Full text: Fuldaer Zeitung (1938)

Amtliches kreisblatt 
Fuldaer Zeitung 7lr. 279 
ZRontag, den 5. Dezember ift 
Sie 
darf nicht krächzen, wie ein alter Rabe, 
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ren 
sind 
was bringt uns wiener Modearbeit? 
Gediegene Handwerksarbeit und Sicherheit des Geschmacks im Vordergrund 
Mein Mädel und zwanzig Tiere 
Don all den vielen, reich verteilten Gaben 
die man der Tierwelt beispielhaft entlehnt, 
kann ungezählte jenes Mädel haben, 
nachdem mein Herz sich schon seit langem sehnt. 
Unschuldig wie ein Lamm? — Na, meinetwegen. 
Frech, wie ein S p a tz? — Bielleicht. Teils ja, teils nein. 
Doch zu des Hauses Wohlstand, Glück und Segen 
muß sie so fleißig, wie die Biene sein. 
Dumm, wie die Kuh, steht völlig außer Frage. 
Im Gegenteil: Schlau sei sie, wie ein Luchs, 
und wachsam, wie ein Schießhund, alle Tage 
und listig wie ein ausgekochter Fuchs. 
Schnell, wie das Wiesel oder die Gazelle, 
nicht langsam, wie die Schnecke soll sie sein, 
und munter, wie im Wasser die Forelle, 
und wie ein Reh, so schlank, so scheu und fein. 
Manche Frauen können mit beinahe fachmännischer 
Sicherheit Stoffe auf ihre Bestandteile beurteilen. 
Wolle, Baumwolle, Seide und Kunstseide lassen sich ja 
verhältnismäßig leicht erkennen, schwieriger ist es schon 
mit den verschiedenen Mischgeweben. Es ist aber ganz 
besonders für die Frau wichtig, genau zu wissen, aus 
welchen Rohstoffen Stoffe bestehen, um sie dementspre¬ 
chend sachgemäß zu behandeln, was ganz be onders bei 
der Wäsche wichtig ist. 
Es gibt nun zwei Hilfsmittel, die für die Beurteilung 
von Geweben und Gewirken außerordentlich wertvoll 
sind, die Brennprobe und die Drehprobe. Zur Vor¬ 
nahme von Brennproben zündet man herausgezogene 
Fäden mit einem Streichholz an. Bei der Drehprobe 
werden die Fäden aufgedreht und in Fäserchen zerlegt. 
Es empfiehlt sich, bei gewebten Stoffen Fäden aus 
Kette und Schuß getrennt zu prüfen. 
Tracht, des Dirndls, zur städitschen Kleidung ein ab¬ 
solut natürliches. Die Tracht, in der Zusammenstel¬ 
lung der einzelnen Teile, in Stoffart und Farbigkeit 
streng an die verschiedenen Gegenden gebunden, ist noch 
in aller Frische und Lebendigkeit vorhanden und braucht 
nicht erst künstlich erweckt zu werden. Aber selbst 
wenn die Wienerin — in der Stadt modern an» 
Goethe, Torbole in früheren Zeiten. Das schönste und 
erinnerungsreichste Stück ein feiner, eingelegter Sekre¬ 
tär, an dem der Dichter, wie seine Tagebücher melden, 
an der Iphigenie gearbeitet hat. „Sie ist im Angesicht 
des Sees gut von statten gegangen". Der Wiener 
Goethe-Verein hat 1897 zur Erinnerung daran eine 
Tafel an der rückwärtigen Seite des Hauses anbrin¬ 
gen lassen. Hier, auf der kleinen Piazza, die im Ge¬ 
gensatz zum Hafen wenig belebt ist, fühlt man ganz 
den Reiz des alten Fischer- und Schifferdorfes Torbole. 
Die Rundung des Schwibbogens, der die Cafa Alberti 
trägt, gibt einen Lieblichen Blick auf den See frei, die 
farbigen Häuser glänzen in der Abendsonne wie vor 
ISO Jahren, vor den Obstläden drängt sich eine Far- 
benpracht an bunten Früchten, rotem Paprika, grünen 
Gemü'en, strohumwundenen Chiantiflaschen. Unwill- 
kürlich denkt man an die köstlichen Beobachtungen 
Goethes: daß die Türen keine Schlösser haben, die Fen- 
ster Oelpapier statt Glasscheiben, daß eine gewisse Ge- 
legenheit, auf die man heute noch in romanischen Län- 
dern nicht allzugroßen Wert zu legen scheint, ganz 
fehlt . . . , Leben und Geschäftigkeit sind gleich geblie- 
ben. „Den ganzen Tag vollführen die Nachbarinnen ein 
nein, singen muß sie wie die Nachtigall. 
Sie darf, wenn ich sie in den Armen habe, 
nicht steif sein, wie ein Bock im Ziegenstall. 
Stolz, wie ein Pfau soll sie in Farben schillern, 
doch störrisch, wie ein Esel? Nimmermehrl 
Sie kann tagsüber wie die Lerche trillern, 
doch nachts muh sie dann schlafen wie ein Bär. 
Zu einem Zugeständnis gern erbötig, 
schalt ich zum Schluß noch die Bemerkung rin: 
Sie braucht bei allem nicht, — das ist nicht nötig, — 
so arm wie eine Kirchenmaus zu sein. 
Puck. 
Können Sie Stoffe unterscheiden? 
Textilkenntnis ist die Voraussetzung richtiger Stoffbehandlung 
»Familie" 
So heißt eines der Reliefs von Prof. Josef Thorak am Reichsbankncubau kn der Reichshauptstädt 
die Szenen aus dem menschlichen Leben symbolisieren. (Presse-Hoffmann, 9IL) 
Neben allem was uns die Rückkehr der Ostmark ge- 
schenkt hat, wollen wir eines nicht vergessen, das vor 
allem die Frau nageht und für uns Norddeutsche eine 
groß- Bereicherung bedeutet: die Wiener Mode. Schon 
seit Jahren bemühen wir uns auch in unserer Kleidung 
um einen dem deutschen Menschen und seiner Lebens¬ 
haltung entsprechenden Stil, eine Loslösung von frem¬ 
den Einflüssen. Dies ist uns zum Teil schon gelungen, 
vor allem auch in der Verwendung des aus deutschen 
Rohstoffen gewonnenen Materials. Was Wien uns 
bringt, ist aber noch etwas anderes, etwas, das in der 
ganzen Welt einen guten Namen hat: gediegene und ge- 
schmackvolle Handwerksarbeit. 
Vom Wiener modeschaffenden Handwerk sind uns 
im Altreich in erster Linie Leder, und Wirkwaren be¬ 
kannt. Beide vereinigen in ausgeprägtem Maße her¬ 
vorragendes handwerkliches Können und einen vorneh¬ 
men, gediegenen Stil. Während man bei uns gewöhnt 
ist, solche Arbeiten nur fertig zu kaufen, findet man 
in Wien eine große Anzahl von Geschäften, di« den 
Vermerk tragen ,,Eigene Erzeugung". Man findet in 
diesen kleinen Läden, oft in den Nebenstraßen des 
Houptgeschäftsoiertels, Dinge von einem Geschmack und 
einer Korrektheit der Verarbeitung, daß man immer 
aufs Neue überrascht und entzückt ist. Bezeichnend ist 
hier, daß mit der Herstellung von Waren für den Fer- 
tigverkauf die Arbeit auf Bestellung parallel läuft. 
So können immer besondere Wünsche der Kundin ous- 
geführt werden, die entweder eigene Angaben macht 
oder sich vom Geschäft beraten läßt. 
Wir Frauen im Altreich sind in dieser Beziehung 
weniger verwöhnt und daher mit der Zeit recht an- 
spruchslos geworden. Denn selbst in unseren großen 
Städten ist es schwer, Geschäfte zu finden, die gewillt 
sind, auf unsere Sonderwünsche einzugehen. Allenfalls 
kommt einmal die maschinelle Nacharbeitung eines vor¬ 
handenen Stückes in anderem Material oder einer an¬ 
deren Farbe in Frage; alles übrige aber hat bei fabri¬ 
kationsmäßiger Herstellung schon eine erhebliche Preis¬ 
erhöhung zur Folge oder ist aus sonstigen Gründen zu 
umständlich 
Auch von Kunstgewerbe in unserem Sinne kann 
man in Wien auch kaum sprechen. Dort herrscht noch 
das Handwerk in seiner ursprünglichen Form vor: Der 
Erzeuger ist aus seiner Vertrautheit mit dem Material 
und durch die enge Verbindung mit dem Verbraucher 
selbstschöpserisch Diese Art der natürlichen Produkti- 
vität, die noch gesund und fest im Boden der Ueberliefe- 
rung wurzelt und mit ihren Kräften den Anforderun¬ 
gen des modernen Lebens voll und ganz zur Verfü¬ 
gung steht, macht sich überall bemerkbar. Man spürt 
auf wohltuende Weise, daß hier der Faden zwischen 
Vergangenheit und Gegenwart, zwischen dem volks¬ 
tümlichen Wert, und Schönheitsempfinden und dem¬ 
jenigen des technischen Zeitalters nicht abgerissen ist. 
So ist z. B. auch das Verhältnis der bäuerlichen 
stets kleine Verdickungen, „Leinenknötchen" genon* j 
Gerade an letzteren ist Flachs leicht zu erkennen. 
Die Baumwollfaser brennt ähnlich wie der Flach, j 
mit heller, rasch weitergehender Flamme, die Asche» | 
rückstände sind meistens schon durch den Zug der 1 
Flamme verflogen. Brandgeruch wie verbranntes Pa, 1 
pi«r. Baumwolle gibt bei Reißproben einen dumpf« | 
Ton, die Faserenden sind leicht gekräuselt. Auch die z 
Drehprobe ist wichtig: Baumwollfasern können nie ] 
länger als 4 Zentimeter sein. Wenn sich also beintg 
Aufdrehen des Fadens längere Fasern ergeben, tann 1 
es niemals Baumwolle sein. Als Besonderheit ist jti 
beachten, daß Baumwolle (im Gegensatz zu Flachs) ] 
m der Faser sehr gleichmäßig ist und wärmeren Griff | 
hat. Mercerisierte Baumwollgarne oder Gewebe ha- 1 
ben einen gewissen Glanz. 
Die Brennprobe am Wollfaden ist besonders interes-1 
sank. Wolle brennt nicht mit offener Flamme, sonder» j 
schmilzt gewissermaßen zusammen. Di« Asche ist ein 1 
blasenartiges Gebilde. Beim Verbrennen riecht sie noch 
verbranntem Horn. Wolle zerreißt mit einem noch 1 
weicheren Ton als Baumwolle. Die stehenbleibende» g 
Fäserchen sind noch krauser als bei Baumwolle. Die I 
Wollfaser ist kaum an der Faserlänge feftzuftellen, da I 
sie sehr lang ist und nur schwer, ohne zu reißen, aus J 
dem Faden genommen werden kann. Längere FaserD 
deuten auf Kammgarn, kürzere auf Streichgarn hin. | 
Alle Wollerzeugnisse fühlen sich warm an. Wollene V 
Strickgarne sind besonders voluminös. 
Auch Seide läßt sich auf di« gleiche Weise prüfen. 1 
Beschwerte Naturseide verbrennt mit kleiner Flamme! 
und hinterläßt gewissermaßen di« versengte Struktur I 
des Gewebes. Unbeschwert« Naturseide hinterläßt da- 
gegen, ähnlich wie Wolle, blasige und harte Asche, i 
Brandgeruch, im Gegensatz, zu Kunstseide, nach Horn! * 
Fäden aus Naturseide zerreißen mit sehr hellem Ton, 1 
da der Naturseidenfaden aus endlosen Fäden besteht, 
die sich dadurch nicht auseinanderziehen können, son- ] 
dern alle zerreißen. Eben wegen dieser endlosen Fä- - 
den wird die Drehprobe bei der Naturseide immer we- = 
nig Ergebnisse erzielen. Die Unterschiede zwischen be- i 
schwerter und unbeschwerter Naturseide werden jedem, ■ 
der beide Stofforten einmal nebeneinander vergleicht, ’ 
sofort auffallen. 
Und nun zu den „neuen" Stoffen, zuerst zur Kunst- i 
seide, Viskosekunstseide und Kupferkunstseide brennen 
wie Baumwolle. Acetatkunstseide schmilzt in den mei« s 
sten Fällen zu einer schwarzen, harten Kruste bei leich¬ 
tem Geruch noch Essigsäure. Nitratkunstseide brennt 
ebenfalls wie Baumwolle. Kunsffeide zerreißt wi« Na» i 
turfeibe mit Hellem Klang, do die Fasern ja auch end» i 
los sind. Die Einzetfäden spreizen sich. Bei der Dreh- s 
probe gilt das gleiche wie bei Naturseide. 
Wird Zellwolle der Brennprobe unterworfen, so 
zeigt sich, daß sie genau so brennt wie die Kunstseide des • 
«leichen Herstellungsverfahrens, also „Zellwolle nach ; 
dem Viskoseverfahren" wie Biskosekunstseide, „Zellwolle i 
nach dem Kupferverfahren" wie Kupferkunsffeide, ,L«ll» s 
wolle nach dem Acetotverfahren" wie Acetatkunstseid«. 
Zellwolle zerreißt ähnlich wie Baumwolle mit dump¬ 
fem Ton. Di« stehenbleibenden Fäserchen sind je nach 
dem angewandten Spinnverfahren mehr ober weniger 
lang unb bick. Versuche an ber ga,erlange kann man 
bei Zellwolle nicht zu Dergleichszwecken aufstellen, da 
die Fasern in allen Längen, je nach dem Derwendungs- ' 
zweck, hergestellt werden. Zellwolle ist besonders schwer 
von anderen Rohstoffen zu unterscheiden. 
gezogen — zu Hause oder im Gebirge diese Tracht 
anlegt, wird sie damit nicht zum „Salondirndl", weil 
ihr trotz ihres städtischen Lebens nicht das Gefühl dafür 
verloren gegangen ist, daß eine Tracht in ihrer Ge¬ 
bundenheit geachtet werden muß und nicht nach modi- 
schen Grundsätzen behandelt werden darf. 
Diese Sicherheit des Geschmacks, das Gefühl für 
das Schöne und Maßvolle, ist der rote Faden tat ge¬ 
samten Modeschasfen Wiens. Die Rückkehr Wiens ins 
Reich wird daher unser Streben nach gediegener Hand- 
werksarbeit in allen Dingen unseres persönlichen Le¬ 
benskreises durch sein Vorbild fördern, und das in den 
tefeten Jahren wieder erwachende Vertrauen zu unse- 
Handwerkern stärken und unterstützen. 
Auf Goethes Spuren in Torbole 
Alles noch wie vor 150 Zähren 
»Wie sehr wünschte ich meine Freunde einen Au¬ 
genblick neben mir, daß sie sich der Aussicht freuen 
könnten, die vor mir liegt---". Ich stehe am 
Fenster des Hauses in Torbole, wo Goethe am 12. 
September 1786 diese Zeilen schrieb. Vor mir liegt 
der tiefblaue Gardasee, dessen Wellen die Ora, der 
täglich zur gleichen Zeit einsetzende Südwind, aufwühlt. 
Den einzig schönen Blick hat Goethe gezeichnet — bis 
auf die beiden roten Häuser rechts am Hafen und die 
neue breite Straße, die sich am See hinaufzieht, ist 
alles noch so wie vor hundertfünfzig Jahren. Das steil 
abfallende Gebirge von Campione leuchtet im Süden in 
der Sonne, der Monte Brione steigt hinter den Zitro¬ 
nengärten von Limone steil in die Höhe, rotbraune Se¬ 
gel stehen gegen den hellen Himmel auf dem dunklen 
See. 
Der Dichter hatte im Gasthof zur Rose Quartier 
genommen beim gemütlichen Signor Alberti, dessen 
Urenkelinnen noch jetzt das Haus bewohnen und das 
Goethezimmer als kostbaren Schatz hüten. Ob man es 
sehen dürfte, hatten wir den Zeitungshändler gefragt 
— er wisse es nicht, es sei „private", das Haus Alberti. 
Aber das freundliche, kleine Dienstmädchen, das auf 
unser Klopfen dort erscheint, kommt nach kurzer Zeit mit 
der frohen Botschaft wieder, daß wir willkommen feien. 
Ehrfürchtig betrete ich den halbdunklen Raum im ersten 
Stock — ein deutscher Maler hat dort nebenan schon 
seit 30 Jahren sein Heim aufgeschlagen. Als die Lä¬ 
den geöffnet werden, flutet die Sonne über ein breites 
Bett mit rötlicher Steppdecke, über ein ungemein zier¬ 
liches eingelegtes Nachttischchen, über den einfachen 
Waschtisch in der Ecke, der von einem verblichenen Vor¬ 
hang umgeben ist. An der Wand Bilder, Zeichnungen: 
Nehmen wir zuerst Flachs-Leinen. Flachs brennt 
mit heller, schnell weitergreisender Flamme. Aschen- 
rüdftänbe hinterbleiben kaum, der Geruch fft wie bei 
verbranntem Papier. Bei ber Reißprobe zeigt sich, daß 
die Leinenfaser verhältnismäßig fest ist und mit hel- 
lern Ton zerreißt. Die gerissenen Enben sind verhält- 
nismäßig glatt, die dennoch zu sehenden Fäserchen 
fang unb glatt. Die beim Aufdrehen des Fabens her- 
auszunehmenben Faferbiindel sind bei Flachs bis 10, 
die einzelnen Fäserchen ungefähr zwei Zentimeter lang. 
Vorsichtiges Vergleichen kann allerlei Aufschluß geben. 
Läßt man Seinen durch die Hand gleiten, so zeigt sich, 
daß sich bas Gewebe kühl anftihlt. Im Garn " 
Geschwätz, ein Geschrei und haben alle zualel» , 
SU tun, etwas zu schaffen - ich habe noch k»« 'S 
ges Weib gesehen ..." So ist es noch fjeute - 
ders die waschenden Weiber unten am See f;„x °n‘ 
köstliches Bild. |lnb ei, 
Zwei kleine Gäßchen gehen nach verschieben-» 
ten des Dorfes. Wir schreiten in der abendlichen ' 
zwischen efeubewachsenen Steinmauern die alte «t ? 
nach Nago hinaus, bis wir die hochgelegene Barocks 
erreichen. Auf der mit Cypressen und Oliven bw* 
denen Terrasse hat man einen einzigschönen Blick 
See und Berge und das fruchtbare Land. Unabsekk.^ 
Rebenreihen, darunter Mais und Weizen, dann wi 
Maulbeerbäume, Weiden und die phantastisch gefan». 
Olioenbäume, deren Silbergraugrün so gut jum 
wahrscheinlichen Blau des Sees steht. Etwas w-,S 
oben ist der Punkt, von dem aus Goethe zum erft 
M°l« tn bas eigentliche Italien hineinschaute und 
ganzen Zauber des Südens voll empfand. Wie »„2 
gedenkt man an diesem linden Abend seiner aus tut 
ftem Herzen kommenden Worte: „Und nun roenn 
Abend wird, bei der milden Luft wenige Wolken 2 
den Bergen ruhn, am Himmel mehr stehen als jieb~ = 
und gleich nach Sonnenuntergang das Geschrill« h2 
Heuschrecken laut zu werden anfängt, da fühlt man iu 
einmal in der Welt zu Hause und nicht wie aebnr2 
oder im Exil . . . H 
Rose Dittmann-o. Aichberger. 
Stauen in USA. 
Srauenftjpen durch die Landschaft bedingt — Gegensätze in Stadt und Land 
Von keinem anderen Land der Erde gibt es so viele 
sich widersprechenden Berichte, wie gerade von den Ver¬ 
einigten Staaten von Nordamerika Wen wir von den 
alleroberflächlichsten Erzählungen absehen, so ist doch 
so ziemlich alles wahr, was wir über das Land ber 
Wolkenkratzer unb enbtofen Ebenen hören. Mit einer 
Einschränkung: jeher Bericht ist nur für ben kleinen Teil 
dieses riesenhaften Landes wahr, von bem er zufällig 
fjanbclt. Die vielen falschen Vorstellungen, bie über 
Amerika herrschen, entstehen teilweise baburch, daß bie 
meisten Stubienreifenben nicht weit über Newyork hin- 
auskommen, höchstens noch bie großen Stabte bes Ostens 
kennenlernen, unb bann bas, was sie sahen, als für 
ganz Amerika gültig hinstellen Sie denken nicht daran, 
daß sie ein Land vor sich Haden, in dem z. B. die Reise 
von ^Newyork nach Los Angeles siebenmal oierundzwan- 
zig Stunden dauert, d. h. genau so fang, wie wenn wir 
von Berlin nach Teheran fahren wollten. Wie un- 
fintaiZ wäre es, wollten wir zum Beispiel die Lage der 
Frau in London studieren und dann behaupten, daß 
sie bezeichnend für die Frau in ganz Europa und einen 
guten Teil Asiens fei! Soviel ist natürlich richtig, daß 
sich eine gewisse Gleichartigkeit der Haltung, 
ja ber Kultur in bem ganzen norbamerikanischen Erb- 
teil entwickelt hat, von Mexiko abgesehen, besten Sied- 
ler sich mit den Eingeborenen vermischten und eine in» 
bionisch-spanische Bauernkultur hervorgebracht haben. 
Jeboch flnb ben einzelnen amerikanischen Gebieten ge¬ 
mäß sehr oerschiebene Frauentypen unb 
Frauenschicksale in diesem Land vereint. 
Die ältesten Siedlungsgebiete liegen im Osten unb 
im Süden ber Vereinigten Staaten. Während der pro¬ 
testantische Osten mehr bäuerliche Siedlungen hervor¬ 
brachte, entwickelten sich im Süden die großen Baum¬ 
wollplantagen mit der weißen Frau als Herrin des 
weitläufigen Betriebes. Im Kern sind jene alten bauer» 
lichen Gebiete heute noch dort erhalten, wo die Aus- 
dehnung der Städte sie nicht aufgeschluckt hat, und die 
Frau ist dort eben, wie in anderen bäuerlichen Gegen- 
den der Erde, bie treuforgenbe Hausmutter, 
die allerdings bei weitem nicht mit so viel schwerer 
Landarbeit belastet ist, wie etwa unser« Landfrauen. 
Sogar das Versorg«» des Viehs und das Melken wird 
in vielen Gegenden vom Mann besorgt. Im Haus selbst 
sorgen Pumpen für eine ausreichende Wasserzufuhr. 
Elektrizität wird selbst erzeugt oder von Fernzentralen 
geliefert, und so ist auch die Landfrau frei für mancher¬ 
lei Sereinstätigteit, obwohl natürlich die Dorratswirt¬ 
schaft unb einige herkömmliche Hausindustrien, wie die 
Herstellung von dünnen, bunten Steppdecken, mehr Hin¬ 
gabe an den häuslichen Kreis von ihr fordern, als von 
der Stadtfrau. 
Je mehr wir uns jedoch von dem dichtbesiedelten 
Osten entfernen, desto mehr geraten wir in gänzlich ab¬ 
geschlossene Gebiete, bereit Vorhandensein wir in dem 
für unsere Begrife so durch unb durch „zivilisierten" 
Amerika nicht vermuten würben. Es gibt in Ken¬ 
tucky halbbäuerliche Siedlungen, die kaum mit der 
Außenwelt in Verbindung standen, und die man erft 
ganz allmählich der Zivilisation erschließt. Zu betonen 
ist Zivilisation, denn kulturell betrachtet sind diese 
Siedlungen durchaus nicht tiefstehend, sie haben ihren 
eigenen Volkslied- und Balladenschatz, ihre eigenen reli¬ 
giösen Gebräuche. In diesen Siedlungen hat es die 
Frau sehr schwer. Sie zieht den Pflug gemeinsam mW 
dem Mann, ist Aerztin chrer Familie und bringt ihre 
Kinder meist ohne jede Hilfe zur Welt. Erst in aller- 
neuester Zeit hat man berittene Schwestern in 
diese Gebiete geschickt, die den Frauen helfen sollen unb 
oft auch kranke Kinder in die hunderte von Meilen ent¬ 
fernten Krankenhäuser bringen. 
Die Grenze ber Vereinigten Staaten, das heißt die 
Grenze ber benebelten Gebiete, hat sich in jüngster Ver¬ 
gangenheit nach bem Westen hin ausgedehnt, in einem 
Kampf gegen ein hartes Klima, gegen Urwald unb 
Prärie. Diesen Kampf hat die amerikanische Frau als 
gleichwertiger Gefährte neben dem Mann 
ausgefochten. Was zu einem Teil die große Hochschät- 
zung erklärt, die der amerikanische Mann der Frau ent¬ 
gegenbringt, die Höflichkeit und Schonung, mit der er 
sie umgibt. 
Die Frauen der Großstadt dagegen haben viel von 
diesem Pioniergeist der Farmerfrau verloren. Diele von 
ihnen sind ja auch — und bas dürfen wir bei einer 
Beurteilung nie vergessen — schon als Entwurzelte 
nach Newyork und in andere groß« Städte gekommen 
und haben nur die Früchte genossen, die bas groß« 
Opfer unb bie Entsagungen ber Pionierfrauen hervor» 
brachten. So flnb jene Zierpuppen entstanden, die 
der SSergnügungsreijenbe auf Fisch Avenue bewundert, 
oder die uns oft der Hollywoodfilm vor Augen führt. 
Jedoch ist auch die amerikanische Stabtfrau bewunderns¬ 
wert rührig und leistet oft Unmenschliches. In einem 
Wirtschaftssystem, das nur auf den größtmöglichen Ver¬ 
dienst weniger Leute zugefchnitten ist, muß auch die 
Frau einfach schaffen, denn Frauenlöhne sind niedriger 
als Männerlöhne, und so ergibt sich bas auch aus der 
Systemzeit so wohlbekannte beöagensroerte Bilb, baß 
die Frau bie Familie erhält, während ihr 
Mann unb ihre Söhne arbeitslos sind Sie sind be¬ 
rufstätig, versorgen nebenher ihren Haushalt, 
der genug Arbeit bereitet, unb haben dabei immer noch 
Zeit in chren Vereinen unb Klubs wertvolle sozial« 
Arbeit zu leisten. Natürlich hat diese Ueberlastung 
der Frau beklagenswerte bevölkerungspolitffche Folgen, 
unendlich viele Kinder bleiben ungeboren, und immer 
mehr warnende Stimmen erheben sich im Interesse des 
Volksganzen. Ob Amerika stark genug fein wird, ben 
weltanschaulichen Wandel burchzumachen, der allein auch 
auf diesem Gebiet eine Lösung bringen würde, bleibt 
abzuwarten. Aber es ist sicher, daß ein solcher Wandel 
für Amerika notwendig ist und einmal kommen wird. 
Felicitas Daniel». 
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