Karo-König und -Dame drückt 
Hinterhand nun die beiden letzteren und sagt Großspiel 
an, welches jedoch verloren wird. — Vorhand hat in 
feinen Karten 35 Augen. 
Wie waren bie ersten Stiche? 
Zwiefacher Sinn 
Die schönste Frau des Altertums 
Heißt wie ’ne Insel trüben Ruhms. 
Die Frau entfachte grimmen Krieg, 
Die Insel endet Kampf und Sieg. KoK. 
AuttSsunqen aus dec Letzten 
SotuttaQSfuuwmc 
Kombinationsaufgabe 
Zweierlei laß dir gesagt fein, Willst du stets In 
Weisheit wandeln / Und von Torheit nie geplagt fein: 
Latz das Glück nie deine Herrin, / Nie das Unglück deine 
Magd fein. 
Kreuzworträtsel 
W aagerecht: 1. Saar, 4. Ehre, 7. Aosta, 9. 
Kerbe, 11. Ria, 13. Erfurt, 15. Turbine, 17. Martin, 
19. Alb, 20. Enger, 22. Annen, 23. Sarg, 24. Nuß — 
Senkrecht: 1. Sekt, 2. Aar, 3. Robert, 5. Harun, 
6. Etat, 8. Serbien, 10. Ettal, 12. Irene, 14. Finnen, 
16. urbar, 17. Mars, 18. Gras, 21. Gnu. 
was ist 's? —As— 
Suchbild 
Bild auf den Kopf stellen, dann links im Gestrüpp. 
Räffelbrief. Der Brief enthält folgende Namen: 
Eber, Wal, Dachs, Elch, Ur, Tiger, Sirene, Otto, Sau, 
Efel, Ochse, Kuh, Hund, Wiesel, Lamm, Eichhorn, Rotz, 
Iltis, Maus, Rind, Schaf, Affe, Pferd, Leu, Ziege, 
Bisam, Elen. 
/ Die Flucht" 
</ vor dem Tode 
Nach dem Tagebuch des Kriegsgefangenen Reif 
Nachdruck verboten Urheberredi!$|chufc Vertagsan|talt Manz, Mflndie 
(Schluß.) 
Ueberall hört man deutsche Laute und sieht deutsches 
Leben. 
Noch in der Nacht werde ich in einem Eisenbahner» 
haus in der Nähe des Bahnhofes als Zugbegleiter ein- 
gekleidet. Ein Uniformrock, Mantel und Mütze sind zur 
Stelle. Es ist alles sorgfältig vorbereitet. Meine Sa¬ 
chen werden in einem ledernen Handkoffer verstaut. So¬ 
gar einen falschen Paß — auf den Namen Walter Fuchs 
lautend — hat man mir verschafft. 
In strammer Eifenbahnerumform fährt der Zug¬ 
schaffner am nächsten Morgen der Freiheit entgegen. 
Um die Mittagszeit kommen wir in Mainz an. Ich 
werde nirgends belästigt Wenige Minuten später don¬ 
nert der Zug hinter Kastell über die Rheinbrücke. Nach 
langer Zeit sehe ich den deutschen Rheinstrom wieder. 
Sttll und ergriffen stehe ich am Fenster und schaue 
hinab auf die Maugrünen Fluten. 
Bei Goldstein ist die letzte Kontrolle. Der Zug hält 
eine Viertelstunde. Ich eile von Wagen zu Wagen und 
schließe die Türen. Ein Offizier geht mit zwei Mann 
von Abteil zu Abteil und verlangt das Vorzeigen der 
Pässe. Das geht mit knarrender befehlsmäßiger Stimme 
vor sich. 
Ich stehe neben dem Postwagen und warte das Zei¬ 
chen zur Weiterfahrt ab. Kalten Blutes beobachte ich 
die Kontrolle. Auch diese Minuten können noch ein 
furchtbares Verhängnis für mich werden. 
Aber mein Glücksstern erlöscht nicht mehr. Der 
Zug fahrt weiter. Die fetzten Franzosen bleiben zurück. 
Ich bin frei! . . . 
Die Kunde von meiner abenteuerlichen Flucht hat sich 
auf dem Frankfurter Hauptbahnhof schnell rundgespro- 
chen. Die Beamten und das Personal des Zuges um¬ 
ringen und beglückwünschen mich. Herren vom Kasinlo 
bitten mich, am Abend als Gast in ihrer Gesellschaft zu 
weiten. 
Vorerst meld« ich mich bei der Behörde und mache 
dort meine Angaben. Ich erhalte Geld und man weist 
mir als Wohnung ein gutes Hotel am Bahnhof. Ich 
habe die Absicht, am nächsten Mittag weiterzureisen 
In den folgenden Stunden lassen sich durch den Ho- 
tetoirettor einige Herren bei mir meiden. Es sind Re¬ 
porter von Frankfurter Zeitungen. Ich erzähle ihnen 
gern in kurzen Umrissen meine Erlebnisse 
Bereits in der nächsten Nacht trifft mein Vater in 
Frankfurt ein. Er hat die schnellste Fahrtgelegenheit be¬ 
nützt, um zu mir zu gelangen. Die Begrüßung ist wie 
unter Männern, herzlich und kräftig. Und doch stehen 
dem alten, biederen Mann, den ich im Leben noch nicht 
meinen sah, die Tränen in den Augen. Er ist in den 
ersten Minuten unseres Wiedersehens kaum fähig, ein 
Wort zu retten. 
Die Heimfahrt durch die herrlichen Gaue bis ins 
Siegerinnb wird mir fast zu lange. Als endlich die 
Berge der Heimat auftauchen, weiß ich den unerme߬ 
lichen Wert der Freiheit zu schätzen, der mir noch bis 
vor wenigen Tagen unerreichbar schien. 
Die Abendsonne wirft ihre letzten Strahlen über 
das Land, als ich auf dem unscheinbaren Bahnhof mei¬ 
ner Heimat den Zug veriasie. Auf einem (leinen Hü¬ 
gel ragt ein einfaches, schmuckloses Kirchlein gen Him¬ 
mel. Es ist Sonntag. Kein Laut bringt in diesen idylli¬ 
schen Winkel, e 
Wir gehen durch eine Aue. Nach allen Richtungen 
hat das Auge einen weiten Blick über das Land. Berge 
und Täler, Wälder und Felder läsen sich im Landschaft^,- 
bild ab. Die Natur in meiner Heimat zeigt ein voll¬ 
endetes Bild sommerlicher Pracht. Tausende von Baum¬ 
kronen schaffen ein grünliches Blättermeer. Aus tiefen 
Schluchten grüßen saftige Wiesen — der feuerrote 
Abendhimmel taucht alles in ewige Schönheit: den Hü¬ 
gel — die Felder — die Sieg, die durch das Ländchen 
strömt — die Berghänge — das Dorf — die Kirche! .. 
Im Elternhause herrscht grohe Freude. Das Wie- 
Kind 
Adolf Schwob, Bad Homburg v.d.H. 
versehen mit Mutter und Geschwistern und allen lieben 
Bekannten und Freunden wird zu einem Freudenfest. 
Diese Stunde wird mir als Abschluß einer bedrängnis- 
schweren Zeit immer in Erinnerung bleiben. 
Zum Schluß seien nach einige Worte diesem Tat¬ 
sachenbericht beigegeben: 
In den Leidensjahren, die unser Volk von 1911 ab 
durchlebt hat und die nun ihre sieghafte Krönung in 
der einmütigen Wiederbesinnung der Nation auf die 
heiligsten Begrfffe eines Volkes auf Treue und Vater¬ 
landsliebe gefunden haben, war leider vieles verschüttet 
worden, was uns Deutschen stets als erste Tugend galt 
Soldatischer Heldengeist und die Großtaten unserer Ar¬ 
mee wurden oft mit verächtlichen Worten abgetan. Die 
Jugend sah und hörte vielfach nur »oe den Schatten¬ 
seiten des Krieges, van dem großen Völkermorden. Man 
verschwieg ihr, daß ihre Brüder und Väter gern und 
freudig für ihr Vaterland hinausgezogen find und ge¬ 
blutet haben, daß fie mit einem Heroismus, wie ihn kne 
Weltgeschichte noch nicht gesehen hat, in unzähligen sieg¬ 
reichen Schlachten gegen eine Welt von Feinden tapfer 
für Heimat, Volk und Vaterland das Letzte einsetzten: 
das Leben! — 
Besonders das Heer der Kriegsgefangenen war oft 
die Zielscheibe des Spottes. Man beliebte sie hinzustel¬ 
len als Ueberläufer, Drückeberger und antinationale 
Kriegsteilnehmer. Sicher mag es im deutschen Heere, 
das über acht Millionen Soldaten umfaßte, auch solche 
in Einzelfällen gegeben haben. Fast alle jedoch t>aben 
nur ungern die Waffen aus der Hand gelegt, in Ge¬ 
fechts- und Schlachtenfttuationen, wo sie selbst nicht 
mehr über ihr Schicksal zu bestimmen vermochten Sie 
sind ihren Bezwingern mit verbitterter Miene gefolgt. 
Sie haben die andere Front gegen den Feind gebildet, 
wo sie zwar nicht mehr den direkten Gefahren des 
Schlachtfeldes ausgesetzt waren, dafür aber eine endlos 
dünken de Zeit Schmach und Demütigung auf sich nah- 
men. Wie es mir ergangen ist, fo erging es vielen. 
Den vielen Kameraden, die mein Schicksal teilten, 
sei dieses Werk gewidmet! . . . 
Mr duldeten und litten für unser Deutschland! 
Daß die Opfer nicht umsonst gebracht sind, zeigt der 
gewaltige Zug der nationalen Erhebung, die mit un¬ 
geahnten Wellen durch unser Volk geht. 
Möge die neue Zeit der Jugend wieder jene Ehr¬ 
furcht vor den Kriegstellnehmern bringen, wie wir sie 
in unseren jungen Jahren vor den alten Veteranen hat¬ 
ten, wenn fie an Sonntagen ober an trauten Winter¬ 
abenden daheim in den Stuben von ihren Erlebnissen 
erzählten Dann wächst in der jungen Generation wie¬ 
der ein Geschlecht heran, dem Mannesmut und Vater- 
tanb stiebe höchste Werte sind.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.