Full text: Fuldaer Zeitung (1938)

Zwischen «ltStt und VogklSbLkg 
«■"* *» «■**«Pie taglidle der Fuldaer Zeitung bc„ ,5. , 
Wmterarbeit im Walde 
Auf seinen Gängen durch die Reviere, die er täglich 
unternimmt, stellt der Forstmann Betrachtungen an, 
die vor allem einer Verbesserung des Waldes gelten. 
Ihm ist ein wichtiger Teil vom Eigentum des Volkes 
zur Verwaltung in die Hände gegeben. Er mutz da¬ 
für sorgen, daß der Wildbestand weiter gedeiht und, 
wo es angängig ist, durch neue Kulturen vermehrt wird 
In enger Fühlung mit dem Förster arbeitet die Ge¬ 
meindeverwaltung. Beide stellen alljährlich einen Forst¬ 
kultur- und Hauungsplan aus, bei dem die technische 
Seite vom Förster und die finanzielle Seite von der Ge¬ 
meinde erledigt wird. 
Die Beobachtungen, die der gewissenhafte Forst¬ 
mann das ganze Jahr hindurch in seinem ihm anoer¬ 
trauten Wald anstellt, werden von ihm festgelegt 
Bäume, die in ihrem Wachstum zurückgeblieben und 
verkrüppelt sind, und Bäume, di« über kurz oder lang 
absterben, müssen entfernt werden, weil sie durch ihr 
Vorhandensein andere in ihrer Entwicklung hindern. 
Auch zu bichten Baumgruppen schenkt der Forstmann 
ein Augenmerk, und so kommt es, daß alljährlich in 
unseren Wäldern Holzfällerarbeiten in erheblichem Um¬ 
fange durchgeführt werden. An Hand des Forstkultur- 
und Hauungsplanes hat der Förster eine klare Heber- 
sicht über die Arbeiten im Walde. Er hat errechnet, 
wieviel Festmeter Brennholz und welche Menge Nutz¬ 
holz anfallen und welche Fläche der Aufforstung zur 
Verfügung steht. Aus diesem Plan spricht nicht allein 
die Pflege um den Bestand des Waldes, sondern auch 
eine grundsätzliche Ueberlegung und Erfahrung in der 
Wirtschaftlichkeit des Waldes 
So geht es nun an die Winterarbeit im Walde 
heran. Die Bestellung der Holzfäller besorgt der För¬ 
ster. Er muß Fachleute haben, die ihm auch die Wirt¬ 
schaftlichkeit des Waldes sichern helfen Das Holzfäl¬ 
len muß verstanden fein. Die Männer müssen wissen, 
wie man mit Säge, Beil und Axt umzugehen hat. 
Im Dritten Reich wird der Forstmann vor neue 
Ausgaben gestellt, die in Verbindung mit der Durch- 
sührung des Vierjahresplanes stehen. Der große Wert 
des Holzes, der große Nutzholzbedarf Deutschlands und 
die vielseitige Verwendbarkeit des Holzes zu den ver¬ 
schiedensten wirtschaftlichen und technischen Gebrauchs¬ 
gegenständen machen es notwendig, daß das Holz mit 
Sorgfalt gehauen wird, damit es den Zwecken zugeführt 
wird, für die es verwendbar und gebrauchsfähig ist. 
Noch niemals war der Nutzholzbedarf fo bedeutend wie 
heute. Aber auch noch niemals hat in der Kulturge¬ 
schichte und im Leben der Menschheit das Holz eine 
derartige Bedeutung gehabt, wie das heute der Fall ist. 
Während noch bis vor kurzer Zeit das Holz zum weit¬ 
aus größten Teil ausschließlich als Bau-, Gruben-, 
Möbel-, Handwerkerholz und als Heizmaterial Verwen¬ 
dung fand, spielt es heute für die deutsche Industrie 
eine wichtige and bedeutende Rolle. Es hat sich erge¬ 
ben, daß das Holz so wertvolle und vielseitig verwend¬ 
bare Eigenschaften enthält, wie man früher niemals 
vermutet hätte. Es ist der deutschen Wissenschaft und 
Forschung gelungen, aus dem Holz so viele und bedeu¬ 
tende Bestandteile herauszuziehen, daß es für die deut¬ 
sche Wirtschaft und menschliche Bedarfsdeckung unent¬ 
behrlich geworden ist. 
Die frühere, man mochte fast sagen, verschwenderische 
Verwendung des Holzes zu Brennmaterial hat heute 
oufgehört. Zu Brennholz darf nur solches Holz ge¬ 
nommen werden, das sich nicht für eine andere Ver¬ 
wendung eignet. Holz ersetzt in vielen Fällen das 
Eisen und sonstige Metallteile, es wird zu Zell- und 
Faserstoff, zu Nähr- und Futterstoffen und zur Her¬ 
stellung von Wolle, Seide und Kleiderstoffen verwendet. 
Nicht vergessen werden dars in diesem Zusammenhang 
die Gewinnung von Benzin, Holzessig und Holzspiritus. 
Wenn zur Winterzeit unser Wald von den Aithleben 
und den in Betrieb genommenen Sägen durchhallt, so 
sei daran erinnert, daß unter Leitung der Forstbcam- 
ten wertvolle Arbeit geleistet wird für die deutsche 
Wirtschaft, für unser Volk und Vaterland. 
Die kleinen Heimatnadiriditen 
Petersberg. (Kleine Notizen.) In wochenlan¬ 
ger Arbeit haben der BDM und die Iungmädel in 
diesem Jahre wieder einen nennenswerten Beitrag für 
das Winterhilfswerk geleistet Während der BDM Ge¬ 
brauchsgegenstände für Kleinkinder anfertigte, hatten 
sich die Iungmädel die Aufgabe gestellt. Spielfachen zu 
fchaffen. Es war eine reine Freude, all diese Kleinarbei¬ 
ten zu sehen, die in diesem Jahre in unermüdlicher 
Arbeit von den Mädels angefertigt wurden. — Seit 
einigen Tagen steht in der Mitte des Dorfes an der 
Dorflinde der Weihnachtsbaum, der allabendlich in Hel¬ 
lem Lichterglanz erstrahlt — Die Zahl der Rundfunk- 
höher in unserer Gemeinde hat im letzten Jahre eine 
bedeutende Steigerung erfahren Von 130 Geräten stieg 
die Zahl auf 174, d. h. ein Drittel der ansässigen Fa¬ 
milien besitzt jetzt einen Radio. 
Bab Salzschlirf. (Meisterprüfung.) Vor der 
Prüfungskommission der Handwerkskammer Kassel be- 
stand der Maler Richard Baier aus Bad Salzschlirf die 
Malermeisterprüfung. Dem jungen Meister für die 
Zukunft die besten Wünsche. 
Hünfeld (Hohes Alter.) Am heutigen Tage feiert 
Frau Maria Helmer, geb. Witze! in der Breitzbach bei 
körperlicher und geistiger Rüstigkeit im Kreise ihrer An¬ 
gehörigen den 80. Geburtstag. Auch unsererseits herz¬ 
lichen Glückwunsch. 
Buttlar. (Unfall). Dieser Tage verunglückte auf 
der Zeche ,,Sachsen Weimar" das Gesolgschaftsmitglied 
Anton Niebel von hier durch herabstürzende Kalimassen 
Niebel erlitt einen doppelten Knöchelbruch und befindet 
sich im Knappschaftskrankenhaus in Salzungen. 
hersfeld. (Schwerer Verkehrsunfall). Ge¬ 
stern vormittag ereignete sich auf der Alsfelder Starß« 
ein schwerer Verkehrsunfall. Ein Personenwagen 
fuhr gegen einen Lastkraftwagen und wurde dabei so 
stark beschädigt, daß er abgeschleppt werden mußte. Der 
Fahrer des Personenwagens erlitt dabei erhebliche Ver¬ 
letzungen 
Gelnhausen. (Jagdvergehen.) Der 47 Jahre 
alte Georg Schilling aus Somborn erhielt vom Schöf¬ 
fengericht Hanau wegen Jagdvergehens 9 Monate Ge¬ 
fängnis. Die seit dem 15. Juli 1938 währende Unter¬ 
suchungshaft wurde ungerechnet. Bei einer angeordneten 
allgemeinen Durchsuchung fand man bei ihm Jagdgerä 
in großer Zahl, alte Gewehre, eine als ausgesprochen» 
Wilddiebswasfe zu bezeichnende Stockflinte, Tellereisen 
u. a. Wegen Jagdfrevels zweimal vorbestraft, geriet er 
in Haft und mußte sich am 14. Dezember vor dem 
Schöffengericht Hanau verantworten. 
Hanau. (Ehrung eines Industriellen., 
Die im Jahre 1923 gegründete und aus der Firma Plo 
tinschmelze W. C. Heraeus heroorrgegangene Heraeus- 
Vacuumschmelze 21. G. veranstaltete aus Anlaß der Fer 
tigfteUung neuer Werkbauten eine Feierstunde, bei bei 
der Betriebsführer Dr. Rohn einen Ueberblick über den 
Aufstieg des Werkes gab. Im Namen der deutschen 
Technik und der deutschen Wissenschaft überbrachte Pro¬ 
fessor Masing von der metallkundlichen Fakultät der Uni¬ 
versität Göttingen Glückwünsche und teilte mit, daß der 
Kleine Geisaec Nachrichten 
Geisa. Auf der Hauptstraße in der Nähe von Butt¬ 
lar (Rhön) verunglückte ein Geisaer Kaufmann mit 
(einem Personenwagen. Infolge der glatten Straße 
verlor der Fahrer die Gewalt über seinen Wagen und 
landet« im Straßengraben. Das Auto, welches ver¬ 
hältnismäßig wenig beschädigt war, wurde vom Reichs¬ 
arbeitsdienst Buttlar wieder flott gemacht. — Fast zur 
selben Zeit verunglückte auf der Straße Geisa—Vacha 
infolge der an diesem Tage besonders glatten Fahr¬ 
bahn ein anderer Geisaer Kaufmann mit seinem Per¬ 
sonenkraftwagen. Er fuhr einem haltenden Milchwagen 
entgegen, zog wohl zu stark die Bremsen und stteß in¬ 
folgedessen mit dem Milchauto zusammen. Das Auto 
des Fahrers wurde durch den Zusammenprall erheblich 
beschädigt und mußte abgeschleppt werden. Glücklicher¬ 
weise kam der Fahrer mit Hautabschürfungen davon. — 
Am gleichen Tage verunglückte auch ein hiesiger Arzt 
mit seinem Auto auf der Straße Geisa—Rasdorf. Er 
geriet mit feinem Wagen an einer frifch aufgefchütteten 
Stelle der Straße ins Schleudern und fuhr gegen einen 
Leitungsmast. Infolge dieses Unfalles zersplitterte die 
Windschutzscheibe, wobei der Fahrer einige Schnittwun¬ 
den im Gesicht davontrug. Der Wagen war ebenfalls 
so stark beschädigt, daß er abgeschleppt werden mußte. 
In diesem Jahre erstrahlt zum ersten Male wieder 
"^GiM 
- - - 
Unser großer Weihnachtswunsch 
Eine neue Aufnahme von Arlberg, wo schon vorzügliche Schneeverhältnisse herrschen. Von dieser 
Abfahrt am Steilhang können wir vorläufig nur träumen. (Weltbild, Zander-Multiplex-M.) 
Betriebsführer Dr. Rohn zum korrespondierenden 
glied der Wissenschaften an der Unioerfität©ötttaJ » 
ernannt worden sei. 9cn 
Gladenbach. (Großfeuer in einer Schrei 
nerei.) Dieser Tage kurz vor Mitternacht entstand 
in Holzhausen in der Großschreinerei von Ludwig Tren 
ker u. Sohn Großfeuer. Die Ortsfeuerwehr, wie die 
Wehren von Gladenbach, Herzhausen und Siebenten? 
eilten zur Hilfeleistung herbei, konnten aber nicht mehr 
verhindern, daß die Werkstatt mit allem Inhalt von 
fertigen und in Arbeit befindlichen Möbelstücken völlia 
vernichtet wurde. Das Wohnhaus erlitt nur geringere 
Beschädigung. Ebenso konnten die Holzvorräte gerettet 
werden. 
Alsfeld. (Den Verletzungen erlegen) Der 
,8jährige Landwirt Johannes Liehr aus Oberfeiberten- 
rob wurde vor zwei Wochen von einem Kraftwagen 
überfahren und schwer verletzt. Er ist nun feinen Ser- 
letzungen in der Klinik in Gießen erlegen. 
der Weihnachtsbaum am Marktplatz vor dem Rathaufe 
Die Naturfichte, die etwa 30 Meter lang ist und sich 
in unmittelbarer Nähe des Adolf-Hitler-Platzes befin- 
bet, wirb ebenfalls wie in den vorigen Jahren im Lich¬ 
terglanze erstrahlen. Di« Anbringung der Lichter be- 
deutet für di« Monteure immer eine schwierige Arbeit. 
Das Ueberlandwerk Rhön besorgt anerkennenswerter 
Weise Montage und Strom kostenlos, wofür die Bevöl- 
kerung von Geisa dankbar ist. 
Acht Jahre Zuchthaus für Dr. Schmelzer 
Hanau. Am fünften Verhanblungstage des Hanauer 
Schwurgerichts gegen den der gewerbsmäßigen Abtrei¬ 
bung angeklagten ehemaligen praktifchen Arzt Dr. med. 
Otto Konrad Schmelzer aus Büdesheim verkündete der 
Vorsitzende des Schwurgerichts, Landgerichtsdirektor 
Schaafs folgendes Urteil: „Der Angeklagte wird unter 
Freisprechung im übrigen wegen gewerbsmäßiger voll- 
enbeter Abtreibung in drei Fällen und wegen versuch¬ 
ter gewerbsmäßiger Abtreibung in einem Falle zu einer 
Gesamtzuchthausstrafe von acht Jahren verurteilt. Auf 
die erkannte Strafe werden neun Monate der seit dem 
29. Juli 1937 währenden Untersuchungshaft angerech. 
net. Dem Angeklagten werden die bürgerlichen Ehren¬ 
rechte auf die Dauer von zehn Jahren aberkannt und 
außerdem die ärztliche Berufsausübung auf die Dauer 
von fünf Jahren untersagt. 
Am schrankenlosen Weoübergans 
Auto mit 3 Insassen vom Zug überfahren 
Gießen. Auf der Bahnstrecke Mücke-Laubach, nahe 
beim Bahnhof Mücke, überfuhr am Mittwochfrüh ge¬ 
gen 7.15 Uhr ein Personenzug, der von Laubach kam, 
auf dem schrankenlosen Bahnübergang über die Land¬ 
straße Gießen—Alsseld ein mit drei Personen besetztes 
Auto. Sämtliche Insassen — Viehhändler aus dem 
Westerwald — wurden erheblich verletzt und mußten 
nach Gießen in die Klinik eingeliefert werden. 
Der Viehhändler Willi Werkensen aus Bettersen bei 
Altenkirchen erlitt Schädel- und Brustoerletzungen, sein 
Sohn Heinrich, der das Auto lenkte, trug Kopfverletzun¬ 
gen und einen Unterkieferbruch davon. Der Mitfahrer 
Christian Müller aus Heuberg im Bezirk Altenkirchen 
erlitt gleichfalls erhebliche Kopfverletzungen Die Schuld- 
frage ist noch nicht geklärt. Inzwischen ist Willi Wer- 
kensen in der Gießener Klinik gestorben. Das Besin- 
den der beiden anderen Verletzten gibt zu Befürchtun¬ 
gen keinen Anlaß. Zur Zeit des Unfalles herrschte in 
der Gegend des Bahnüberganges starker Nebel. 
lIsIsIllIIlIl!sIsIsWIIIIsIsIsWsisI!!!isisIsIsi!!!si!sisssisisis!i!i!i!Is!!isIsIIs!si!issi»s,sssI,!IsI!,sIsI!IWsssssI»W 
Mitteilung an unsere Lan-bezieher 
Infolge höherer Gewalt konnte unsere Zeitung ge¬ 
stern einem Teil bet Bezieher aus dem Lande nicht 
pünktlich zur gewohnten Stunde zugestellt werden. 
Peter (Dendts berQhmte Frau 
Ein Roman von Künstlertum und Ehe 
36| Von Else jun^-Lindemann 
Urheber»Re<htssdtatz: Drei Qgellen-Verlag, Königsbrack <Bez. Dresden 
Er schaut« Bruder und - Schwägerin an. Diese bei¬ 
den Menschen paßten zueinander, da würde es wohl 
kaum jemals Schwierigkeiten geben. Sange Jahre 
hatten sie in brieflichem Verkehr gestanden, und dieser 
Gedankenaustausch hatte viel zu dem jetzigen guten Ver¬ 
hältnis beigetragen. Di« Ausschaltung der persönlichen 
Nähe hatte sie gezwungen, sich durch bas geschriebene 
Wort mitzuteilen. Fragen und Antworten hatten ihre 
Wesenheiten, ihre Interessen, ihr Wollen und Planen 
geklärt. Jetzt konnten sie aufbauen. 
Und doch! Peter beneidete sie nicht. Sein eigenes Ge¬ 
schick, so schwer es ihm nach Ginas Fortgang erschienen 
war, hatte heute nichts Hoffnungsloses mehr. In ihm 
war ein untrügliches Gefühl, daß Gina und er zusam¬ 
mengehörten und daß sie den Weg zueinander finden 
würden. 
Da war in Rom ein alter Arzt gewesen, dem Peter 
sich einmal in einer guten Stunde anvertraut hatte. 
..Erobern Sie sich Ihre Frau zurück", hatte er gesagt, 
„aber fangen Sie es klug an. Wenn Sie ihr begegnen, 
bann zeigen Sie ihr den überlegenen Mann Seien Sie 
ritterlich, aber fordern Sie nicht, daß Sie zu Ihnen 
zurückkehrt Sie muß freiwillig kommen, dann erst wird 
Ihre Ehe von Dauer fein." 
Heute abend war die Festvorstellung. Heute abend 
würbe Peter wieder auf feinem Platz in ber ersten 
Parkettreihe sitzen und Gina sehen 
Wenn er daran dachte, spürte er Erregung und un¬ 
geduldige Erwartung 
Fritz und Tilde würden auch dabei sein Die beiden 
Glücklichen ahnten nicht, wie heiß er diesem Abend 
• • __ Ä ÄI das altbewährte 
Krugerol Hustenbonbon 
l<htnurimOr«ngebeutel 
> 
entgegenwartete Sie scherzten und lachten miteinan¬ 
der und waren sich selbst genug 
Nun gingen sie durch den Tiergarten. Herb duftete 
es nach welkem, nassem Laub Schwarz und seucht hin¬ 
gen die kahlen Zweig« über ihnen, und die Luft war so 
mild, daß man es kaum glauben konnte, daß Weihnach¬ 
ten vor der Tür stand. 
„Am Heiligen 2Ibenb ist unsere Verlobung, unb Ostern 
heiraten wir", sagte Friedrich 
„Dann müßt Ihr auch nach Groß-Karschin kommen." 
„Versteht sich. Junge, ich wünschte, daß bis dahin 
auch zwischen Gina und dir wieder alles in der Reihe 
wäre." 
Tilde schob ihre Hand in Peters Arm. 
,Lch wünsche es dir auch", flüstert« sie chm leife zu. 
■A iCiEfix! 
we*l5S _ flüssig 
Peter nahm den Hut ab und atmete tief die herbe 
Luft ein. 
„Laßt nur, es braucht alles seine Zeit. Wir haben 
ja gestern abend darüber gesprochen, Fritz." 
Friedrich Wendt nickte und verstand, daß der Bruder 
nicht mehr davon reden wollte. 
* 
Gina kam von ber Prob«. Nun ging sie langsam 
durch die Tauentzienstraße, blieb hier und da vor den 
Geschäftsauslagen stehen ^ind Mit« lähmende Müdigkeit 
in allen Gliedern. 
Monatelang hatte sie angespannt gearbeitet, und be- 
sonders die letzten Wochen waren ein« Zeit härtester 
Arbeit und Konzentration gewesen Eisern hatte sie sich 
gezwungen, ihre Gedanken nicht abschweifen zu lassen, 
die quälenden Fragen und Zweifel zu überwinden, die 
sie bedrängten. 
Es waren so viele Fragen, auf di« sie selbst keine 
Antwort fand. Und immer war es Peter gewesen, um 
den sie kreisten 
Auch Groß-Karschin konnte sie nicht oergeffen. 
Niemals hatte sie 2arm und Hast der großen Stadt 
so betäubend und nervenzerrüttend empfunden wie in 
diesen vergangenen Monaten. Niemals hatte sie sich 
so nach der Stille und Einsamkeit Groß-Karschins ge¬ 
sehnt wie in diesen letzten lagen vor Weihnachten. 
Si« durfte nicht an das Fest vor einem Jahre denken, 
an den stillen, weihnachtlichen Zauber des großen Saa¬ 
les, in dem die fRiefentanne hinter einer langen, weiß- 
gedeckten Tafel gestanden hatte. Durfte sich nicht er¬ 
innern, welchen Eindruck es auf sie gemacht hatte, als 
die Gutsleute kamen, um mit ihrem Herrn und seiner 
jungen Frau bas Weihnachtsfest zu feiern. 
Alte unb junge Leute unb die vielen Kinder. 
Wie sie bann gesungen hatten, ein wenig scheu und 
ein wenig falsch, aber doch innig und bewegt 
Ja, auch Gedichte hatten di« Kinder aufgesagt, ängst¬ 
lich unb schnell, währenb ihre Augen schon über bi« Ga¬ 
bentische gehuscht waren . . . 
Nicht benten, Gina. Sich nicht erinnern, wie es 
war, als sie bann mit Peter allein feierte. 
Wie viele schöne und kostbare Gaben hatte er ihr 
aufgebaut: Kleider, Schmuck, Blumen und Bücher 
In diesem Jahre würbe sie einsam fein. Aber auch 
Peter war allein, irgenbroo. Vielleicht in Rom? Viel- 
leicht aber auch schon auf dem Heimweg? 
Das war nun alles vorbei. Sie selbst hatte ees so ge¬ 
wollt. Gina Wendt war nun wieder Gina Holl, und 
was sie im letzten Jahre durchlebte, hatte sie reifen 
lassen. 
Jetzt war Knörr endlich mit ihr zufrieden. 
„Das Jahr Ihrer Eh« ist Ihrem Schaffen zugut« ge¬ 
kommen". hatte er gesagt. 
Wirklich Doktor? Ach, niemand ahnte, auch Knörr 
nicht, wie es in ihr aussah. Er wußte nicht, daß der 
Erfolg, der stürmisch« Beifall, den sie errang, sie nur 
anfänglich über sich selbst hinausgehoben hatte Daß er 
Die formschöne D a U C r W6 I I 6 
aus dem ‘btisieZSaiwi Stack, Mittelstr'*42 
zu verblassen begann, daß sie ihm nicht mehr so viel 
Wert beimessen konnte. 
Alles hatte allmählich ein anderes Gesicht bekommen 
Manchmal geschah es, daß sie mitten im Spiel an Groß- 
Karschin denken muhte, daß sie die Worte, die sie sprach, 
bi« Gesten, bi« ihr bie Rolle vorschrieb, unwirklich unb 
maskenhaft empfanb. 
Wozu bas alles? Warum stehe ich hier, spreche 
Worte einer anberen, gestalte Leben uitb Schicksal einer 
Fremben unb habe doch eigenes Leben und Schicksal 
nicht gestalten können, weil ich dieser Ausgabe nicht ge¬ 
wachsen war? 
Welch ein Hohn! 
Man feiert mich als eine große Künstlerin und Men- 
Ichengestatterin, aber im wahren, wachen Loben ver¬ 
sagte ich. 
Warum habe ich mich Peter gegenüber nicht behaup¬ 
tet? Warum arbeitete ich nicht an ihm, unb mit ihm? 
Weil ich meine Kunst für bas wahre Leben hielt unb 
von Erfolg und Ruhm träumte. Weil ich glaubte, noch 
nicht genug erlebt und geleistet zu haben, um an einem 
stillen, zurückgezogenen Dasein Genüge zu finden. 
Wir haben beide Fehler gemacht, Peter, und nun ist 
es zu spät, sie zu ändern. 
Gina überquerte den Wittenbergplatz und betrat den 
U-Bahnhof. Sie woltle nach Hause fahren. Aber was 
war bas für ein Zuhause, bas auf sie wartete? Ein 
Zimmer in ber Pension Kelling in Westend mit frem¬ 
den Möbeln und Dingen. Fremde Menschen ringsum, 
mit denen man nur wenig sprach. 
Niemand war in dem großen Berlin, der zu Gina 
gehörte. 
Einmal hatte sich Dr. Wmzel bei ihr melden lassen. 
Aber bas Zusammensein war nur kurz unb unerfreu¬ 
lich gewesen. Wenzel war mit Hoffnungen zu ihr ge¬ 
kommen, die sie nicht erfüllen konnte. 
„Gehen Sie heute auch zu der Festoorftellung im 
Deutschen Schauspielhaus?" hörte sie ein« Männer¬ 
stimme sagen. 
Zwei Herren gingen hinter ihr bie Treppenstufen 
'm Bahnhof hinunter. Es waren unbekannte Stimmen, 
und Gina lächelte nicht einmal, war nicht stolz, als ber 
Sprecher ihren Namen nannte unb sagte. „Die Holl ist 
ein« ganz große Schauspielerin. Sie müssen sie unb«» 
bingt sehen. Der Erfolg der Premiere im Herbst hat 
noch immer nicht nachgelassen, und der heutig« Abend 
wird besonders festlich werden." 
Gina fühlte Nervosität, wenn sie an den Abend 
dachte. 
Nur heute noch durchhalten, dann gab es ein paar 
Ruhetage, hatte Knörr ihr versprochen. Herta Torrmann 
sollle an den nächsten Abenden für ske einspringen. 
Als Gina am Schalter stand, stieß eine junge Frau 
sie versehentlich an, wandte sich um und murmelte eine 
kurze Entschuldigung. 
Dieses Gesicht kannte Gina doch? 
War das nicht . . ? Natürlich I Plötzlich wußte 
Gina, daß sie sich nicht getäuscht hatte 
Sie eilte der schlanken, jungen Dame nach, die eben 
durch die Sperre ging, holte sie auf dem Bahnsteig ein 
und legte ihr leicht die Hand auf die Schulter. 
„Hilde . . hast du mich wirklich nicht erkannt?" 
Die junge Frau drehte sich um 
(Fortsetzung folgt.) 
Reißverschlüsse 
zum Auseinandernehmen, für Jacken, 
Westen usw. haben wir In vielen Far¬ 
ben und Längen vorrtätig. 131« 
Hempel 
Fulda, Marktstr. 9
	        
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