Full text: Fuldaer Zeitung (1832)

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Zeitung. 
  
  
N'’: 15. 
Sonntag, den 15. Januar. 
1832. 
  
  
Reich der Todten. 
Elysium, den 13. Januar 1832. 
Wer gibt dem Volke die nächſte Richtung der 
Sitten und der Gerechtigkeit? Antw. Die 
Pfarrer und die Amtleute. 
z Von diesen eine Zeitung. 
Wenn keine Bauern, keine Ackersleute, kurz, 
wenn keine Dörfer wären, so wären auch keine Städte. 
Wer gibt dem Fürſten, dem Minister, dem Adel, dem 
Künſtler, dem Handels- und Handwerksmann Brod, 
Fleiſch, Wein, Suppe, Rindfleiſch, Sauerkraut u. s. w. ? 
Der Bauer. Und wer könnte ohne genannte Gegen- 
ſtände leben? Niemand. Nicht einmal ein Holländer, 
der seinen Magen doch so ziemlich an Stockfisch, Hä- 
ring, Thee u. s. w. gewöhnt hat. Also man mag den 
Fabrikanten, den Kaufmann, den Mackler, meinetwe- 
gen den Advokaten, den Regierungsrath, den Hof- 
rath, den Obergerichtsrath, den Kommerzienrath, den 
Finanzrath, den Geſundheitsrath, Gewiſſensrath, Hof- 
kammerrath, Kommissionsrath, Legationsrath und alle 
dergl. rathende Stände (wohl gemerkt: Räthe haben 
wir genug, wenn wir nur mehr Vorcräthe hätten.!) 
erheben, wie man will, so wird doch kein Bauer, folg- 
lich auch kein Rindfleiſch, keine Suppe, kein Sauer- 
kraut, kein Wein, kein Brod, kein Gebratenes und 
kein gesottenes Ragout herauskommen. Aber mit 
dem Begriffe und Ehrentitel eines Bauern kömn:t 
all dergl. nothwendiges Eßzeug heraus. Ja noch mehr 
~ wenn man ſogar alle Univerſitäten und gelehrte 
Gesellſchaften zuſammenhacken wollte, so kommt. nicht 
einmal eine Schüſſel Sauerkraut heraus. Der Bauer 
allein ernährt alle Stände ~ sich ernährt er ziemlich 
mager, andere nach ihrer Gebühr. Also merkt es, 
meine Herrn, wenn ihr bei einem Bauern vorbeigeht, 
ſo macht ein tiefes Kompliment: Gehorsamſter Diener 
Herr Bauer! ~ Aber dieser Bauer, dieſer Ernährer 
aller Excellenzen, (Gnädigen, Geſtrengen, Wohlgebor- 
nen, Hochgeehrteſten, hofräthiſchen und auch Korpos- 
ral- und Generalſtände, woher bekömmt er seine Sitten 
und die Ordnung seiner Sittlichkeit? ~ Von Sr. 
Hochwürden dem Herrn Pfarrer und Sr. Geſtrengen, 
dem Herrn Amtmann. Der eine verspricht ihm den 
Himmel, der andre die Gerechtigkeit. Und mit dem 
Himmel und der Gerechtigkeit wird der Bauer ſo 
ſchón regiert, daß er ganz zufrieden ſeiner Arbeit nach- 
geht und glücklich für sich und andre die Lebensbahn 
dieser bucklichen Welt durchwandert. 
Der Pfarrer soll sein ein Heiliger, ein Sitten- 
lehrer, ein moraliſcher Bildhauer, ein Rathgeber, ein 
Vertrauter, ein Unterrichter der Redlichkeit, ein Er- 
zieher guter Menschen. O wenn das iſt, dann braucht 
man keinen Amtmann, keine Gerechtigkeit, keine Exe- 
cution. Der Heilige wird lauter Heilige bilden, und 
untec Heiligen iſt der Amtmann überflüssig! Ja frei- 
lich, wenn der Pfarrer allzeit Heilige machte, und 
wenn er auch allzeit heilig wirkte! Aber leider kön- 
nen die Sittenlehrer nicht übrall durchdringen, und 
da muß freilich der Amtmann mit der Gerechtigkeit 
hintendrein kommen. Wer iſt alſo Schuld, wenn ein 
Bauer ein Verbrechen, ein Vergehen begeht? ~ Der- 
jenige, der ihn gebildet, der ihm die Sittlichkeit und 
die Tugend einprägen ſollte. Und wer iſt dieser im 
Dorfe? Der Pfarrer und der Schulmeiſter. Also 
wenn ein Verbrechen in der Gemeinde geſschieht, so 
ſoll man den Pfarrer und den Schulmeiſter ſtrafen, 
weil sie die Bildung des Verbrechers vernachläßigt 
haben. Ja, zum Henker! Wer wollte hernach Pfar- 
rer und Schulmeiſter werden? Ich gewiß nicht. – 
Wenn man bedenket, daß der ergiebigſte Zweig 
des Staates in Dörfern sein Dasein hatz daß drei 
Viertheil von Europa die Erde bearbeitet, um das 
vierte Viertel in den Städten zu erhaltenz daß diese 
drei Viertel bloß allein von Amtleuten und von Pfar- 
rern in guten Sitten, in Gerechtigkeit, in Zufriedenheit 
ind Eintracht erhalten werden müſſen, so iſt es gewiß, 
bag ein Amtmann und ein Pfarrer die wichtigſten Glie- 
der des Staates sind. Welche erhabene Pflichten liegen 
auf diesen zwei Personen wie verehrungswürdig ſind 
ſie, besonders wenn sie mit einander in Eintracht leben, 
wenn ſie sich gegenseitig hilfreiche Hand bieten, vnn 
sie den nämlichen uneigennützigen Zweck der guten 
Ordnung und des Glückes des Volks vor Augen ha- 
ben! ~ Der Pfarrer bildet die Denkart der Menſchen 
zur Zufriedenheit, zur Tugend; und der Amtmann / 
ſichert Jedem sein Eigenthum. Aber leider! wie oft ( 
geſchieht es, daß diefe zwei Glücksbeförderer des Volks 
   
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